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Vierzehntes Kapitel

Im Frauenhof gab es Unstimmigkeiten und immer schwüler ward die Atmosphäre, bis ein entnervender, gewitterschwangerer Druck und das Nahen eines häuslichen Sturmes sich bemerkbar machten: Semiamira betete ihren Sohn Antoninus an, und seit sie ihn in der Subura getroffen hatte, war das Band zwischen ihnen noch fester geknüpft. Etwas Geheimes belustigte sie beide, große Kinder, die sie waren. Im Gegensatz dazu ward die Mutter des Alexianus, Mammäa, sichtlich immer mehr zur würdevollen römischen Matrone und die Kluft zwischen den beiden Schwestern, die zu Emesa noch friedlich hatten zusammen leben können, weitete sich immer mehr, bis Semiamira der Mammäa eines Tages mit harter Stimme zum Vorwurf machte, sie zettele inmitten der vielen Gelehrten und Pädagogen ihres Sohnes eine Verschwörung an, um Alexianus auf den Thron zu erheben. Wohl bewahrte Mammäa ihre Würde, doch standen die Schwestern wie Furien einander gegenüber im Atrium der Gemächer der Mäsa und die Clarissima, die herbeieilte, um sie zu trennen, ward von beiden mit Vorwürfen überschüttet, bis sie sowohl der Augusta wie der Serenissima mit mütterlicher Autorität gebot, sich in ihre Gemächer zurückzuziehen. Jetzt ging Antoninus sogar ohne Gruß an dem jungen Cäsar vorüber, und wenn er der kleinen Theokleia begegnete, so stieß er sie ingrimmig oder trat ihr auf den Fuß ... Zu Mammäa sprach er nur noch in ironischem Ton und mit Semiamira führte der Kaiser lange Gespräche, weibisch und unlogisch, entnervt durch den Druck der im Palast herrschenden Atmosphäre. Nicht genug, daß sie untereinander sich stritten und bekämpften, trugen sie auch ihre Uneinigkeiten dem Aristomachos und Antiochianus vor, ja sogar den geringeren Günstlingen, und so hatten sich im Palast rasch zwei Parteien gebildet, zwischen denen die Großmutter stand, die wohl einsah, daß Semiamira und Antoninus nicht allzeit recht hatten, die aber in ihrer Liebe und Anbetung für den Kaiser so blind war, daß sie niemals für Mammäa und Alexianus Partei nahm. Nach solchen häßlichen Auftritten blieb Antoninus in Weinkrämpfen, in hysterischer Raserei zurück. Am liebsten hätte er Alexianus entführen und verhungern und Mammäa töten lassen, doch man fürchtete die Clarissima, die mächtig und reich war und deren großmütterliche Würde man achtete, wenn auch der Kaiser Priester war und Gott. In hysterischen Weinkrämpfen zog sich Antoninus in den Turm zurück, wo Narr ihn trösten mußte oder der Präfekt oder der Tribun. Er klagte wie ein Weib, Alexianus liebe ihn nicht, und beteuerte, daß er Alexianus hasse. Er schrieb lange Briefe an Hydaspes, daß er unglücklich sei und wohl bald sterben werde. Doch kaum war der Brief dem Boten mitgegeben, kaum war Antoninus gekleidet zum Dienst oder zur abendlichen Mahlzeit, so sah man ihn nicht mehr verstimmt und in Tränen, sondern frisch wie eine Blume oder ernst, fromm und in Ekstase, oder ausgelassen und kindlich froh oder in verzücktem Tanz vor dem Schwarzen Stein.

