Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

I.

Was ich schon so lange wünschte, lieber Marquis, es hat sich von selbst gegeben, und ich habe nicht einmal die Vorteile des Zufalls genützt. Endlich habe ich die schöne Rosette besessen. Hier haben Sie ihr Porträt; urteilen Sie, ob ich es ähnlich treffen kann.

Sie hat Geist, Urteil, Einbildungskraft; und es freut sie, ihre Talente zu üben. Alles, was sie tut, atmet Ungezwungenheit, und so erreicht sie auch bei den andern, was sie will. Mit ihrem heitern Äußern, ihrem schwebenden Schritt, dem kleinen Mund, den großen Augen, den schönen Zähnen, dem ganzen Antlitz von Anmut strahlend, ist sie es, die mein Glück ausmacht. Sie ist spröde, wenn es ihr beikommt, von Charakter zärtlich, und ihre Laune kann euch in einem Augenblick zur Verzweiflung bringen; im andern macht ihre Leidenschaft euch trunken von den entzückendsten Ideen. Rosette versteht am besten den Wink der Augen; sie eilt schon, wenn man ruft, und erwidert auch sogleich eure Erklärung. Mit dem Vergnügen treibt sie ihren Mutwillen; doch hält sie es, so sehr sie nur kann, von seinem wirklichen Ziel fern. Sonderbarer Geschmack, eine gute Frucht lieber zu liebkosen, als aus ihr den Saft herauszudrücken!

Seit Ihren Mitteilungen über die Einnahme von Menin waren drei Tage verstrichen, als ich ganz in Gedanken an Sie, lieber Marquis, und beunruhigt über Ihre Gesundheit, wieder Nachrichten von Ihnen erhielt. Ich war im Palais-Royal, um es unsern Freunden zu erzählen, und dann ging ich in einer etwas entfernten Allee spazieren. Ich sah den Präsidenten de Mondorville kommen. Er war geputzt wie gewöhnlich, trug den Kopf hoch und sah zufrieden aus; er applaudierte sich aus Zerstreutheit und fand sich charmant aus Gewohnheit. Er spielte mit einer goldenen Dose, neu nach dem neuesten Geschmack, und entnahm ihr einige leichte Prisen Tabak, mit einer gewissen Ziererei und beschmutzte sich damit das Gesicht. Ihr Diener, sagte er im Vorübergehen, ich eile zur Sonnenuhr. Er tat es. Während ich ihn erwartete, machte ich ein paar Gänge allein und betrachtete mit kritischem Vergnügen eine originelle Gruppe von Novellisten, die abgründlich über Dinge politisierten, die sich nie ereignen werden. Ich näherte mich einem alten Militär, der sehr laut und sehr gut sprach, was immerhin bei seinesgleichen eine Seltenheit ist. Er sang einen würdevollen Panegyrikus auf unsern Monarchen; und es war vielleicht zum erstenmal in seinem Leben, daß sich niemand fand, der ihm widersprach.

Der Präsident kam von der Sonnenuhr zurück, scheltend, daß seine Uhr ein paar Minuten zu spät ging; er verschwor sich, daß Julien le Roi niemals mehr für ihn arbeiten sollte, und daß er sich direkt von London ein Dutzend Repetieruhren kommen lassen wollte. Wer nicht will, daß einmal seine Uhr um eine Sekunde falsch geht, ist ewig in Widerspruch mit sich selbst.

Mein lieber Rat, sagte er zu mir, eine Prise Spanischen; er ist von diesem armenischen Händler da unten unter den Bäumen, der mir ihn verkauft hat. Er ist ein neuer Konvertit; er soll ein guter Christ sein, aber, meiner Treu, vor den Neugierigen spielt er den Araber. Wie ich Sie da sehe, sind Sie schön, wie die Liebe; man meinte, Sie verkörperten sie, wenn Sie ebenso flatterhaft wären; doch weiß man, daß die junge Baronin Sie in ihren Ketten hält. Ihr Vater ist auf dem Lande. Wenn wir uns in der Stadt vergnügt machen wollen, was für eine Einöde ist Paris! Keine zehn Frauen sind da, und jene, die sich genauer ansehen lassen wollen, haben Augen, denen gegenüber man wählerisch sein muß.

Ich will Sie mit drei jungen Mädchen zu Mittag speisen lassen; wir werden fünf sein, das Vergnügen macht den Sechsten; es wird die Partie mitmachen, denn Sie sind ja dabei. Ich habe meinen Wagen weggeschickt, und Laverdure soll mir einen Fiaker besorgen.

Argentine wird beim Diner mit sein; es ist ein anbetungswürdiges Mädchen, recht ungebunden dazu, und zur Ausschweifung hat sie die besten Neigungen von der Welt.

Erkennen Sie darin nicht den Präsidenten, lieber Marquis? Er hat Genie, Ehre; aber er hängt schrecklich am Vergnügen. Die Nacht auf dem Ball, um sieben Uhr morgens im Palais; in Gesellschaft ist er weder pedantisch, noch zerstreut in der Kammer. Bezaubernd bei der Toilette, unantastbar im Amt, spielt seine Hand mit den Rosen der Venus und hält die Wage der Gerechtigkeit stets im Gleichgewicht.

