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Achtes Kapitel

In den Gärten der Spes Vetus, deren Tempelgebäude in Lustschlösser verwandelt worden waren, hatte der Hof den Sommer zugebracht; die ersten kühlen Herbstschauer führten ihn zurück nach dem Palast des Septimius Severus, dessen Arkaden über die Via Appia hinausblickten. Die majestätische Einfachheit des marmornen Bogengiebels war überflaggt und überwuchert von asiatischer Üppigkeit, die Rom als etwas Exotisches erschien, die es bewunderte, zur Mode erhob und nachahmte. Überall streute der junge Kaiser Heliogabal diese Üppigkeit aus, spendete er Glanz aus vollen Händen, so daß Rom einem Susa, Ktesiphon, Palmyra, Emesa, Tyrus oder Sidon glich und denen, die es in minder brutalem Glänze gekannt hatten, wie ein Zerrbild erscheinen mußte. »Susa, Ktesiphon, Palmyra, Emesa, Tyrus oder Sidon ... mag sein,« sagte der junge Gordianus. Er betrat, von seinen Parasiten und Tafelfreunden umringt, die Thermengärten und schlenderte an den Säulenhallen vorüber. »Doch eines ist gewiß, Rom lebt wieder, nachdem es jahrelang tot gewesen, und obwohl Caracalla sie erbauen ließ, gibt doch unser göttlicher Heliogabal diesen Thermen erst die rechte Weihe.«

»Unzweifelhaft!« stimmte ihm der Parasit Sertorius zu. »Erst unser göttlicher Heliogabal...«

Der Chor der Parasiten fiel ein. Gordianus hörte nicht auf ihr Stimmengewirr. Er hielt die Augen leicht geschlossen, ein feines Wohlbehagen durchzitterte ihn. Nach der letzten Orgie wollte er diesen Tag ruhig in den Thermen verbringen, das Mahl dort einnehmen, die Bäder genießen, in die Palästra und das Stadion einen Blick werfen und erkunden, was in Rom vorgehe.

Das Peristyl reckte sich empor mit seinen Mosaikwänden, breitete seine Mosaikböden in unglaubhaft ungeheurer Größe aus, gleich einem Forum aus Basiliken und Säulen mit Arkaden, die sich um die Galerien der verschiedenen Stockwerke hinzogen und über deren Balustraden die Zuschauer traumverloren herabblickten.

Auf dem Boden reihte sich Quadrat an Quadrat: das herrliche Gladiatorenmosaik. Die Wände waren geschmückt mit Mosaiken, die Wassergeschöpfe darstellten; Neptun, Amphitrite, Tritonen und Nereïden, auf Seepferden und Delphinen: eine heitere Mythologie, gewoben aus plätscherndem Wasserdasein und bläulichen Perlmutterfarben, in all dem verwirrenden Irisieren des Wassers, in dem das Sonnenlicht sich tummelt, in der spielerischen Anmut aufspringender Gischtflocken, aus denen Liebesgöttinnen emportauchen. Doch die zuletzt entstandenen Bilder waren so ausschweifend, daß die Römer den glühenden Orient darin erkannten: Asien, das die klassischen Motive mit Lüsternheit überwucherte, so daß die Umarmung von Meeresgott und -göttin zu einer Sinnesraserei ward, die die Kühle der See in scharlachfarbenen Brand tauchte, daß die neckische Anmut der Tritonen und Nereiden in unwahrscheinliche, von phantastischer Tollheit aufgepeitschte Verschlingungen verliebt aneinander geschmiedeter Wasserwesen ausartete, die verflochten waren zu Kränzen schier unnachahmlicher Paarungen und Verschmelzungen: die ganze Zügellosigkeit der asiatischen Phantasie, die in jener Plastik der orientalischen Künstler das Leben der Sinne wahnsinnstoll erglühen ließ in einer mehr als priapeischen Raserei.

Caracalla hatte noch nichts gegeben, was Rom fremd war; nur, auf daß sein Ruhm verkündet werde, hatte er diese Bäder geschaffen, größer, als man sie je geschaut: eine Meile im Umfang – doch jener, der sich seinen Sohn nannte und der diese Thermen vollenden wollte, hatte in erstaunlich kurzer Zeit den Klassizismus dieser Halle durch so unerhörte Verzierungen entstellt, daß sich der Römer besiegt und überwältigt fühlte von einer unwiderstehlichen Kühnheit des Orients, die dem lateinischen Blut fremd war. Der Gott Heliogabal triumphierte. Die Symbole des Dienstes und des Tanzes, der Hohepriester, der sich, aus dem geschlechtslosen Licht geboren, zu Mann-Jungfrau und Mittler inkarnierte, triumphierten in Darstellungen, die die Verschiedenheit der Geschlechter sieghaft verwischten.

