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Dyrrachium

 

Der Empfang

Vor einem der Lustschlösser bei Konstantinopel steigt, nach beendeter Hirschjagd, der Kaiser eben vom Pferd, da stürzt ihm ein skythischer Läufer zitternd zu Füßen.

Meldet die feindliche Landung.

Eingefroren in Entsetzen steht die Suite. Nur Alexios neigt sich ruhig, die Riemen an den Sportschuhen zu lösen, ruft heiter über seine Schulter:

»Jetzt wird gespeist, dann wollen wir beraten, wie Bohemund empfangen werden soll.«

Allerdings hatte er seit einem Jahr kaum anderes getan, als über diesen weltentscheidenden Empfang beraten und ihn dann auch vorbereitet, so heimlich wie grandios. Daher die Ruhe. Im Gegensatz zur Volkspanik. Diese wurde unvermeidlich durch das sichtbare Teil von des Kaisers kolossalen Maßnahmen.

Die gesamten Reserven hatte er einberufen, bei allen Randvölkern immer noch Söldner angeworben, aus dem Orient die Truppen Kantakuzens und Monastras nebst diesen selbst zurückbeordert. Nur erprobten Generalen ließ er die Kommanden. Mit Quilij Arslan, noch wütend auf den Normannen wegen des entgangenen Lösegeldes, schloß er ein Bündnis gegen diesen. Jetzt würde Bohemund auch die Seltschuktürken auf byzantinischer Seite finden. Die drei Flotten von Asien, Europa und dem Archipel, verstärkt noch durch die venetianische, sollten in die dalmatinischen Gewässer fahren, um die Verluste Kontostephanos weit mehr als auszugleichen, überdies war sämtlichen Küstenstädten, trotz ihres Murrens, anbefohlen worden, noch weitere Biremen, Triremen, Chalandien und Galeeren sofort auf Kiel zu legen.

Keine Provinz des Imperiums, die nicht bis ins Mark erzitterte unter dieser Umgestaltung, deren Ausmaß den ganzen Ernst der Lage wies. Dazu kam, daß ein geschweifter Irrstern, an Größe ohne Beispiel, vierzig Tage und Nächte lang mit seiner Strahlung, als Vorläufer der »Weltunruhe in Person«, die Byzantiner fast von Sinnen brachte. Sogar die Statue Konstantins des Großen auf seinem Forum schwankte und verlor den Kopf.

Unheimliches genug blieb somit weithin sichtbar, während leider heimlich bleiben mußte, was beruhigend hätte wirken können; denn außer einem engsten Fachkreis ahnte niemand und durfte niemand etwas ahnen von den jüngsten Leistungen zum Schutz Dyrrachiums. In diesem westlichen Einfallstor staken ja die Schlüssel zum Gesamtreich. Die Via Egnatia, von hier aus zu erreichen, führte dann durch Makedonien gradhin auf die »gottbeschützte Stadt« los. Und Gott mochte sie beschützen, wenn dieser fürchterliche Feind, der durch Monate ihr geheimstes Netzwerk an Verteidigungen von innen aus als Kenner abgetastet hatte, mit unverletztem Riesenheer schon nach zwei Wochen Eilmärschen sie anfiel; das eroberte Dyrrachium, Kriegshafen wie Landburg, als Rückendeckung und zum Nachschub von der See her.

Gewiß, erst würden die Legionen sich dazwischenwerfen, wohl bei Thessalonich; doch der gigantische, schlaue, skrupellose Kreuzzugsführer, so kühn wie kriegserfahren, mochte die offene Feldschlacht mit dem Kaiser sogar suchen. Und einmal vor Byzanz, ließ er sich gewiß nicht zwischen Goldenes Horn und Mauer zwängen, in diesem wie in allem anderen ungleich dem Herzog von Bouillon.

Viel, sehr viel hing bei dem kommenden Ringen um die Weltgeltung vom Widerstand Dyrrachiums ab.

Doch man wußte nur, dort sei zum Herzog des Sebastokrators Isak Sohn, ein kaiserlicher Neffe also, ausersehen. Alles andere blieb Geheimnis. Und Geheimnistuerei wirkt zu Kriegszeiten nichts weniger als beruhigend.

Bei idealem Rückenwind war Bohemunds Transportflotte unterdessen zu Avlona im Epirus gelandet. Ihr ungeheures Getöse blieb, wie Ohrenzeugen behaupteten, die ganze Überfahrt hindurch auf beiden Ufern dieser schmalsten Stelle der Straße von Otranto deutlich hörbar. Jedenfalls trieb es Kontostephanos mit seinen geschwächten Kräften statt zum Angriff in die Flucht, was kein Einsichtiger ihm verübeln konnte.

Begeistert über den gelungenen Anfang ergossen sich die Angreifer nun längs der Küstenebene nordwärts, Dyrrachium zu. Plündernd, Vorräte erraffend, Festungen überrennend.

Eines Abends sprang vor dem Zelt des Feldherrn ein Mann von seinem arabischen Vollblut, er selbst im einfachen Lederkoller, mit umschnürten Beinlingen und dem langgespitzten Wikingerschild. Grüßte aber griechisch:

»Chaire!«

»Sieh da! Herr Seneschal, kommt Eure Hervorragendheit bereits mit einem Friedensangebot des gottförmigen Weltkaisers?«

»Im Gegenteil. Mit einem kriegerischen Angebot im eigenen, schlichten Namen, so es erlaubt ist.«

»Also wieder einmal rückläufig, mein Überläufer. Und wie mag sich das auf hochdero zwanzig thessalische Landgüter, Silberbetten, Goldgeschirr, Marstall, Dampfbad und Privatorchester auswirken?«

»Dürfte alles bereits konfisziert sein«, lachte Guy. »Was tut's, in deinem Sold werde ich mich bald entschädigen können.«

»Bilde dir nur das nicht ein, ich zahle keinem mehr als – –«

Und nun hub zwischen diesen Brüdern eine Feilscherei an, wie nur Normannennerven imstande sind, sie auszuhalten.