 

Der Kaiser war nun sechzehn Jahre alt; in diesem Alter pflegten sonst die jungen Römer die Prätexta abzulegen, um sich in die Toga virilis zu hüllen. Des Antoninus Seele war bereits seltsam aufgeblüht zu einer dichten Fülle bunter, schwül duftender Blumen; sicherlich würde sie nie die Seele eines Mannes, eines Römers werden. Das Geschlecht, das in ihm geschwankt und ihn, obwohl es zu dem des Knaben sich bekannt, mit beinahe jungfräulicher Anmut umkleidet hatte, schwankte nicht mehr in seiner Seele, sondern verweiblichte sich darin völlig. Das war eine Verweiblichung, die durch das Leben inmitten von Frauen, weibischen Priestern, Düften, Seidenstoffen und Gemmen und durch die Anbetung der Tausende sich nur noch steigerte. Noch niemals hatte man einen Menschen so angebetet wie Antoninus. Liebkosungen flogen ihm zu, blühten, schmachteten, glühten ihm entgegen wie einer Frau, wie einer Göttin, doch auch wie einer bewunderten Dirne: seine Seele war wie die seiner Mutter. Zu Emesa hatte er seine Gunst verschenkt, mehr aus Hingabe an die Sonne als aus sinnlichem Verlangen. Ein Kind war er damals von kaum dreizehn Jahren. Jetzt, reifer geworden, sehnte er sich, schwärmerischer noch als dazumal, zugleich aber aufgepeitscht von toller Lebenslust, mehr und mehr nach Sinnlichkeit und vergeudete wahllos seine Gunst an einen jeden.

So stieg diese Anbetung und stieg, und Antoninus glaubte, daß sie stets noch steigen müsse ... Oftmals legte er sich die Frage vor, zu welchem Äußersten er werde gehen können; er glaubte zu wissen, daß er alles wagen dürfe, denn seine Schönheit war anbetungswürdig und seine Seele die eines erbarmenden Gottes. Aber was würde dies Äußerste sein ...? Ungewöhnliches zu ersinnen, war schwer. Oftmals blieb er nach den Orgien, die ihm stets wildere Lust schenkten, des Morgens matt lächelnd in den knetenden Händen der Libyer, ohne jegliche Laune, beinahe ohne Bewußtsein. Dann folgten Stunden der Öde im Turm oder Weinkrämpfe, Groll gegen die Frauen und Narr. Nach solch einem hysterischen Tag konnte es geschehen, daß Antoninus, in einem kleinen, von vier Molossern gezogenen Muschelwagen sitzend, das Viergespann durch die weiten Palastgärten traben ließ. Die Hunde aber, obwohl prächtig abgerichtet, bissen einander, rissen sich aus dem Zaumzeug los und Antoninus befahl, vier nackte Negerinnen vor den Wagen zu spannen. Er stand in der schwankenden Muschel und spornte die schwarzen Weiber an, mit einem Lachen, das mehr entnervt als heiter klang. Vor dem seltsamen Viergespann entflohen Gazellen über grasige Flächen, Pfauen flatterten erschreckt empor und geängstigte Flamingos stießen kreischende Schreie aus. Höflinge und Sklavinnen strömten herbei, um den Kaiser zu sehen, als er unter ihnen plötzlich den Wagenlenker Hierokles gewahrte. Tagelang hatte er ihn nicht gesehen, nach der ersten Gunst kein Wort ihm gegönnt. Um des Hierokles Lippen spielte ein spöttisches Lächeln und wie Dolche flammten seine Blicke. Antoninus fühlte, wie plötzlich ein Schauder seinen Körper durchrieselte. Ihn packte ein Schwindel, die Zügel entglitten seinen Händen; das Blut schoß ihm zu Kopf: er fühlte sein Schicksal ... unentrinnbar. Er wollte auch nicht mehr entrinnen; er sprang aus dem Wagen, winkte Hierokles herbei. Der Lenker näherte sich und beugte das Knie. Doch während er kniete, umspielte das allzeit spöttische Lächeln seine Lippen.

»Was tust du hier?« fragte ihn Antoninus mit rauher Stimme.

»Ich warte,« sagte Hierokles.