»Ich will noch nicht baden,« sagte Gordianus, »laßt uns hinaufgehen.«

Von seiner Schar gefolgt, schritt er die Treppe empor. Eine Perspektive von Arkaden vermittelte die Aussicht über die Büchereien, die so vollzählig und so musterhaft eingerichtet waren, daß sie nur des Gordianus eigener berühmter Bibliothek vergleichbar waren. Nach der Orgie der verflossenen Nacht schlenderte Gordianus müden Schrittes durch die Bücherei. Der Kaiser hatte getanzt – keinen Sonnentanz: Venus hatte er dargestellt. Göttlich anzuschauen war er gewesen, den Augen seiner Gäste hatte er einen Genuß geschenkt wie vor ihm noch nie ein Kaiser.

»Seine Ewigkeit wird heute in den Thermen erwartet,« sagte Sertorius und beifällig jubelte die Klientel ihm zu.–

Gordianus blickte hinab in das Tepidarium, in dem die aus vier silbernen Tritonenmäulern gespieenen Wasserstrahlen in den ungeheuren Becken klatschend aufschlugen. Die Bademeister bemühten sich um die Badenden. Viele waren von schönem Körperbau, denn da der Kaiser erwartet wurde und es bekannt war, daß er schöne Körper hebe, badeten viele, insgeheim Glück und Lust erhoffend. Der Kaiser war der erste, der diese gemeinschaftlichen Bäder gestattete; doch in dieser Morgenfrühe gab es noch keine andere Leidenschaft als die Ruhe der Sinne und die Gefallsucht, neben der Wonne des Badens nur den Genuß, bemerkt zu werden.

Bis plötzlich eine Erregung wogte. Es ging das Gerücht um, der Kaiser sei gekommen und sein mit vier Hirschen bespannter Wagen halte vor der Pforte des Peristyls. Alle die bekleidet waren, eilten dorthin und auch Gordianus verabsäumte es nicht, sich auf des Kaisers Weg zu zeigen. Zu rechter Zeit stand der junge Patrizier inmitten der Seinen in der Reihe; denn die Menge teilte sich und gab auf Befehl des Torwartes, der sein Schwert schwang, den Weg für den Kaiser frei. Eine Trompetenfanfare ertönte. Freudig erregt war die Menge, wie allzeit, wenn sie den Kaiser schaute. Seine Cubicularii vom Palatium – die Kammerherren – schritten ihm voran; er kam, nur von ganz kleinem Gefolge und wenigen Günstlingen umringt, doch wurde – und das weckte überall Staunen – in bronzener Schale das Feuer vor ihm hergetragen, wie vor einer Kaiserin. Hell auflachend, gekünstelt, doch voll kindlicher Heiterkeit, war der Kaiser eingetreten, lächelnd grüßte er nach rechts und nach links. Wer ihn nicht gesehen hatte seit seinem sieghaften Einzug, mußte ihn wohl sehr verändert finden. Nicht in Zügen und Gestalt, wohl aber im Ausdruck. Während er, sehr langsam, plaudernd dahinschritt, nicht in die Toga, sondern in eine Dalmatika gehüllt – einen langen Mantel aus Hermelin und Purpur, der von einer Fibel aus Karfunkel auf der Achsel gehalten wurde – war sein Lächeln von verführerischer Gefallsucht, doch vor allem buhlten seine Augen, diese großen, veilchendunklen, leicht geschlossenen Augen, die denen seiner Mutter Semiamira sehr ähnlich geworden waren. Er ging entblößten Hauptes, seine langen blonden Locken waren vorn aufgebunden nach Art der griechischen Erosbildnisse und mit Goldpuder leicht bestreut. Sein Gesicht war nicht geschminkt, nur die Brauen leicht geschwärzt und die Lippen um ein weniges röter als natürlich. Er schien verändert. Er war nicht mehr das tanzende Kind aus Emesa. Damals war er Hoherpriester gewesen und zugleich ein sorgloses Kind. Jetzt aber schien sich in wenigen Monaten seine mystische Mannweiblichkeit, die zu Emesa ekstatisch ernst und fromm gewesen war, wie in vorzeitiger Blüte zu einer starken Verderbtheit entwickelt zu haben. Seine mystische Aureole war verblaßt, wie schwärmerisch fromm ergeben er der Sonne auch geblieben sein mochte. Das war nicht mehr der Hohepriester, der seinen Körper silbern schminkte, der sein Haar golden pudern ließ zur Ehre des Gottes, das war ein verderbtes Kind, das die Rolle des römischen Kaisers spielte, die Rolle des Imperators der Welt. Da er mit seiner natürlichen Anmut jede Rolle zu spielen verstand, war er verwirrend. Er war mehr als ein Kaiser, doch auch weniger: er blieb ein Gott und ward ein Lustknabe; war Gott, Lustknabe und Kaiser zugleich.