Unbemerkt verließen wir den Garten. Laverdure war noch nicht da. Einige Zeitlang hörten wir die Gespräche von zwei jungen Leuten an, die einander ihr Glück berichteten, die aber, nach ihrer Miene zu schließen, recht so aussahen, als ob sie vor dem Richter lügen könnten.

Wir entdeckten in ihren Fenstern mehrere Vestalinnen, deren Ruf im Stadtviertel ausgezeichnet ist und die ganze Nachbarschaft durchdringt; sie waren geschmückt wie für Mysterien; wir nahmen an, daß sie nur Feuerwerke anzünden könnten.

Wir bemerkten auf der einen Seite des Platzes das früher so glänzende Café de la Régence und bedauerten die Dame dieses Lokals, gezwungen, einem Gatten davonzugehen, den man nie dazu erlesen wird, an der Tafel der Götter den Nektar zu servieren.

Auf der andern Seite sahen wir das Café des Beaux-Arts, ein neues, recht hübsch ausgestattetes und sehr besuchtes Café, das, wenn es so fortfährt, ehestens das Café der verbotenen Künste sein wird.

Die Herrin dieses Kabinetts Sie nennt sich Frau Morin. stand im Negligé an der Tür. Häufig ist mehr Kunst in dieser Einfachheit, als im kostbaren Putz. Sie ist zuvorkommend und anmutig. Zwar nicht schön, aber man gefällt, wenn man ihr ähnlich sieht. Sie ist wohlgebaut, hat eine sehr weiße Haut, redet ungezwungen, und ihre Antworten haben Geist. Bei der ihr eigenen Art sich zu geben, kann man sich denken, wie sinnlich sie im engeren Umgang sein muß. Ihre Beine sind, wie es scheint, zart und schlank. Ich kenne einen andern Sinn, als das Gesicht, der mit mehr Befriedigung darüber entscheiden würde.

Inzwischen kam Laverdure; er sprang vom Bock, wir stiegen ein. Es ist alles bereit, sagte er; Fräulein Laurette und Fräulein Argentine erwarten Sie; aber Fräulein Rosette ist unpäßlich und läßt sich entschuldigen. Diese Neuigkeit, daß Rosette bei der Gesellschaft sein sollte und es nicht sein würde, machte mich traurig. Ich wußte nichts von der Überraschung, die sie uns aufsparte. Man ist oft über etwas betrübt, was einem in der Folge zur größten Annehmlichkeit werden soll.

Der Präsident sprach unaufhörlich bis zur Wohnung unserer Damen. Wenn man sich so abwechslungsreich ausdrückt wie er, ist es erlaubt, Schweigen nicht zu bewahren. Es gibt keinen Stutzer und keine elegante Dame, die er nicht mit ihren Namen, Beinamen, Intrigen, Eigenschaften, Sitten und Abenteuern kennt: er weiß die Lästerchronik von ganz Paris.

Sehen Sie hier, sagte er, diesen großen Flämen mit dem blassen Teint, der sich so plump gebärdet? Er steht über und unter uns mit all seinem Verstand. Sehn Sie den weißen Damis mit dem scharfsinnigen und geistreichen Blick? Man glaubt, er denkt; so lang er nichts sagt, erweckt er eine gute Meinung von sich; seine Physiognomie lügt aber, dieser Mensch trägt nur seine Maske vor sich her. Sie sehn den kleinen Herzog in seinem Wagen; er spielt den Galanten und den Leidenschaftlichen bei den Damen; aber man kennt seinen Geschmack und ist überzeugt, daß er in solchen Rollen immer pfuscht.

Haben Sie nicht die Gräfin de Dorigny gesehn? Immer sitzt sie allein in ihrer Sänfte, fährt von einem Haus zum andern und zeigt das Stück an, das am Abend bei den Italienern zum erstenmal aufgeführt wird; aller Welt sagt sie, sie sei überaus zufrieden damit, und hat es nicht gelesen. Der Sekretär ihres Bruders ist der Verfasser; mit einer Filetarbeit in der Hand wird sie darüber urteilen. Da sehn Sie den jungen Poliphonte. Er führt mit verhängtem Zügel seinen himmelblauen Phaeton; Sohn eines reichen Weinhändlers, hält er sich für einen Adonis. Der Favorit des Bacchus ist er wohl, aber niemals wird er der des Amor sein.

Die Türe Héberts Juwelenhändler, Rue Saint-Honoré, gegenüber dem Grand-Conseil., fuhr er fort, wage ich gar nicht anzusehn, er verkauft mir immer tausenderlei Dinge gegen meinen Willen; viele andere ruiniert er so durch Kleinigkeiten. Er macht in Frankreich, was die Franzosen in Amerika tun, er gibt Kinkerlitzchen für Goldbarren.

Wir kamen vor der Türe unserer Fräulein an, und nachdem wir ziemlich lange gewartet hatten, kam Laverdure mit ihnen herunter.

Denken Sie wie ich, Marquis? Ich liebe es nicht, daß ein Bedienter mit meinen Geheimnissen oder meinen Vergnügungen so überaus vertraut ist.

