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Zwölftes Kapitel

Bald darauf ward das Lager von seltsamer Aufregung erfüllt.

Das Gerücht von der Ankunft des Heiligen Vaters, das seiner reich vergoldeten Sänfte voranflog, riß die Tausende von Soldaten mit Kräften der Andacht, der Ehrfurcht, des Aberglaubens, der Neugier aus ihren Zelten, von Schlaf und Schmaus und Spiel hinweg, ihm entgegen. Kaum, daß die Anführer die Mannschaft im Dienst und auf den Wachen zurückhalten konnten; meilenweit waren ihm die Gläubigen entgegengeeilt und geleiteten jetzt, mit Haufen des Landvolks der Umgegend gemischt, seinen Zug ins Lager. Längst hatten sich Bauern und Soldaten an der Eselinnen Statt, die seine Sänfte trugen, eingespannt: – vergebens hatte sich die Bescheidenheit des Papstes dagegen gesträubt – und unter unaufhörlichem Jubelruf: «Heil dem Bischof von Rom, Heil dem heiligen Petrus!» wälzte sich der Strom der Tausende heran, über die Silverius unermüdlich Segen sprach. Seiner beiden Mitgesandten, Scävola und Albinus, dachte kein Mensch.

Belisar sah von seinem Zelthügel aus mit ernsten Augen das mächtige Schauspiel. «Der Präfekt hat recht!» sprach er dann, «dieser Priester ist gefährlicher als die Goten. Es ist ein Triumphzug! Prokop, laß die byzantinische Leibwache an meinem Zelt ablösen, sowie die Unterredung beginnt: sie sind allzugute Christen. Laß die Hunnen aufziehn und die heidnischen Gepiden.»

Damit schritt er in sein Zelt zurück, wo er alsbald von seinen Heerführern umgeben, die römische Gesandtschaft empfing. Den Prinzen Areobindos hatte Prokop von der Notwendigkeit einer Rekognoszierung überzeugt, die nur heute und nur von ihm vorgenommen werden konnte.

Umwogt von einem glänzenden geistlichen Gefolge nahte der Papst dem Feldherrnzelt. Große Massen Volkes drängten nach, aber sowie der Papst mit Scävola und Albinus die Mündung der engen Lagergasse hinter sich hatten, sperrten die Wachen mit gefällten Lanzen den Weg und ließen weder Priester noch Soldaten folgen.

Lächelnd wandte sich Silverius zu dem Führer der Schar und hielt ihm eine schöne Rede über den Text: «Lasset die Kleinen zu mir kommen und wehret ihnen nicht.» Aber der Germane schüttelte den zottigen Kopf und wandte ihm den Rücken: der Gepide verstand kein Latein, außer dem Kommando.

Da lächelte Silverius wieder, segnete nochmals seine Getreuen und schritt dann ruhig weiter in das Zelt. Belisar saß auf einem Feldsessel, darüber war eine Löwenhaut gebreitet. Ihm zur Linken thronte die schöne Antonina auf einem Pardelfell. Ihre wunde Seele hatte in dem Nachfolger des heiligen Petrus einen Arzt und Helfer zu finden gehofft. Aber bei dem Anblick der weltklugen Züge des Silverius zog sich ihr Herz zusammen.

Belisar erhob sich beim Eintritt des Papstes.

Dieser schritt, ohne sich zu neigen, gerade auf ihn zu und legte ihm – er mußte sich mühsam dazu aufrichten – wie segnend beide Hände auf die Schultern. Er wollte ihn leise niederdrücken auf die Knie: – aber eichenfest blieb der Feldherr aufrecht stehen, und Silverius mußte dem Stehenden den Segen erteilen.

«Ihr kommt als Gesandte der Römer?» begann Belisar.

«Ich komme», unterbrach Silverius, «im Namen des heiligen Petrus, als Bischof von Rom dir und dem Kaiser Justinian meine Stadt zu übergeben. Diese guten Leute», fuhr er fort, auf Scävola und Albinus weisend, «haben sich mir angeschlossen wie die Glieder dem Haupt.» Unwillig wollte Scävola einfallen – so hatte er seinen Bund mit der Kirche nicht verstanden! –, aber Belisar winkte ihm, zu schweigen.