 

Doch noch etwas mußte einem Jeden auffallen, der ihn zu Emesa gesehen: eine ausgelassene Fröhlichkeit und kindliche Heiterkeit, die ihm allzeit eigen gewesen, die aber dort drüben im Orient mehr verschwand hinter dem hieratischen Ernst, den er, Priester und Gott, glaubte wahren zu müssen. Wie fromm er auch geblieben war, dünkte es ihn nun doch nicht mehr nötig, sich zu verstellen. Er gab sich ganz, wie er war. Umringt von seinen Günstlingen, war er eingetreten, laut auflachend, und alle lachten mit ihm. Der Decurio Cubiculariorum, der das Feuer vor ihm her trug, sah sich um, neugierig; alle waren neugierig, und Sertorius, der den Grund dieser kaiserlichen Heiterkeit erfragt hatte, sagte zu Gordianus:

»Der Kaiser lacht, weil die Geweihe zweier Hirsche sich ineinander verstrickten, als sein Wagen vor der Pforte hielt, und weil die Tiere immer fester anzogen und zu kämpfen begannen. Sieh nur, er lacht darüber wie ein Kind!«

Antoninus, das Kaiserlein, ging zwischen Antiochianus und Aristomachos, dem Präfekten und dem Tribunen, die ihm während des Aufruhrs im Lager Rom gerettet hatten. Andere umringten ihn: Gordus und Protogenes waren Wagenlenker, mit denen er sich im Stadion maß – denn das Wagenlenken war ihm sehr lieb geworden –, und wie man sich zuraunte, nebst Murissimus und den beiden Offizieren seine bevorzugten Günstlinge. Auch Ganadasa, der den Kaiser in Verzückung anbetete und es kaum wagte, den Saum seines Mantels zu berühren, und Matthias, den nicht sinnliche Lust trieb, sondern der auf einen Senatorensitz hoffte, folgten ihm auf dem Fuße. Der Kaiser bemerkte sogleich Gordianus, eilte auf ihn zu und streckte ihm beide Hände entgegen, die der Patrizier ehrfurchtsvoll küßte. Während der Kaiser noch immer über die kämpfenden Hirsche lachte, grüßte er links und rechts mit dem zweideutig-lächelnden Blick seiner Veilchenaugen, durchschritt das Peristyl und betrat das Tepidarium. Dort winkte er mit der Hand den Badenden zu, zum Zeichen, daß er kein Zeremoniell wünsche, und trat zwischen den Statuen der Göttin Flora und des auf seine Keule sich stützenden Herkules, die in großen marmornen Nischen standen, auf sein eigenes Gemach zu. Sklaven rissen den Vorhang zur Seite und die Cubicularii stellten sich am Eingang auf, während der Kaiser mit den Seinen eintrat.

»Weiter,« befahl der Cubicularius Palatinus, »weiter!« Und er schwang sein Schwert gegen die Menge, die sich zuhauf am Eingang drängte.

»Weiter, weiter!« befahlen seine Genossen.

»Die Vorhänge bleiben geöffnet.«

»Es ist vergönnt, hineinzuschauen.«

»Es ist vergönnt, den Kaiser baden zu sehen!«

»Weiter gehen, weiter!«

Sie schwangen ihre Schwerter. Unablässig wiederholten sie mit eintöniger Stimme ihren Befehl. Drinnen im Badesaal des Kaisers erwarteten ihn Vasthi, Narr, Livilla, Xylitta und um das Becken geschart standen sechs riesengroße Libyer, mit ockerfarbenem Lendentuch bekleidet.

»Nein, wahrlich,« sagte Antoninus, »ich bin in meinem Palast nicht verwöhnt, kümmerlich sind dort die Bäder. Nach einer Orgie, wie der gestrigen, tut es wohl, sich zu erfrischen. Aber im Palast ist das Baden kein Genuß; und so muß ich mich nach einer schlaflosen Nacht eigens hierher bemühen, um ein wenig Wasser von verschiedener Wärme zu bekommen. Wenn ich doch die Thermen meines Vaters Bassianus Antoninus, genannt Caracalla, könnte in das Palatium bringen lassen! Aber unsere Architekten verstehen ja nichts!«

Er lachte über seine eigenen Worte, weidete sich im stillen an der Ungeheuerlichkeit seiner Phantasien. In ihm erwachte plötzlich eine Gier nach unerreichbaren Dingen. Seine Dalmatika ließ er von der Schulter herab in Vasthis Hände gleiten. Nur noch beschuht stand er da. Die Frauen entschuhten ihn, während er sich auf einen Schemel niederließ.