Wenn man ein Kleinod hütet, betrachtet man es; wenn man es zu nahe ansieht, wird man davon in Versuchung gebracht, und zuweilen wird der Wächter der Dieb; übrigens kann ein Mädchen, das sich euch aus Interesse verkauft, aus Neigung eurem Vertrauten sich ergeben.

Laurette und Argentine stiegen zu uns ein; wir ziehen die Vorhänge zu und fahren ab. Der Präsident faßt nach den Händen unserer Gefährtinnen; sie empfehlen ihm, weise zu sein; er will sie umarmen; sie verteidigen sich oder geben sich wenigstens den Anschein. Bald hatte ich nach dem Muster meines Freundes Bekanntschaft gemacht: wir schäkern; die Zeit verstreicht und wir befinden uns in La Glaciere.

Das Diner war gerüstet. Gebt einem geschickten Bedienten eure Befehle, macht ihn zum Herrn eurer Börse, und er macht damit die Honneurs weit über eure Wünsche; je zufriedener ihr seid, desto mehr wird er seinen Vorteil gefunden haben. Wer sollte auch nicht in bezug auf Vergnügen erfinderisch sein, wenn die Kosten von einem andern getragen werden. Das Haus, in dem wir uns befanden, war vom Präsidenten gemietet; man findet da alle wünschenswerten Bequemlichkeiten. Das Äußere ist ja nicht glänzend, aber das Innere entschädigt einen dafür. Von außen ist es die Schmiede Vulkans, im Innern der Palast der Venus.

Diese kleinen Häuser sind einem entzückenden Gedanken entsprungen; das Geheimnis hat sie erfunden, der Geschmack sie gebaut, die Bequemlichkeit sie geordnet und die Eleganz ihre Kabinette ausgestattet. Man begegnet hier nur den schlichten Gebrauchsdingen, aber es ist das Notwendige, das hundertmal entzückender ist als alles Überflüssige. Man findet hier niemals Zierate, die über das Erlaubte hinausgehen; niemals Unruhe. Sittsamkeit wird an der Tür abgewiesen und Verschwiegenheit, die als Schildwache dasteht, läßt nur Lust und liebenswürdige Ausschweifung passieren.

Das Diner war aufgetragen und wir genossen es; erlassen Sie mir die Beschreibung. Denken Sie sich aus, was sich an Genuß bieten kann, wenn jedes einzelne Gericht mit Finesse gereicht wird. Ich setzte mich neben Laurette, und der Präsident wählte Argentine. Laverdure ließ uns nach der Krebssuppe warten; diese Pause füllten wir mit einem Disput aus über die gelehrte und langweilige Oper »Dardanus«. Schon waren wir im Feuer, als uns zwei Vorspeisen präsentiert wurden, denen Mariolo Berühmter Koch. die appetitreizendsten Namen verliehen hätte. Dieser Gang dämpfte unsere Hitze und brachte uns wieder ins Gleichgewicht und zu unseren Tellern.

Sie kennen unsere zwei Tischgenossinnen nicht recht: hier haben Sie eine Skizze von ihnen.

Laurette ist noch jung, aber nicht so sehr, wie sie sagt, und auch weniger, als sie denkt. Die Gutgläubigkeit der Weiber in diesem Punkte ist bewundernswert. Sie ist eines jener großen, festen und kräftigen Mädchen, deren Hüften und Beine auf ausgezeichnete Befähigung für mehr als einen Tanz hindeuten. Sie ist braun und höchst mutwillig und setzt ihren Stolz darein, Begierden zu wecken.

Argentine ist eine dicke appetitliche Dame, mit etwas aufgestülpter Nase, hübschem Mund, rundlichen Händen und einem Busen, zu dessen Gunsten die Natur nicht sparsam gewesen ist. Das Vergnügen ist ihre angebetete Gottheit; sie opfert ihr daher so häufig, als es nur möglich ist. Ihre Unterhaltung bleibt sich ziemlich gleich: sie ist glänzend, wenn sie sich über Nichtigkeiten ergeht. Diese Mädchen beherrschen ihren Stoff.

Das Diner verlief ziemlich ruhig; ich war überrascht davon, da ich das stürmische Gemüt des Präsidenten kannte. Ich wurde den Verdacht nicht los, daß er in einem Augenblick der Abwesenheit mit Argentine, unter dem Vorwand, ein ganz neu persisch eingerichtetes Kabinett zu besichtigen, seine Maßregeln gegen die Wirkungen des Champagners getroffen habe. Übrigens bedaure ich ihn, wenn er so lange ohne Vorbereitung keusch geblieben ist. Was mich anlangt, so bemerkte ich sehr wohl, daß man nicht zurückhaltend sein kann, wenn man es will. Bedeutet es ein so großes Unglück, keine unbedingte Herrschaft über die Natur zu besitzen! Man sagt, daß es ruhmvoll sei, sie zu überwinden; ich finde, daß es vergnüglicher ist, sich von ihr besiegen zu lassen.

