Felix Dahn
Sind Götter?
Felix Dahn

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XIV.

Halfred aber kniete Tag und Nacht neben ihrem Lager: er hielt ihre matte Hand, er lauschte auf ihren schwachen Athem: er küßte von ihrem Munde die leisen Tropfen Blutes, die manchmal daraus quollen.

Er hatte das Brett, welches die Lücke schloß, mit herab genommen in's Zwischendeck; Himmel und Sterne leuchteten bis aus Thora's Pfül.

Wenn der Tag schlimm gewesen und viel des Bluts entquollen war und sie entschlief mit sinkender Nacht – dann stieg er wohl ein par Stufen hinauf, zog den Hammer aus dem Gürtel und drohte gegen die Sterne hinan mit furchtbaren Worten:

»Laßt ihr sie sterben um fremde Schuld, dann weh euch ihr Götter, weh Allem was lebt!« –

Hatte sich aber die Kranke gekräftigt und ihm freundlich beruhigend zugelächelt, dann stieg derselbe grimmige Mann empor auf's Deck, kniete nieder und rief mit ausgebreiteten Armen in thränenerstickter Stimme:

»Dank, Dank euch, ihr guten Götter! Ich wußt' es ja, daß ihr lebt und gerecht waltet und sie nicht sterben laßt um fremde Schuld.«

Und schwankte der Tag zwischen Gutem und Bösem, zwischen Furcht und Hoffnung auf und nieder, dann durchmaß er das enge Gemach mit hastigen Schritten und murmelte unaufhörlich:

»Sind Götter? sind Götter? sind gütige Götter?«

Und er glaubte, Thora hörte das nicht, weil sie schlafe.

Aber sie lag oft wach, mit geschlossenen Augen, und vernahm Alles und es quälte sie sehr im Wachen und Träumen.

Und Halfred erzählte ihr auf, ihr stummes Bitten nun Alles von Frau Harthild und von dem Fluch und wie Alles gewesen.

Als er geschlossen, lispelte sie schauernd: »Viel hat sich erfüllt! wenn sich noch mehr erfüllte – armer Halfred!« –

Aber es schien besser zu werden mit Thora.

Und Halfred beschloß, sie demnächst empor zu tragen auf Deck, daß sie frische Luft athme und die Schönheit von Meer und Himmel wieder schaue.

Und ließ das Deck sorgsam reinigen von allen Spuren des grausen Kampfes und gebot den Schiffsleuten, den Tag vorher an einem Strand anzulaufen, welcher voll Sommerblumen lachte und befahl einen ganzen Berg von Blumen, wie er sagte, auf das Schiff zu schaffen: denn auf einen Blumenhügel wollte er sie betten.

Und die Männer gehorchten und war das ganze Deck mit Blumen bestreut so dicht, daß nirgend ein Stück des Holzes sichtbar war.

Und hart am Mast erhob sich ein schwellend Pfül von duftigem lockerem Waldgras und allen schönsten Waldblumen, so hoch, daß es Halfred bis an die Brust reichte.

Darüber spreitete er einen weichen, weißlinnenen Mantel und legte die Schwerathmende daraus.

Und wieder wurde es Vollmond, wie in jener Nacht des Kampfes auf dem Schiff: aber es jagte noch viel zerrissen Gewölk an dem Himmel: die segelnde Scheibe des Mondes war nicht durchgedrungen.

Und es war Sonnwendnacht: – die erste, welche Halfred nicht an dem schwarzen Heklastein auf Island verbrachte.

Thora war eingeschlafen auf ihren Blumen.

Halfred hatte sie mit dem eignen Mantel zugedeckt. Und er saß hart an dem Blumenberg und sah auf das edle, bleiche, ganz blutlose Gesicht und sah dann wieder still vor sich hin.

»Ihr habt's doch wohl gemacht, ihr Gütevollen da oben in den Sternen. Ihr habt's vergolten, daß ich niemals ganz an euch gezweifelt. Ich will auch nicht wieder mit euch rechten, weßhalb ihr mir das zweite Furchtbare bereitet: daß ich meine lieben Blutsbrüder erschlagen mußte und so viele von den Schiffsgenossen.

Weil ihr nur diese Wunderblüthe gerettet habt und nicht habt schuldlos verderben lassen um fremde Schuld, ewig will ich euch danken!

Und ein Dankeslied will ich euch dichten ihr Gütigen, Gnadevollen, wie es noch nie erklungen ist zu eurem Lobe! Dank euch, ihr gütigen Götter!«

Und solches sinnend schlief er ein; denn viele, viele Nächte hatte er gar nicht mehr geschlafen.

Da weckte ihn ein durchdringender Ruf, der aus den Sternen zu dringen schien: »Halfred!« schlug es an sein Ohr hoch von oben her.

Er fuhr empor aus dem Schlaf und sah aufwärts! da schaute er, was ihn mit Entsetzen erfüllte: der volle Mond hatte während seines Schlafes die Wolken zertheilt und mit aller Macht auf Thora's Antlitz geleuchtet: jetzt sah Halfred sie hoch auf der schmalen Mittelrah des Mastes schwebend stehen, viele, viele Ellen ober seinem Haupte.

Wie ein weißer Geist glänzte sie im Mondlicht: ihre weit geöffneten Augen blickten hinaus in die Zukunft: die Linke drückte sie auf die Brust, mit der Rechten griff sie wie abwehrend in die Nacht hinaus: sie hielt sich nicht fest auf der schwindelnd hohen schmalen Rahenstange, auf der sonst nur die Silbermöve schaukelnd rastete. Und stand doch sicher aufrecht: aber auf ihrem Antlitz lag verzweifeltes Weh.

»O Halfred,« klagte sie mit einer leisen Stimme von herzzerreißender Angst, – »o Halfred, wie siehst du so wirr – wie furchtbar verwildert Haar und Bart– ach wie rollt dein Auge – und halb nackt – wie ein Berserker – in zottiger Wolfsschur! – Und wie bist du ganz mit unschuldiger Menschen Blut bedeckt! – Und was bedrohst du den Hirten in blondem Gelock, den freudigen Knaben? hab' Acht, Hab' Acht vor der Schleuder – hüte dich – wende das Haupt – es saust die Schleuder – es fliegt der Stein – o Halfred! dein Auge!« –

Und sie griff, weit vorbeugend, wie schirmend, mit beiden Armen in die Luft: sie mußte nun stürzen, so schien es.

»Falle nicht, Thora!« rief Halfred empor.

Da, pfeilschnell, wie vom Blitz herunter geschmettert, stürzte sie, hell aufschreiend, herab von dem schwindelhohen Mast.

Die weiße Stirn schlug auf das Deck – in Blut schwamm ihr Haupt und das goldne Gelock.

»Thora, Thora!« rief Halfred und hob sie empor und suchte ihr Auge: da fiel er sinnlos mit ihr auf sein Antlitz in die Blumen – denn sie war todt. – –


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