Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

III.

Endlich fand man jenen jungen Mann, der am vorhergehenden Abend schwarz gekleidet war. Es war ein Poet, Verfasser der Tragödie Pantapouff, der an diesem Abend bei einem Unterpächter mit großer Feierlichkeit eine Epistel in freien Rhythmen über den Tod seines Affen vorgetragen hatte, und der noch zitterte, Leute auf seinem Parnaß gesehen zu haben, deren Beruf es ist, den Musen den Krieg zu machen. Mein Vater geriet in heftigen Zorn über den Kutscher und hielt ihm vor, er stecke unter einer Decke mit mir; der andere schwur, er sei unschuldig. Nach vielem Befragen sagte der Kutscher zu allen, er sei schon der Fahrer des Wagens mit der Nummer 71, aber er sei zum erstenmal damit beauftragt worden: man habe sich schlecht mit ihm verständigt; er kenne den, der die Nummer 71 seit sechs Monaten gefahren hätte; aber er wohne in Vilette, wo er krank liege infolge der Schläge, die ihm ein Offizier versetzt habe, der sie lieber den Panduren der Königin von Ungarn hätte austeilen sollen.

Er gab dann sehr genau die Wohnung seines Kameraden an, und man war genötigt, ihn aufzusuchen. Gab man sich in Wahrheit nicht ordentlich Mühe, einen Ehrenmann in seinem Glück zu stören? Der Kutscher von Nummer 71 wurde endlich entdeckt. Man geht zu ihm hinauf. Er befindet sich ziemlich übel. Infolge der mehrfachen Verletzungen am Kopf und am ganzen Körper, stieß er Schreie aus, die für ihn wenig erleichternd und für die Gesellschaft sehr unangenehm waren.

Er antwortete jedoch sehr gut und nur zu gut auf die ihm vorgelegten Fragen. Er hatte zu gute Gründe, sich meiner zu erinnern: er gab mein Porträt nach der Natur, ohne die zwei Ohrfeigen zu vergessen, mit denen ich seine Unverschämtheit apostrophiert hatte. Er gab das Quartier de l'Estrapade an, und ein weißes Haus mit einem großen gelben Tor. Neue Fahrt. Man trifft an dem bezeichneten Ort ein. Auf den Straßen ist kein Mensch mehr. Der Kommissar wendet sich an einen wachestehenden Leibgardisten und frägt ihn, ob er kein Fräulein Rosette kenne. Der Schalk war ein resoluter Mensch; halb lachend, halb spottend wollte er sie beschrieben haben; man tat es, und er sagte, sie ist wahrhaftig sehr hübsch; aber ich sehe wohl, daß Sie ihren Reizen zürnen, Ihr Diener, ich kenne weder Rose noch Rosette. Diese Leute stehen ganz mit Recht im Ruf, die Beschützer einer bestimmten Gattung des schönen Geschlechts zu sein und verwenden sich sehr für seine Ehre, wenn sie nicht gar zu seinem Rufe beitragen.

Von Tür zu Tür klopfte man nun in einem Hotel garni an; die meisten dieser Häuser werden auf Kosten dessen unterhalten, was in ihrem Innern vorgeht. Zitternd kam der Hausmeister, um zu öffnen, und protestierte bei seiner Ehre, die einzige Person, die bei ihm wohne, sei ein ganz unanstößiges Mädchen, das in der Nachbarschaft sogar für fromm gelte. Der Kommissar stieg ungeachtet der Sittlichkeitszeugnisse dieses Herbergsvaters der Vorsehung hinauf. Die Tür des Zimmers wurde augenblicklich eingebrochen, als die darin Befindlichen zögerten, zu öffnen. Man sah niemand. Man ging direkt aufs Bett los; aber da das Fenster offen stand, merkte man, daß sich jemand dadurch hatte retten können. Diese Idee fand sich sogleich bestätigt durch ein Geräusch, das man im Laubwerk eines Weingeländers hörte, das an der Mauer lag. Man tritt hinzu und sieht einen Menschen in Nachtmütze und Hemd sich abrackern, um sich aus einer Unmenge von Reisig, auf das er gefallen war, zu befreien. Der Beamte, ein flinker Mann, eilt mit einem Licht in den Garten, und als er die Gestalt in einem sehr unanständigen Aufzug wahrnahm, rief er den Leibschützen, sie sollten kommen und das Bäumchen sehn, an dem so amüsante wilde Früchte wüchsen.

Unterdessen hatte mein Vater das Mädchen in Augenschein genommen. Nach dem Steckbrief, den man ihm von Rosette gegeben hatte, erkannte er sie nicht wieder; jene war eine Schönheit und diese ein kleines Ungeheuer mit Triefaugen, gelblichem Teint und einem impertinenten Blond.

