Charles Darwin
Die Entstehung der Arten durch Naturauslese
Charles Darwin

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13. Kapitel.

Die Verteilung der organischen Wesen auf der Erdoberfläche. (Fortsetzung.)

Verteilung der Süßwassererzeugnisse. Über die Bewohner der Inseln im Weltmeer. Das Fehlen der Lurche und Landsäugetiere. Über die Beziehung der Bewohner von Inseln zu denen des nächsten Festlandes. Über die Besiedelung von der nächsten bewohnten Stelle und die folgende Ummodelung. Zusammenfassung dieses und des vorigen Kapitels.

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Die Süßwassererzeugnisse.

Da Seeen und Flußsysteme durch Landschranken voneinander getrennt sind, so hätte man denken sollen, daß Süßwassererzeugnisse sich in demselben Lande nicht weit, und da das Meer offenbar eine noch furchtbarere Schranke ist, daß sie sich nie nach fernen Ländern verbreiten. Aber es ist gerade umgekehrt. Nicht nur haben viele Süßwasserarten, die zu verschiedenen Klassen gehören, eine ungeheure Verbreitung, sondern verwandte Arten wiegen in bemerkenswerter Weise in der ganzen Welt vor. Ich erinnere mich deutlich, wie sehr mich bei der ersten Sammlung aus den Süßwassern Brasiliens die Ähnlichkeit der Süßwasser-Kerbtiere, Weichtiere u. s. w. und die Unähnlichkeit der Landgeschöpfe ringsherum im Vergleich mit denen Großbritanniens überraschte.

Aber das Vermögen der Süßwassererzeugnisse, sich weit zu verbreiten, kann, denke ich, in den meisten Fällen dadurch erklärt werden, daß sie in einer für sie höchst nützlichen Art für kurze und häufige Wanderungen von Teich zu Teich oder von Strom zu Strom in ihren Heimatländern tauglich geworden sind. Und aus dieser Fähigkeit ergiebt sich die Neigung zu weiterer Verbreitung als beinahe notwendige Folge. Wir können hier nur ein paar Fälle betrachten; einige, die sich am schwersten erklären lassen, kommen bei den Fischen vor. Früher glaubte man, daß dieselben Süßwasserarten nie in zwei voneinander entfernten Erdteilen leben. Aber Dr. Günther hat kürzlich gezeigt, daß der Galaxias attenuatus Tasmanien, Neuseeland, die Falklandsinseln und das Festland von Südamerika bewohnt. Das ist ein wunderbarer Fall und deutet wahrscheinlich auf die Verbreitung aus einem antarktischen Mittelpunkt während eines früheren warmen Zeitraums. Die Überraschung vermindert sich jedoch dadurch einigermaßen, daß die Arten dieser Gattung durch irgendein unbekanntes Mittel die Fähigkeit haben, beträchtliche Räume des offenen Meeres zu durchkreuzen. So giebt es eine Art, die Neuseeland und den Aucklandsinseln gemeinsam ist, obgleich diese durch eine Entfernung von ungefähr 230 englischen Meilen getrennt sind. Auf demselben Festland verbreiten sich die Süßwasserfische oft weit und gewissermaßen launenhaft, denn in zwei benachbarten Flußsystemen kommen oft einige gleiche und einige ganz verschiedene Arten vor.

Es ist wahrscheinlich, daß sie gelegentlich durch sozusagen zufällige Mittel befördert werden. So werden noch lebende Fische nicht sehr selten durch Wirbelwinde auf entfernte Stellen geworfen, und die Eier behalten bekanntlich ihre Lebensfähigkeit noch eine beträchtliche Zeit, nachdem sie aus dem Wasser genommen sind. Ihre Verbreitung kann jedoch hauptsächlich Umwandlungen in der Höhenlage des Landes während der neuen Erdbildungszeit zugeschrieben werden, die die Flüsse ineinander fließen ließen. Man könnte auch Beispiele anführen, daß dies ohne irgendeinen Wechsel der Höhenlage während einer Flut vorgekommen ist. Die große Verschiedenheit der Fische auf den entgegengesetzten Seiten der meisten Bergketten, die zusammenhängen und folglich von einer frühen Zeit an die Verbindung der Flußsysteme auf den beiden Seiten völlig verhindert haben müssen, führt zu demselben Schlusse. Einige Süßwasserfische gehören zu sehr alten Formen, und in solchen Fällen wird für große Umwandlungen der Erdoberfläche reichlich Zeit gewesen sein, und folglich auch Zeit und Mittel für viele Wanderungen. Überdies ist Dr. Günther kürzlich durch mehrere Betrachtungen zu dem Schlusse geführt worden, daß bei Fischen dieselben Formen eine lange Dauer haben. Salzwasserfische können mit Sorgfalt langsam daran gewöhnt werden, in Süßwasser zu leben, und nach Valenciennes giebt es kaum eine einzige Gruppe, deren Vertreter alle auf Süßwasser beschränkt sind, so daß eine Meerart, die zu einer Süßwassergruppe gehört, weit an den Meeres-Küsten entlang schwimmen und wahrscheinlich ohne große Schwierigkeit dem Süßwasser eines fernen Landes angepaßt werden könnte.

Einige Arten von Süßwasserschnecken sind sehr weit verbreitet, und verwandte Arten, die nach unserer Lehre von einer gemeinsamen Urform herstammen und aus einer einzigen Quelle hervorgegangen sein müssen, wiegen in der ganzen Welt vor. Ihre Verteilung verwirrte mich zuerst sehr, da ihre Eier wahrscheinlich nicht durch Vögel befördert und die Eier wie die ausgewachsenen Tiere durch Seewasser sofort getötet werden. Ich konnte nicht einmal verstehen, wie einige eingewöhnte Arten sich schnell durch ein ganzes Land verbreitet haben. Aber zwei Thatsachen, die ich beobachtet habe – und viele andere werden zweifellos entdeckt werden –, werfen auf diesen Gegenstand einiges Licht. Als Enten plötzlich aus einem mit Meerlinsen bedeckten Teich auftauchten, habe ich zweimal diese kleine Pflanze an ihrem Rücken hängen sehen, und als ich einmal eine kleine Meerlinse von einem Aquarium in ein anderes brachte, habe ich unabsichtlich das eine mit Süßwassermuscheln aus dem anderen versehen. Aber ein anderer Einfluß ist vielleicht wirksamer. Ich hing die Füße einer Ente in einem Aquarium auf, in dem viele Eier von Süßwasserschnecken ausgebrütet wurden, und fand, daß eine Menge der äußerst kleinen, gerade ausgebrüteten Schnecken an den Füßen krabbelte und sich so fest an sie anklammerte, daß sie, als sie aus dem Wasser genommen wurden, nicht abgeschüttelt werden konnten, obgleich sie in einem vorgerückteren Alter von selbst abfallen. Diese eben ausgebrüteten Weichtiere blieben, obgleich sie ihrer Natur nach Wassertiere sind, an den Entenfüßen in feuchter Luft zwölf bis zwanzig Stunden am Leben. Während dieser Zeit könnte eine Ente oder ein Reiher wenigstens sechs- bis siebenhundert Meilen fliegen, und wenn der Vogel über die See nach einer Insel im Weltmeer oder nach einem anderen entfernten Punkt getrieben würde, würde er sicher an einem Tümpel oder einem Bächlein sich niederlassen. Sir Charles Lyell teilt mir mit, daß ein Dytiscus gefangen worden ist, an dem ein Ancylus, eine einer Napfschnecke ähnliche Süßwasserschnecke, fest hing. Und ein Wasserkäfer von derselben Familie, ein Colymbetes, flog einst an Bord des »Spürhunds«, als er vom nächsten Lande fünfundvierzig englische Meilen entfernt war. Niemand kann sagen, wie viel weiter er durch einen günstigen Wind hätte getrieben werden können.