Schon die heiteren Gespräche hatten unser Mahl belebt; ein paar ziemlich freie Lieder hatten angenehme Begierden erweckt; verschiedentliche Küsse ferner hatten die Reize unserer Tischgenossinnen zum Erblühen gebracht, und sie widerstanden nur so viel, als nötig war, um den Anschein zu erwecken, sie verteidigten sich. Wir dachten an niemand, als Laverdure uns meldete, daß man sehr stark an uns dächte, und uns einen Brief von Seiten Rosettes überreichte.

Der Präsident entsiegelte ihn voll Eifer; er war scherzhaft und beglückwünschte uns zu der liebenswürdigen Unordnung, in der wir vermutlich sein würden, und kündigte uns an, daß sie binnen einer Viertelstunde an unseren Vergnügungen teilnehmen würde. Man trank auf ihre Gesundheit; ich tat es auf eine zu deutliche Weise. Das Herz verrät sich leicht; bei jeder Begegnung ertappt man es auf der Tat. Dies Benehmen enthüllte Argentine und Laurette, daß ich sie bevorzugte. Jedes Weib ist eifersüchtig; die Mädchen vom Genre dieser Fräulein sind es nicht bestimmt und ausgesprochen, aber sie sind nicht unempfindlich. Haben sie anmutvolle Reize, warum sollte nicht auch der Stolz ihr Teil sein? Ohne ein Wort verschworen sie sich zu verhindern, daß Rosette bei ihrem Kommen das genösse, was sie als die ersten Besitzergreifenden verdient hatten. Und der Plan schlug auch nicht fehl. Durch die Bestrafung meiner Liebe zu Rosette hatten sie zweifache Genugtuung: die erste, sich ein Vergnügen zu bereiten, und die andere, es einer Rivalin zu stehlen. Dies letzte Motiv genügte. Die Frauen tun zuweilen das Böse um des Bösen willen; aber ihre Bosheit ist sehr erfinderisch, wenn sie von einer Lust belohnt werden soll. Man verschob den Nachtisch bis zum Erscheinen Rosettes. Ich vergaß, Ihnen zu sagen, lieber Marquis, daß sie selbst den Brief hergebracht hatte, und daß sie sich im Einverständnis mit Laverdure in einem benachbarten Zimmer versteckt hatte, von dem aus sie allen Vorgängen in dem unsrigen als Zeuge beiwohnte. Warum wußte ich nichts davon! Ich hätte das Geheimnis ihres Verstecks mit in Betracht gezogen. Zum Unterschied von euch Soldaten heben wir nur in den Ländern aus, die uns die liebsten sind.

Als irgendwelche Gründe Argentine veranlaßten, hinauszugehen, reichte ihr der Präsident die Hand, und Laurette und ich blieben allein.

Argentine hatte ein hochgeschürztes Kleid aus zitronengelbem Moiré an, mit einem Haarputz, der zerknittert werden wollte. Laurette war in Rot geputzt und trug ein ganz leichtes Gewand. Die Einfachheit verschönte Argentine, und Laurette zog tausend Vorteile aus ihrem Schmuck. Nichts vermag ein hübsches Weib häßlich zu machen; und man kann sich schmeicheln, annehmbar zu sein, wenn man durch die Ziererei des Anzugs gar nicht verändert ist.

Der Präsident ließ etwas auf sich warten. Wir scherzten und lachten miteinander darüber, was sie vermutlich nicht gerade in Verzweiflung brachte. Dem Charakter der Abwesenden nach, nahmen wir an, die Verwendung ihrer Zeit würde ihre wichtigste Angelegenheit sein, und wenn sie über etwas Rechenschaft abzulegen hätten, wäre es nicht, weil sie eine große noch auszufüllende Lücke ließen.

Wer über die anderen scherzt, ist immer gestraft. Man kritisiert seinen Nächsten und tut oft dasselbe; die Moral ist dem Vergnügen gegenüber sehr schwach. Nehmen Sie doch den Pelzkragen ab, sage ich zu Laurette, er ist Ihnen ja lästig. Der Besatz sieht sehr lustig aus. Man muß gestehen, die Duchap Modehändlerin, der Oper gegenüber. hat einen ausgesprochenen Geschmack für diese Kleinigkeiten und dazu das Talent, sie sich von Ihnen mit Gold aufwiegen zu lassen. Wie reizend Sie sind, fuhr ich fort; der Chablis hat ein göttliches Feuer in Ihren Augen entzündet. Ihr Busen ist ganz gepudert, lassen Sie mich's wegwischen. Ich berührte ihn leicht mit den Fingern; wie gern hätte ich da ein zweiter Jonathan Buch der Könige, 5. sein mögen. Lassen Sie mich Ihren Ring sehen, Sie haben trefflich gepflegte Finger: und erfaßte ihre Hand und küßte sie. Sie griff nach der meinen und drückte sie; eine Hand, die drückt, will etwas; ich gab ihr von ganzem Herzen einen Kuß und verstieg mich zu mehreren Wiederholungen zugunsten eines schönen Mundes, der sich immer darbot, wenn ich ihm nahe kam. Meine Hitze stieg, ihr Feuer teilte sich dem meinen mit; schon verlangten unsere aufeinandergehefteten Augen nach dem, was sie nur andeuten können. Wir näherten uns einem Kanapee, das neben uns stand, und zu dem uns das gebohnte Parkett vielleicht boshafterweise leicht hintrug. Von da an befaßte ich mich, ohne ausführlich zu werden, nur im wesentlichen mit meiner Pflicht. Ich vergaß mich wie sie, wir verirrten uns miteinander; ich weiß nur, daß wir in eine Art Abgrund stürzten, in dem sie mich begraben half, und in dem ich noch wäre, wenn man, entgegen dem, was gewöhnlich geschieht, nicht außerordentlich stark sein müßte, um lange darin zu verweilen. Wir erwachten aus unserer Lethargie, und errötend über unsere Gefühle, wünschten wir, noch mehr weiterfühlen zu können. Es wäre wohl an der Zeit, sich zu schämen. Sie erlassen es mir wohl, lieber Marquis; einem Juristen ist es nicht erlaubt, so großartig zu denken wie ein Husarenoberst. Einen Augenblick später lachten wir darüber, daß wir so toll gewesen, aber wir waren darüber so wenig böse, daß wir mit einem gegenseitigen Kuß übereinkamen, beim nächsten Augenblick wieder die Vernunft zu verlieren.