Die Untersuchung der Kammer war bald erledigt. Beim Öffnen des Schrankes fand man eine große und schlecht gekämmte Perücke und den an den Ellenbogen durchgescheuerten Rock eines Mannes. Gleichzeitig zog ein Wachmann unter dem Kopfende des Bettes eine Kniehose hervor, aus deren Tasche er, in Gedanken hineingreifend, eine lange Peitsche hervorzog. Sie sehen, lieber Marquis, dieser Ort war eine Schule der Liebe; die schöne Blondine war die Schülerin, und ihr Lehrmeister ein Pensionsvorstand aus der Nachbarschaft, mit Namen Damon, derselbe, bei dem wir zusammen wohnten, der beständig gegen die Weiber loszog und uns so oft für kleine Liebesgeschichten prügelte. Der arme Pensionsvorsteher wurde der Gesellschaft vorgeführt. Ich konnte mich nicht enthalten, zu lachen, als der Kommissar mir ein Bild gab, von den Windungen, die der neue Adam machte, um seine Ehre zu bedecken. Bei einem solchen Zusammentreffen ist auch die des anständigsten Mannes nicht beträchtlich. Einen hohen Rang in der Welt nimmt er nicht ein. Beinahe im reinen Naturzustand, in einem außerordentlich kurzen Hemd und mit Handfesseln, wäre er überaus zufrieden gewesen, sich der Feigenblätter bedienen zu dürfen, die unserm ersten Elternpaar dienten.

Man mißbrauchte keineswegs den Zustand, in dem sich dieser Pädagoge befand, man setzte ihn wieder in Besitz seiner Kleider, und mein Vater wusch ihm sehr ernstlich den Kopf, so wie es der Fall erforderte, und tadelte sehr den Beamten, der in Gestalt einer brüderlichen Züchtigung auf das Hinterteil des armen Sünders mehrere Geißelhiebe losgelassen hatte; möglicherweise erstattete er nur zurück, was er früher von ihm empfangen.

Die Szene endigte damit, daß man sich bei der Betschwester danach erkundigte, ob sie nicht von Rosette habe sprechen hören. Wen kennten Betschwestern nicht? Sie gab auf die Fragen alsbald Bescheid; und als sie sich frei sah, gab sie in der häßlichsten Weise eine Beschreibung von Rosettes Betragen und malte sie in den schwärzesten Farben. Nur eine Betschwester ist einer solchen Verruchtheit fähig. Sie war kühn genug, sich anzubieten, meinen Vater hinzuführen; was auch geschah. Ich habe sie jetzt eingesperrt, die Elende, sie mag lange da bleiben, und meine Rache wird an ihren Tränen eine Genugtuung haben.

Man schickte den Pedanten heim und ließ ihm sagen, er solle seine Geißel beim Polizeidirektor holen, wenn er begierig danach wäre. Sie mag lange bei Gericht liegen bleiben. Da dabei für den Kommissar nichts zu gewinnen war, stellte er kein Verhör an, sondern lenkte seine Schritte dem bezeichneten Hause zu, wo er also mit seinem Gefolge eintraf.

Aurora, die ihren azurnen und purpurnen Wagen bestiegen hatte, öffnete im Osten die Pforten des Tages, und die Vögel begannen ihr Liebeskonzert; es war vier Uhr morgens. Die Träume flatterten in den Alkoven und Rosette genoß in meinen Armen die Ruhe, auf die sie nach den Ermüdungen einer wollüstigen Nacht ein großes Anrecht hatte. Erwarten Sie nicht, lieber Marquis, daß ich Ihnen hier die Beschreibung dieser Nacht gebe. Tausendmal veratmete ich vor Lust, tausendmal wurde ich wieder ins Leben zurückgerufen, und tausendmal starb ich, um wieder zum Leben zu erwachen. Nie habe ich eine innigere Glut empfunden.

Mein Kultus erstreckte sich auf alle Teile meiner Gottheit; alles an ihr war Gegenstand einer Hymne und einer Opferung; alles an mir war ein angenehmes Geschenk für sie, und wurde mit einer Gunst belohnt. Ins Königreich der Entzückungen versetzt, wie ich glaube, tauschten wir gegenseitig die Rolle; sie wurde Opferpriesterin und ich das Opfer; ich genoß fast die Befriedigung als Opfer hingeschlachtet zu werden; und außer dem geweihten Messer, das mir nicht die Seite durchbohrte, fehlte mir nichts von dem, was ein Opfer empfinden muß. Unsere Augenblicke verrannen nicht mehr, sie standen still; und ganze Jahre so hingebracht, wären nicht ein Punkt im längsten Leben gewesen. Wie viele Male habe ich bei diesen Ausschweifungen, die man nur fühlen kann, vergessen, daß ich existierte, oder gewünscht, ausgelöscht zu sein, in dem, was ich fühlte. Warum hat die Natur unsern Kräften Grenzen gesetzt und unsere Wünsche soweit hinausgespannt? Oder vielmehr, warum stehen sie nicht miteinander im gleichen Verhältnis?

Erschöpft und ermüdet wollten Rosette und ich uns vornehmen, unsere Entzückungen zu beenden; aber ihre Lippen waren auf die meinen geheftet; und die Organe unserer Stimmen waren miteinander verschlungen und so köstlich beschäftigt, begriffen, daß sie nicht den geringsten Laut für unsere Ohren bilden konnten. In dieser Lage hatten wir den Schlaf erwartet, hatte er uns mit seinen Mohnblüten gekrönt. Endlich schliefen wir; die Wollust lag zwischen Rosette und mir, und die Rache wachte, um uns die Schauder einer schrecklichen Erweckung fühlen zu lassen. Ach! ein gefälliger Traum, vom Gott der Liebe geschickt, hielt meine Sinne in einer schmeichlerischen Erwartung! Was für ein Lärm riß mich aus dieser liebenswürdigen Illusion!