Um jeden Goldsou Löhnung, jedes Viertelpromille an Beute fauchten sie gegeneinander und hielten jeder an seinem Ende mit Zähnen und Klauen fest, wie rivalisierende Panther am geschlagenen Wasserbüffel. Nur ihre Augen, jetzt schillernd zwischen grün und blau, Gier und Glück, konnten den inneren Jubel kaum verbergen.

Während dann Guy gegen feindliche Entsatzversuche den Bewegungskrieg auf der Ebene in Gang hielt, begann Bohemund sofort die wissenschaftliche Belagerung Dyrrachiums.

Bereits einmal hatte er, noch halber Knabe, an der Seite seines Vaters Guiscard, gerade diese Festung eingenommen; jetzt, mit zwanzigfach gesteigerter Erfahrung, gab es nach menschlichem Ermessen hier keinen Fehlschlag. Sogar vor Thessalonich war er dann beinahe schon gestanden, als ihn der Erbstreit nach Apulien vom sicheren Sieg zurückriß. Nun, diesen Feldzug sollte niemand ihm verpfuschen dürfen.

Aus Spaniern, Kelten, Franken, Deutschen, Vlamen, Angelländern bestand Armee und Unterführung, doch gab es einen einzigen Feldherrn nur: ihn selbst, nachdem Europas etwas orientmüder Hochadel sich gerne hatte überreden lassen, diesmal nicht persönlich mitzutun, wie beim ersten Kreuzzug. Dafür Soldaten, Geld und Material zu liefern gegen Beuteanteil, käme es zur Teilung von Byzanz. Wichtige Kommanden gab der einzige Oberherr nur Grafen seiner eigenen Sippe, jenen wie Salerno, Albered, Cognano, Huphrey, Ralph dem Roten, Sourdeval, die schon bei Dorylea dabeigewesen, den »Turm der beiden Schwestern« erklettert, die Tore Antiochias mit ihm gemeinsam von innen aufgebrochen hatten. Halsstarrige Kerle manchmal, nur mit furchtbar harter Hand zu zügeln, ging es ums letzte, aber unvergleichlich.

Tancred blieb unterdessen Syrien anvertraut.

Als Kriegsingenieur, besonders Fachmann für Belagerungen, hatte Bohemund kaum seinesgleichen in Asien wie Europa. Von ihm jüngst erfundene Stoßwidder, montiert unter »Schildkröten« auf Rädern, führte er zum ersten technischen Angriff gegen die Festung, nachdem sie einem Sturm getrotzt. Ihre neuen Mauern, so breit, daß sechs Reiter, Schulter neben Schulter, auf den Wällen ungehindert galoppieren konnten, erwiesen sich jedoch, mit einem unbekannten Bindemittel Block in Block gefügt, schier unzertrümmerbar für die Maschinen.

Inzwischen verlangte Guy nach ihm im Feld.

Kantakuzen war auf dem Kriegsschauplatz erschienen. Zugleich hieß es, zwei andere byzantinische Generale: Cabasilas bei Petrula und Camytzes, Wächter im Vorgebirge bei Arbanum, zu überlisten; denn Eingeborene hatten geheime Wege ausfindig gemacht, die Heere beider zu umgehen und sie im Rücken anzufallen.

Drei Schlachten in schwierigem Gelände, eine nach der anderen, gewann der Wikinger so völlig, daß Cabasilas wie Camytzes Streitkräfte aufgerieben wurden; nur Kantakuzen konnte sich, wenn auch nach Verlusten, in das albanische Berggebiet zurückziehen. Entsatz durch die Legionen schien für längere Zeit jetzt abgeschlagen, dem Sieger aber strömten viele wichtige Überläufer zu.

 

Chemischer Krieg

Wiederum geht Bohemund Dyrrachium an. Diesmal auf andere Art, von Norden. Dort, innerhalb des Stadtgebietes, steht auf einer Erderhöhung das Prätorium. Daß die Erhöhung wirklich Erde ist, nicht Fels, weiß der einstige Eroberer, über sie hin läuft die Verteidigungsmauer. Unter dieser durch läßt er von Sappeuren eine Mine bohren. In der Tiefe wird sie durch Holzkonstruktionen vor dem Einstürzen geschützt, am Eingang durch lederbespannte »Schildkröten« vor Beschießung von oben.

Schon sind die Eingedrungenen ihres Sieges sicher, da stoßen sie auf eine heimlich angelegte Gegenmine, aus der »Griechisches Feuer« furchtbar bricht.

Was sich hier unterirdisch in die Festung wühlen will, das wird vergast, oder Ströme brennender Naphtha, aus wahren »Feuerspritzen« gelenkt, verkohlen die Stürmenden. Anders gerüstet steht Dyrrachium diesmal da, als nach dem byzantinischen Thronwechsel in verzweifelter Zeit, als Guiscard dort einfiel. Also heißt es noch kühnere Mittel finden; denn keinen Augenblick gibt Bohemund, auch in Gedanken nur, sein Ziel auf, verbissen wie ein Raubtier in die Beute.

Jetzt kommen seine genial erfundenen Belagerungstürme dran, deren Pläne in Europa ihn schon ein volles Jahr beschäftigt hatten. Aufzurichten sind sie erst an Ort und Stelle, denn um die erforderliche Höhe zu errechnen, braucht es trigonometrische Vermessung.

Alles stimmt zum Schluß bewunderungswürdig.

Da rollt das erste Ungetüm heran, nicht nur den Wall, sogar die Aufbauten mit den Wendeltreppen überragend. Schlagbrücken werfen sich von seiner Plattform schräg herunter. Mit dem ganzen Impetus von Kavallerie kann sich Fußvolk auf der schiefen Ebene den Verteidigern entgegenstürzen. Da es geschehen soll, stehen plötzlich drehbare Gegengestelle, noch höhere, im Innern der Festung auf. Flammenwerfer, Feuerbrände, Handgranaten von oben veraschen jene, die in ihrer Vorzugsstellung sich unwiderstehlich dünkten. Noch mehr. Brennender Schwefel, mit Harzen vermischt, furchtbar zerberstendes Pulver geht nieder auf das Turmgebäude; in Brand geschossen stürzt es dann zusammen und begräbt, die unter ihm verblieben sind.