In betreff der Pflanzen weiß man seit lange, welche ungeheure Verbreitung viele Süßwasser- und sogar Marscharten, sowohl über die Festländer hin als auf den entferntesten Inseln im Weltmeeren haben. Das wird nach Alfons de Candolle in den großen Gruppen von Landpflanzen überraschend beleuchtet, die sehr wenige im Wasser lebende Mitglieder haben. Denn die letzteren scheinen bloß durch diesen Umstand sofort eine weite Verbreitung zu erlangen. Ich denke, günstige Mittel der Verbreitung erklären diese Thatsache. Ich habe vorhin erwähnt, daß ab und zu eine gewisse Menge Erde an den Füßen und Schnäbeln der Vögel hängen bleibt. Watvögel, die häufig die schlammigen Ränder der Teiche aufsuchen, würden, wenn sie plötzlich aufgescheucht werden, höchst wahrscheinlich Schlamm an den Füßen behalten. Vögel dieser Ordnung wandern mehr als die irgendeiner anderen; man findet sie hin und wieder auf den abgelegensten und ödesten Inseln im offenen Meere. Sie werden sich wahrscheinlich nicht auf die Oberfläche des Meeres niederlassen, so daß der Kot an ihren Füßen nicht abgewaschen werden würde, und wenn sie das Land erreichen, werden sie sicher zu ihren naturgemäßen Süßwasserplätzen fliegen. Ich glaube nicht, daß die Botaniker ahnen, wie viel Samen der Schlamm der Teiche enthält. Ich habe verschiedene kleine Versuche angestellt, will hier aber nur den überraschendsten Fall anführen. Ich nahm im Februar drei Eßlöffel Schlamm von drei verschiedenen Punkten unter dem Wasser am Rande eines kleinen Teiches. Dieser Schlamm wog getrocknet nur 6¾ Unzen. Ich hielt ihn in meinem Arbeitszimmer sechs Monate lang zugedeckt; alle Pflanzen, die aufwuchsen, zog ich heraus und zählte sie. Die Pflanzen gehörten zu vielen Arten, und ihre Zahl betrug im ganzen 537, und doch war der zähe Schlamm ganz in einer Kaffeetasse enthalten! In Anbetracht dieser Thatsachen würde es, denke ich, unbegreiflich sein, wenn Wasservögel nicht Samen von Süßwasserpflanzen in damit nicht versehene Teiche und Ströme brächten, die in sehr verschiedenen Gegenden liegen. Derselbe Einfluß mag bei den Eiern einiger der kleinen Süßwassertiere ins Spiel gekommen sein.

Andere unbekannte Kräfte haben wahrscheinlich auch eine Rolle gespielt. Ich habe festgestellt, daß Süßwasserfische einige Samenarten verzehren, während sie viele andere, nachdem sie sie hinuntergeschluckt haben, wieder auswerfen. Sogar kleine Fische verschlingen Samen von mäßiger Größe, wie die der gelben Wasserlilie und des Laichkrauts. Reiher und andere Vögel haben ein Jahrhundert nach dem anderen täglich Fische verschlungen. Dann fliegen sie fort oder gehen zu anderen Gewässern oder werden über das Meer getrieben. Und wir haben gesehen, daß Samen ihre Keimkraft behalten, wenn sie viele Stunden nachher in Kügelchen oder in der Absonderung ausgeworfen werden. Als ich die beträchtliche Größe der Samenkörner jener schönen Wasserlilie, Nelumbium, sah und mich an Alfons de Candolle's Bemerkungen über die Verbreitung dieser Pflanze erinnerte, dachte ich, daß die Mittel zu ihrer Verbreitung unerklärlich bleiben müßten, aber Audubon behauptet, daß er die Samenkörner der großen südlichen Wasserlilie, nach Dr. Hooker wahrscheinlich des Nelumbium luteum, in dem Magen eines Reihers gefunden habe. Nun muß dieser Vogel, wenn sein Magen wohl gefüllt war, zu weit entfernten Teichen geflogen sein, und wenn er dort eine tüchtige Fischmahlzeit fand, wird er, wie ähnliche Fälle mich glauben lassen, die Samen in keimfähigem Zustande in Kügelchen ausgeworfen haben.

Wenn man diese verschiedenen Mittel der Verteilung betrachtet, so sollte man sich erinnern, daß ein Teich oder Strom, wenn er sich z. B. auf einer entstehenden Insel bildet, unbesetzt sein wird, und ein einziges Samenkorn oder Ei gute Aussicht haben wird, zu gedeihen. Obgleich zwischen den Bewohnern desselben Teiches, wie wenig Arten es auch sein mögen, immer ein Kampf ums Dasein stattfinden wird, so wird doch, da sogar in einem stark besetzten Teiche die Anzahl der Arten im Vergleich mit den eine gleiche Landfläche bewohnenden klein ist, der Wettbewerb zwischen ihnen wahrscheinlich weniger heftig sein, als zwischen Landarten. Folglich würde ein Eindringling aus den Gewässern eines fremden Landes bessere Aussicht haben, einen neuen Platz in Besitz zu nehmen, als ein Ansiedler auf dem Lande. Wir sollten auch daran denken, daß viele Süßwassererzeugnisse auf der Stufenleiter der Natur niedrig stehen, und wir haben Grund, anzunehmen, daß solche Wesen langsamer umgemodelt werden als die hochstehenden, und das wird der Wanderung der Wasserarten Zeit lassen. Wir sollten auch nicht vergessen, daß wahrscheinlich viele Süßwasserformen sich früher ununterbrochen über ungeheure Gebiete verbreitet haben und dann an einzelnen Punkten ausgestorben sind. Aber die weite Verbreitung der Süßwasserpflanzen und der niederen Tiere, ob sie nun genau dieselbe Form behalten oder einigermaßen umgemodelt werden, hängt offenbar hauptsächlich von der weiten Verbreitung ihrer Samen und Eier durch Tiere, besonders durch Süßwasservögel, ab, die große Flugkraft besitzen und naturgemäß von einem Gewässer zum anderen wandern.

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Über die Bewohner der Inseln im Weltmeere.

Wir kommen jetzt zu der letzten von den drei Klassen von Thatsachen, die ich ausgewählt habe, weil sie die größte Schwierigkeit in betreff der Verteilung bieten, wenn man annimmt, daß nicht nur die Vertreter einer Art von irgendeinem Gebiet ausgewandert sind, sondern daß verwandte Arten, obgleich sie jetzt weit voneinander entfernte Punkte bewohnen, aus einem einzigen Gebiete, der Geburtsstätte ihrer frühen Vorfahren, hervorgegangen sind. Ich habe schon die Gründe angegeben, die mich zweifeln lassen, daß innerhalb des Zeitalters der lebenden Arten Ausdehnungen über Erdteile in so ungeheurem Maßstabe stattgefunden haben, daß all die verschiedenen Inseln so mit ihren gegenwärtigen Landbewohnern versehen wurden. Diese Ansicht beseitigt viele Schwierigkeiten, stimmt aber nicht mit allen Thatsachen in betreff der Inselerzeugnisse überein. In den folgenden Bemerkungen werde ich mich nicht auf die bloße Frage der Verbreitung beschränken, sondern einige andere Fälle betrachten, die auf die Nichtigkeit der beiden Lehren von der unabhängigen Schöpfung und von der mit Ummodelung verbundenen Abstammung von Einfluß sind.

Die Gesamtzahl der Arten, die Inseln im Weltmeere bewohnen, ist im Vergleich mit denjenigen auf gleich großen Festlandsflächen gering; das giebt Alfons de Condolle für Pflanzen, Wollaston für Kerbtiere zu. Neuseeland z. B. mit seinen hohen Bergen und seinen verschiedenartigen Plätzen, das sich 780 englische Meilen in die Breite erstreckt, enthält zusammen mit den anliegenden Inseln von Auckland, Campbell und Chatham nur 960 Arten blühender Pflanzen. Wenn wir diese mäßige Zahl mit den Arten vergleichen, die auf gleich großen Flächen in Südwestaustralien oder am Vorgebirge der guten Hoffnung sich häufen, so müssen wir zugeben, daß irgendeine Ursache unabhängig von den verschiedenen natürlichen Bedingungen einen so großen Zahlenunterschied hat entstehen lassen. Sogar die gleichförmige Grafschaft von Cambridge hat 847 und die kleine Insel Anglesea 764 Pflanzenarten, doch sind in diesen Zahlen einige Farnkräuter und einige eingeführte Pflanzen mitgerechnet, und auch in mancher anderen Hinsicht stimmt der Vergleich nicht ganz genau. Wir haben Zeugnisse dafür, daß die unfruchtbare Insel Ascension ursprünglich weniger als ein halbes Dutzend blühender Pflanzenarten besaß. Doch sind jetzt viele Arten auf ihr eingewöhnt worden, wie auf Neuseeland und jeder anderen Insel im Weltmeere, die man nennen könnte. Man hat Grund, anzunehmen, daß auf St. Helena die eingewöhnten Pflanzen und Tiere viele eingeborene Erzeugnisse beinahe oder ganz ausgerottet haben. Wer die Lehre von der Schöpfung einer jeden besonderen Art zugiebt, wird zugeben müssen, daß für die Inseln im Weltmeere keine genügende Anzahl von Pflanzen und Tieren geschaffen war, die für sie am besten paßten. Denn der Mensch hat sie unabsichtlich weit reichlicher und vollkommner besetzt, als es die Natur gethan hat.