Mein Vater, der Kommissar, der Polizeioffizier und ein paar Berittene hatten das Haus betreten und sich erkundigt, ob Fräulein Rosette hier wohne, und wer in ihrer Gesellschaft sei.

Sie erfuhren alles; und nach dem Bild, das von mir entworfen ward, war man sicher, daß ich derjenige sei, der sich seit zwei Tagen mit der Nymphe dieses Schlosses amüsierte. Man geht hinauf und klopft an die Tür; die Kammerfrau wollte den Lärm in unserem Zimmer anzeigen und, erschreckt von den Drohungen, die sie hörte, öffnete sie Personen, die mit einer großen Zahl Lichter eintraten. Rosette wurde von Furcht gepackt; eine alleinstehende Frau ist in einem solchen Fall außer sich; aber sie zittert noch ganz anders, wenn sie sich gerade in den Armen ihres Liebhabers befindet.

Ich erhob mich und ergriff zwei Pistolen, mit denen ich immer bewaffnet bin, wenn ich ausgehe, und erwartete in Gefaßtheit, daß sich jemand zeigte. Hätte ich daran denken können, daß sich mein Vater so bei meinem Lever einfand? Eine Schildwache wird im Vorzimmer aufgestellt; eine andere an der Tür unseres Kabinetts; und einige bewachten die Treppe.

Nun zeigt sich der Kommissar mit dem Polizeioffizier. Keinen Schritt weiter, meine Herren, rief ich ihnen zu; sie sahen meine Waffen und waren sehr folgsam. Mein Vater trat herein. Was machen Sie hier, Monsieur? sagte er in festem Ton zu mir. Seit zwei Tagen setzen Sie mich in Verzweiflung. Er tritt an mich heran, nimmt mir die zwei Pistolen ab und befiehlt den Bewaffneten, ihre Pflicht zu tun. Die Bettvorhänge wurden aufgezogen, und man sah die schöne Rosette ohnmächtig. Man brachte sie mit Mühe wieder zu sich. Ihr erster Blick richtete sich auf mich; sie flehte um eine Hilfe, die ich außerstande war, ihr zu bringen. Sie fragte traurig, was man mit ihr machen wolle; mein Vater antwortete ihr mit harter Miene, ihr Schicksal stünde besiegelt auf einer Order, und man ließ sie solche sehen. Der Schmerz warf sie nieder und eine Flut von Tränen überströmte ihre schönen Augen. Ihre Reize wurden verführerischer und rührten die ganze Versammlung, die nicht mit diesem Gedanken gekommen war. Sie warf sich meinem Vater zu Füßen, um ihn um Gnade zu bitten. Ich ahmte ihr nach; aber dieser unerbittliche Mann wandte sich ab und befahl mir trocken, ihm zu folgen.

Der Kommissar bemächtigte sich Rosettens, sie rief mich an mit gebrochener Stimme; ich antwortete ihr nur mit einem Seufzer. Ein Sohn, er mag noch so entschlossen sein, ist sehr schwach gegenüber seinem Vater, der in seinem Rechte ist, und in Gegenwart einer unglücklichen Geliebten. Die Liebe bleibt still und untätig, und die Natur läßt uns ihre ganze Macht fühlen.

Schon befanden wir uns auf der Treppe, als ein Bewaffneter darauf verfiel, im Bett der Kammerfrau nachzusehen. Er entdeckte darin eine menschliche Gestalt, die sich hinters Bett drückte und mit den Tüchern verhüllte. Man zieht die Decke weg und zwingt den Quidam, sich zu zeigen; das geschieht. Man fragt ihn um Stand und Namen und wer er sei. Wir kehren zurück. Wie groß war unsere Überraschung, als wir den Schurken Lafleur erkannten! Ich vergaß bei seinem Anblick meinen ganzen Kummer; und ich hätte ihn in meiner Wut ermordet, hätte man mir nicht den Arm festgehalten. Ich erzählte laut und offen, daß er es sei, der mein Unglück verschuldet: er wurde ergriffen, gebunden, geknebelt und ins Gefängnis geworfen; von da kam er nach Bicêtre, wo er seine Treulosigkeiten reichlich büßen soll.

Rosette wurde durch den Beamten und die Wache nach Sainte Pelagie gebracht, und diese hatten Grund, mit der Generosität meines Vaters zufrieden zu sein. Der Kommissar stieg mit uns in den Wagen. An seinem Hause setzten wir ihn ab.