So geht das immer wieder.

Was des Angreifers Ingenium in monatelanger Mühsal aufgerichtet, dem wächst entgegen in überlegenem Maß die rechte Abwehr, als blickten Dutzende von ebenbürtigen Hirnen unaufhörlich in das seine.

Jahreszeiten gehen schon an ihm vorbei wie Tage in diesem unbegreiflich ungleichen Titanenringen. Bis er es begreift:

Da drinnen war versammelt, was nur ein Weltimperium aufbringt an Genie aus allen Zonen. Hier war jetzt die Zentrale des chemischen Krieges eingerichtet, der Feuerkunst, nicht mehr am Goldenen Horn oder in Morea. Hier war die griechisch-arabische Elite der Ingenieure, Fachgelehrten, ein ganzer Stab, hinter sich das Wissen von Jahrhunderten, gegen ihn gehäuft, den Neuling.

Nur noch jene fünf Jahre Einweihung in den unzugänglich behüteten kaiserlichen Laboratorien hätte er gebraucht, von denen Guy gesprochen. Wie bitter sie ihm fehlten. Denn er, der ewig Ruhelose, Sucher, Finder und Erfinder, litt mehr als jeder andere unter dem tödlichen Mirakel der Zeit. Mehr hing für ihn am rechten Augenblick als für den Urfeind: das kummerlos-beharrende Byzanz.

Nun gilt es die Taktik ändern, die Belagerung aufheben, die offene Feldschlacht erzwingen, denn weit leichter als Dyrrachium, wo des Reiches beste Hirne sitzen, würde jetzt die »Akropolis der Welt« zu nehmen sein. Dort richtet das Schicksal die Probe. Also vorwärts.

Und der Kaiser?

Meisterhaft untätig verharrt er auf den Höhen jenes ungeheuren Bogens, der sich um seinen Widersacher indessen still gebildet hat.

Jede Feldschlacht wird verweigert. Keine einzige Legion, weder unter Kantakuzen, Palaiolog, Monastras, Dukas oder einem anderen der berühmten Strategen kommt auch nur herab bis in das Vorgelände. Unbestritten bleiben sämtliche kleinen Festungen samt der völlig kahlgeplünderten Ebene dem Angreifer.

Dafür läßt man ihn jetzt bei Hiericho anrennen, sich bei Cannia wundstoßen, bei Arbanum beinahe weißbluten. Überall, wo er ansetzen muß zum Durchbruch, steht über ihm gemaßt die Macht des Weltimperiums samt den verbündeten Türken. Die Kämme selber säumen berühmte seltschukische Pfeilschützen. Jenseits erwarten die griechischen Legionen ihre Zeit. Vorn, dem Feinde zu, gleich unterhalb der Bergpässe, hatte Alexios besondere Truppen postiert. Die besten Normannenhasser: nur Söhne jener Küsten, die schon einmal von Wikingereinbrüchen heimgesucht; sie waren aus den Militärakademien erlesen worden, hier Wache zu halten gegen den Feind wie gegen Überläufer; denn immer noch, trotz einem Jahr an Mißerfolg, strömte es wie trunken dem neuen »Kaiser des Morgenlandes« zu.

Wieder schien einer durchgeschlüpft zu sein, kam in der Atempause zwischen zwei Durchbruchsversuchen bis zu Bohemund ins Hauptquartier, und zwar als Warner vor Verrat. Etwas spinne sich da an. Wenn der Feldherr sich überzeugen wolle, Boten seien gerade unterwegs.

»Wo?«

Sie dürften eben an Petrula vorüber sein. Man könnte ihren Fang versuchen. Er gelingt. Ein halbes Dutzend Briefe fallen dem Erbleichten zu. Sie machen ihn – zum erstenmal im Leben – taumeln. Sind Antwortschreiben von Alexios und gerichtet an seine wichtigsten Unterführer: Guy, Humphrey, sogar Salerno stehen unter den Adressaten. Der Kaiser dankt graziös für »zeitgemäße Nachricht«, jenes »Angebot« wird huldvollst hingenommen, aus jedem Satzgefüge glitzern schon Geschenke für »nachher«.

Also offenbar das Echo verräterischer Mitteilungen aus dem eigenen Lager. Ihm in die Hände gefallen – oder gespielt. Was tun? Zuvorkommen und die Meuterer erschlagen? Das bedeutet offenen Krieg mit ihrem Anhang. Durch sechs Tage sitzt er mit den Schwerbelasteten beim Mahle wie immer, beobachtet nur scharf, tut schließlich – nichts, durchschaut die Finte; Alexios wollte ihn wohl nur mit seinem Stab entzweien, diesen »Antworten« ging nie ein »Angebot« voraus. Von byzantinischer Seite war es die Revanche für jene Sendung ungenügend getaufter Petschenegen an den Papst, Emmas Gefangene, als Beweis, mit was für Heiden der Ketzerkaiser Krieg führe gegen Christenvolk.

Ein Gemetzel unter seinen eigenen Grafen hatte der gewitzte Menschenkenner wohl vermieden, doch noch böseres Unheil drohte bald herauf. Diesmal kam es durch Marianus Mavrokatakalon. Der hatte sich in seinen goldenen Griechenkopf gesetzt, es dürfe nicht einmal das leichteste, zweirädrige Piratenboot mehr Bohemund erreichen, gegen den, vom ersten Blick an, ein toller Bluthaß in ihm tobte. Als kaiserlicher Liebling erflehte er von Alexios, trotz seiner Jugend, das Oberkommando der drei Flotten mit dem Recht, sich seine Admirale selbst zu wählen. Bisher war es nie gelungen, weder die lange lombardische Küste noch die vielbuchtige Illyriens so abzuschließen, daß kein Nachschub das Kreuzheer erreichte.