Wenn auch die Zahl der Arten auf den Inseln im Weltmeere gering ist, so finden sich unter ihnen oft verhältnismäßig außerordentlich viele einheimische Arten, d. h. solche, die nirgendwo sonst auf der Welt gefunden werden. Wenn wir z. B. die Zahl der einheimischen Landschnecken auf Madeira und der einheimischen Vögel im Galapagos-Inselmeere mit der Zahl der in irgendeinem Festlande gefundenen und dann die Fläche der Insel mit der des Festlandes vergleichen, so werden wir dies bestätigt finden. Diese Thatsache hätte nach unserer Lehre erwartet werden können, denn die Arten werden, da sie, wie schon erklärt, gelegentlich nach langem Zeitverlauf in einen neuen und abgesonderten Bezirk gelangen und mit neuen Genossen kämpfen müssen, der Ummodelung in hohem Maße ausgesetzt sein und oftmals Gruppen umgemodelter Nachkommen hervorgebracht haben. Aber es folgt keineswegs, daß, weil auf einer Insel fast alle Arten einer Klasse ihr eigentümlich sind, diejenigen einer anderen Klasse oder einer anderen Abteilung derselben Klasse ihr auch eigentümlich sein müssen. Diese Verschiedenheit scheint teilweise davon abzuhängen, daß die Arten, welche sich nicht umgemodelt haben, zusammen eingewandert sind, so daß ihre gegenseitigen Beziehungen nicht sehr gestört worden sind, und teilweise von der häufigen Ankunft unumgemodelter Einwanderer aus dem Mutterlande, mit denen die Inselformen sich gekreuzt haben. Man sollte daran denken, daß die Nachkommenschaft solcher Kreuzungen sicher an Stärke gewinnen würden, so daß sogar eine gelegentliche Kreuzung mehr Wirkung hätte, als man hätte voraussetzen können. Zur Verdeutlichung der vorstehenden Bemerkungen will ich einige Beispiele geben. Auf den Galapagos-Inseln giebt es 26 Landvogelarten, von diesen sind 21 oder vielleicht 23 ihnen eigentümlich, während dies nur bei zwei von den 11 Seevögelarten der Fall ist. Es ist klar, daß Seevögel nach diesen Inseln viel leichter und häufiger als Landvögel kommen konnten. Bermudas einerseits, das ungefähr in derselben Entfernung von Nordamerika liegt wie die Galapagos-Inseln von Südamerika und einen sehr eigenartigen Boden hat, besitzt nicht einen einzigen einheimischen Landvogel, und wir wissen aus J. M. Jones bewundernswertem Bericht über Bermudas, daß sehr viele nordamerikanische Vögel gelegentlich oder sogar häufig diese Insel aufsuchen. Fast in jedem Jahre werden, wie mir E. B. Harcourt mitteilt, viele europäische und afrikanische Vögel nach Madeira getrieben. Diese Insel wird von 99 Arten bewohnt, von denen nur eine einzige ihr eigentümlich, doch mit einer europäischen Form sehr nahe verwandt ist; drei oder vier andere Arten sind auf diese und die kanarischen Inseln beschränkt. Demnach sind die Inseln Bermudas und Madeira von den benachbarten Festländern mit Vögeln versehen worden, die lange Zeiten hindurch dort miteinander gekämpft und sich einander angepaßt haben. Daher wird jede Art, nachdem sie sich in der neuen Heimat angesiedelt hat, durch die andere in ihrer eigenen Stelle und ihren Gewohnheiten erhalten worden und infolge dessen der Ummodelung nur wenig ausgesetzt gewesen sein. Eine Neigung zur Ummodelung wird auch durch die Kreuzung mit den umgemodelten Einwanderern, die oft aus dem Mutterlande anlangten, verhindert worden sein. Madeira ist ferner von einer ungewöhnlich großen Anzahl ihm eigentümlicher Landschnecken bewohnt, während nicht eine Seeschneckenart seinen Küsten eigentümlich ist. Obwohl wir nicht wissen, wie Seeweichtiere sich verbreitet haben, so können wir doch jetzt sehen, daß ihre Eier oder Larven, vielleicht an Seegras oder schwimmendem Holz oder den Füßen der Watvögel hängend weit leichter über drei- bis vierhundert englische Meilen offener See befördert werden könnten als Landweichtiere. Die verschiedenen Ordnungen der Kerbtiere, die Madeira bewohnen, bieten fast dieselben Erscheinungen dar.

Auf Inseln im Weltmeere fehlen manchmal gewisse ganze Klassen von Tieren, und ihre Plätze werden von anderen eingenommen. So nehmen oder nahmen vor kurzem auf den Galapagos-Inseln Kriechtiere und in Neuseeland riesenhafte flügellose Vögel den Platz der Säugetiere ein. Obgleich ich hier von Neuseeland als von einer Insel im Weltmeere spreche, ist es einigermaßen zweifelhaft, ob es zu diesen gerechnet werden kann. Es ist von beträchtlicher Größe und von Australien nicht durch ein wirklich tiefes Meer getrennt. Sein geologisches Gepräge und die Richtung seiner Bergketten haben den Pfarrer W. B. Clarke kürzlich zu der Behauptung veranlaßt, daß diese Insel sowohl wie Neu-Kaledonien als zu Australien gehörig betrachtet werden sollten. In betreff der Pflanzen hat Dr. Hooker gezeigt, daß auf den Galapagos-Inseln die Verhältniszahlen der verschiedenen Ordnungen von den anderswo vorkommenden sehr abweichen. Alle solche Verschiedenheiten in der Zahl, und das Fehlen gewisser ganzer Pflanzen- und Tiergruppen werden gewöhnlich durch angebliche Verschiedenheiten in den natürlichen Bedingungen der Inseln erklärt. Aber diese Erklärung ist nicht wenig zweifelhaft. Die Leichtigkeit der Einwanderung scheint ganz ebenso wichtig gewesen zu sein, wie die Natur der Bedingungen.

Viele bemerkenswerte kleine Thatsachen können in betreff der Bewohner von Inseln im Weltmeer angeführt werden. Z. B. haben auf gewissen Inseln, die nicht von einem einzigen Säugetiere bewohnt sind, einige der einheimischen Pflanzen Samen mit gut ausgebildeten Haken. Doch sind wenige Beziehungen klarer, als daß die Haken zur Beförderung der Samen in der Wolle oder dem Pelz der Vierfüßler dienen. Aber ein mit Haken versehener Same könnte durch andere Mittel auf eine Insel getragen werden, und wenn die Pflanze dann umgemodelt wird, würde sie eine einheimische Art bilden, die noch ihre Haken behält, die nun wie die eingeschrumpften Flügel unter den zusammengewachsenen Flügeldecken vieler auf Inseln lebender Käfer ein nutzloses Anhängsel bilden würden. Ferner besitzen Inseln oft Bäume oder Büsche, die zu Ordnungen gehören, welche sonst nur krautige Arten umfassen. Nun haben Bäume, wie Alfons de Candolle gezeigt hat, gewöhnlich, was auch der Grund sein mag, ein beschränktes Verbreitungsgebiet. Daher ist es wenig wahrscheinlich, daß Bäume entfernte Inseln im Weltmeer erreichen würden, und eine krautige Pflanze, die keine Aussicht hätte mit den vielen vollentwickelten, auf einem Festlande wachsenden Bäumen mit Erfolg in Wettbewerb zu treten, könnte, wenn sie sich auf einer Insel niedergelassen hätte, einen Vorteil über andere krautige Pflanzen erreichen, indem sie immer größer würde und sie überragte. In diesem Falle würde die Naturauslese darnach trachten, den Wuchs der Pflanze zu erhöhen, und sie so zuerst in einen Busch und dann in einen Baum verwandeln.

