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Leben und Werk von Johannes Dose

DOSE, Johannes Valentin, evangelischer Theologe und mit über 30, oft mehrfach aufgelegten Werken zu Lebzeiten einer der bedeutendsten protestantischen Erzähler Norddeutschlands, wurde der bereits im Vorwort erwähnten dänischen Quelle zufolge am 23.8.1860 [laut seines autobiografischen Romans »Der Muttersohn« ist allerdings der 10.8 sein Geburtstag] im damals schleswigschen Dorf Öddis (nahe dem heute dänischen Haderslev; zuvor Hadersleben) geboren und starb am 11.2.1933 in Haderslev. Für den später gefährdeten Erhalt seiner Grabstätte auf dem dortigen Assistentsfriedhof hatte sich erfolgreich u.a. der frühere schleswig-holsteinische Minister- und spätere Landtagspräsident Dr. Helmut Lemke eingesetzt, der sich auch lange nach dem Tod des Autors um Doses Anerkennung als Schriftsteller bemühte, dessen Werke seinerzeit in 15 verschiedenen Verlagen [Alster Verlag; Verlag von Friedrich Bahn; Verlag von Hans Bartholdi; Verlagshandlung der Anstalt Bethel; Falkenroth-Verlag; Verlag Hachmeister & Thal; Verlag von Max Hansen; Hinstorff'sche Verlagsbuchhandlung; Westdeutscher Jünglingsbund; Verlag G. Koezle; Verlag von Johannes Räde; C. Schaffnik-Verlag; Thienemann-Verlag, Verlag von E. Ungleich; Sächsischer Volksschriftenverlag] erschienen waren. Trotz dieser Fülle an Werken sind die bislang vorliegenden biografischen Angaben über den einstigen Erfolgsautor lückenhaft und stützen sich nach derzeitigem Recherchestand (August 2010) zumeist auf Doses eigene Angaben im »Muttersohn«, wobei – wie bereits im Vorwort dargelegt – bislang offen bleiben muß, welche Angaben in Doses autobiografischem Roman auf Tatsachen beruhen und welche dem Roman-Charakter des Werkes geschuldet sind.

Aus Unterlagen im »Gemeinschaftsarchiv des Kreises Schleswig-Flensburg und der Stadt Schleswig« (Melderegister der Stadt Schleswig) lässt sich folgern, dass Doses Mutter Helena Maria Dose, geborene Ritter, verheiratet mit dem Polizeidiener Jens Jacobsen Dose, war. Laut Angaben aus dem Archiv von Haderslev war der Vater Kirchendiener und Friedhofsverwalter; laut »Muttersohn« war Doses Vater zunächst Totengräber und Tagelöhner und später Gerichtsdiener. Der dänischen Quelle zufolge hatte Johannes Dose die Kathedralschule in Haderslev besucht und ab 1880 in Kiel und Leipzig Theologie und Philosophie studiert; im »Muttersohn« dagegen wird nur e i n Studienort benannt. Insbesondere aufgrund der Vermögensverhältnisse von Doses Eltern ist aus Sicht d. Hg. davon auszugehen, dass der Autor, schon aus Kostengründen, sein Studium in der nächstgelegenen Universitätsstadt absolvierte; somit in Kiel und folglich nicht in Leipzig studiert hatte.