«Und so heiße ich dich willkommen in Italien und Rom im Namen des Herrn. Ziehe ein in die Mauern der ewigen Stadt zum Schirme der Kirche und der Gläubigen wider die Ketzer! Erhöhe dort den Namen des Herrn und das Kreuz Jesu Christi und vergiß nie, daß es die Heilige Kirche war, die dir die Wege gebahnt und die Pfade gebaut. Ich bin es gewesen, den Gott zum Werkzeug gewählt, die Goten in törichte Sicherheit zu wiegen und blinden Auges aus der Stadt zu führen, ich bin es gewesen, der die schwankende Stadt, die Bürger für dich gewonnen und die Anschläge deiner Feinde vernichtet hat. Der heilige Petrus ist es, der dir mit meiner Hand die Schlüssel seiner Stadt überreicht, auf daß du sie ihm beschirmest und beschützest. Vergiß niemals diese Worte.» Und er reichte ihm die Schlüssel des asinarischen Tores.

«Ich werde sie nie vergessen!» sprach Belisar und winkte Prokop, der den Schlüssel aus der Hand des Papstes nahm. «Du sprachst von Anschlägen meiner Feinde. Hat der Kaiser Feinde in Rom?»

Da sprach Silverius mit Seufzen: «Laß ab, Feldherr, zu fragen.

Ihre Netze sind zerrissen: sie sind unschädlich, und der Kirche steht nicht an, zu verklagen, sondern zu entschuldigen und alles zum besten zu kehren.»

«Es ist deine Pflicht, Heiliger Vater, dem rechtgläubigen Kaiser die Verräter zu entdecken, die unter seinen römischen Untertanen sich bergen, und ich fordre dich auf, seinen Feind zu entlarven.»

Silverius seufzte: «Die Kirche dürstet nicht nach Blut.» – «Aber sie darf den Arm der weltlichen Gerechtigkeit nicht hemmen», sprach Scävola. Und der Jurist trat vor und überreichte Belisar eine Papyrusrolle. «Ich hebe Klage gegen Cornelius Cethegus Cäsarius, den Präfekten von Rom, wegen Majestätsbeleidigung und Empörung gegen Kaiser Justinian. Diese Schrift enthält die Klagepunkte und die Beweise. Er hat des Kaisers Regierung eine Tyrannei gescholten. Er hat sich der Landung kaiserlicher Heere nach Kräften widersetzt. Er hat endlich noch vor wenig Tagen, er allein, dafür gestimmt, die Tore Roms dir nicht zu öffnen.«

«Und welche Strafe beantragt ihr?» fragte Belisar, in die Schrift blickend.

«Nach dem Gesetz den Tod», sprach Scävola. – «Und seine Güter verfallen nach dem Gesetz», sprach Albinus, «halb dem Fiskus, halb den Klägern.» – «Und seine Seele der Barmherzigkeit Gottes», schloß der Bischof von Rom.

«Wo ist der Angeklagte?» fragte Belisar.

«Er verhieß, dich aufzusuchen; aber ich fürchte, sein böses Gewissen wird ihn nicht haben kommen lassen.»

«Du irrst, Bischof von Rom», sprach Belisar, «er ist schon hier.»

Bei diesem Wort fiel der Vorhang im Hintergrund des Zeltes, und vor den erstaunten Anklägern stand Cethegus, der Präfekt. Überrascht fuhren die Ankläger auf; schweigend, mit vernichtendem Blick, trat Cethegus einige Schritte vor, bis er zur Rechten Belisars stand.

«Cethegus hat mich früher aufgesucht als du», fuhr der Feldherr nach einer Pause fort: «und er ist dir zuvorgekommen – auch im Anklagen. Du stehst als schwer Beschuldigter vor mir, Silverius. Verteidige dich, ehe du verklagst.»

«Ich als Beschuldigter?» lächelte der Papst. «Wo wäre ein Kläger oder ein Richter für den Nachfolger des heiligen Petrus?»

«Der Richter bin ich: an deines Herrn, des Kaisers Statt.»

«Und der Kläger?» fragte Silverius.