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Das Fehlen der Lurche und Landsäugetiere auf den Inseln im Weltmeere.

Mit Bezug auf das Fehlen ganzer Ordnungen von Tieren auf den Inseln im Weltmeere hat Bory St. Vincent vor langer Zeit bemerkt, daß Lurche (Frösche, Kröten, Molche) nie auf einer der vielen Inseln gefunden werden, mit denen die großen Weltmeere besetzt sind. Ich habe mich bemüht, diese Behauptung auf ihre Richtigkeit zu prüfen, und habe sie mit Ausnahme von Neuseeland, Neukaledonien, den Andomanen und vielleicht den Salomonsinseln und Seychellen richtig gefunden. Aber ich habe schon bemerkt, daß es zweifelhaft ist, ob Neuseeland und Neukaledonien zu den eigentlichen Inseln im Weltmeere gerechnet werden können, und das ist mit Bezug auf die Andomanen, die Salomonsgruppe und die Seychellen noch zweifelhafter. Dies allgemeine Fehlen der Frösche, Kröten und Molche auf so vielen wirklich mitten im Weltmeere liegenden Inseln kann nicht durch ihre natürlichen Bedingungen erklärt werden. In der That scheint es, daß Inseln für diese Tiere besonders geeignet sind, denn Frösche sind auf Madeira, den Azoren und Mauritius eingeführt worden und haben sich so vermehrt, daß sie eine Plage wurden. Aber da diese Tiere und ihr Laich, soviel ich weiß, nur mit Ausnahme einer indischen Art, durch Seewasser sofort getötet werden, würde ihre Beförderung über das Meer sehr schwierig sein, und so können wir begreifen, warum sie auf wirklich mitten im Weltmeere liegenden Inseln nicht vorhanden sind. Aber warum sie nach der Lehre von der Schöpfung dort nicht hätten erschaffen werden sollen, würde sehr schwierig zu erklären sein.

Die Säugetiere bieten ein anderes ähnliches Beispiel dar. Ich habe die ältesten Beschreibungen von Seereisen sorgfältig durchsucht und nicht ein einziges zweifelloses Beispiel gefunden, daß außer den durch die Eingeborenen gezähmten Haustieren ein Landsäugetier eine über dreihundert Meilen von einem Festland oder einer großen festlandartigen Insel gelegene Insel bewohnt, und viele Inseln, die in viel geringerer Entfernung liegen, zeigen denselben Mangel. Die von einem wolfähnlichen Fuchs bewohnten Falklandsinseln kommen einer Ausnahme am nächsten. Aber diese Gruppe kann nicht als eine wirklich mitten im Weltmeere liegende angesehen werden, da sie an einer Bank in Verbindung mit dem Festlande in einer Entfernung von ungefähr 280 englischen Meilen liegt. Überdies brachten Eisberge früher Blöcke an ihre westlichen Küsten, und sie mögen früher Füchse befördert haben, wie es jetzt in den arktischen Gegenden häufig geschieht. Doch kann man nicht sagen, daß kleine Inseln nicht wenigstens kleine Säugetiere ernähren werden, denn sie kommen in vielen Teilen der Welt auf sehr kleinen Inseln vor, die einem Festlande nahe liegen, und es kann kaum eine Insel genannt werden, auf der unsere kleineren Vierfüßler nicht einheimisch geworden sind und sich sehr vermehrt haben. Man kann nach der gewöhnlichen Ansicht von der Schöpfung nicht sagen, daß für die Schöpfung der Säugetiere dort keine Zeit gewesen sei. Viele vulkanische Inseln sind alt genug, wie die erstaunliche Abspülung, die sie erlitten haben, und ihre Tertiärlager zeigen. Es ist dort auch Zeit gewesen für die Erzeugung einheimischer Arten, die zu anderen Klassen gehören, und auf den Festländern erscheinen und verschwinden bekanntlich neue Arten der Säugetiere schneller als andere, niedere Tiere. Obgleich auf Inseln im Weltmeere keine Landsäugetiere vorkommen, kommen Luftsäugetiere beinahe auf jeder Insel vor. Neuseeland besitzt zwei Fledermäuse, die sonst nirgend in der Welt vorkommen. Die Norfolk-Insel, das Viti-Inselmeer, die Bonin-Inseln, die Karolinen- und Mariannen-Inselmeere und Mauritius besitzen sämtlich ihnen eigentümliche Fledermäuse. Warum, kann man fragen, hat die angebliche schöpferische Macht Fledermäuse und keine anderen Säugetiere auf entlegenen Inseln hervorgebracht. Nach meiner Annahme kann diese Frage leicht beantwortet werden. Denn kein Landsäugetier kann über eine weite Seestrecke befördert werden, aber Fledermäuse können darüber hinfliegen. Man hat Fledermäuse täglich weit über das atlantische Weltmeer fliegen sehen, und zwei nordamerikanische Arten besuchen entweder regelmäßig oder gelegentlich Bermudas, das sechshundert englische Meilen vom Festlande entfernt ist. Ich höre von Herrn Tomes, der diese Familie besonders untersucht hat, daß viele Arten eine ungeheure Verbreitung haben und auf Festländern und weit davon entfernten Inseln gefunden werden. Wir brauchen daher nur annehmen, daß solche wandernden Arten in ihrer neuen Heimat mit Rücksicht auf ihre neue Lage umgemodelt worden sind, und wir können das Vorkommen einheimischer Fledermäuse auf Inseln im Weltmeere verstehen, auf denen alle Landsäugetiere fehlen.

Eine andere Beziehung verdient unsere Aufmerksamkeit, nämlich die zwischen der Tiefe des die Inseln voneinander oder vom nächsten Festlande trennenden Meeres und dem Grade der Verwandtschaft der sie bewohnenden Säugetiere. Windsor Earl hat einige überraschende Beobachtungen über diesen Punkt gemacht, die seitdem durch Wallaces bewunderungswürdige Forschungen über das große malayische Inselmeer sehr erweitert worden sind. Dieses wird nahe bei Celebes von einer tiefen Meeresstelle durchschnitten, die zwei sehr verschiedene Säugetierwelten trennt. An der einen Seite stehen die Inseln auf einer in mäßiger Tiefe unter dem Meeresspiegel liegenden Bank, und diese Inseln sind von denselben oder nahe verwandten Vierfüßlern bewohnt. Ich habe bis jetzt keine Zeit gefunden, diesem Gegenstand in allen Teilen der Welt nachzugehen, aber soweit ich gekommen bin, erweist sich die Beziehung als richtig. Großbritannien ist z. B. durch einen seichten Kanal von Europa getrennt, und die Säugetiere sind auf beiden Seiten dieselben. Die westindischen Inseln andererseits stehen auf einer Bank, die sehr tief, beinahe tausend Faden, unter dem Meeresspiegel liegt, und hier finden wir amerikanische Formen, aber die Arten und selbst die Gattungen sind ganz andere. Da das Maß der Ummodelung, welche Tiere aller Arten erleiden, zum Teil vom Verlaufe der Zeit abhängt, und da bei den Inseln, die von einander oder vom Festlande durch seichte Kanäle getrennt sind, größere Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, daß sie in der neuen Erdbildungszeit ununterbrochen vereinigt gewesen sind, als bei den Inseln, die durch tiefere Kanäle getrennt sind, können wir verstehen, wie es kommt, daß zwischen der Tiefe des zwei Säugetierwelten trennenden Meeres und dem Grade ihrer Verwandtschaft eine Beziehung besteht, die nach der Lehre von den unabhängigen Schöpfungsakten ganz unerklärlich ist.

Diese Feststellungen über die Bewohner der Inseln im Weltmeere, nämlich die geringe Anzahl der von ihnen vertretenen Arten, unter denen ein verhältnismäßig großer Teil einheimisch ist, die Ummodelung der Mitglieder gewisser Gruppen, nicht aber anderer Gruppen derselben Klasse, das Fehlen gewisser ganzer Ordnungen wie der Lurche und Landsäugetiere trotz des Vorkommens der in der Luft lebenden Fledermäuse, die eigentümlichen Verhältniszahlen gewisser Pflanzenordnungen, die Entwicklung der krautigen Formen zu Bäumen u. s. w. scheinen mir besser mit dem Glauben an die Wirksamkeit gelegentlicher Beförderungsmittel übereinzustimmen, die während eines langen Zeitverlaufs benutzt wurden, als mit dem Glauben an die frühere Verbindung aller Inseln im Weltmeere mit dem nächsten Festlande. Denn nach dieser letzteren Ansicht würden wahrscheinlich die mannigfachen Klassen gleichmäßiger eingewandert sein, und da die Arten zusammen eindrangen, würden ihre gegenseitigen Beziehungen nicht sehr gestört, und folglich würden sie entweder nicht sehr oder alle Arten gleichmäßiger umgemodelt worden sein.