Der neue Thalassokrator, Tag und Nacht auf seinem Posten, fängt nun ein apulisches Transportschiff nach dem anderen ab, versucht es noch so schlau, der Blockade auszuweichen. Seit langem schon kommt keine Hafersendung mehr herüber. Bohemunds geliebte Pferde hungern. Tröstend streichelt er ihnen über die verrunzelten Nüstern, versunken, wie so oft jetzt, in das tödliche Mirakel der Zeit, seines mehr als jedes anderen. Nur noch fünf Jahre hätte er gebraucht, um eine würdige Flotte sich zu schaffen, doch waren sie ihm nicht vergönnt gewesen; dieser Kreuzzug mußte unverzüglich unternommen werden, sonst ging inzwischen Antiochia, Syrien verloren – sonst – sonst –: Sklavenkette der Notwendigkeiten.

Dann senkte sich ein Seuchensommer ohne Beispiel auf die verhungerte, entkräftete Armee. Fieberdämonen schienen auf den trägen Kanälen daherzutreiben, die, einst klare Abflüsse eines Bergsees, hier das moorige Delta um Dyrrachium bildeten. Dieses selbst, der Seebrise offen, litt nicht wie die Belagerer im Land. Von Dysenterie befallen, infolge eines unbekömmlichen Zereals, der einzigen Nahrung, starben Tausende über Tausende dahin. Was übrigblieb, war längst schon kampfunfähig. Der Stank ums Lager wuchs ins Unerträgliche. Es mußte hin- und hergeschoben werden wie ein wundgelegener Körper.

Der Belagerer wurde zum Belagerten, zwischen den unüberwindlichen Pässen, der unüberwundenen Festung, blockiertes Land vor sich, blockiertes Land im Rücken. Ohne Hilfe. Ohne Ausweg.

Wie im Zirkus von seiner Loge: dem Kathisma aus, sah der Kaiser auf diese letzte Szene eines Weltspiels, die oberen Galerien des luftigen Halbrunds starrend von Bewaffneten. Würde er den Daumen heben oder senken? Es hieß, von weither seien hohe Zuschauer geladen, nicht nur aus Byzanz, selbst aus dem Westen.

Endlich, in jener Viertelstunde tiefster Lebensebbe, da alles grüngrau von verwester Nacht ist, der Morgen unerreichbar scheint und auch die Zähesten willig sich dem Ende strecken, in solcher Viertelstunde hatte Guy so etwas wie die Erlaubnis sich erschlichen, mit einem Friedensfühler in der Richtung nach Dyrrachium vorzutasten.

Unverzüglich traf Antwort von dem jungen Herzog ein.

Bohemund, bei vollem Tageslicht, sah die Gesandtschaft. Ihn würgte kalte Wut.

Sein Stolz ward rasend.

Kam mit tollen Bedingungen für eine Unterredung in dem Kaiserzelt: vor allem keine Vorwürfe. Gewisse Themen werden nicht berührt bei der Audienz, nichts, was den Schein erwecken könnte, er werde hier vor ein Gericht geladen. Das Zeremoniell für Könige muß ihm bewilligt werden, die höchsten Reichsherren reiten ihm entgegen, soundso viele Stadien weit. Von Obéisance, einem Beugen des Nackens oder Knies seinerseits kann keine Rede sein. Natürlich müssen Geiseln her, Mitglieder des Allerhöchsten Hauses; ihm selbst wird aber volle Freiheit für alle Fälle zugesichert.

Nicht um sie bewilligt, um sie abgelehnt zu sehen, stellt er die Bedingungen.

Doch alles ordnet sich. Wie in einer suaven Strömung, wo Rosenblätter treiben, ohne daß ein Tropfen Tau in ihrer Mulde zu erzittern brauchte, wird er der Entscheidung zugeleitet.

Die hochgeborenen Geiseln kommen. Wohin mit ihnen? Außerhalb des Lagers muß er sie bewachen lassen, um sein Elend zu verbergen.

Endlich beginnt der schwere Ritt durch ein leergefegtes Vorgelände zum Geraniumpurpur-Zelt. Warägergarde in vergoldeten Panzern, die Doppelaxt geschultert, steht davor. Ganz allein betritt er das Verhüllte. Nur Bevorzugten gelingt noch rasch ein Blick ins Innere. Sie sehen des Kaisers einladende Gebärde, Platz zu nehmen. Dann fällt der Vorhang. Die Audienz bleibt ohne Zeugen. Sie währt den ganzen Tag.

Erst am Abend heben sich die Tapisserien wieder. Ein bleicher Mann verlangt sein Pferd und freien Raum zurückzureiten. Nicht einmal seine Suite wartet er noch ab. Gescheitert die Verhandlungen. Der Krieg geht also weiter. Wie entsetzlich hart müssen die Bedingungen des Kaisers sein, damit dieser Verworfene sie noch verwerfe.

Dann wird der Caesar in das Zelt befohlen, bald darauf verläßt er es, um dem Entschwundenen nachzugaloppieren in die Finsternis.

Weit von dem eigenen Lager trifft er ihn auf einem Steine sitzend. Diesmal nicht in der gelassen-schönen Haltung eines ruhenden Ares von Lysipp. Der trockene Bryennius ist kein phantasiebegabter Mensch, doch ihm scheint beim Anblick dieser lustlosen Gestalt, der schlaff herabgesunkenen Arme, als schleiften um sie große, zerbrochene Flügel, wie von der Ewigkeit her verwundet.

Und nun kommt eine der unsterblichen Menschheitssituationen, wie sie immer wiederkehren seit Achill: der Götterliebling sitzt und trotzt. Die ganze Nacht lang spricht Annas Gatte auf ihn ein, jener einzige Byzantiner, den er leiden mag.

Noch wehrt sich der Verzweifelte, windet, weigert sich. Weiß doch, daß er schließlich muß.

Bittet dann, ihn ein wenig noch allein zu lassen.