In einem Anhang zu Doses offiziell [vgl. Vorwort] erstem Roman »Der Kirchherr von Westerwohld« erwähnt ein Professor Karl Kinzel, Dose habe sein Studium mit Auszeichnung bestanden, aufgrund unglücklicher Umstände jedoch keine Pfarrstelle erhalten und sei deshalb verbittert in die USA ausgewandert. Laut dänischer Quelle strebte Dose dagegen nach Abschluß seines Studiums aus privaten Gründen kein Pastorenamt an. Laut »Muttersohn« dagegen wurde Dose das Opfer der Verkettung unglücklicher Umstände: In den ersten 30 Jahren seines Lebens hatte Dose stets zu spüren bekommen, dass er – geboren als »Nachzügler« und [nach zwei Schwestern, eine davon blind] als drittes Kind armer Eltern – in »einfachste« Verhältnisse hineingeboren worden war und im/vom Leben stets benachteiligt wurde: Seine Eltern hatten nicht jährlich 24 Taler Schulgeld und nur dank eines pensionierten Pastors, der das Schulgeld für den aufgeweckten Tagelöhners-Sohn bezahlte, konnte der Autor die höhere Schule besuchen; als der Pastor starb, drohte schulisch das Aus, doch Dose erhielt aufgrund seiner Begabung einen Freiplatz am Gymnasium. Als Kind armer Leute schien trotz guten Abiturs Doses Wunsch zu studieren unerfüllbar; einziger Ausweg war ein Stipendium, doch das konnte nur gewährt werden, wenn Dose – entgegen seiner Absicht – Theologie studierte. Mit gutem Abschluß und in der Rekordzeit von sechs Semestern absolvierte Dose sein »Brotstudium« der Theologie, um nolens volens dann eben als Pastor endlich in finanziell geordneten Verhältnissen leben zu können. Doch wieder spielte ihm das Schicksal übel mit: Da er sein Studium in Rekordzeit absolviert hatte, war er im Alter von erst 23 Jahren noch zu jung, um eine reguläre Pfarrstelle zu erhalten. Dose erhielt lediglich eine schlecht bezahlte Stelle als deutscher »Hilfspastor« im dänischen Nordschleswig. Wann immer dem hochbegabten und -qualifizierten Sproß armer Eltern – mit großem sozialem Engagement und hoher Begabung zum Predigen – »die Galle überlief«, griff er zur Flasche. Als er, »gut deutsch« eingestellt – was immer das sei –, bei einer Feier eine prodänische Agitation unterband, hängte man ihm aus Verärgerung heimlich eine dänische Fahne an den Pastorenrock. Das reichte aus, dass Dose seine Hilfspastorenstelle verlor und ihm klar gemacht wurde, dass er auch auf absehbare Zeit keinerlei Kirchenamt in Aussicht habe. Damit hatte der Theologe »umsonst« studiert, alle seine Mühen, auch alle Opfer seiner Eltern und Geschwister waren vergeblich gewesen. Ohne berufliche Perspektive in seiner Heimat. suchte Dose nun sein Glück als Amerika-Auswanderer.

Laut dänischer Quelle war Dose 1889 für einige Jahre nach Nebraska auswandert. Dort soll er als Privatlehrer gewirkt haben. Ein Indiz dafür, dass Dose seinerzeit in Salem/Nebraska lebte, könnte seine Publikation »Unbekannte Helden« (vgl. Werkverzeichnis Punkt 12) sein. Dort wird ein Sioux-Aufstand in jener Zeit und Region beschrieben, in der sich Dose seinerzeit aufgehalten haben könnte. [Möglicherweise ist auch »Friedlieb« (vgl. Werkverzeichnis Punkt 30) im Zusammenhang mit Doses Erlebnissen als Amerika-Auswanderer in Verbindung zu bringen; das konnte vom Hg. noch nicht überprüft werden, weil dieses Werk bislang unauffindbar war.]

Eine andere Version findet sich im »Muttersohn«: Danach war Dose nach seiner Fahrt per Schiff von Hamburg nach New York per Zug in die Nähe von Kansas City gefahren, zum einen, um dort möglicherweise eine Anstellung als Pastor zu finden, und zum anderen, um in diesem »Abstinenz-Staat« Kansas dem Alkohol zu entfliehen. Die Dose in »Bellavista« angebotene Pastoren-Stelle war jedoch mit lediglich 200 Dollar Jahresgehalt dotiert; wie der Autor selber vorrechnet, wären ihm nach Abzug seiner Kosten für Unterkunft und Verpflegung ganze 18 Dollar pro Jahr »freies Geld« verblieben. Dose nahm daraufhin eine Stelle als Farmgehilfe an – laut Roman zufällig bei einem Onkel väterlicherseits, der nach der Schlacht bei Schleswig als gefallen galt, jedoch desertiert, in die USA ausgewandert und dort zu Wohlstand gekommen war. Bei einem Blizzard gerät Dose in Lebensgefahr, schwört für immer dem Alkohol ab, überlebt und tritt das Erbe seines Onkels an, der bei eben diesem Blizzard ums Leben kam. Mit 40 000 Mark geerbtem Vermögen kehrt Dose fünf Jahre nach seiner Auswanderung in die Heimat zurück, kauft sich in Nordschleswig einen Bauernhof, widmet sich historischen Studien und beginnt mit der Schriftstellerei.

Laut dänischer Quelle kehrte Dose um 1893 nach Deutschland zurück und lebte zunächst [wie auch der Eintrag im Melderegister der Stadt Schleswig belegt] am Wohnort seiner Mutter, in Schleswig. Dass er sich laut des erwähnten Melderegisters noch 1896 offiziell als »Predigtamtscandidat« bezeichnete, könnte ein Indiz dafür sein, dass er noch immer auf eine Pfarrstelle hoffte; ebenso gut aber könnte Dose diese Bezeichnung allerdings gewählt haben, um sich als Akademiker bzw. als ausgebildeten Theologen auszuweisen. Ob Dose verheiratet war und/oder Nachkommen hatte, ist bislang unklar. [Ein bekannter dänischer Journalist namens Johannes Dose ist nach eigenen Angaben nicht mit ihm verwandt, auch nicht (soweit sie telefonisch oder per email bislang erreichbar waren) andere Personen namens ›Dose‹ , die im Telefonbuch/Internet auffindbar waren.]