Heimgekehrt, hatte ich die ganze Dienerschaft zu passieren, die über mich unruhig war und sich freute, mich wiederzusehen. Es gibt keinen einzigen, der mir nicht verbunden wäre. Es war immer mein Grundsatz, Leute, über die wir nur durch Zufall gestellt sind, human zu behandeln. Niedergeschlagen von Kummer und Müdigkeit, zog ich mich in mein Zimmer zurück; ich warf mich auf mein Bett und schlief in den Armen der Unruhe ein. Ich träumte nur von Rosette. Eine glückliche Geliebte entflammt und bezaubert einen Liebhaber, eine unglückliche Geliebte wird ihm teurer und anbetungswürdiger. Im Verlauf dieser Memoiren, lieber Marquis, werden Sie erfahren, was mit Rosette vorging, ihre Situation war außerordentlich hart. Die Beschreibung, die sie mir machte, hat meinem Herzen Seufzer gekostet.

Der Brief lag auf meinem Sekretär, und ich entdeckte kein Mittel, ihm seine Bestimmung werden zu lassen. Nach dem Treubruch Lafleurs wagte ich nicht, mich jemand anzuvertrauen. Übrigens ist in solchen ersten Augenblicken der geringste Schritt schon verdächtig und fast immer gewagt. Ich entschloß mich, den Präsident benachrichtigen zu lassen. Wie Sie wissen, lieber Marquis, ist er ein Vergnügungsmensch; aber er weiß auch überall guten Rat; er ist fähig, einen in galante Abenteuer zu verwickeln, aber er ist imstande, einen aus den schwierigsten herauszulösen. Ich schrieb ihm, er möge mich wegen einer wichtigen Angelegenheit aufsuchen. Mit dieser Botschaft beauftragte ich einen der Kutscher vom Hause, der so zufrieden darüber war, wie ich auch.

Der Präsident war nicht zu Hause; und als Laverdure, sein vertrauter Lakai, erfuhr, der Brief sei von mir, argwöhnte er etwas, und als intelligenter Bursche begab er sich zu mir. Ich war entzückt über sein Kommen. Das nenne ich mir unbezahlbare Diener; glücklich, der solchem Schlag begegnet! Ich verbarg ihm nichts; in einem Augenblick war er von meinem Abenteuer in Kenntnis gesetzt; und ohne den Moralisten zu spielen, beklagte er mich, tadelte mich, und ließ eine Hoffnung vor meinen Augen erscheinen. Ich redete ihm von dem Brief, den ich an Rosette geschrieben, und gestand ihm die Verlegenheit, in der ich schwebte, ihr denselben zu übermitteln. Zunächst fand er keine Schwierigkeit darin, weil er glaubte, sie sei an dem Ort eingeschlossen, wohin Büßerinnen dieser Gattung, die nie Büßerinnen sind, gewöhnlich gebracht werden. Als ich ihm jedoch versichert hatte, Rosette sei in Sainte Pelagie, war er bestürzt. Seine Entmutigung jagte mir Schrecken ein; ich verharrte in dieser Niedergeschlagenheit, in der man nichts weiter empfindet, als ein dumpfes Gefühl von seinem Unglück.

Laverdure ging ein paarmal im Zimmer auf und ab; und nach einem tiefen Nachdenken sagte er zu mir, er wolle es versuchen, er garantiere aber für nichts; doch würde er mir noch vor acht Uhr abends eine sehr positive Antwort überbringen. Ich gab mich dem lautesten Jubel hin. Die zehn Louisdor, die ich bloß noch hatte, wollte ich ihm einhändigen; aber er nahm nur den Brief und sagte dazu, das Geld sei mir nötig, und ich solle es behalten; er strecke es mir vor. Er gab sich bescheiden mit vier Pistolen für die Kosten der Besorgung zufrieden. Dann eilte er fort, und ich schwebte zwischen Furcht und Hoffnung.

Sind Sie nicht erstaunt, lieber Marquis, daß ich mich einer Geliebten von ein paar Tagen so verbunden fühle? Ich liebte sie und liebe sie noch; die Liebe ist übertrieben in allem. Wäre sie mir weniger teuer gewesen, so hätte sich schon meine Eitelkeit dagegen gesperrt, daß man sie mir raubte. War es nicht meine Pflicht, ein Mädchen nicht zu verlassen, ein freilich libertines, aber reizendes, das nur darum in Kummer gestürzt war, weil sie auf alle Weise versucht hatte, mir amoröse Vergnügen zu bereiten.

Nachdem ich geschlafen, oder vielmehr, nachdem ich betäubt dagelegen hatte, entriß ich mich diesem Zustand und sann auf Mittel, meine liebe Freundin zu befreien.