Cethegus wandte sich halb gegen Belisar und sprach: »Der Kläger bin ich! Ich habe Silverius, den Bischof von Rom, des Verbrechens der verletzten Majestät des Kaisers und des Hochverrats am Römischen Reich geziehen. Ich beweise sofort meine Klage. Silverius hat die Absicht, die Herrschaft der Stadt Rom und einen großen Teil Italiens dem Kaiser Justinian zu entreißen und – lächerlich zu sagen! – ein Priesterreich zu gründen in dem Vaterlande der Cäsaren. Und schon hat er den nächsten Versuch getan zur Ausführung dieses – soll ich sagen: seines Wahnsinns oder seines Verbrechens? Hier überreiche ich einen Vertrag, – hier steht die Unterschrift seiner Hand – den er mit Theodahad, dem letzten Fürsten der Barbaren, geschlossen. Der König verkauft darin für ewige Zeiten für die Summe von tausend Pfund Gold an den heiligen Petrus und seine Nachfolger, für den Fall, daß Silverius Bischof von Rom werde, die Herrschaft der Stadt und das Weichbild von Rom und dreißig Meilen in der Runde. Es sind aufgezählt alle Hoheitsrechte: Gerichtsbarkeit, Gesetzgebung, Verwaltung, Steuern, Zölle und selbst Kriegsgewalt. Dieser Vertrag ist nach seinem Datum drei Monate alt. Also im selben Augenblick, da der fromme Archidiakon, hinter Theodahads Rücken, die Waffen des Kaisers herbeirief, schloß er, hinter des Kaisers Rücken, einen Vertrag, der diesem die Früchte seiner Anstrengung rauben und den Papst für alle Fälle sichern sollte. Ich überlasse es dem Stellvertreter des Kaisers, wie solche Klugheit zu würdigen sei. Für die Erwählten des Herrn gilt als besondre Klugheit der Schlangen Moral, – unter uns Laien ist solches Tun...»

«Der schändlichste Verrat!» fiel Belisar donnernd ein, sprang auf und nahm die Urkunde aus des Präfekten Hand. – «Hier sieh, Priester, deinen Namen: kannst du noch leugnen?»

Der Eindruck dieser Anklage, dieses Beweises auf alle Anwesenden war ein gewaltiger. Staunen und Unwillen, gemischt mit Spannung auf des Papstes Verteidigung, lag auf den Zügen aller Gesichter; am meisten aber war Scävola, der kurzsichtige Republikaner, überrascht von diesen Herrscherplänen seines gefährlichen Verbündeten. Er hoffte, Silverius werde die Verleumdung siegreich niederschlagen.

Die Lage des Papstes war in der Tat höchst gefährlich, die Anklage schien unwiderleglich, und das zornlohende Antlitz Belisars hätte manch tapfres Herz erschreckt. Aber Silverius zeigte in diesem Augenblick, daß er kein unebenbürtiger Gegner des Präfekten und des Helden von Byzanz war. Nicht eine Sekunde hatte er die Fassung verloren, nur als Cethegus die Urkunde aus dem Gewand hervorzog, hatte er einen Moment die Augen niedergeschlagen, wie aus Schmerz. Aber dem donnernden Ruf wie den blitzenden Augen Belisars hielt er ein unerschütterlich ruhiges Angesicht entgegen. Er fühlte, daß er in dieser Stunde den Gedanken seines Lebens verfechten mußte: dies gab ihm kühne Kraft, keine Wimper zuckte ihm.

«Wie lange wirst du noch schweigen?» fuhr ihn Belisar an.

«Bis du fähig und würdig bist, mich zu hören. Du bist besessen von Urchitophel, dem Dämon des Zornes.»

«Sprich! Verteidige dich!» sagte Belisar, sich setzend.

«Die Klage dieses gottlosen Mannes», hob Silverius an, «bringt nur ein Recht der heiligen Kirche noch früher ans Licht, als sie es in dieser unruhigen Zeit geltend machen wollte. Es ist wahr, ich habe diesen Vertrag mit dem Barbarenkönig geschlossen.»

Eine Bewegung der Entrüstung ging durch die Reihen der Byzantiner.