Er sieht sich wieder in der Farbenrose von Chartres, hört Engelszungen aus sich reden, dünkt sich mit Überirdischem im Einklang. Überraschend begnadet und beglaubigt auch von dorther. Und ahnte nicht, daß eine höhere Macht zwar den Kreuzzug wollen könne – doch ohne seinen Sieg.

Dann noch einmal fällt ihn das bittere Mysterium der Zeit an.

Wann, im unfaßbar Fließenden, kommt jene Stelle, wo Mut – Tollheit, Streben – Fürwitz, Ausdauer – Starrsinn: Glück eben Unglück wird?

Hier in Dyrrachium war alles ihm entwunden worden von Anbeginn, wie vor Antiochia ihm alles zugeströmt war. Wundergut, gleich Zaubervögeln, flogen damals Ereignisse zusammen, schmiegten sich in seine Hand. Jedes hielt im Schnabel ein neues Fadenende, daß er sie verknüpfe, um sein syrisches Reich daraus zu wirken. Als ob gerade dieses ihm vom Schicksal her bestimmt sei – und nicht mehr.

In seine Verzweiflung bricht jetzt Stimmenjubel. Auch das noch. Wie sie strahlen. Fassungslos, das einzige Mal im Leben, fällt Guy ihm um den Hals. Durchgesickert sind bereits die gestrigen Bedingungen des kaiserlichen Friedens.

»Antiochia samt Edessa als Hauptstädte, ganz Syrien bleiben dein; es grenzt ans Wunderbare, wie hast du das zuweggebracht?« rufen alle durcheinander.

Endlich eilen sie dann weiter durch den frischen Tag, das Lager mit der Botschaft des Waffenstillstandes zu beglücken.

Guy bleibt.

Er hat die Vorgeschichte des Entscheids von seinen byzantinischen Freunden schon erfahren.

»Höre, diesmal stand es schwarz wie nie«, beginnt er stockend. »Nicht nur die Strategen, Thalossokratoi, Logotheten, fast alle Granden, auch Alexios selber, waren dafür, einfach Schluß mit dir zu machen, die Geiseln gegebenenfalles zu opfern – sie boten sich ja selbst dazu, jeder hatte gediegenes Gift im Siegelring, um Martern zu entgehen –, nachdem man dich zurückbehalten. Denn ein Exempel für den gesamten Westen statuieren, sei dringend nötig, hieß es.

Nun, Byzanz, der große Rechtsstaat, mordet nicht – er richtet hin.

Die Kronjuristen hätten für dein Verhalten bei Antiochia erst einmal auf Blendung erkannt, dann kämen die anderen Delikte an die Reihe, eine lange Reihe, an deren Ende wohl der Zirkus auf dich warten sollte.

Wie gesagt, Alexios – denke an den Todhaß seines Osterkusses – war dafür. Zwei nur widersprachen, der jüngste unter den Weisen und der älteste: Johann ›kalos‹ als Thronfolger, Isak als des Kaisers älterer Bruder. Begreiflich bei dem Jüngling; er hat an sich noch etwas Kinderweichheit. Unbegreiflich bei dem Sebastokrator, schon viel zu losgelöst für Güte.«

»Güte?« Bei dem Wort hebt Bohemund zum erstenmal den Kopf. »Kälteste Berechnung. Der Kadaver eines toten Tigers und der Kadaver eines toten Maulesels sind nach ein paar Wochen schon nicht sehr verschieden; Staat machen kann man nicht damit. Der gefangene Königstiger im vergoldeten Käfig, so er aus der Hand frißt, bleibt ein vergnüglich Prunkstück.«

 

Das Diktat

»– – – – und ferner, da Deine göttlich gekrönte Majestät geneigt ist, mir den Wahnsinn meines früheren Vertragsbruches gnädigst nachzusehen und beschlossen hat, mich, den Reuig-Genesenen, unter Deine rechte Hand zu ziehen, daß ich Deinem Szepter dienen dürfe als Vasall, so schwöre ich bei Gott und seinen Heiligen als Zeugen und vor allen diesen hohen Herren der Kirche und des Adels, aus meinem freien Willen von nun an und für immer getreuer Lehensmann zu sein, Deiner Majestät sowohl wie Deines sehr geliebten Sohnes, des souveränen Herrn Johann Porphyrogenetos.

Und ich will meine rechte Hand wappnen und erheben gegen jeglichen, der sich Eurer Macht entgegenstellt, sei er christlicher Rasse oder ein Fremder an unserem Hof, einer der Irrgläubigen oder ein solcher, den wir ›Heide‹ nennen.

Ich werde Eurer beider Majestäten Sklave und Vasall bleiben, was immer auch geschehen möge, und keine Klausel dieses Vertrages je zu umgehen suchen, durch kein Mittel, offen oder geheim.

Da mir nun eine Region des Ostens zugedacht ist, genau bezeichnet, wie umgrenzt in einer goldenen Bulle, versehen mit Eurer Majestäten Unterschrift in Purpurtinte, und eine Kopie solcher Bulle an mich soll ausgehändigt werden, so bestätige ich, diese Länder nur als Eurer Majestät freie Gabe zu empfangen wie zu halten. Mein Recht an sie fließt lediglich aus jener goldenen Bulle, und zum Dank für die Belehnung mit dort erwähnten Provinzen, beschwöre ich meine Treue, daß sie gleich einem Anker sein soll, unerschütterbar im Dienste des großen Kaisers und Oberherrn, meines Suzeräns Alexios Komnenos und seines dreifach ersehnten Sohnes und Mitkaisers, des Herrn Johann Porphyrogenetos.