Es hatte zwei Uhr geschlagen, das Essen war aufgetragen, und man benachrichtigte mich davon; als ich zögerte, kam der Neuigkeitskrämer auf mein Zimmer; und nach einem ziemlich geschmacklosen Kompliment über meine Rückkunft, teilte er mir mit stolzer Freude mit, er sei das Hauptwerkzeug meiner Entdeckung gewesen. Wahrscheinlich hatte er keine Ahnung von dem ganzen Kummer, von dem ich gerade erfaßt war. Es gibt jedoch Leute, die sich durch nichts daran hindern lassen, zu schwätzen, und die lieber Nichtigkeiten reden, als daß sie nichts redeten, die auf jeden Fall plappern müssen. Sie sagen alles, was sie denken, und denken niemals an das, was sie sagen. Ich sah ihn voll Verachtung an; er wollte mich veranlassen, hinunterzugehen. Aber das machte er so schwerfällig und so schlecht, daß wenig fehlte, und ich wäre gegen seine Ritterlichkeit tätlich geworden, da er meine Einbildungskraft erhitzt hatte. Er zog sich eilig zurück und tat wohl daran. Das Schicksal hob mir eine Gelegenheit zur Rache auf, die mir süßer sein sollte, und die noch weit empfindlicher für ihn ausgefallen wäre, wenn er darauf hätte vorbereitet sein können. Übrigens heißt dieser Chevalier Dorville; er stammt aus der Maine, Edelmann aus einem alten Geschlechte. Er hat lange gedient; hat unter militärischen Ehren seinen Abschied genommen und erfreut sich eines ansehnlichen Vermögens. Er ist eine jener ehrsamen Schmarotzernaturen, denen immer wohl ist außer in ihrer eigenen Haut. Es ist sein Gewerbe, Neuigkeiten auszuklatschen und sie so oft zu sagen, als man sie von ihm hören will. Er ist eine Repetieruhr, die so oft schlägt, als man sie mit dem Daumen drückt. Er besitzt weder den Geist, Gutes zu tun, noch die Bosheit, Übles zu tun; er ist aus le Mans, doch von allen, die es je gab, am wenigsten. Seit einigen Jahren ist er verheiratet und etwas eifersüchtig; niemand kennt seine Frau, weil er sie nie in Gesellschaft vorgestellt hat, und keiner seiner Freunde weiß, wo er wohnt: seine Adresse ist das Palais Royal, unter dem Baum von Krakau, oder auf der Bank von Mantua.

Man ließ mir auf Veranlassung meines Vaters mehrmals sagen, ich solle zum Essen kommen, aber vergeblich, ich stellte mich immer taub, ohne es zu sein. Man servierte mir auf meinem Zimmer. Obgleich ich traurig war, nahm ich etwas Nahrung zu mir. Das Bedürfnis hat eine Stimme, die sich mächtig geltend macht und die man leicht hört. Unterdessen hatte ich einen großen Brief an Rosette geschrieben, in dem ich ihr in leidenschaftlichen Tönen meine Liebe ausdrückte und die Verzweiflung, in die mich ihr Unglück gestürzt hätte. Ich ermutigte sie, gute Hoffnung zu haben, und versicherte ihr, ich würde nichts unterlassen, um sie aus der ungerechten Gefangenschaft zu reißen, in der man sie so grausam hielte. Ich beschwor sie endlich, mich immer zu lieben, mir ihre Kümmernisse nicht anzurechnen, und bat sie, zehn Louisdor von mir anzunehmen, die ich ihr als Beihilfe für ihre Bedürfnisse schickte. Der Brief war einfach, aber rührend. Man hat ein zärtliches Herz, wenn man Schmerzen trägt, und ich erinnere mich, daß der Gott der Liebe mir Ausdrücke diktierte, die er selbst nicht verachtet hätte.

Das Gerücht meines Abenteuers breitete sich aus; es diente den Gästen, die sich an diesem Tag bei meinem Vater einfanden, als Tischgespräch. Jeder gab sein Wort dazu. Ein paar Witwen hatten keine Schonung für mich, besonders eine gewisse Madame Dorigny, der ich mich vorher anvertraut hatte, die aber in ihren Skrupeln sich geweigert hatte, mich anzuhören. Die Frauen sind doch lustig, sie sind beleidigt, wenn man von einer anderen Frau bekommt, worum man sie selbst gebeten hat, was sie einem aber immer weigerten. In der Folge rächte ich mich für alles, und zwar auf eine sehr vergnügliche Weise, wie Sie sehen werden.

Nach Beendigung der Tafel kamen ein paar Freunde zu mir zum Besuch. Zu solchen Besuchen geben immer nur Neugier oder Bosheit die Veranlassung. Man will die Geschichte eines Menschen aus seinem eigenen Mund erfahren, oder noch besser, man will das Schauspiel seines Elends genießen. Ich nahm daher die Komplimente ziemlich unhöflich entgegen. Mein Vater war mit den andern ebenfalls heraufgekommen, aber er entfernte sich sehr zur rechten Zeit wieder, als meine Wut gegen ihn gerade die Grenzen des Respektes überschreiten wollte.

Man ließ mich allein. In der Aufgeregtheit, in der ich mich befand, beschloß ich, irgendeinen außerordentlichen Streich zu verüben, der meinen Vater in Verzweiflung setzen sollte. Ich bekümmerte mich nicht um meine Ehre, wenn ich ihm nur Schmerzen bereiten konnte. Ich war außer mir darüber, daß ich kein böses Herz hatte. Das Schicksal bot mir an, was ich wünschte, es erlöste mich von dem Wagnis eines Hauptstreiches und wurde Ursache, daß ich ein um so eigeneres Vergnügen genoß, als es im Grunde eine Rache darstellte. Hier die Geschichte, lieber Marquis; ich werde länger dazu gebrauchen, sie zu erzählen, als ich brauchte, sie auszuführen. Es war eine Kabinettsimprovisation.