Argentine kam in guter Form zurück, sie war im Kampfkostüm, und brach alsbald in Lachen aus, als sie Laurettens Kleid erblickte, das aussah wie nach einer Lustpartie. Der Gesichtsausdruck ist nicht immer trügerisch. Sie scherzte über ihre Augen, über die meinigen, und indem sie sich dem Kanapee zuwandte und es sorgfältig untersuchte, versicherte sie, wenn ich eine Karte von den Orten meiner Kämpfe anlegte, so würde dieser rot bezeichnet sein. – Warum begeht man keine Fehler, sagte sie in ironischem Ton, ohne daß sie von den andern bemerkt werden? Das Vergehen spiegelt sich in den Augen; seht die meinen; sind sie nicht der Spiegel der Unschuld? Augenscheinlich ließ uns Argentine diesmal ein verwegenes Urteil fällen, oder vielmehr, sie war nur verändert, wenn sie regulär gekämpft hatte. Entledigen Sie sich dieses überflüssigen Putzes, sagte sie zu Laurette, bleiben Sie im Korsett, wie ich mich präsentiere. Da wir den ganzen Tag zubringen, bedarf es keiner Feierlichkeiten. Ihre Reize werden im Negligé noch anmutiger sein. Gehen Sie hinauf und legen Sie alles sorgfältig auf Ihr Bett; aber wecken Sie mir nur gnädigst den Präsidenten nicht auf, der auf dem Ruhebett liegt. Laurette folgte dem Rat, da er gut war; doch sie bemerkte, daß er ihr nur aus irgendeinem Interesse gegeben war. Welche Frau wäre wohl erfreut darüber, ihre Rivalin glänzender zu sehen, und möchte ihr noch dazu helfen! Sie drehte sich auch, während sie uns verließ, wiederholt maliziös um. Die Meister einer Kunst kennen alle ihre Geheimnisse.

Ich bin's nun, mit der Sie es jetzt zu tun haben, schöner Rat, sagte darauf Argentine ohne weitere Einleitung. Sie hatte schon die Tür geschlossen und einen kleinen charakteristischen Sprung gemacht. Ich liebe Sie, die Zeit ist kurz; der Präsident hat die Sache nur oberflächlich behandelt, er hat den Kampf begonnen, Sie müssen für ihn siegen. Ist dieses Kanapee nicht Zeuge Ihres Mutes gewesen? Es ist bepudert, aber ich fürchte den Staub wenig, er ist ehrenvoll, wenn er vom Schlachtfeld stammt.

Sie sagt es, sie umarmt mich; ich erwidere es mit Lebhaftigkeit; sie reißt mich mit sich fort, und ich folge ihr wahrlich sehr gern. Nichts gleicht einem Weibe, das Temperament hat, und das in seiner Erwartung betrogen und hingehalten worden. Da ist nicht mehr Lust, sondern Leidenschaft, nicht mehr Entzückung, sondern Wut; ich glaube, nichts auf der Welt ist so voll Glut, als ein solches Geschöpf in Besitz zu nehmen. Kurz, ich griff eine Stelle an, die sich mir entgegengestellt hatte; ein mutiger Kämpfer und ein ruhmvoller Sieger, dehnte ich meine Eroberungen in Himmelsbreiten aus, deren Pforte zu durchschreiten man mir leicht gemacht. Höchst befriedigt verließen Argentine und ich unsern Zustand; und wenn sie nicht überrascht war von meiner Kunst, hatte sie Grund, es sich zur Ehre anzurechnen. Rosette möge sofort kommen, sagte sie, ich wünsche ihr alle Befriedigung; wir werden Freundinnen sein, und ich bitte Sie sogar, ihr zu bezeugen, wie sehr ich sie liebe. Urteilen Sie, lieber Marquis, ob Argentine mir die Möglichkeit gelassen hatte, ihr etwas zu bezeugen.