»Worauf?«

»Auf Eure Gunst.«

»Ich hasse dich! Wer bist du? Ein Wagenlenker, der an irgendeinem Tag mit mir in der Arena stand. Ich bin zu gut, zu geduldig, zu gnädig. Den Tieren werde ich dich vorwerfen lassen!«

»So erteile den Befehl!«

»Warum fürchtest du dich nicht? Was erwartest du?«

»Richte mich auf, o Antoninus!«

Der Kaiser erbleichte, lächelte und reichte ihm die Hand.

Hierokles stand auf. Um Haupteslänge überragte er des Antoninus Knabengestalt.

»Heute will ich gnädig sein,« sagte der Knabe. »Was willst du? Sage es mir. Ich werde tun, was du willst.«

»Setze dich her zu mir, auf diese Bank.«

»Du belustigst mich. Wie wagst du es, Hierokles, zu sprechen und zu handeln, wie du es tust? Kaum daß du mir Ehrfurcht erweisest.«

»Es ist nicht mehr nötig, daß ich ehrfurchtsvoll spreche.«

»Ich glaubte, du wolltest ein Höfling sein?«

»Nein, ich will kein Höfling sein.«

»Was dann?«

»Ich will mehr sein als ein Höfling.«

»Kaiser?«

»Nein, du bist mein Kaiser, Antoninus. Aber ich will deine Liebe sein und ich bin es.«

»Glaubst du?«

»Ich weiß es, ich fühle es ...«

»Nenne mich Göttlichkeit!«

»Nein.«

»So nenne mich Baal ...«

»Nein. Künftighin werde ich dich nur noch Antoninus nennen.«

Der Kaiser rang die Hände wie in ohnmächtigem Zorn, bis ihm Hierokles mit seiner Faust die Finger umklammerte.

»Bezauberst du mich?« fragte Antoninus lächelnd.

»Ja,« sagte Hierokles spöttisch, »ich bezaubere dich.«

»Hoffst du wirklich, daß ich tun werde, was du willst?«

»Sehr oft wirst du das ...«

 

Eine seltsame Schwere umfing Antoninus. Sein Wille schwand, ging unter in einem Willen, der stärker war als der seine. Rings um ihn lag der Park in mittäglicher Glut. Die Lorbeer- und Oleanderbäume schienen zu seufzen unter der Last des allzu strotzenden Lebens. Die dichten Rosenmassen glichen riesengroßen Duftfässern, jede Blume glich einem dampfenden Beet. Antoninus dachte an Emesa, an Hydaspes, an die Sternennächte, an seinen eigenen Stern, der in einem blutroten Schimmer untergehen würde ... Die Angst vor seinem Schicksal umfing den jungen Kaiser, der sich plötzlich schwach fühlte und hilflos. Dieser Mann, er wußte es, war in sein Schicksal getreten. In dem Knaben war noch eine letzte Regung, sich loszureißen von dem Unvermeidlichen ... Dann aber fühlte er sich so überwältigt von diesem Unvermeidlichen, umbuhlt von den Rosen, die ihren Duft aussandten, daß er die Augen schloß. Ruhig ließ er es geschehen, daß Hierokles seinen Arm fest um seine Schulter schlang ...

An jenem Mittag lag das Kind nach dem Sonnendienst stundenlang in Heliogabals Heiligtum vor dem Schwarzen Stein, in schwärmerisches Gebet versunken.

An jenem Abend, während des Mahles, lag Hierokles an des Antoninus Seite. Der Wagenlenker trug ein seidenes, mit Gemmen übersätes Festgewand. Weiße Rosen kränzten seine Schläfen. Über die Schar der Gäste ließ er sein dreist-spöttisches Lächeln gleiten und aus seinen halbgeschlossenen Augen schossen wie Dolche die zündenden Blicke, so daß viele von Schauder gepackt wurden. Man bemerkte, daß der Kaiser nicht heiter war, sondern bleich und unlustig. Die Luft war sehr schwül in dieser Nacht und man fürchtete ein Erdbeben. Auch waren Gerüchte aus Neapel gekommen, daß der Vesuv Unheil künde.


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