Seit einiger Zeit stand ich am Fenster, als ich einen Fiaker an unserm Tor anhalten sah. Für diesmal, Marquis, brachte mir so einer kein Unglück; im Gegenteil, Glück. Seit mir die Nummer 7l Unheil beschert hat, sah ich keinen solchen Wagen an, ohne auf die Buchstaben und die Nummer achtzugeben. Auch ist mir das Zeichen des letzteren noch wunderbar im Gedächtnis. Die Nummer der 1 und der Buchstabe B. Hätte ich daran gedacht, diese Art Aufschrift näher zu untersuchen, so hätte ich gefunden, daß sie mir mein Abenteuer vorhersagte. Die Kenntnis der Fiaker wäre etwas, über das die Akademie der Wissenschaften Aufschluß geben sollte; und eine gute Abhandlung über diesen Stoff wäre so nützlich, wie die des Matthieu Lansberg über die Zeit. Der Gegenstand ist wenigstens ebenfalls Mutmaßungen unterworfen.

Der Lakai, der hinter der Kutsche gestanden, zog beim Schweizer Erkundigung ein, ob mein Vater zu Hause sei, und reichte einer schwarzgekleideten Dame den Arm. Dieser Kleidung nach riet ich ohne Mühe auf eine Bittstellerin. Die Neugierde ergriff mich, wer sie sei, was sie wünsche, und besonders ob sie hübsch sei. Mein Kummer hatte mein Herz der Lust am Vergnügen nicht ganz verschlossen. Ihrem distinguierten Aussehen nach hatte man sie ins Gesellschaftszimmer geführt. Hier erwartete sie die Audienz meines Vaters. Ich stieg eine geheime Treppe herunter, im Hauskleid aus Taffet, die Nachtmütze auf und Pantoffeln an; und nachdem ich mich leise in ein Kabinett geschlichen, das auf den Saal hinausführt, betrachtete ich durch eine Glastür die Reize der Bittstellerin: und es fehlte ihr nicht an solchen. Sie stand im Alter von 26 bis 28 Jahren, war nicht groß und nicht klein; mit ziemlich muntern Augen, schönen Zähnen, einem etwas braunen Teint, einem annehmbaren Busen, kurz, das Gesamte der Züge war wohl fähig, einen zu entzünden; die Form ihrer Beine ließ nicht gleichgültig; sie lag auf dem Sofa nachlässig hingestreckt, und in jenen Stellungen, die gleichgültig scheinen, es aber selten sind, und nicht von der Sittsamkeit eingegeben. Sie betrachtete sich in den Spiegeln und ließ vor sich die Reize spielen, mit denen sie sich vor meinem Vater zu präsentieren gedachte.

Eine jede Frau gefällt gerne: aber sie sind nicht alle gefallsüchtig. Diese war es; jung, Frau eines alten Offiziers, der man dicht nachfolgt; wie viele Gründe doch, es zu sein! Eine Kokette sucht die andern zu bezaubern. Wer gerne bezaubert, ist nicht weit davon entfernt, sich überraschen zu lassen. Versuchen Sie es, sich einer solchen Nymphe zu bemeistern und die Sache aufs rascheste durchzusetzen: ich bürge Ihnen für den Sieg. Alles das ergibt sich. Logik der Galanterie, werden Sie sagen! Ich halte sie für besser, als die von Nicolas und Crouzas.

Nichts reizt die Leidenschaft mehr auf, als der Anblick einer Person, die im Glauben, nicht beobachtet zu sein, sich vor einem Spiegel in der Koketterie übt. Mein Temperament ist stürmisch; sein Feuer wurde noch erhöht durch den Wunsch, einen Hauptstreich zu verüben. Ich schloß die Augen und stürzte mich in die Ereignisse. Plötzlich sprang ich aus dem Kabinett hervor und stellte mich überrascht, jemanden anzutreffen; ich bat die Dame um Entschuldigung dafür, daß ich im Hauskleid vor ihr erschien. Sie gab mir eine höfliche Antwort. Ich erkundigte mich nun, wer sie sei, warum sie käme, und sie teilte mir mit, daß sie keineswegs um Fürspräche für sich selbst bäte, und daß sie, obwohl in Caen geboren, doch nie einen Prozeß gehabt; sie käme jedoch für eine ihrer Schwestern, der es gegenwärtig sehr übel erginge, deren Klage in ein paar Tagen vor die Kammer käme. Sie fügte hinzu, sie habe nicht die Ehre der Bekanntschaft mit mir; doch wäre ihr Gatte alltäglich im Hause, und es sei der Chevalier Dorville. Ich sah sie starr an. Wie, Madame, erwiderte ich, dieser Gatte ist Ihr Gemahl? Er ist mein Todfeind; er hat mir einen schimpflichen Streich gespielt; zweifellos sind sie mitschuldig daran? Da mir der Moment dazu günstig ist, muß ich mich rächen. Alsbald fasse ich sie in meine Arme, drücke sie, stoße sie aufs Kanapee; sie will schreien. Schreien Sie, sagte ich zu ihr; jawohl Madame, schreien Sie, so laut Sie nur können; machen Sie nur Lärm, das will ich gerade. Ich steckte ihr den Dolch in die Scheide; sie verlor die Besinnung; ohne an die offenen Fenster und Türen zu denken, ohne mich an das Geräusch zu kehren, das durch das Rauschen unserer Taffetkleider entstand, kämpfte ich, griff ich an, triumphierte ich. Ich weiß nicht, ob Madame Dorville, um eher wieder frei zu sein, dem Sieg nicht Beihilfe leistete; ich rächte mich an ihrem Gatten; vielleicht wollte sie sich ebenfalls rächen? Wo gäbe es eine Frau, die in ihrem Haushalt keinen Anlaß zu Mißstimmungen hätte?