Ich leugne nicht, daß sich viele und ernste Schwierigkeiten der Beantwortung der Frage entgegenstellen, wie viele von den Bewohnern der entlegensten Inseln, ob sie nun noch dieselbe artbildende Form behalten oder sich in der Folge umgemodelt haben, in ihre gegenwärtigen Wohnstätten eingewandert sind. Aber die Wahrscheinlichkeit, daß andere Inseln, von denen keine Trümmer sich bis jetzt erhalten haben, einst als Rastplätze vorhanden waren, darf nicht übersehen werden. Ich will einen schwierigen Fall im einzelnen erörtern. Beinahe alle Inseln im Weltmeere, sogar die abgelegensten und kleinsten werden von Landschnecken, gewöhnlich von einheimischen Arten bewohnt, aber manchmal auch von Arten, die man anderswo findet, wovon Dr. A. A. Gould in Bezug auf das Stille Weltmeer überraschende Beispiele gegeben hat. Nun ist bekannt, daß die Landschnecken leicht durch Seewasser getötet werden. Ihre Eier, wenigstens die, welche ich zu Versuchen benutzt habe, sinken darin und werden getötet. Aber es muß doch ein unbekanntes, gelegentlich wirksames Mittel für ihre Beförderung geben. Pflegen sich die gerade ausgebrüteten Jungen manchmal an die Füße der auf dem Boden sitzenden Vögel zu hängen und werden so befördert? Es fiel mir ein, daß Landschnecken, wenn sie überwintern und eine häutige Wand über der Schalenmündung haben, in Spalten von Treibholz über mäßig breite Meeresarme geschwemmt werden könnten, und ich finde, daß verschiedene Arten in diesem Zustande unbeschädigt einem sieben Tage dauernden Eintauchen in Seewasser widerstehen. Die Weinbergsschnecke (Helix pomatia) wurde, nachdem sie so behandelt worden und wieder überwintert war, zwanzig Tage in Seewasser gelegt und erholte sich vollkommen. Während dieser langen Zeit hätte die Schnecke durch einen Meeresstrom von mittlerer Geschwindigkeit über einen Raum von 660 geographischen Meilen getragen werden können. Da diese Schnecke einen dicken kalkartigen Deckel hat, beseitigte ich ihn, und als sich ein neuer häutiger gebildet hatte, legte ich sie wieder vierzehn Tage in Seewasser, und sie erholte sich wieder und kroch fort. Baron Aucapitaine hat seitdem ähnliche Versuche angestellt, er setzte hundert Landschnecken, die zu zehn Arten gehörten, in einen Kasten, in den Löcher gebohrt waren, und senkte ihn für vierzehn Tage ins Meer. Von den hundert Schnecken erholten sich siebenundzwanzig. Das Vorhandensein eines Deckels scheint von Wichtigkeit gewesen zu sein, da von den zwölf Exemplaren von Cyclostoma elegans, die damit ausgestattet ist, elf wieder auflebten. Da die Weinbergsschnecke bei mir dem Salzwasser so gut widerstand, ist es merkwürdig, daß nicht eins von den vierundfünfzig Tieren, die zu vier andern Arten der Schnirkelschnecke (Helix) gehörten, und die Aucapitaine zu seinem Versuche benutzte, sich erholte. Es ist jedoch durchaus nicht wahrscheinlich, daß Landschnecken oft so befördert worden sind, die Füße der Vögel werden häufiger zur Beförderung gedient haben.

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Über die Beziehungen der Bewohner von Inseln zu denen des nächsten Festlandes.

Die auffallendste und für uns wichtigste Thatsache ist die Verwandtschaft der Arten, die Inseln bewohnen, mit denen des nächsten Festlandes, ohne daß sie wirklich dieselben sind. Zahlreiche Beispiele könnten angeführt werden. Das Galapagos-Inselmeer unter dem Äquator liegt 500–600 englische Meilen von den Küsten Südamerikas entfernt. Hier trägt beinahe jedes Erzeugnis des Landes und des Wassers den unverkennbaren Stempel des amerikanischen Festlandes. Es giebt dort sechsundzwanzig Landvögel, von denen einundzwanzig oder vielleicht dreiundzwanzig als verschiedene Arten angesetzt werden, und von denen gewöhnlich angenommen wird, daß sie hier geschaffen worden sind. Jedoch ist die enge Verwandtschaft der meisten dieser Vögel mit amerikanischen Arten in jedem Merkmal, in ihren Gewohnheiten, Bewegungen, im Ton ihrer Stimme offenbar. Der Naturforscher, der auf die Bewohner dieser vulkanischen Inseln im Stillen Weltmeere blickt, die mehrere hundert Meilen von dem Festlande entfernt sind, fühlt, daß er auf amerikanischem Boden steht. Wie mag dies kommen? Warum sollten die Arten, die angeblich im Galapagos-Inselmeer und nirgendwo anders geschaffen sind, so deutlich den Stempel der Verwandtschaft mit den in Amerika geschaffenen tragen? In den Lebensbedingungen, in der Schichtung der Inseln, in der Höhe oder dem Klima oder in den Verhältnissen, in denen die verschiedenen Klassen zu einander gestellt sind, ist nichts, das den Verhältnissen der südamerikanischen Küste genau gleicht; in der That ist eine beträchtliche Unähnlichkeit in allen diesen Beziehungen vorhanden. Andererseits ist ein hoher Grad von Ähnlichkeit in der vulkanischen Natur des Bodens, im Klima, in der Höhe und Größe der Inseln zwischen dem Galapagos-Inselmeer und dem des grünen Vorgebirges vorhanden. Aber was für eine gänzliche und vollkommene Verschiedenheit zwischen ihren Bewohnern! Die Bewohner der Inseln des grünen Vorgebirges sind mit denen Afrikas verwandt, wie die der Galapagos mit denen Amerikas. Solche Thatsachen lassen nach der gewöhnlichen Ansicht von der unabhängigen Schöpfung keine Erklärung irgendwelcher Art zu, während es nach der hier aufgestellten Ansicht klar ist, daß die Galapagos-Inseln ihre Ansiedler wahrscheinlich aus Amerika entweder durch gelegentliche Beförderungsmittel oder, obgleich ich an diese Lehre nicht glaube, durch den früheren Zusammenhang des Landes, und die Inseln des grünen Vorgebirges die ihren aus Afrika erhalten haben. Solche Ansiedler werden zur Ummodelung geneigt sein, wobei das Gesetz der Vererbung noch ihre ursprüngliche Geburtsstätte verraten wird.

Man könnte viele ähnliche Thatsachen anführen. Es ist eine wirklich fast allgemein giltige Regel, daß die einheimischen Erzeugnisse von Inseln denen des nächsten Festlands oder der nächsten großen Insel verwandt sind. Die Ausnahmen sind gering und die meisten von ihnen lassen sich erklären. So sind, obwohl Kerguelenland näher an Afrika als an Amerika liegt, seine Pflanzen, wie wir aus Dr. Hookers Bericht wissen, den amerikanischen, und zwar sehr nahe, verwandt. Wenn man aber annimmt, daß diese Insel hauptsächlich mit Samen versehen worden ist, der zusammen mit Erde und Steinen auf Eisbergen hingetragen wurde, die durch die vorherrschenden Strömungen fortgeführt wurden, so verschwindet diese Regelwidrigkeit. Neuseeland zeigt in seinen einheimischen Pflanzen eine weit nähere Verwandtschaft mit Australien, dem nächsten Festland, als mit irgendeiner anderen Gegend. Das ließ sich erwarten. Aber es ist auch deutlich mit Süd-Amerika verwandt, und wenn dieser Erdteil auch der darnach nächste ist, so ist die Entfernung doch so riesig, daß die Thatsache eine Regelwidrigkeit wird. Aber diese Schwierigkeit verschwindet teilweise, wenn man annimmt, daß Neuseeland, Südamerika und die anderen südlichen Länder zum Teil von einem ungefähr in der Mitte liegenden, wenn auch entfernten Punkt, nämlich von den antarktischen Inseln besiedelt worden sind, als diese während einer wärmeren Tertiärzeit, vor dem Beginne der letzten Eiszeit mit Pflanzenwuchs bedeckt waren. Die Verwandtschaft zwischen der Südwestecke von Australien und dem Vorgebirge der guten Hoffnung, die, wenn auch schwach, nach Dr. Hookers Versicherung, wirklich vorhanden ist, ist ein weit bemerkenswerterer Fall. Aber diese Verwandtschaft ist auf die Pflanzen beschränkt und wird sicher eines Tages erklärt werden.