Als gesichert kann gelten, dass Dose aufgrund seines gut und in Rekordzeit absolvierten (und somit wohl zeitintensiven) Theologiestudiums, seiner anschließenden vorübergehenden Auswanderung nach Amerika und aufgrund seiner von ihm selbst in seinen Büchern mehrfach erwähnten Vorgehensweise erst ab seiner Zeit in Schleswig, also nach 1893, schriftstellerisch tätig wurde: Dose beschrieb – meist historische – Begebenheiten erst dann, wenn er die behandelte Region (wozu er vor 1893 kaum Gelegenheit gehabt haben dürfte) zu Fuß durchwandert und genaue Vor-Ort-Recherchen angestellt hatte. Vieles spricht dafür, dass er auch in Archiven forschte und sich auf »oral history« stützte. Aufgrund der gesicherten oder mutmaßlichen Erstausgaben zahlreicher früher Werke von Dose müssen aus Sicht d. Hg. diese oder zumindest entscheidende Vorarbeiten bzw. Konzepte/Entwürfe bereits in Doses Schleswiger Zeit verfasst bzw. erarbeitet worden sein. 1902, nach dem Tod seiner Mutter, zog Dose nach Lübeck, wo er als Privatlehrer und Schriftsteller wirkte, und zu einem derzeit noch unbekannten Zeitpunkt verlegte er seinen Wohnsitz von Lübeck nach Haderslev, wo er laut dänischer Quelle nach langer Krankheit starb. Offenbar war »Steinbeil und Bronzeschwert« (1924), sein letztes Werk, in dem Dose den Stoff der »Höhlenkinder-Trilogie von Theodor Sonnleitner aufgriff und die Entwicklungsgeschichte der Menschheit von der Stein- bis zur Bronzezeit beschrieb und als Schauplatz die Ostseeküste wählte. Selbst in diesem Roman mit einer Handlung lange vor Christi Geburt geht es Dose wie bei nahezu allen [d. Verf. bislang näher bekannten] Publikationen um Religion und Moral und dies – überraschend bei einem Theologen – literarisch meist eingebettet in eine Liebesgeschichte. Auch viele seiner Buchtitel deuten es an: Offenbar ohne jemals als regulärer Gemeindepastor auf einer Kanzel gestanden zu haben, wollte Dose sein Anliegen als (seinerzeit jedem Gedanken der Ökumene fern stehender) überzeugter Protestant vortragen; wenn nicht als Pastor per Predigt, dann eben als protestantischer Autor per Buch, wobei zeitgenössische Literaturkritiker Doses Stil wiederholt mit Werken von Theodor Storm in Beziehung setzen. [Zur besonderen Bedeutung seines Werkes »Der Muttersohn« siehe Vorwort.]

Vergleichsweise billige Taschenbücher gab es vor über 100 Jahren noch nicht, für viele Zeitgenossen Doses waren Bücher Luxusgüter. Selbst von den »Buddenbrooks« des spätern Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann waren 1901 zunächst nur 1 000 Ex. gedruckt worden und mit 12 Mark (geheftet) bzw. 14 Mark (gebunden) verlief der Verkauf zunächst schleppend. Von den über 30 Titeln Doses wurden zahlreiche Werke mehrmals aufgelegt und »Frau Treue« (vgl. Werkverzeichnis Punkt 6) erlebte sogar mindestens 15, »Der Kirchherr von Westerwohld« (Punkt 14) mindestens 10 und »Im Kampf um die Nordmark« (Punkt 13) mindestens 8 Auflagen. Trotz der oft wenig aussagekräftigen Buchtitel waren viele seiner Bücher zwei Jahrzehnte lang lieferbar, »Frau Treue« stieß sogar von 1901 bis mindestens 1935 auf das Interesse der Leser.

Davon ausgehend, dass Dose erst ab 1893 als »verhinderter Pfarrer« zum Buchautor wurde und seine Tätigkeit als Schriftsteller aus Krankheitsgründen um 1924 – neun Jahre vor seinem Tod – aufgeben musste, hat Dose in diesen 32 Jahren 32 Bücher mit insgesamt fast 10 000 gedruckten Buchseiten verfasst, also in mehr als drei Jahrzehnten Jahr für Jahr ein Buch veröffentlicht; obwohl er persönlich oder per Post mit 15 Verlagen bzgl. Manuskriptangeboten, Honorarverträgen und Korrekturen korrespondieren musste, er seine Themen genau recherchierte und dabei die jeweiligen Regionen zu Fuß durchwanderte und obwohl es damals zur Arbeitserleichterung weder elektrische Schreibmaschine, noch Computer und Internet gab – eine außerordentliche Lebensleistung.


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