«Nicht aus weltlicher Herrschsucht, nicht, um neues Recht zu erwerben, habe ich mit dem König der Goten, als dem damaligen Besitzer der Stadt, verhandelt. Nein! die Heiligen sind mir Zeugen! Nur weil es meine Pflicht, ein uraltes Recht des heiligen Petrus nicht fallen zu lassen.»

«Ein uraltes Recht?» fragte Belisar unwillig.

«Ein uraltes Recht!» wiederholte Silverius, «das geltend zu machen die Kirche nur bisher unterlassen hat. Ihre Feinde nötigen sie, in diesem Augenblick damit hervorzutreten. Wisse denn, du Vertreter des Kaisers, höret es, ihr Kriegsobersten und Schwertgewaltigen, was sich die Kirche von Theodahad hat einräumen lassen, ist schon seit zwei Jahrhunderten ihr Eigentum: der Gote hat es nur bestätigt.

An demselben Ort, wo des Präfekten tempelschänderische Hand diese Bestätigung entwendet, hätte er auch die Urkunde finden können, die ursprünglich unser Recht begründet hat. Der fromme Kaiser Constantinus, der sich zuerst von den Vorgängern Justinians der Lehre des Heils zugewandt, hat auf Bitten seiner gottseligen Mutter Helena, nachdem er alle seine Feinde mit sichtbarer Hilfe der Heiligen, besonders des heiligen Petrus, unter seine Füße getreten, zur dankbaren Anerkenntnis solchen Beistandes und um vor aller Welt zu bezeugen, daß Krone und Schwert sich vor dem Kreuz der Kirche zu beugen haben, die Stadt Rom mit ihrem Weichbild und die benachbarten Städte und Marken durch eine feierliche Schenkungsurkunde für ewige Zeiten dem heiligen Petrus zu eigen übertragen, mit Gericht und Verwaltung, Steuer und Zoll und allen Kronrechten irdischer Herrschaft, auf daß die Kirche auch einen weltlichen Boden habe zur leichteren Vollführung ihrer weltlichen Aufgaben. Diese Schenkung ist durch eine rechtsgültige Urkunde in aller Form verbrieft: der Fluch von Gehenna ist jedem gedroht, der sie anstreitet. Und ich frage im Namen des dreieinigen Gottes den Kaiser Justinian, ob er diese Rechtshandlung seines Vorgängers, des in Gott seligen Kaisers Constantinus, anerkennen oder ob er sie, aus weltlicher Habgier, umstoßen und damit den Fluch der Gehenna und die ewige Verdammnis auf sein Haupt laden will?»

Diese Rede des Bischofs von Rom, mit aller Kraft geistlicher Würde und aller Kunst weltlicher Rhetorik vorgetragen, war von unwiderstehlicher Wirkung. Belisar, Prokop und die Feldherren, die eben noch über den verräterischen Priester ein zorniges Gericht hatten halten wollen, fühlten sich jetzt durch den plötzlich ihnen entgegengehaltenen Rechtstitel selbst wie verurteilt.

Der Kern Italiens schien unwiderbringlich dem Kaiser verloren und der Herrschaft der Kirche anheimgegeben. Ein banges Schweigen lagerte über den jüngst noch so herrischen Byzantinern, und triumphierend stand der Priester als Sieger in ihrer Mitte. Endlich sprach Belisar, der die Aufgabe der Bekämpfung oder die Schmach der Niederlage von sich abwälzen wollte: «Präfekt von Rom, was hast du zu erwidern?»

Mit einem kaum bemerkbaren Zucken des Spottes um die feinen Lippen verneigte sich Cethegus und begann: «Der Angeklagte beruft sich auf eine Urkunde.

Ich könnte, glaub' ich, ihn in große Verlegenheit versetzen, wenn ich ihr Vorhandensein bestritte, und die sofortige Vorlage der Urschrift von ihm verlange. Indessen will ich dem Manne, der sich das Haupt der Christenheit nennt, nicht wie ein gehässiger Anwalt begegnen. Ich räum ein, die Urkunde existiert.»

Belisar macht eine Bewegung hilflosen Verdrusses.