Dasselbe Gesetz, das die Verwandtschaft zwischen den Bewohnern von Inseln und denen des nächsten Festlandes bestimmt, zeigt sich bisweilen im kleinen Maßstabe, aber in höchst fesselnder Weise innerhalb der Grenzen desselben Inselmeers. So wird jede einzelne Insel des Galapagos-Inselmeers – und das ist eine wunderbare Thatsache – von vielen getrennten Arten bewohnt. Aber diese Arten sind miteinander sehr viel enger verwandt, als mit den Bewohnern des amerikanischen Festlandes oder irgendeines anderen Teils der Welt. Das ließ sich erwarten, denn Inseln, die einander so nahe liegen, werden beinahe notwendig Einwanderer von derselben Ursprungsstelle und voneinander erhalten. Aber wie kommt es, daß auf Inseln, die in Sehweite voneinander liegen, dieselbe Schichtung, dieselbe Höhe, dasselbe Klima u. s. w. haben, sich viele der Bewohner, wenn auch nur in geringem Grade, verschieden umgemodelt haben. Dies schien mir lange eine große Schwierigkeit, aber sie entsteht hauptsächlich aus dem tief eingewurzelten Irrtum, die natürlichen Bedingungen eines Landes als das Wichtigste zu betrachten, während es nicht bestritten werden kann, daß die Natur der anderen Arten, mit denen jede im Wettbewerb steht, wenigstens ebenso wichtig und gewöhnlich weit wichtiger für den Erfolg ist. Wenn wir auf die Arten blicken, die das Galapagos-Inselmeer bewohnen und sich auch in anderen Teilen der Welt finden, so erkennen wir, daß sie auf den verschiedenen Inseln beträchtlich voneinander abweichen. Diese Verschiedenheit ließ sich in der That erwarten, wenn die Inseln durch gelegentliche Beförderungsmittel besetzt worden sind, indem z. B. der Samen einer Pflanze auf eine Insel, der einer anderen auf eine andere Insel gebracht worden ist, obgleich alle von derselben Ursprungsstätte herkamen. Wenn daher ein Einwanderer sich zuerst auf einer der Inseln niederließ, oder wenn er sich in der Folge von einer zur anderen verbreitete, würde er auf den verschiedenen Inseln zweifellos verschiedenen Bedingungen ausgesetzt gewesen sein; denn er würde mit einer anderen Gruppe von Lebensformen in Wettbewerb haben treten müssen. Z. B. würde eine Pflanze den am besten für sie passenden Boden auf den verschiedenen Inseln von etwas verschiedenen Arten besetzt finden und würde den Angriffen etwas verschiedener Feinde ausgesetzt sein. Wenn sie sich dann abänderte, würde die Naturauslese auf den verschiedenen Inseln wahrscheinlich verschiedene Spielarten begünstigen. Einige Arten können sich jedoch über die ganze Inselgruppe verbreiten und doch dasselbe Gepräge behalten, gerade wie wir einige Arten sich weithin über einen Erdteil verbreiten und doch gleich bleiben sehen.

Eine wirklich überraschende Thatsache ist beim Galapagos-Inselmeer und in geringerem Grade in einigen ähnlichen Fällen, daß sich nicht jede neue Art, nachdem sie sich auf irgendeiner der Inseln gebildet hat, rasch über die anderen Inseln verbreitet. Aber wenn die Inseln auch in Sehweite voneinander liegen, so sind sie doch durch tiefe Meeresarme getrennt, die meist breiter als das Ärmelmeer sind, und es ist kein Grund zu der Annahme vorhanden, daß sie zu irgendeiner früheren Zeit ununterbrochen zusammengehangen haben. Die Meeresströmungen sind rasch und streichen zwischen den Inseln durch, und starke Winde sind außerordentlich selten, so daß die Trennung der Inseln voneinander weit mehr wirkt, als es auf der Karte den Anschein hat. Nichtsdestoweniger sind einige von den Arten, sowohl von denen, die auch in anderen Teilen der Welt vorkommen, als von denen, die auf das Inselmeer beschränkt sind, den verschiedenen Inseln gemeinsam, und wir können aus ihrer jetzigen Verteilungsart schließen, daß sie sich von einer Insel zur anderen verbreitet haben. Aber wir hegen, denke ich, oft eine irrige Ansicht über die Wahrscheinlichkeit, daß eng verwandte Arten in ihr gegenseitiges Gebiet einfallen, wenn ihr Verkehr ungehindert ist. Zweifellos wird eine Art, die einen Vorzug vor einer anderen hat, sie in sehr kurzer Zeit ganz oder teilweise verdrängen. Wenn aber beide für ihre eigenen Plätze gleich tauglich sind, werden wahrscheinlich beide ihre getrennten Plätze für eine fast unbeschränkte Zeitdauer behalten. Da wir mit der Thatsache vertraut sind, daß viele durch die Wirksamkeit des Menschen eingewöhnte Arten sich mit erstaunlicher Schnelligkeit über weite Gebiete verbreitet haben, sind wir zu dem Schlusse geneigt, daß die meisten Arten sich so zu verbreiten pflegen. Aber wir sollten daran denken, daß die Arten, die in neuen Ländern eingewöhnt werden, gewöhnlich nicht mit den ursprünglichen Einwohnern eng verwandt, sondern ganz getrennte Formen sind, die, wie Alfons de Candolle gezeigt hat, in verhältnismäßig vielen Fällen zu getrennten Gattungen gehören. Im Galapagos-Inselmeere sind sogar viele von den Vögeln, obgleich sie so gut zum Fliegen von Insel zu Insel taugen, auf den verschiedenen Inseln verschieden. So giebt es drei nahe verwandte Arten der Spottdrossel, von denen jede auf ihre eigene Insel beschränkt ist. Nehmen wir nun an, die Spottdrossel von der Chathaminsel würde nach der Charlesinsel getrieben, die ihre eigene Spottdrossel hat. Warum sollte es ihr gelingen, sich dort festzusetzen? Wir können sicher schließen, daß die Charlesinsel mit ihrer eigenen Art wohl ausgestattet ist, denn es werden jährlich mehr Eier gelegt und junge Vögel ausgebrütet, als aufgezogen werden können. Ebenso können wir schließen, daß die der Charlesinsel eigentümliche Spottdrossel wenigstens ebenso gut für ihre Heimat paßt, als die der Chathaminsel eigentümliche Art. Sir C. Lyell und Wollaston haben mir eine merkwürdige Thatsache mitgeteilt, die auf diesen Gegenstand Bezug hat, nämlich daß Madeira und das benachbarte Inselchen Porto Santo viele verschiedene, aber einander vertretende Arten von Landschnecken besitzen, von denen einige in Steinspalten leben. Und obgleich jährlich große Mengen Steine von Porto Santo nach Madeira befördert werden, ist doch die letztere Insel nicht von der Art von Porto Santo besiedelt worden. Nichtsdestoweniger sind beide Inseln von europäischen Landschnecken besiedelt worden, die ohne Zweifel irgendeinen Vorzug vor den eingeborenen Arten voraus hatten. Nach diesen Betrachtungen brauchen wir uns, denke ich, nicht sehr darüber zu wundern, daß sich die einheimischen Arten, die die verschiedenen Inseln des Galapagos-Inselmeers bewohnen, nicht alle von Insel zu Insel verbreitet haben. Frühere Besitznahme auf demselben Festlande hat wahrscheinlich auch wesentlich dazu beigetragen, die Vermischung der Arten zu verhindern, die verschiedene Bezirke mit fast denselben natürlichen Bedingungen bewohnen. So haben die Südost- und die Südwestecke von Australien nahezu dieselben natürlichen Bedingungen und sind durch eine ununterbrochene Landstrecke vereinigt. Dennoch sind sie durch eine ungeheure Zahl verschiedener Säugetiere, Vögel und Pflanzen bewohnt. So ist es nach Bates mit den Schmetterlingen und anderen Tieren, die das große, offene, ununterbrochene Thal des Amazonenstroms bewohnen.

