Richard Dehmel
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Der Pirat

Nach José de Espronceda

              Mit zehn Kanonen, blank an Bord,
mit vollen Segeln vor dem Wind,
die flink wie Mövenflügel sind,
streicht eine Barke durch die Flut:
die Barke des Piratenherrn,
auf allen Meeren ausgekannt
von einem bis zum andern Strand,
der »Hai« getauft für seinen Mut.

Im dunkeln Wasser hüpft der Mond,
im Tauwerk rauft und pfeift der Wind;
ein langer Silberstreifen rinnt
breit durch die blaubewegte Flut.
Und der Piratenkapitän
sitzt singend hoch an Steuers Rand,
links Asiens, rechts Europens Strand,
und singt und singt und schwenkt den Hut:

»Fliege, mein Segler, fliege,
unverzagt;
fliegst und segelst zum Siege!
Spottest der Stürme, der Klippen und Riffe,
der Himmelslaunen, der feindlichen Schiffe,
weil dein Herr sein Leben wagt!
Zwanzig Prisen
haben wir gemacht, haben die Staatsmützen
ausgelacht;
hundert Nationen
liegen und grüßen hier
mit ihren Flaggen
zu Füßen mir.
Denn meine Barke ist mein Reichtum,
denn mein Gesetz ist mein Begehr,
mein Gott der Wind, mein Recht die Freiheit,
mein einzig Vaterland das Meer.«

»Könige streiten dadrüben
in blinder Gier
um ein paar Äcker Rüben.
Seht, ich lache! Meine Gefilde
reichen, soweit das weite wilde
Meer entrollt sein frei Panier.
Da ist kein Wimpel,
wie er auch glänze,
da keine Küste,
wo sie auch grenze,
die nicht Salut getan
meinem Geschlecht,
die nicht erkannten
mein Hoheitsrecht.
Denn meine Barke ist mein Reichtum
denn mein Gesetz ist mein Begehr,
mein Gott der Wind, mein Recht die Freiheit,
mein einzig Vaterland das Meer.«

»Kaum schrein vom Mars die Jungen:
Schiff in Sicht!
rennt's schon mit vollen Lungen.
Hoi, alle Segel breit, Fersengeldsegel,
rennt es und rennt es; denn diese Flegel
lieben den König der Meere nicht.
Aber wie Brüder
Ich und Ihr,
meine Getreuen,
teilen die Beute wir.
Ein einzig Eigentum
nehm ich für mich
ohne Rivalen:
dich, Schönheit, dich!
Denn meine Barke ist mein Reichtum,
denn mein Gesetz ist mein Begehr,
mein Gott der Wind, mein Recht die Freiheit,
mein einzig Vaterland das Meer.«

»Verdammt zum Höllenfeuer,
zum Tod am Strick,
sitz ich und lache euer!
Hütet euch, Schufte: wen ich mir lange,
den häng ich auf an der Segelstange,
vielleicht von seiner eignen Brigg!
Und wenn ich falle:
was ist das Leben!
Hab es schon damals
verloren gegeben,
als ich die Kette brach,
als ich, ein Held,
mir schuf mein eigen Recht,
mir meine Welt.
Denn meine Barke ist mein Reichtum,
denn mein Gesetz ist mein Begehr,
mein Gott der Wind, mein Recht die Freiheit,
mein einzig Vaterland das Meer.«

»Melodieen wie brausend
Orgelgewühl
spielt mir im Nachtsturm, sausend,
meiner geschüttelten Taue Gestöhne,
meiner Kanonen Donnergedröhne
und des schwarzen Meeres Gebrüll.
Von ihren tobenden
Liedern umschnoben,
geh ich zur Ruhe,
wogenumwoben,
jubelnde Zungen
rings um mich her,
in Schlaf gesungen
vom Meer, vom Meer.
Denn meine Barke ist mein Reichtum,
denn mein Gesetz ist mein Begehr,
mein Gott der Wind, mein Reich die Freiheit,
mein einzig Vaterland das Meer!«

Im dunkeln Wasser hüpft der Mond,
im Tauwerk rauft und pfeift der Wind;
ein langer Silberstreifen rinnt
breit durch die blaubewegte Flut.
Und der Piratenkapitän
lehnt schweigend hoch an Steuers Rand,
links Asiens, rechts Europens Strand,
tief in die Stirn gedrückt den Hut.

Mit zehn Kanonen, blank an Bord,
mit vollen Segeln vor dem Wind,
die flink wie Mövenflügel sind,
streicht seine Barke durch die Flut:
die Barke des Piratenherrn,
auf allen Meeren ausgekannt
von einem bis zum andere Strand,
der »Hai« getauft für seinen Mut.

 


 


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