«Mehr noch! Ich habe dem Heiligen Vater die Mühe der Vorlage derselben, die ihm sonst sehr schwer fallen dürfte, erspart, und die Urkunde selbst mitgebracht in meiner tempelschänderischen Hand.» Er zog ein vergilbtes Pergament aus dem Sinus und sah lächelnd bald in dessen Zeilen, bald auf des Papstes, bald auf Belisars Gesicht, an deren Spannung sich weidend.

«Ja, noch mehr. Ich habe die Urkunde viele Tage lang mit feindselig forschenden Augen, mit Zuziehung noch schärferer Juristen, als ich es leider bin, – so meines jungen Freundes Salvius Julianus, – bis auf jeden Buchstaben nach ihrer formellen Gültigkeit geprüft. Vergebens. – Selbst der Scharfsinn meines verehrten und gelehrten Freundes Scävola könnte keinen Mangel herausinterpretieren. Alle Formen des Rechts, alle Klauseln höchster unanfechtbarer Sicherheit sind in der Schenkungsakte haarscharf gewahrt; und in der Tat: ich hätte den Protonotarius des Kaisers Constantin kennen mögen, er muß ein Jurist ersten Ranges gewesen sein.» Er hielt inne: – höhnisch ruhte sein Auge auf dem Antlitz des Silverius, der sich den Schweiß von den Schläfen wischte.

«Also», fragte Belisar in höchster Aufregung: «die Urkunde ist formell ganz richtig – daher beweiskräftig?»

«Jawohl!« seufzte Cethegus, »die Schenkung ist ganz makelloser Ordnung. Schade nur, daß... –»

«Nun?» unterbrach Belisar.

«Schade nur, daß sie falsch ist.»

Da flog ein Schrei von aller Lippen. Belisar, Antonina sprangen auf, alle Anwesenden traten einen Schritt näher zu dem Präfekten. Nur Silverius wankte einen Schritt zurück.

«Falsch?» fragte Belisar mit einem Ruf, der wie ein Jubel klang. «Präfekt, – Freund, – kannst du das beweisen?»

«Sonst hätte ich mich gehütet, es zu behaupten. Das Pergament, auf das die Schenkung geschrieben ist, zeigt alle Spuren eines hohen Alters: Brüche, Wurmstiche, Flecken jeder Art, alles, was man von Ehrwürdigkeit verlangen kann, – so daß es manchmal sogar schwierig ist, die Buchstaben zu erkennen. Gleichwohl stellt sich die Urkunde nur so alt: mit so großem Aufwand von Kunst, als manche Frauen sich den Schein der Jugend geben, lügt sie die Heiligkeit des Alters. Es ist echtes Pergament aus der alten, von Constantin begründeten, noch heute bestehenden kaiserlichen Pergamentfabrik zu Byzanz.»

«Zur Sache», rief Belisar.

«Aber es ist wohl nicht jedem bekannt, – und es scheint auch leider dem heiligen Bischof entgangen zu sein! – daß bei diesem Pergament ganz unten – links, am Rande – durch Stempelschlag das Jahr der Fertigung durch Angabe der Jahreskonsuln in allerdings kaum wahrnehmbaren Buchstaben bezeichnet wird. Nun gib wohl acht, o Feldherr!

Die Urkunde will, wie sie im Text sagt, gefertigt sein im sechzehnten Jahre von Constantins Regierung, im gleichen Jahre, da er die Heidentempel schließen ließ, wie das fromme Pergament besagt, ein Jahr nach der Erhebung von Constantinopolis zur Hauptstadt, und nennt richtig die richtigen Konsuln dieses Jahres, Dalmatius und Xenophilos.

Da ist es nun wirklich durch ein Wunder zu erklären, – aber hier hat Gott der Herr ein Wunder gegen seine Kirche getan! – daß man jenem Jahre, also im Jahre dreihundertfünfunddreißig nach der Geburt des Herrn, schon ganz genau wußte, wer im Jahr nach dem Tode des Kaisers Justinus und des Königs Theoderich Konsul sein würde; denn seht, hier unten am Rande der Stempel besagt: der Schreiber hatte ihn nicht beachtet – er ist wirklich sehr schwer wahrzunehmen, wenn man das Pergament nicht gegen das Licht hält – so etwa, siehst du, Belisar? und er hatte blindlings drei Kreuze darauf gemalt; ich aber habe diese Kreuze mit meiner – wie hieß es doch? – ‹tempelschänderischen›, aber geschickten Hand weggewischt und siehe, da steht eingestempelt: ‹VI Indiktion: Justianinus Augustus, allein Konsul im ersten Jahre seiner Herrschaft.›»

Silverius wankte und hielt sich an dem Stuhl, den man für ihn bereit gestellt.