Dasselbe Grundgesetz, welches das allgemeine Gepräge der Bewohner der Inseln im Weltmeere bestimmt, nämlich die Beziehung zu der Ursprungsstelle, von der die Ansiedler am leichtesten herkommen konnten, zusammen mit ihrer folgenden Ummodelung, findet in der ganzen Natur die weiteste Anwendung. Wir sehen dies auf jedem Berggipfel, in jedem See und jeder Marschgegend. Denn die Alpenarten, ausgenommen insoweit als dieselben Arten sich während der Eiszeit weit verbreitet haben, sind mit denen der umgebenden Tiefländer verwandt. So haben wir in Südamerika Alpenkolibris, Alpennagetiere, Alpenpflanzen, die alle genau zu amerikanischen Formen gehören, und es ist klar, daß ein Berg, als er langsam in die Höhe gehoben wurde, von den umgebenden Tiefländern aus besiedelt wurde. Ebenso ist es mit den Bewohnern der Seeen und Marschgegenden, ausgenommen insoweit als die große Leichtigkeit der Beförderung denselben Formen ermöglicht hat, durch große Teile der Welt vorzuherrschen. Wir sehen dasselbe Grundgesetz im Gepräge der meisten blinden Tiere, welche die Höhlen Amerikas und Europas bewohnen. Andere ähnliche Thatsachen könnten angeführt werden. Es wird, glaube ich, ganz allgemein als richtig erfunden werden, daß, wo immer in zwei Gegenden, so getrennt sie auch sein mögen, viele nahe verwandte oder einander vertretende Arten vorkommen, sich auch einige ganz gleiche Arten finden werden, und wo viele nahe verwandte Arten vorkommen, werden sich viele Formen finden, die einige Naturforscher als getrennte Arten, andere als bloße Spielarten ansetzen, zweifelhafte Formen, die uns die Schritte auf dem Wege der Ummodelung zeigen.

Die Beziehung zwischen dem Vermögen und der Ausdehnung der Wanderung bei gewissen Arten entweder im gegenwärtigen oder in einem früheren Zeitalter und dem Vorhandensein nahe verwandter Arten an weit auseinanderliegenden Punkten der Welt zeigt sich noch in anderer und allgemeinerer Weise. Gould bemerkte mir vor langer Zeit, daß bei den Vogelgattungen, die in der ganzen Welt verbreitet sind, viele Arten sehr weite Verbreitung haben. Ich kann kaum daran zweifeln, daß diese Regel im allgemeinen richtig, wenn auch schwer zu beweisen ist. Unter den Säugetieren sehen wir sie bei den Fledermäusen und in geringerem Maße bei den katzenartigen und hundeartigen Raubtieren auffallend hervortreten. Wir sehen dieselbe Regel bei der Verteilung der Schmetterlinge oder Käfer. Ebenso ist es bei den meisten Bewohnern des Süßwassers, denn viele der Gattungen in den getrenntesten Klassen sind in der ganzen Welt verbreitet, und viele der Arten haben ungeheure Verbreitung. Damit ist nicht gemeint, daß in den Gattungen, welche sehr weit verbreitet sind, alle, sondern, daß einige Arten sehr weite Verbreitung haben. Auch ist nicht gemeint, daß die Arten in solchen Gattungen im Durchschnitt eine sehr weite Verbreitung haben, denn das wird zum großen Teil davon abhängen, wie weit der Vorgang der Ummodelung fortgeschritten ist. Z. B. bewohnen zwei Spielarten derselben Art Amerika und Europa, die Art hat folglich eine ungeheure Verbreitung. Wenn aber die Abänderung ein wenig weitergegangen wäre, würden die beiden Spielarten als getrennte Arten angesetzt werden, und ihr Verbreitungsgebiet würde sich sehr verkleinern. Noch weniger ist damit gemeint, daß Arten, welche die Fähigkeit haben, Schranken zu überschreiten und sich weit zu verbreiten, wie z. B. gewisse Vögel mit kräftig entwickelten Flügeln, sich notwendig weit verbreiten werden. Denn wir sollten niemals vergessen, daß zu weiter Verbreitung nicht nur das Vermögen notwendig ist, Schranken zu überschreiten, sondern das wichtigere, in weit voneinander entfernten Ländern im Kampf ums Dasein mit fremden Genossen siegreich zu sein. Aber nach der Annahme, daß alle Arten einer Gattung, wenn sie auch über die entferntesten Punkte der Welt verteilt sind, von einer einzigen Urform herstammen, sollten wir finden, daß wenigstens einige von den Arten sehr weit verbreitet sind, und ich glaube, als allgemeine Regel finden wir es.

Wir sollten daran denken, daß viele Gattungen in allen Klassen von alter Herkunft sind, und die Arten in diesem Falle reichliche Zeit zur Verbreitung und darauf folgenden Ummodelung gehabt haben werden. Nach Zeugnissen der Erdbildung haben wir auch Grund zu glauben, daß in jeder großen Klasse die niedrigeren Lebensformen sich langsamer als die höheren umwandeln. Infolge dessen werden sie bessere Aussicht gehabt haben, sich weit zu verbreiten und noch dasselbe artbildende Gepräge zu behalten. Diese Thatsache und die andere, daß die Samen und Eier der meisten niedrig organisierten Formen sehr klein und zur Beförderung nach weit entfernten Punkten besser geeignet sind, erklären wahrscheinlich ein Gesetz, das lange beobachtet und kürzlich von Alfons de Candolle in Bezug auf die Pflanzen untersucht worden ist, daß nämlich, je niedriger eine Gruppe von Lebensformen steht, sie um so weiter verbreitet ist.

Die eben erörterten Verhältnisse, nämlich die weitere Verbreitung der niedrigeren Lebensformen gegenüber der der höheren, die weite Verbreitung einiger Arten weitverbreiteter Gattungen, Thatsachen wie die Verwandtschaft der Erzeugnisse der Berge, Seen und Marschen mit den Bewohnern des umliegenden Tieflands und trockenen Bodens, die auffallende Verwandtschaft zwischen den Bewohnern von Inseln und denen des nächsten Festlandes, die noch engere Verwandtschaft der verschiedenen Bewohner der Inseln in demselben Inselmeere sind nach der gewöhnlichen Ansicht von der unabhängigen Erschaffung einer jeden Art unerklärlich, sie sind dagegen erklärlich, wenn wir eine Besiedelung aus der nächsten oder am bequemsten liegenden Vorratsstätte und zugleich die spätere Anpassung der Ansiedler an ihre neue Heimat zugeben.

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Zusammenfassung dieses und des vorigen Kapitels.

In den beiden letzten Kapiteln habe ich zu zeigen versucht, daß, wenn wir unsere Unkenntnis der vollen Wirkungen der Umwandlungen im Klima und in der Höhenlage des Landes, die in der neuen Erdbildungszeit sicher, und anderer Umwandlungen, die wahrscheinlich vorgekommen sind, richtig in Anschlag zu bringen, wenn wir uns erinnern, wie wenig wir die vielen eigentümlichen gelegentlichen Beförderungsmittel kennen, und die sehr wichtige Erwägung nicht vergessen, wie oft eine Art sich ununterbrochen über eine weite Fläche verbreitet haben und später auf Mittelstrecken ausgestorben sein kann, daß, sage ich, die Schwierigkeit zu glauben, daß alle Vertreter einer Art, wo immer sie gefunden werden, von einem gemeinsamen Elternpaar herstammen, nicht unüberwindlich ist. Zu diesem Schlusse, den viele Naturforscher als den von einzelnen Mittelpunkten der Schöpfung bezeichnen und vertreten, führen uns mannigfache allgemeine Betrachtungen, besonders die der Wichtigkeit der verschiedenartigen Schranken und der ähnlichen Verteilung der Untergattungen, Gattungen und Familien.