Indessen erschien Laurette. Dieses Kanapee ist verderblich, man kann ihm nicht nahekommen, ohne das zu fühlen, sagte sie. Lassen Sie mich nun auch Ihre Augen sehen, Argentine, und die Ihrigen, Rat? Das genügt. Man muß gestehen, daß meine gute Freundin sehr ruhig ist; sie gleicht dem großen Condé, der niemals größere Kaltblütigkeit zeigte, als inmitten einer Schlacht. Der Präsident ruht aus; während er schläft, wollen wir diese Flasche Frontignan leeren. Sie sind nachdenklich, lieber Rat, Sie haben eine ehrerbietige Miene, man soll den Damen seine Ehrfurcht erst kundgeben, wenn man es daran nicht kann fehlen lassen ihnen gegenüber.

Unterdessen wandte sich das Gespräch der Lektüre zu, der steten Zuflucht eines ermüdeten Mannes und der Frauen, die noch nicht daran gedacht haben, zu lästern. Man sprach viel vom Roman von Acajou Jedermann weiß, daß dieser Roman von Herrn Daclos von der Académie des inscriptions ist.. Ich fand, daß das Widmungsschreiben ans Publikum das Vernünftigste am ganzen Buche war. Unsere Fräulein sangen das Lob des Autors, sie rühmten die Gewandtheit seiner Rede und seine Beschlagenheit in allen Dingen: Argentine, die zu seinen Freundinnen zählt, versicherte uns in der Leidenschaftlichkeit ihres Wohlwollens für ihn, daß sie durch allerlei Zufälle genügend Ansehen hätte, um seine Aufnahme in die Académie Française durchzusetzen.

Die Unterhaltung ist bald erschöpft, wenn sie sich über die Verdienste eines Autors ergeht. Wir schwatzten von Moden, von Spitzen, von Stoffen, und allmählich fingen wir an, Rosette aufs Tapet zu bringen, als sie selbst hereintrat, und uns durch ihre Anwesenheit angenehm überraschte. Ich wollte mich erheben, um ihr entgegenzugehen, sie hielt mich fest, und nach einer freudigen Begrüßung ging sie um den Tisch herum und küßte uns alle auf die Stirn mit einem gewissen leisen Geräusch der Lippen, woraus gewöhnlich die Lust klingt. Sie entdeckte uns das ganze Geheimnis und ließ uns wissen, daß sie seit langem im Nachbarzimmer gewesen sei. Unsere Gespräche sagte sie uns her und beschrieb unsere Abenteuer. Ja, sie zählte die Minuten auf, die ich mit Argentine ausgefüllt hatte, und als Kennerin versicherte sie, daß es zu lange für Weniges und zu kurz für Vielerlei gewesen. Man machte Argentine zum Richter; ein einziges Wort von ihr schon wurde mir zum Lob.

Rosette war ohne Reifrock, im schönsten Leinen von der Welt, in feinen Schuhen und mit Beinen, die sie höchst vorteilhaft zu nutzen verstand. Der Präsident schläft, rief sie aus; wir wollen wachen. Den Nachtisch hat man für mein Kommen aufbewahrt, erfüllen wir seinen Zweck. Wir wollen versuchen, gar nichts übrigzulassen; der Richter soll zum ersten Male nur die Austernschalen haben. Sie folgten ihrem Rat. Eine Stunde verfloß mit Plaudern, Singen, Propfenziehen, und Gläser und einiges Porzellan wurden zerbrochen. Es ist der Geschmack der Damen von Stand: seit die Offiziere zur Armee abgereist sind, spielen sie Stutzerinnen und amüsieren sich bei lärmenden Soupers; sie finden es unendlich geistreich, einen Spiegel oder einen Tisch zu zerbrechen, oder Stühle aus dem Fenster zu werfen. Sollten die Mädchen von Welt nicht das Recht haben, bei diesen Unternehmungen den jungen Marquisen nachzuahmen, da diese es in ihren Intrigen tun? Ich zog meine Flöte aus der Tasche; Laurette nahm sie, und da sie sie annehmbar spielt, präludierte sie Läufe und spielte uns recht rührende Weisen vor. Rosette nahm dieses Gesellschaftsinstrument und behauptete, daß die Art und Weise, ihm Töne zu entlocken, unanständig sei. Sie tadelte die Zungenstöße und stellte die Forderung auf, daß das weibliche Geschlecht niemals in Gesellschaft eine Flöte anrühren dürfe. Wo sollte die Moral bleiben? Im Grunde liegt Wahrheit darin, zu sagen: es gibt gewisse Dinge, deren Handhabung zu verstehen eine Frau niemals zugeben darf.

Nach diesen Reflexionen über meine Flöte sprach Rosette von ihrem Stand. Es ist das Übliche nach gewissen Belustigungen, wenn man sozusagen das Vergnügen erschöpft hat, auf die Unbequemlichkeiten des Lebens oder auf die Verpflichtungen der Natur und ihre Fehlschläge zu kommen. Welches Geschick für die Philosophie, in irgendeiner Hinsicht zu den leichtfertigen Mädchen zu gehören! Rosette stellte einen Vergleich an zwischen ihresgleichen und den Abbés, der nicht ohne Wahrscheinlichkeit war.

