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Unser »möblierter Herr«

In unserer Kammer wohnte jahrelang ein merkwürdiger Mensch. Er stammte aus einer der bekanntesten Familien Brandenburgs. Sein Vater soll in einer Nacht sein großes Gut im Trunk verspielt haben. Ich sah den verarmten Großgrundbesitzer einmal später in einer Mietwohnung des Ostens und habe den Mann scheu betrachtet, der so namenloses Unglück über die stille Frau, die bei ihm in dem armen Zimmer saß, und über die Kinder gebracht hat. Der jüngste Sohn, der bei uns wohnte, hatte den glühenden Wunsch, wenigstens seine Schulbildung abzuschließen. Er trug stets einen langen, abgetragenen Schlafanzug, an dem Mutter manchmal heimlich flickte, damit er nicht ganz auseinanderfiel. Abends spielte er mit Vater oder mir Schach und aß dazu trockenes Brot, das er aus der Tasche seines Schlafrocks stückweise nahm. Mutter suchte irgendwelche Gelegenheit, ihn zum Mitessen zu bewegen; aber er war sehr scheu, und es gelang nicht immer. Er hätte gern den geringen Mietzins für die Kammer abverdient, indem er mir lateinischen Unterricht gab. Wir begannen auch damit. Aber wenn die anderen Jungen unten riefen, wurde es mir zu langweilig, und die Eltern waren so schwach nachzugeben, was ich später oft bedauert habe. Was hätte es einem gesunden Jungen, der den Tag frei hatte, geschadet, wenn er ein Jahr oder zwei fest zum Lernen gezwungen worden wäre, und wie mannigfachen Vorteil hätte ich in meinem Leben von einer Grundlage in der lateinischen Sprache unmittelbar und mittelbar haben können!


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