In betreff der zu einer Gattung gehörigen getrennten Arten, die sich nach unserer Lehre von einem gemeinsamen Ursprung aus verbreitet haben, sind, wenn wir ebenso wie vorher unsere Unkenntnis in Anschlag bringen und uns erinnern, daß manche Lebensformen sich sehr langsam umgemodelt haben, und ihnen so riesige Zeiträume zur Wanderung eingeräumt gewesen sind, die Schwierigkeiten durchaus nicht unüberwindlich, wenn sie auch bei ihnen wie bei den einzelnen Vertretern einer Art oft groß sind.

Um ein Bild von den Wirkungen der Klimawandlungen auf die Verteilung zu geben, habe ich zu zeigen versucht, eine wie wichtige Rolle die letzte Eiszeit gespielt hat, die sogar auf die heiße Zone einen Einfluß ausgeübt hat, da während des Wechsels der Kälte im Norden und Süden die Erzeugnisse der entgegengesetzten Halbkugeln sich vermischt haben, und einige von ihnen in allen Teilen der Welt auf den Berggipfeln zurückgeblieben sind. Um die große Verschiedenartigkeit der Mittel gelegentlicher Beförderung zu verdeutlichen, habe ich etwas ausführlich die Mittel der Verbreitung der Süßwassererzeugnisse erörtert.

Wenn die Schwierigkeiten nicht unüberwindlich sind, die sich der Annahme entgegenstellen, daß im Verlauf einer langen Zeit alle Vertreter einer Art und ebenso der verschiedenen Arten, die zu einer Gattung gehören, aus einer beliebigen Ursprungsquelle hervorgegangen sind, dann sind die großen leitenden Thatsachen bei der Verteilung der organischen Wesen auf der Erdoberfläche aus der Lehre von der Wanderung und der ihr folgenden Ummodelung und Vervielfältigung neuer Formen erklärlich. Wir können so die hohe Wichtigkeit der Land- wie Wasserschranken begreifen, die die einzelnen Provinzen der Tier- und Pflanzenwelt nicht nur trennen, sondern sie offenbar bilden. Wir können so begreifen, woher verwandte Arten in denselben Gebieten vereinigt sind, und woher es kommt, daß unter verschiedenen Breiten, z. B. in Südamerika, die Bewohner der Ebenen und Berge, der Wälder, Marschen und Wüsten in so geheimnisvoller Art miteinander verknüpft sind, wie sich auch Verknüpfungsglieder mit ausgestorbenen Wesen finden, die früher denselben Erdteil bewohnten. Wenn man daran denkt, daß die gegenseitige Beziehung zweier Lebensformen von der höchsten Wichtigkeit ist, kann man erkennen, warum zwei Gebiete mit fast den gleichen natürlichen Bedingungen oft von sehr verschiedenen Lebensformen bewohnt werden. Denn je nach der Länge der Zeit, die verflossen ist, seitdem die Ansiedler in die eine von den beiden Gegenden oder in beide eingedrungen sind, je nach der Art der Verbindung, die gewissen Formen ermöglichte, in größerer oder geringerer Anzahl einzudringen und anderen nicht, je nachdem diejenigen, welche eindrangen, gerade in mehr oder weniger unmittelbaren Wettbewerb miteinander und mit den Ureinwohnern kamen oder nicht, und je nachdem die Einwanderer fähig waren, sich mehr oder weniger schnell abzuändern, werden in den zwei oder mehr Gegenden unabhängig von ihren natürlichen Bedingungen unendlich verschiedenartige Lebensbedingungen entstehen, wird ein fast endloses Maß organischer Wirkung und Rückwirkung vorhanden sein, und wir werden manche Gruppen von Wesen sehr und manche nur geringfügig umgemodelt, einige sehr kräftig entwickelt, einige in geringer Anzahl finden, und das finden wir in den verschiedenen großen Provinzen der Erdoberfläche.

Nach diesen selben Grundgesetzen können wir begreifen, wie ich zu zeigen mich bemüht habe, warum Inseln im Weltmeere wenige Bewohnerarten haben, von diesen aber verhältnismäßig viel einheimisch oder ihnen eigentümlich sind, und warum, gemäß den Mitteln der Wanderung in einer Gruppe von Wesen alle Arten eigentümlich sind, in einer anderen, sogar zu derselben Klasse gehörigen alle Arten mit denen in einem benachbarten Teile der Welt übereinstimmen. Wir können einsehen, warum ganze Gruppen von Lebensformen, wie die Lurche und Landsäugetiere, auf Inseln im Weltmeere fehlen, während die abgesondertsten Inseln ihnen eigentümliche Arten von Luftsäugetieren oder Fledermäusen besitzen. Wir können einsehen, warum auf Inseln sich eine gewisse Beziehung zwischen dem Auftreten von Säugetieren in mehr oder weniger umgemodeltem Zustande und der Tiefe des Meeres zwischen solchen Inseln und dem Festlande findet. Wir können deutlich erkennen, warum alle Bewohner eines Inselmeers, obwohl sie auf den verschiedenen Inselchen getrennten Arten angehören, nahe miteinander und gleichfalls, aber weniger nahe mit denen des nächsten Festlandes oder einer anderen Ursprungsstelle verwandt sind, von der Einwanderer gekommen sein könnten. Wir können erkennen, warum, wenn sehr nahe verwandte oder einander vertretende Arten in zwei, obwohl weit voneinander entfernten Gebieten vorhanden sind, fast überall dort auch einige ganz gleiche Arten gefunden werden.

Wie der verstorbene Edward Forbes oft betont hat, findet sich über Zeit und Raum hinweg eine überraschende Gleichläufigkeit in den Gesetzen des Lebens, da die Gesetze, welche die Aufeinanderfolge der Formen in vergangenen Zeiten bestimmt haben, denen fast gleich sind, die heutzutage die Verschiedenheiten in verschiedenen Gebieten bestimmen. Wir sehen dies an vielen Thatsachen. Die Dauer jeder Art und jeder Gruppe von Arten wird nicht durch Zeitabstände unterbrochen. Denn die scheinbaren Ausnahmen von dieser Regel sind so gering, daß wir sie mit Recht dem Umstande zuschreiben dürfen, daß wir in einer mittleren Ablagerung gewisse Formen, die darunter und darüber vorkommen, noch nicht entdeckt haben. Dasselbe gilt vom Raume; sicher hängt der Regel nach das von einer einzelnen Art oder einer Gruppe von Arten bewohnte Gebiet ohne Unterbrechung zusammen, und die nicht seltenen Ausnahmen können, wie ich zu zeigen versucht habe, aus früheren, unter anderen Umständen ausgeführten Wanderungen oder aus gelegentlichen Beförderungsmitteln oder aus dem Erlöschen von Arten in dazwischenliegenden Strecken erklärt werden. In Zeit und Raum haben Arten und Gruppen von Arten ihren Höhepunkt der Entwicklung. Gruppen von Arten, die in demselben Zeitabschnitt oder demselben Gebiete leben, sind oft durch Übereinstimmung in nebensächlichen Zügen, z. B. in der Gestalt oder Farbe, gekennzeichnet. Wenn man auf die lange Reihe der verflossenen Zeitalter sowie auf weit voneinander entfernte Provinzen der ganzen Welt blickt, so findet man, daß in gewissen Klassen sich die Arten wenig voneinander unterscheiden, während diejenigen in einer anderen Klasse oder nur in einer anderen Abteilung derselben Ordnung sich sehr voneinander unterscheiden. In Zeit wie Raum wandeln sich die niedrig organisierten Glieder einer jeden Klasse gewöhnlich langsamer als die hoch organisierten. Aber in beiden Fällen sind Ausnahmen von der Regel bemerkt worden. Nach unserer Lehre sind diese verschiedenen Beziehungen über Zeit und Raum hin verständlich. Denn mögen wir auf die verwandten Lebensformen blicken, die sich während aufeinanderfolgender Zeitalter, oder auf jene, die sich nach einer Wanderung in entfernte Weltteile umgewandelt haben, beide sind sie durch dasselbe Band der regelmäßigen Zeugung verknüpft, bei beiden gelten die gleichen Abänderungsgesetze und sind Ummodelungen durch dasselbe Mittel der Naturauslese angehäuft worden.

 


 


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