Um diesem Schwur seine persönliche Einzigkeit und Unvertauschbarkeit zu sichern, seht her: Ich, Bohemund, Sohn Robert Guiscards, bin es, der den Eid ablegt und diesen Pakt schließt mit Euren Majestäten, den geweihten Kaisern aller Römer, und Eurem Imperium, so daß ich Euer wahrer Lehnsmann sei, solange ich atme und gezählt werde zu den Lebenden. Meine Waffen will ich brauchen gegen alle Feinde, die sich in Zukunft rühren gegen Eure Majestäten, die ewig ehrwürdigen Herren der römischen Hegemonie. Wo immer hinzugehen mir befohlen wird, dahin will ich eilen, unverzüglich ihren Interessen dienen mit meiner gesamten Armee. Gegen alle, so dem Imperium abgeneigt sich stellen, ausgenommen denn, sie seien engelgleich unsterblicher Natur, unverwundbar durch unsere Lanzen, begabt mit diamantenen Leibern; gegen alle anderen aber will ich Krieg führen zugunsten Eurer Majestäten in eigener Person, wofern nicht ernste körperliche Krankheit mich verhindert, wie sie wohl zuweilen uns Sterbliche überkommt, in welchem Falle ich große Kontingente meiner tapfersten Männer sende, um das eigene Fernsein wettzumachen.

Bis ins kleinste unverletzt soll all dies von mir gehalten werden, sowohl was das ewige Gesamtimperium betrifft wie Euer zeitlich-irdisches Leben. Für dieses stehe ich in Waffen gleich einer Statue aus Erz, geschmiedet mit dem Hammer. Auch umfaßt der Schwur die Schützung Euerer Ehre und der kaiserlichen Gliedmaßen. Mein bestes will ich tun, um zu kämpfen für jedes Euerer Länder, jede Stadt, groß oder klein, jede Insel, jegliches Eigentum zu Land und See unter Eurem Machtbereich, von der Adria bis zum fernsten Osten, die gesamte Länge der großen Asia hinab, wo immer römische Grenzen stehen.

Und ferner willige ich ein und nehme Gott zum Lauscher, niemals mehr mich eines Landes zu bemächtigen, das jetzt oder zu irgendeiner anderen Zeit als römischer Besitz könnte angesprochen werden, im Osten, Westen, Norden oder Süden, es sei denn, es werde mir gegeben von Euren heilig gekrönten Majestäten und ausdrücklich angeführt in oberwähnter Bulle.

Vielmehr wann immer mir die Rückeroberung eines Landes gelingen mag, das einst zum römischen Imperium gehörte, sei es durch Vertreibung jener, die es halten, oder auf irgendwelche andere Art, so bin ich verpflichtet, die Verwaltung des Gebietes in die Hände der Kaiserlichen Macht zurückzulegen.

Beliebt es Eurer Huld dann, mich als getreuen Sklaven und Vasallen mit den von mir zurückeroberten Gebieten zu belehnen, mag dem so sein, wenn nicht, so habe ich sie unverzüglich jedem, den Ihr bestimmt, zu übergeben.

Abzulehnen habe ich hingegen jedes Land- oder andere Angebot von dritter Seite. Von keinem, Christ oder Nichtchrist, darf ich einen Schwur empfangen oder auch nur fordern, mit niemandem Verträge schließen oder irgendwelche Abmachungen, geeignet, Euch zu schaden oder dem Imperium. Nicht darf ich eines anderen Herrschers oder einer anderen Regierung Lehensmann werden ohne Eure besondere Erlaubnis. Nur einer einzigen Oberhoheit habe ich zu dienen in Gehorsam: Eurer Kaiserlichen.

Sollten nun irgendwelche Bürger des Römischen Reiches kommen mir zu sagen, sie seien aufgestanden in Revolte gegen die jetzige Leitung und wünschten lieber mir zu gehorchen statt jener, so will ich sie hassen und nicht nur wegschicken, sondern mit Waffen ihren Weg verlegen und die also Gefangenen dann überstellen der Zentralgewalt.

Was die anderen Barbaren betrifft: Wünschen sie es immer noch, bei meinem Schwert zu stehen, so mag ich sie wohl akzeptieren, doch nie aus eigener Machtvollkommenheit, muß sie vielmehr anhalten, gleichfalls den Eid zu leisten meinen vielgeliebten Kaisern. Darf auch nur in deren Namen Länder von ihnen übernehmen, mit denen dann ohne Aufschub zu geschehen hat, was Euren Majestäten gut dünkt.

Dies wäre somit alles, was Reiche, Städte, Männer angeht, so sie unter dem römischen Szepter wesen oder gewest haben. Jene hinwiederum betreffend, solcher Gnade nie noch teilhaftig, so schwöre ich, falls mir, mit oder ohne Kampf, ihre Länder zufallen sollten, diese zu betrachten als Eurer Majestäten Geschenk an mich, seien sie nun türkisch oder armenisch oder wie jemand, unserer Sprache kundig, sagen würde: heidnisch oder christlich.

Wollen Menschen fremder Nation mir dienen, so darf ich sie nur unter der Bedingung annehmen, daß auch sie zuvörderst Eurer Majestäten Diener werden und sämtliche, durch diesen meinen Eid bekräftigte Übereinkommen sich auch auf sie erstrecken. Welche von diesen neuen Untertanen meine Kaiserlichen Herren dann unmittelbar dem Reiche einverleiben wollen, die werde ich ihnen senden, falls sie willig sind; wer sich weigert, den darf auch ich nicht länger bei mir halten.

Ferner habe ich meinen Neffen Tancred mit erbarmungslosem Krieg so lange zu überziehen, bis er gewillt ist, seine offene Feindschaft gegen Eure Majestäten einzustellen, und bis mit oder ohne seine Einwilligung alle widerrechtlich von ihm gehaltenen Städte dem Römischen Reiche zurückgegeben sind. Jene mir durch die heilige Bulle verliehenen, wie Antiochia, werde ich dann selbst besetzen, die anderen dem kaiserlichen Szepter unterstellen.

Des weiteren darf ich keine Flüchtlinge aus dem Reiche beherbergen, habe vielmehr darauf zu sehen, daß sie unverzüglich umkehren in ihre eigenen Fußstapfen.