Die einen, sagte sie, debütieren in der Gesellschaft mit einer Miene der Bescheidenheit und der Schamhaftigkeit; die andern mit affektierter Frömmelei. Wir sehn die Männer verstohlen an; die Abbés verschlingen die Frauen unter ihren großen Hüten hervor. Die Männer stellen uns nach; die Frauen machen sich an unsre Herrchen. Wir ruinieren unsre Liebhaber; sie machen ihr Glück mittels ihrer Geliebten. Wir schwelgen in Überfluß, so lange wir jung sind; die andern bekommen es erst behaglich, wenn sie alt werden. Wir sind am Ende unsrer Tage weise und manchmal fromm; die Abbés dagegen werden mit dem Sinken der ihrigen ausschweifender. Die Notwendigkeit hat uns zu unserm Amt berufen; zu dem ihren tut es fast immer das Interesse. Man gibt der Welt nur das Beste, und die Kirche beherbergt gewöhnlich den Auswurf der Natur. Wir sind in unserem Stand zwei unbestimmbare Wesen, die mit nichts zusammenhängen und sich überall vorfinden, die nicht notwendig sind und die man doch nicht entbehren kann. Sie erzählte uns hierauf ausführlich ein paar Abenteuer, die sie mit sehr würdevollen Geistlichen gehabt hatte, und die uns sehr amüsierten. Ich übergehe sie mit Stillschweigen, lieber Marquis, da der eine meiner Brüder Kanonikus und der andere Abbé einer Commende ist, ich mag nicht, daß gesagt wird, ich hätte das Geheimnis der Kirche enthüllt.

Der Präsident wachte auf, kam herunter, und sah voll Überraschung Rosette. Er flog ihr entgegen, umarmte sie und setzte sich ihr gegenüber, um sie bequem zu betrachten.

Die Ruhe hatte ihn erfrischt; ein Glas Likör versetzte ihn in Laune, die Gesellschaft machte ihn verwegen; und da er sich stark fühlte, forderte er meine Schwäche heraus. Ich ward gedemütigt, ich gestehe es. Argentine und Laurette triumphierten innerlich. Meine Augen wandten sich zu Rosette hinüber und baten sie um Verzeihung für das, was mir zustieß, oder vielmehr für das, was mir nicht zustieß. Sie schien davon gerührt; ein Unglück, das sich in ihrer Gegenwart begab, machte sie beinahe zur Beteiligten.

Man verspottete mich und machte mich lächerlich. Der Präsident nützte meine Verwirrung; und stolz, in einem Augenblick der Kraft, hochmütig im Glücksgefühl, gratulierte er mir ironisch zu meinen Heldentaten auf dem Kanapee.

Rosette fühlte sich in mir verletzt und sah wohl, daß die beiden Tischgenossinnen ihre Reize herausforderten. Sie hätte wohl gern ein entscheidendes Wort sprechen wollen; aber nach dem, was sie von mir gesehen hatte, fürchtete sie für ihre Ehre. Ein lästiger Umstand, bei dem man sie verliert, indem man sie bewahrt! Sie wußte nicht, ob sie, eine neue Aurora kraft ihrer Reize, darüber die Macht haben würde zugunsten eines neuen Titans Man kennt die Fabel von Tilan und Aurora, und jedermann weiß, in welcher galanten Form Herr de Moucrit sie in seiner unnützen Neugestaltung behandelt hat., den nicht sie in diesen Zustand der Schwäche versetzt hatte.

Sie lächelte mich an, um auf ihr Vorhaben eine Probe zu machen; ich erwiderte es, sie prüfte meine Augen und überraschte in meinem Blick die Vorahnung ihres kommenden Ruhmes. Sie trank auf die Göttin der Tugend, sprach ein paar geheimnisvolle Worte und gab nach drei zauberhaften Bewegungen ihren Triumph zu erkennen. Man spendete ihr großes Lob; und kam trotz Eifersucht überein, daß die Blumen, die sie zum Erblühen gebracht hatte, ihr gehörten, und daß sie sich daraus einen Strauß zum Anstecken binden sollte.

Man erhob sich vom Tisch. Nach einigen Gängen im Garten machte man einen Mediateur. Der Präsident gewann viel, er spielte mit unvergleichlichem Glück; Rosette war darüber außer sich; in den Karten ist sie keine berühmte Spielerin; sie wiederholte uns häufig, daß sie eine Todsünde beginge, weil sie kein schwarzes Aß sähe. Indessen betrog sie mit so viel Talent, als sie dazu besaß. Argentine, die ich beriet, ahmte ihr aufs beste nach. Der Präsident bemerkte es und lachte darüber verstohlen; er weiß, wie Sie und ich, daß jede Frau mogelt, und daß auch, wenn sie treu sein will, die Gewohnheit die Absicht vertritt. Das Souper war köstlich; unser Koch übertraf sich selbst; und der Präsident wurde darüber ganz eitel. In der Tat, das nennt man einen bedeutungsvollen Mann; ist er nicht weit wertvoller als ein mathematischer Schöngeist, der einem regelrecht an der Tafel schmarotzt? Dieser ißt Sie, und der andere läßt Sie essen.

Rosette und Argentine verschönten das Mahl mit einer Unmenge von Liedern, von denen das eine schöner war als das andere, und die sie abwechselnd vortrugen. Laurette trank unmäßig und verbreitete ringsum Freude mit dem Schaum, den sie in den Gläsern schlug.

