Felix Dahn
Sind Götter?
Felix Dahn

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X.

Und Halfred hielt Wort.

Jahr um Jahr verging – er sagte mir, er wisse nicht mehr, wie oft inzwischen die Sommersonnwend' wiederkehrte – und lebte Halfred ein Leben, als ob er todt wäre.

Hartvik und Eigil führten den Singschwan und den Befehl über die Segelbrüder. Sie koren die Ziele der Hafen und die Wege der Fahrten; Halfred ließ ohne Wort, Wunsch und Wahl Alles geschehen.

Nur, wenn der Südsturm zu stark ward für Hartviks Faust, stieg Halfred schweigend an das Steuer und führte es, bis die See wieder ruhig war.

Auch wenn Wikinger das Schiff angriffen – Halfred hatte verboten, daß der Singschwan zu Land oder See noch Leute schädige – und die Gefahr übergroß ward, griff Halfred schweigend – nie mehr erhob er den Schlachtruf – zu seinem Hammer und schlug unter die Feinde, bis sie wichen.

Aber er führte den Hammer nur mehr mit der linken Hand – den Schild hatte er abgelegt – und auch nicht Helm und Brünne deckten ihm Haupt und Brust.

Er trug Jahr aus und ein das Gewand, welches in jener Sonnwendnacht Rauch, Brand und Blut dunkel gefärbt.

Wenn der Singschwan landete – die schwarzen Brandflecken an den Flügeln durften nicht getilgt werden – und Hartvik und Eigil und die Segelbrüder in die Hallen der Könige gingen, blieb Halfred auf Deck liegen und hielt Schiffshut.

Und trank nur noch Wasser aus hölzernem, bitterem Wachholderbecher.

Eigil brachte einst aus einer Königshalle, wo der Sigskald früher oft gegastet, eine prachtvolle goldne Harfe, welche die Königin dem alten Freunde grüßend zum Geschenke schickte.

Als aber das Schiff um die Bucht gebogen war, glitt die Harfe mit leisem Rauschen in die See.

Und einst lag Halfred im Hochsommer auf Island am Strand an dem schwarzen Felsstein – denn jede Sommersonnwendnacht verbrachte er einsam dort, die Freunde mußten auf dem Schiffe bleiben – und sah sehr, sehr traurig aus.

Denn sein Antlitz war sehr bleich geworden.

Da kam eine Frau und eine wunderschöne Jungfrau, das war ihre Tochter, und blieben vor ihm stehen; der wandte sein Gesicht, aber die Mutter sprach:

»Ich kenne dich doch noch, Halfred Sigskald! Ich werde dein Antlitz nie vergessen, ob auch des Wunsches Lächeln nicht mehr darauf spielt, und ob auch die Furchen in deiner Stirn wie vom Pfluge tief eingegraben sind, – dies Mägdlein hast du mir vor fünfzehn Wintern, ein schlafendes Kind, in den Arm gelegt, siehe, wie schön ist sie geworden, wie keine mehr aus ganz Island! Und diesen Kranz von Sommerblumen hat sie dir geflochten; setze ihn aus deine bleiche Stirn und dir wird wohler werden: denn Dank hat ihn gewunden.«

Da sprang Halfred auf, nahm den Kranz aus des erröthenden, schönen Mädchens Hand, hob mit gewaltigem Ruck den ungeheuren Felsen leis empor, warf den Kranz darunter und ließ den schwarzen Stein wieder wuchtig aus die alte Stelle fallen.

Weinend gingen Mutter und Mädchen. –

Und sprach Halfred in diesen Jahren fast nur mit Hartvik und Eigil und auch mit diesen nur, was er mußte.

Und was er sprach, war weich und traurig.

Und seine Stimme war leise geworden.

Und war er sehr gütig mit allen Menschen, auch mit ganz geringen Leuten.

Und hörten ihn die Schiffsleute Nachts viel seufzen und sich auf dem Strohlager auf Deck wälzen, wo er immer bis in den kalten Winter unter den Sternen lag.

Und hörten ihn oft sprechen, wenn niemand zugegen war, mit dem er reden konnte.

Und bei Tisch stützte er das Haupt in die linke Hand, schlug die Augen nieder oder sah weit, weit in die Ferne.

Und klagte er fast nie: nur das Haupt schüttelte er manchmal leise und preßte sehr, sehr oft die linke Hand an die Brust, und sagte manchmal:

»Mich meidet die frohe Himmelsluft. Ich kann nicht athmen; will ich athmen, muß ich seufzen. Es drückt mir fast das Herz zusammen.«

Und Hartvik und Eigil sprachen untereinander: »er ist siech.«

Und einst, als sie in Grekaland fuhren, rief Eigil heimlich einen Arzt, die dort sehr weise sind, und achtete der Arzt auf Halfred viele Tage und Nächte, und sprach:

»Das ist eine schwere Krankheit, daran dieser arme Mann leidet.

Und ist schon mancher an ihr still gestorben, oder laut in Wahnsinn verdorben.

Wir nennen sie: Melancholia.« –


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