Richard Dehmel
Die Verwandlungen der Venus
Richard Dehmel

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Venus Religio.

              Karfreitagsruhe. Fühlst du's auch:
dies bange Grün, und diesen Hauch,
der drüber träumt?
Und fühlst du's, wie der Fliederstrauch
von Knospen perlt und überschäumt?

Und sehnen deine Brüste sich
dem Auferstehungsmorgen zu,
wie's Magdalenen innerlich
nicht ließ in Ruh,
bis sie zum offnen Grabe schlich?

Denn übermorgen graut der Tag
ins Frühlingsfeld,
da unterwarf sich Der die Welt,
den einst dein Volk dafür gequält,
daß eine Sehnsucht in ihm lag.

Viel Glocken läuten zu mir her,
wie Grufthauch schwer, wie Lufthauch leer;
wem läuten sie?
Das waren Deine Glocken nie
und sind nicht Meine Glocken mehr.

Im Flieder hängt ein altes Laub;
du willst nun mein sein ganz und gar.
Noch liegt der Hain voll Moderstaub;
ist dir auch klar,
daß mir dein Gott nie heilig war?!

An seinem Grabe dürstet mich
nach einer neuen Menschheit, Du!
Fühlst du's wie ich?
Sag: sehnen deine Brüste sich
dieser Auferstehung zu? –

              Ja, so spielt'ich schier Gottvater,
schwebend ob der Flucht der Zeiten.
Barg mein Allgeist nicht das Riesentheater
künftiger Menschenmöglichkeiten?

Mit aufbrausendem Gefieder
packt mich wie ein flammenbekränzter
Phönix dieser Glaube wieder
niemals sah ich die Nacht beglänzter!

Barg des Weibes Schooß nicht Schicksalsspiele,
mehr als alle Himmelsräume?
Herrisch rief ich sie zum Schöpferziele,
die Erfüllerin meiner Träume,...


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