Einem Pandur gleich, attackiere ich, plündere, schieße meine Pistole ab, und schon bin ich wieder abgerückt. In einer Minute war alles erledigt, und ich war bereits auf meinem Zimmer, als die Bittstellerin noch nicht Zeit gehabt hatte, zu bemerken, ob ich noch bei ihr weile.

Es kam niemand hinzu, und Madame Dorville hatte volle Zeit, ihre Toilette wieder in Ordnung zu bringen. Länger als eine Stunde verließ mein Vater sein Zimmer nicht. Wieder in meiner Behausung, begann ich wie ein Verrückter zu lachen und brachte fast eine halbe Stunde damit zu, über die Umstände nachzusinnen. Ich weiß heute, was ich von diesem tollen Streich zu denken habe.

Endlich erschien mein Vater. Er hatte eine lange Konferenz mit einem Geistlichen, dem Herrn Le Doux, seinem gewöhnlichen Beichtvater und meinem Ehrenaufsichtsrat. Er zieht viel Geld aus meinem Vater für die Armen, unter denen er sich, glaube ich, zuerst ansetzt, und nicht bloß mit einem Anteil. Dieser Tröster kam zu mir herauf und verzapfte mir in liebevoller Weise eine gewiß sehr geläuterte Moral.

Madame Dorville präsentierte sich vor meinem Vater, der einen Rest von Verwirrung in ihren Augen der Sittsamkeit einer Dame zuschrieb, die notwendigerweise errötet, wenn sie einen Mann um eine Gunst bitten soll. Jede andere wäre so verlegen gewesen wie Madame Dorville, denn niemals ist ein Überfall schleuniger zustande gebracht. Wenn die Damen so den richtigen Augenblick ergreifen würden, liefen sie nicht so viel Gefahr für ihre Ehre: was sie verdirbt, ist es das, was sie gewähren? Nein, die Zeit ist es, die sie verlieren, indem sie darauf warten lassen.

Die Gattin des Chevaliers setzte meinem Vater den Grund ihres Besuchs auseinander. Nach einer ziemlich langen Audienz stellte sich heraus, daß mein Vater in diesem Prozeß gar nicht Richter sei, daß er nur bei einer der Untersuchungskommissionen zugegen wäre, denen ich als Mitglied anzugehören die Ehre habe, und daß ich es wäre, dem sie ihren Wunsch vorzutragen hätte.

Mein Vater ließ mich rufen. Ich wollte nicht hinuntergehen und gehorchte erst nach einem ausdrücklichen Befehl. Meine Weigerung war um so begründeter, als man mir sagte, es gälte für eine Dame, die einen großen Prozeß hätte. Ich glaubte zuerst, Madame Dorville, außer sich geraten, hätte meinem Vater meine Tollheit aufgedeckt. Mein Feuer war zusammengesunken, und der Geist der Rache hatte sich etwas gemildert. Wohin, lieber Marquis, war denn meine vollkommene Kenntnis des Geschlechts. Niemals rühmt sich eine Frau eines solchen Abenteuers! Sie applaudiert sich im Innersten und weiß sehr wohl, daß man nur einer hübschen Person gegenüber ein unehrenhafter Mann ist, und sie kann jemandem, der ihr Lust bereitet hat, nicht Übles antun wollen. In der Tat, soll man nicht jemand Dank wissen, der einem vom Zeremoniell befreit? Lukretia tötete sich, aber nach dem Fall; und vielleicht war es aus Verzweiflung darüber, daß sie fürchtete, es nicht von neuem beginnen zu können.