Schließlich verspreche ich, noch auf andere Weise die beschworenen Abkommen zu sichern, insoferne ich meine Einwilligung gebe dazu, daß man Garanten ernenne, die jedes Wort des Schwures unerschütterlich und ungebrochen erhalten immerdar: nämlich meine eigenen Lehensleute, Gouverneure aller Städte, Festungen wie Burgen und namentlich angeführt. Diese haben die Verpflichtung, mein Tun zu überwachen. Mir wieder ist aufgetragen, dafür zu sorgen, daß diese Männer die furchtbar-heiligsten Eide leisten an unwandelbarer Treue für Eure Majestäten, das Imperium, den ganzen Umkreis, so weit die römischen Gesetze reichen. Ferner schwören müssen sie bei den himmlischen Mächten und dem unerträglichen Zorne Gottes, mich, falls ich – was der Heiland verhüten möge – gegen Eure Majestäten je konspirieren sollte, davon abzubringen, mindestens es durch vierzig Tage mit jedem erdenklichen Mittel der Überredung versuchen, damit ich zurückfinde aus Selbstüberheblichkeit zu der gebotenen Treue.

Folgendes aber tritt in Kraft, wenn mich solch offenbarer Wahn und Irrsinn packte – o Gott! o heilige Gerechtigkeit, laßt es nie geschehen! –, meine klaren Sinne zu verlassen: Sollte ich so ganz von Sinnen weiter bleiben, unzugänglich ihrem Rat, von der alten Tollheit wieder überkommen, dann erst werden sie mir abschwören, mich völlig verwerfen, dem Reiche überstellen und liefern in die Hände des Gerichtes, um abgeurteilt zu werden nach Gebühr. Meine Länder aber und alle Macht müssen sie, wiewohl meine Lehensleute, in diesem Falle mir entreißen und Euren Majestäten zurückerstatten. Zu dem allen werden sie verhalten durch die gleichen heiligsten Eide, wie ich sie jetzt und heute schwöre, Gott zum Zeugen nehmend und seine höchsten Engel. Jene meiner Gefolgsleute, als welche sich hier befinden, sollen ihr Wort zu diesem Pakt sogleich verpfänden. Was jene meiner Berittenen und Schwerbewaffneten betrifft, von uns gewöhnlich ›Chevaliers‹ genannt und gegenwärtig nicht zur Stelle, ihnen mögen die Majestäten einen Mann nach Antiochia und den anderen Städten senden, daß er sie zu gleichem Sinn verhalte. Und ich verspreche dann an Ort und Stelle, später darauf zu sehen, daß sie die Schwüre leisten ohne Änderung. Denn in allen Dingen streben wir nur fürder dem Imperium zu dienen, abhängig von dem suzeränen Willen in Wunsch und Tat. Also werde ich, sooft die Majestäten es befehlen, Krieg organisieren gegen wen immer es auch sei und wieder abstehen von jenen Feinden, so es Euch nicht gefällig ist, daß Armeen gegen sie zu Felde ziehen.

Was die Sarazenen und Ismaeliten betrifft, wenn ihrer eine Menge friedlich ins Reich kommen, soll ich sie daran nicht hindern dürfen, nur solche, fliehend vor dem Normannenschwert in Todesangst auf Eurer Majestäten Gebiet, die mögen mir als Gefangene zurückgegeben werden, sie zu verkaufen oder sonst mit ihnen zu tun nach Belieben, da unsre Anstrengung und Mühen sie dahin gebracht.

In Ergänzung alles Vorerwähnten willige ich ferner ein: Alle Krieger, falls sie von der Lombardei mit mir oder zu mir über die adriatischen Straßen kreuzen wollen, müssen vorher einen vom Reich bestimmten und gesandten Mann den Treueid auf Eure heiligsten Majestäten leisten. Weigern sie sich dessen, so darf ich sie nicht landen lassen oder nach einem Umweg aufnehmen, als im Widerspruch mit unserer Meinung lebend.

Und nun ist es notwendig, daß die Länder und Städte, mir verliehen in der goldenen Bulle durch Eure gottgewollte Weltmacht, auch hier in dieser Schrift und mit den Worten meines Mundes aufgezählt seien. Als da sind: Stadt und Prinzentum Antiochia in Coele-Syria mit all ihren Befestigungen und Vorwerken, zusammen mit Suetion und den anderen syrischen Küstenplätzen; Dux mit seinen Dependenzen und der Ort Cavcas nebst allem Land darum; der Ort Lulu; der Mons Admirabilis und Phersia nebst den dazugehörigen Landstrichen; der militärische Distrikt Sankt Elias mit allen Städten, Burgen, Festungen, die zu ihm gehören; der militärische Distrikt von Borze samt all seinen besiedelten wie unbesiedelten Gegenden; alles Land um den militärischen Distrikt von Sezer in Thessalien, den die Griechen Larissa nennen; gleicherweise die militärischen Distrikte von Artach und Teluch mit ihren Befestigungen; auch die Provinz Germanizien mit all ihren Städten; der Mavros Mons nebst den abhängigen Kastellen und die Ebenen zu seinen Füßen; außer diesen bereits beschriebenen noch die militärischen Distrikte von Pagras wie Palatzas, die gesamte Provinz Zoum und alle anderen außerhalb von ihr, jedoch noch abhängigen Städte, Burgen, Landbezirke.

Alle diese Provinzen mit Städten, Häfen, Burgen, Werten, sind mir gegeben in der heiligen goldenen Bulle durch Eure gottgewollte Gewalt bis an mein Lebensende, nach meinem Hinscheiden fallen sie zurück an das Reich des Neuen Rom mit seiner Kaiserin der Städte, Konstantinopolis. Und in meinem letzten Willen muß ich Sorge dafür tragen, daß meine Testamentsvollstrecker dies befolgen ohne Zweideutigkeit oder Verzögerung.

Ferner schwöre ich bei dem Gott, angebetet zu Antiochia, daß ich mich nicht mengen werde in die Beschlüsse der großen Kirche zu Byzanz, wenn sie zum Patriarchen in meiner Hauptstadt stets nur einen Mann ihres Glaubens ernennt, die arch-hieratischen Bräuche zu üben, vielmehr diesem Schutz und Hilfe in aller weltlichen Fährnis will angedeihen lassen.