Alles hat seine Grenzen, auch die Torheit. Der Präsident wurde träumerisch; Laurette veranlaßte ihn hinauszugehen, um ihn zu zerstreuen, und führte ihn in den Garten. Ein solcher Führer war gerade geeignet, ihn ins Dickicht zu leiten. Wahrscheinlich irrten sie sich im Weg und fielen in ein paar Sträucher; denn wir bemerkten, daß das Kleid der Dame, die wohl nicht hinausgegangen war, um die Sterne zu begucken, vom Tau verdorben war.

Es gelang mir nicht, Rosette dazu zu bringen, mit mir zu kommen. Sie wußte, daß ich meine Verjüngung ihr verdankte, und wollte nicht, daß ich die Wohltat ihr zurückerstattete. Wie doch ein von Geburt großmütiges Herz leidet, wenn man ihm die Möglichkeit versagt, seine Dankbarkeit zu bezeugen.

Als das Souper beendet war, stiegen wir in den Wagen; der Präsident war erschöpft. Er nahm es scherzhaft und sagte uns sehr amüsante Dinge. Seine Ausgelassenheit ist gewöhnlich voll Geist und Witz.

Kaum hatten wir unsere Plätze eingenommen, da kommen zehn Personen mit großem Lärm. Man rief den Präsidenten beim Namen und bat ihn schon vom weitem um seine Protektion. Ich steckte den Kopf durch den Vorhang, der Präsident sieht gleichfalls hinaus. Ah! Monseigneur, rief ein Greis aus mit einer gebrochenen Stimme, hier ist meine Frau – ein häßliches, dickes, ganz finniges Weib, soviel ich beim Schein zweier Laternen sehen konnte –, wir empfehlen uns Ihrer guten Gerechtigkeit. Es handelt sich um ... Und der alte Prozeßhans wollte uns wahrhaftig seinen Handel auseinandersetzen, und seine Nachbarn, die ihn begleiteten, fingen weiß Gott an, alle miteinander zu schreien, als der Präsident ihnen wütend sagte: Wer zum Teufel hat euch auf die Idee gebracht, hierher zu kommen? Verzeihung, rief die Schar aus; Monseigneur, wir haben Sie erkannt, als Sie im Garten waren, und wir sind alle auf den Dachboden gestiegen, um die Ehre zu haben, Sie zu sehen. Hier ist eine in der Eile aufgesetzte Denkschrift, Monseigneur, fuhr der Nestor des Dorfes fort, ich vertraue auf Ihr Wohlwollen. Gebt her, gebt her, erwiderte der Präsident, guten Tag, und nun hau ein, Kutscher! – Der Herr hüte Ihre Gesundheit, rief die freche Bande, und gebe Ihnen ein langes Leben. Um zum Lachen zu reizen, echote die Nachbarschaft eine Viertelstunde lang die letzten Worte des Wunsches nach. Der Teufel soll euch holen, fügte der Präsident hinzu. Das nenne ich eine nette Zeit, Rechtssachen anzuhören? Die Schikane spürt einen auch an Orten aus, wo ich mich höchst ungern jemals von der Justiz antreffen ließe.

Argentine saß mir auf den Knien; Rosette hatte mich in meine alten Rechte wieder eingesetzt, und ich war sehr zufrieden mit meiner gegenwärtigen Lage. Sie war mir zur Seite und beobachtete von nahem meine Unterhaltung. Argentine ist böse; trotz der Freundschaft, die sie Rosette entgegenbrachte, war sie nicht zufrieden, ihrer Rivalin nicht selbst mit Schaden geraubt zu haben, was ihr kraft feudalen Rechtes gehörte. Die Nacht verbarg mir, was zwischen Laurette und meinem Freund vorging; ich werde auch so verschwiegen sein, wie sein Schatten. Nachdem wir bei unsern Damen abgestiegen waren, die diese Nacht im selben Hause schliefen, sahen wir sie zu Bette gehen; und nach einigen sehr oberflächlichen Handgreiflichkeiten wünschten wir ihnen eine gute Nacht und begaben uns nach Hause. Ich umarmte Rosette und ließ sie versprechen, mich am andern Tag zu empfangen. Vier Tage lang sah ich den Präsidenten nicht. Was mir während dieser Zeit geschah, ist nicht gleichgültig; ohne romantisch zu sein, hat es das Eigentümliche derartiger Abenteuer.

Wann immer ich an Rosette denke, ich kann nicht begreifen, wie man ein Mädchen aus Neigung lieben kann, das durch seinen Stand genötigt ist, sich dem Ersten hinzugeben, der die Eroberung versucht. Aus dem gleichen Grunde begreife ich auch nicht, wie eine ehrbare Frau sich an einen jungen Mann hängen kann, der sicherlich nur von Eroberung zu Eroberung zu flattern sucht und sich selten bindet, auch an die nicht, die es am meisten verdient. Das Herz des Menschen ist sehr blind; es fühlt, daß es das ist, und daß ihm ein Führer nötig ist. Dazu sucht es die Liebe auf, die ebenso blind ist, und alle beide stürzen sich in den Abgrund.


 << zurück weiter >>