Felix Dahn
Sind Götter?
Felix Dahn

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I.

Es wuchs da vor bald fünfzig Wintern im Nordland ein Knabe, der hieß Halfred. Auf Island, an dem Hamund-fjord, stand seines Vaters Hamund reiche Halle.

Damals gingen noch, wie die Heidenleute glauben, Elben und Zwerge häufig unter das Nordlandsvolk. Und Viele sagten, eine Elbin, die dem starken Hamund hold gewesen, trat an des Knaben Halfred Schildwiege, strich ihm wilden Honig als erste Speise auf die Lippen und sprach:

»Harfe sollst du sieghaft schlagen,
Lieder sollst du sieghaft singen,
Sigskald sollst du sein und heißen.«

Aber das ist wohl Wahnrede der Heidenleute.

Und Halfred wuchs heran und ward stark und schön. Er saß viel einsam auf den Klippen und horchte, wie der Wind in den Felsenspalten harfte. Und wollte seine Harfe danach stimmen. Und ward voll Grimmzorns, weil er es nicht konnte.

Und wenn der Grimmzorn über seine Stirne zog, schwoll ihm die Ader an der Schläfe und ward es rothe Nacht vor seinen Augen. Und sein Arm that dann weilings, wovon sein Kopf nicht wußte.

Als sein Vater gestorben war, nahm Halfred den Hochsitz in der Halle ein.

Aber er achtete nicht, das Erbe zu hegen und zu mehren: er pflag Harfen- und Waffenwerks. Er ersann eine neue Liedweise, »Halfreds Gang,« die allen sehr gefiel, die sie vernahmen und darin ihm niemand nachdichten konnte. Und im Axtwerfen kam ihm keiner von den Islandmännern gleich: sein Hammer schlug durch drei Schilde und er fehlte auf zwei Schiffslängen nicht mit des Hammers Beilseite eines fingerbreiten Rohrpfeils.

Sein Sinn stand nun darauf, einen Drachen zu bauen, stark und reich, eines Wikings würdig: darauf wollte er ausfahren, zu heeren und zu schatzen Eiland und Festland, oder auch Harfe zu schlagen in den Hallen der Könige.

Und er sann in sorglichen Nächten, wie er das Schiff beschaffen sollte und fand nicht Rath.

Aber das Bild des Schiffes stand vor seinen Augen, wie es werden sollte, mit Steuer und mit Steven, mit Bord und mit Bug: und sollte es statt eines Drachen einen Silberschwan am Steven führen.

Und als er eines Morgens aus der Halle trat und nach dem Fjord ausschaute gen Norden, da ging vor Süd-Südost ein gewaltig Meerschiff mit geschwellten Segeln in die Hamundsbucht, daß Halfred und seine Hausleute in die Waffen fuhren und hinaus eilten, die Seemänner abzuwehren oder zu bewillkommnen. Immer näher trieb das Schiff: aber nicht Helm, nicht Speer blitzte an Bord, und da man es anrief mit dem Heerhorn, blieb Alles still. Da sprang Halfred mit seinen Gefolgen in die Bote und ruderten an das große Schiff und sahen, daß es ganz leer war und stiegen an Bord. Und war dies das schönste Drachenschiff, das je Segel gebauscht auf der Salzfluth; aber statt eines Drachen führte es einen Silberschwan am Steven.

Und auch sonst, sagte mir Halfred, glich das Schiff in Allem dem Bilde, das er in Nacht- und Tagestraum gesehen: vierzig Ruder in Eisenpflöcken, das Deck mit Schilden überzeltet, die Segel purpur-gestreift, der Bug mit Brandungsrunen geritzt, die Taue von Seehundsfell; die hochgewölbten, versilberten Schwingen des Schwanes aber waren kunstvoll geschnitzt, und der Wind fing sich darin mit singendem Rauschen.

Und Halfred schwang sich auf den Hochsitz am Steuerbord: auf dem lag ein purpurner Königsmantel gespreitet und eine silberne Harfe mit Schwanenhaupt lehnte daran.

Und Halfred sprach:

»Singschwan sollst du heißen, mein Schiff:
Singend und sieghaft sollst du segeln,«

Und viele sagten, die Elbin, die ihm den Namen gegeben, habe ihm den Singschwan gesendet.

Aber das ist Wahnrede der Heidenleute.

Denn oft schon wurden seicht geankerte Schiffe vom Sturm davon getragen, während die Seemänner am Lande zechten.


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