Da es Eurem heiligen Willen beliebt hat, von meinem Syrien Laodicea auszuscheiden, desgleichen aus meinem Zizilien die Städte Tarsus, Adan und Mamistra, so mögen Eure Majestäten hier erinnert sein, daß mir zum Ersatz gewisse Gegenden des Ostens sind zugebilligt worden. Sie sollen hier aufgezählt sein namentlich, auf daß Euer heiligstes Gedächtnis darüber nicht in Zweifel falle und kein Grund für mich erstehe zu Unzufriedenheit.

Es sind: die Provinz und das gesamte Land Casiotis mit der Hauptstadt Berroea, Chalepin genannt in barbarischer Zunge; die Provinz Lapara mit allen kleinen Städten, nämlich Plasta, die Burg Chonium, Romaina, das Schloß Aramisus, die Burg Sarbanus und das Kastell Telchalpson; mit diesen andere drei, Tilia, Sthabotilien und Sarsapin. Diese alle sind gelegen im diesseitigen Syrien. Die anderen Provinzen befinden sich in Mesopotamien, in der Nähe der Stadt Edessa. Es sind dies Limnii und Aetus nebst allen Vorwerken.

Was nun Edessa selbst betrifft, so soll nicht unerwähnt bleiben, daß das Reich den Besitz dieses Herzogtums samt seiner herzoglichen Würde nicht an meine Person bindet, so daß er mit dieser erlösche; vielmehr darf ich es vermachen an wen immer ich will, vorausgesetzt, daß dieser Erbe vorher willig ist, sich den Befehlen Eurer Majestäten zu beugen als Vasall, gleich mir gebunden durch den Eid.

Und also erkläre ich mich zufrieden, gleicherweise mit dem, was mir gegeben, wie mit dem, was mir genommen ward. Ohne meine Grenzen zu überschreiten, will ich am Verliehenen festhalten und es genießen, so lange mein Leben währt. Von nun an eingeschlossen in den Orbis Byzantinus, steht mir auch das Recht zu, jedes Jahr einen Mann von Syrien nach der Königin der Städte an den Bosporus zu, schicken mit Briefen, daß die Schatzkammer ihm Geld aushändige für Unsere eigene prinzliche Person, und zwar jedesmal zweihundert Talente Goldes von der rechten Qualität, geprägt mit dem Bildnis des Oberherrn Michael.

Ich darf wohl annehmen, daß die gottgeliebten, sehr frommen Majestäten, die Sebastoi und Augusti des Römischen Imperiums, ihrerseits auch ohne Schwur alle in der heiligen goldenen Bulle mir gegebenen Versprechen halten werden.

Ich meinerseits ratifiziere durch den Eid die zwischen uns besprochenen Vereinbarungen.

Denn hiermit schwöre ich bei der Passion Christi, unseres sündenlosen Heilands, und bei Seinem unüberwindlichen Kreuz, das Er erduldet hat zum Heil der Menschheit, schwöre ferner bei den allheiligen Evangelien, die ich hier in Händen halte wie in meinem Geist, schließe in den Schwur auch noch die vor mir ausgebreiteten Heiligen Reliquien ein, so da sind: Kreuzessplitter, Dornenkrone, Nägel und jene Lanze, welche Seine Heilige, lebensspendende Seite durchbohrt hat – bei all diesem, der Menschheit Heiligsten, schwöre ich Dir: unserem höchst mächtigen, gesalbten Kaiser Alexios Komnenos und Deinem Mitkaiser, dem vielersehnten Herrn Johann Porphyrogenetos, daß ich all das halten werde, dem ich aus voller Freiheit zugestimmt, es mit meinem Mund zu sagen. Unverletzt will ich es bewahren allezeit. Für alle Dinge, so dem Römischen Reiche taugen, will ich von nun an Sorge tragen, mehr als für die eigenen; will nie auch nur den leisesten Gedanken des Hasses oder des Verrates hegen wider Euch, noch falsch sein gegen meinen Schwur, indem ich ihn zu brechen oder zu umgehen suche oder gar auf etwas sinne, das zu Krieg führen könnte wider die heiligsten Kaiser, meinerseits oder jener, die mit mir sind. Vielmehr will ich nicht nur selber die Versprechen halten, auch alle, so unter meiner Jurisdiktion stehen, haben gleich mir ihre Panzer umzuschnallen und ihre Schwerter zu ziehen gegen Eure Feinde, wie sie die Rechte reichen Euren Freunden; so werde ich es halten zum Wohle und zur Ehre des Römischen Weltimperiums, im Geist wie in der Tat. Dazu möge mir die Hilfe Gottes leuchten, das Kreuz und seine Heiligen Evangelien.«

Diese Dinge wurden beschrieben, die Eide abgelegt und von folgenden Zeugen beglaubigt: dem Papstlegaten und sehr gottgeliebten Bischof Mavros von Amalfi und Seiner Bischöflichen Gnaden Renardus von Tarentum nebst ihrem Klerus, dem hochzuverehrenden Abt des Klosters zu Sankt Andreas in der Lombardei, das auf der Insel von Brindisi steht, nebst zweien Mönchen.

Die Anführer der Christenpilger zum Heiligen Grabe machten Zeichen mit den Händen, unter deren jedes seine Bischöfliche Gnaden, der Papstlegat, den dazugehörigen Namen setzte.

Für den Kaiserlichen Hof zeichneten: der Thalossokrator Marianus Mavrokatakalon; die Hypersebastoi Georg Palaiolog und Kantakuzen.

Für die Normannen: Richard von Salerno, Geoffroy de Mailli, Hubert, Sohn des Raoul.

Ferner die Abgesandten aus Dacien und der bulgarische Prinz, als der Kaiserin Verwandter, Zupais Peres, und die Abgesandten Siniscardus. Ferner der Nobilissimus Basilius, ein Eunuch, der Gottes Engel hier vertritt.

Und der Notarius Konstantin.

Dieses geschah während des Monats September in der zweiten Indiktion des zu Ende gehenden Jahres 6617 der byzantinischen Weltzeit.


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