Ich erschien; ich grüßte Madame Dorville mit Respekt, als ob ich sie nicht gekannt hätte – cognoveram. Sie geriet gar nicht außer Fassung und setzte mir ihre Angelegenheit recht verständig auseinander. Mein Vater ging weg. Madame Dorville geriet gegen mich in Wut, sie gebrauchte die stärksten und die energischsten Ausdrücke, um mir meine Kühnheit vorzuwerfen, sie weinte sogar. Gewohnheiten, lieber Marquis, ich kannte die Herzenswege des Geschlechts zu gut, um beunruhigt zu sein. Oft ist eine Frau nie näher an ihrem Fall, als wenn sie die stärksten Anstrengungen macht sich zu verteidigen. Ich ließ sie ihren Zorn austoben. Dann nahm ich das Wort, entschuldigte mich mit ihren Reizen, und meine Entschuldigung war auf einen guten Grund gebaut. Ich versprach ihr unverbrüchliches Geheimnis, und ich, der für einen Tyrannen gehalten worden war, wurde unmerklich ein Tröster, dessen Meinungen man ruhig anhörte. Wenn man des Geheimnisses sicher ist, fürchtet man weniger für seine Tugenden. Ich senkte wieder Frieden in die Seele von Madame Dorville, ich sah ihn in ihren Augen. In diesem Augenblick wurde ich überzeugt, daß Hannibal sich zum Herrn von Rom gemacht hätte, wenn er sich nicht an den Reizen Capuas ergötzt hätte. Sie erhob sich, ich geleitete sie, und im Hinausgehen drückte sie mir die Hand auf eine Weise, die mir zu verstehen gab, sie sei weniger gekränkt, und sie verzeihe mir meine Verwegenheit unter der Bedingung, daß ich nicht wieder unklug genug sei, mich offenen Fenstern und Türen vertrauensselig preiszugeben. Ich erwies ihr tausend Artigkeiten und versicherte ihr, ich fände unendlichen Geschmack an ihrer trefflichen Rechtssache.

Sie stieg wieder in ihren Wagen und ich in mein Zimmer hinauf. Dort hatte ich Herrn Le Doux gelassen. In meiner Abwesenheit hatte er meine Bibliothek inspiziert, und beim Umherspüren hatte er nicht einige Töpfe mit Eingemachtem übersehen, die auf einem Brett zur Seite standen. Er redete mir davon wie von einer Sache, die mir, einem Weltmann, gleichgültig sein müsse, die aber einem Vorsteher wie ihm, der stets einer großen Schar von Kranken Beistand leiste, von großem Nutzen sei. Er bekam aber durchaus nicht, was er wollte, denn im Kapitel Konfitüren und Süßigkeiten habe ich die geistlichste Seele, die es nur gibt.

Er schalt mich freundschaftlich wegen verschiedener Bücher, besonders in bezug auf Romane. Ich nahm die Kontroverse über diesen Gegenstand auf, und er tat sich nicht hervor, er gestand mir, seine Stärke läge nicht im Disputieren, er sei überzeugt, daß die Romane schlecht seien, aber er habe nie welche gelesen, und also könne er nicht darüber urteilen. Er gab mir den Rat, meine Miniaturen und Stiche zu verbrennen. Als ich ihm vorstellte, diese Sammlung sei über zweihundert Louisdor wert, sagte er zu mir, die Summe sei nicht beträchtlich genug, um sich für sie verdammen zu lassen. Ich legte aber Gewicht auf den Wert der Sachen. – Nun gut, sagte er, verkaufen Sie alle diese Schändlichkeiten irgendwelchen Räten der konstitutionellen Versammlung, diese Leute haben keine Seele zu verlieren! Ich versprach ihm, daran zu denken, und der Jansenist glaubte mich schon auf gutem Wege.

Mein Abenteuer sprachen wir Stück für Stück durch. Es ist nicht zu verwundern, daß der heilige Mann neugierig war. Ich erzählte ihm alles und interessierte ihn so sehr, daß er nachher am meisten zur Befreiung Rosettes mit beigetragen hat, wie Sie sehen werden, und daß ich durch seine Vermittlung von meinem Vater alles erlangte. Sie sollen aber keine schlechte Meinung von ihm bekommen wegen dieses Verhaltens. Herr Le Doux ist keineswegs ein Heuchler; er ist geradgesinnt, ein guter Geistlicher, aber einfältig und leicht zu täuschen. Er hat die ganze Kleinlichkeit seines Standes, nicht aber alle seine geheimen Intrigen. Hat er eine Sünde begangen, so bin ich die Ursache. Man ist in Wahrheit nur schuldig, wenn man es in seinem Herzen ist.

Es war fast acht Uhr. Herr Le Doux war nach Hause gegangen und hatte mir Zeit gelassen, wieder zum Gegenstand meiner Beunruhigung zurückzukommen. Mit großen Schritten ging ich in meinem Zimmer auf und nieder, ich blickte durch das Fenster; Laverdure kam gar nicht wieder. Ich entschuldigte sein Ausbleiben mit der Verschiedenheit der Uhren. Ich wurde grausam ungeduldig. Da tritt plötzlich eine Gestalt in mein Zimmer, ganz in einen wollenen Umhang eingewickelt, ohne ein Wort wirft sie einen Brief auf meinen Schreibtisch und stürzt sich auf ein Kanapee. Ich lese die Adresse und erkenne Rosettes Schrift. Ohne zu zaudern öffne ich ihn, verschlinge ihn und bin entzückt. Ich gebe Ihnen gleich eine Abschrift davon, aber zuerst lassen Sie sich mitteilen, wie der Brief zu mir gelangte, wie sich dabei mein Gesandter verhielt, und wer es war, der in diesem Aufzug zu mir gekommen war. Diese Intrige ist recht hübsch eingefädelt, und Laverdure hat mir gestanden, es sei sein Meisterwerk.


 << zurück weiter >>