«Das Pergament der Urkunde, auf welches der Protonotar des Kaisers Constantin vor zweihundert Jahren die Schenkung niederschrieb, ist also erst vor einem Jahr zu Byzanz einem Esel von den Rippen gezogen worden. Gesteh, o Feldherr, daß hier das Gebiet des Begreiflichen endet, und des Übernatürlichen beginnt, daß hier ein Wunder der Heiligen geschah, und verehre das Walten des Himmels.» Er reichte Belisar die Urkunde.

«Das ist auch ein tüchtig Stück Weltgeschichte, heilige und profane, was wir da erleben!» sagte Prokop zu sich selbst.

«Es ist so, beim Schlummer Justinians!» frohlockte Belisar. «Bischof von Rom, was hast du da zu erwidern?»

Mühsam hatte sich Silverius gefaßt; er sah den Bau seines Lebens vor seinen Augen in die Erde versinken. Mit halb versagender Stimme antwortete er:

«Ich fand die Urkunde im Archiv der Kirche vor wenigen Monden. Ist dem so, wie ihr sagt, so bin ich getäuscht, wie ihr.»

«Wir sind aber nicht getäuscht», lächelte Cethegus.

«Ich wußte nichts von jenem Stempel, ich schwöre es bei den Wunden Christi.» – «Das glaub' ich dir ohne Schwur, Heiliger Vater», fiel Cethegus ein. – «Du wirst einsehn, Priester», sprach Belisar, sich erhebend, «daß über diese Sache die strengste Untersuchung... » –

«Ich verlange sie», sprach Silverius, «als mein Recht.»

«Es soll dir werden, zweifle nicht! Aber nicht ich darf es wagen, hier zu richten: nur die Weisheit des Kaisers selbst kann hier das Recht finden. Vulkaris, mein getreuer Heruler, dir übergeb' ich die Person des Bischofs. Du wirst ihn sogleich auf ein Schiff bringen und nach Byzanz führen.»

«Ich lege Verwahrung ein», sprach Silverius. «Über mich kann niemand richten auf Erden als ein Konzil der ganzen rechtgläubigen Kirche. Ich verlange, nach Rom zurückzukehren.»

«Rom siehst du niemals wieder! Und über deine Rechtsverwahrung wird der Kaiser Justinian, der Kaiser des Rechts, mit Tribonian entscheiden. Aber auch deine Genossen, Scävola und Albinus, die falschen Mitankläger des Präfekten, der sich als des Kaisers treuster, klügster Freund erwiesen, sind hoch verdächtig. Justinian entscheide, wieweit sie unschuldig. Auch sie führt in Ketten nach Byzanz. Zu Schiff! Dort hinaus, zur Hintertür des Zeltes, nicht durchs Lager. Vulkaris, dieser Priester aber ist des Kaisers gefährlichster Feind. Du bürgst für ihn mit deinem Kopf.»

«Ich bürge», sprach der riesige Heruler, vortretend und die gepanzerte Hand auf des Bischofs Schulter legend. «Fort mit dir, Priester, zu Schiff! Er stirbt, eh' er mir entrissen wird.»

Silverius sah ein, daß weiteres Widerstreben nur seine Würde gefährdende Gewalt hervorrufen werde. Er fügte sich und schritt neben dem Germanen, der die Hand nicht von seiner Schulter löste, nach der Tür im Hintergrund des Zeltes, die eine der Wachen auftat.

Er mußte hart an Cethegus vorbei. Er beugte das Haupt und sah ihn nicht an, aber er hörte, wie dieser ihm zuflüsterte: «Silverius, diese Stunde vergilt deinen Sieg in den Katakomben. Nun sind wir wett!»


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