»Freunde,« sprach Antoninus und wies auf die Lagerstätten ringsum an der Wand, »ruht euch aus, oder, wenn ihr baden wollt, so nehmt ein Bad. Tut, was ihr mögt, und laßt am heutigen Tag ungezwungene Heiterkeit herrschen nach all der begehrlichen Tollheit der Nacht. Du bist müde, Murissimus, deine Augen sind dunkel umschattet. Narr, reiche mir einen Spiegel. Habe ich Schatten unter den Augen?«

Der junge Mohr kniete vor Antoninus nieder und hob einen silbernen Spiegel empor, der eingefaßt war von sich umschlingenden Eroten.

»Nein, Herrchen,« sagte Narr grinsend, und es war so. Seine scheinbare Unverletzlichkeit umgab ihn mit einem seltsamen Nimbus. Selbst Ausschweifungen wie die gestrigen ließen ihn äußerlich unantastbar erscheinen, einem jungen Gotte gleich. Entschuht saß er auf dem Schemel und lächelte der Menge zu, die vor den Türen des Saales auf und ab wogte und in das Innere spähte. Die Günstlinge legten Mantel oder Toga ab und ließen sich nieder; andere gingen in die Piscina. Antoninus achtete ihrer nicht mehr. Ganadasa hatte den Blick starr auf ihn gerichtet, die Hände gefaltet, und Matthias hielt sich, um den Bischof von Rom zu erwarten, am Eingang auf.

Antoninus reckte sich.

»Das warme Bad!« befahl er und stand auf. Die Frauen geleiteten ihn, stützten ihm feierlich die Ellbogen. Der Oberste der Libyer öffnete die Hähne: silberne Schlangen, die sich wanden und nun, dampfend, das Wasser in ein weich gerundetes Becken aus blutdurchädertem Marmor spien. Die Wände aus Jaspis und numidischem Marmor waren von dem stiebenden Dampf sogleich beschlagen mit schweren Tropfen betaut. Das Becken füllte sich schnell, das Wasser war beinahe siedend.

»So heiß wie möglich!« befahl Antoninus. Er lächelte noch immer; er wußte, daß die Menge durch die geöffneten Türen ihn unaufhörlich beobachtete. Beim Dienst und beim Tanz zu Emesa hatte er es gelernt, sich stets in Anmut zu zeigen. Allzeit fühlte er den Blick der Menge auf sich gerichtet und bewundernd war dieser Blick, beinahe anbetend. Man sehnte sich danach, ihn baden zu sehen, allein die Intimität des Bades blieb Zeremonie und jede Bewegung bewußte Grazie.

»Das Bad ist sehr warm, Augustus,« sagte der Libyer, indem er seine Hand zurückzog, »vielleicht zu warm!«

Antoninus neigte sich herab, um flüchtig zu fühlen. Das Bad war siedend heiß.

»Tauche mich unter!« sagte er.

»Augustus, das Bad ist zu warm, laß mich es kühlen!«

»Nicht zu viel.«

Eine zweite Schlange kühlte das Bad. Die Temperatur war noch immer hoch.

»Tauche mich jetzt unter!« befahl der Kaiser.

Er warf sich auf das Ruhelager inmitten des Saales, immerfort lächelnd, immerfort um die Gunst der schauenden Menge buhlend. Zwei Libyer nahmen ihn vorsichtig in ihre riesengroßen schwarzen Hände, trugen ihn zu dem Becken, tauchten ihn unter.

»Ah! ah!« rief Antoninus aus.

Die Libyer hoben ihn empor.

»Untertauchen!« befahl der Kaiser.

Die Libyer tauchten ihn unter, hinein, heraus, hinein, heraus; endlich befahl Antoninus:

»Laßt mich los!«

Sie ließen ihn los. Er blieb in dem siedend heißen dampfenden Wasser und durch den Dampf hindurch lächelte er Ganadasa zu, der ihn von weitem anstarrte.

»Indier,« sprach er, »woran denkst du?«

»An Euch, Eure Ewigkeit!«

»Warum hast du mir noch nicht den Fuß geküßt?«

»Weil ich es nicht wagte, Eure Ewigkeit.«

»Wage es!« sprach Antoninus.

Aus dem dampfenden Bad streckte er seinen rosigen Fuß. Ganadasa näherte sich und küßte die Zehen mit einem Schauder der Wollust. Doch in demselben Augenblick stieß Antoninus ihn mit dem Fuß ins Gesicht, so daß der Inder auf die Stufen des Beckens taumelte, umspritzt von dem Wasser, das der junge Kaiser spielerisch ihm nachsandte.

Antoninus lachte laut auf; das Volk wieherte vor Lachen.

Der Inder erhob sich.

»Dank, Eure Ewigkeit!« sprach er. »Dank! Ich habe Euch die Zehen küssen dürfen. Ich habe das Wasser von Eurem Fuß trinken dürfen. Eine ganze Woche hindurch kann ich leben von dieser Gunst, ohne zu essen, ohne zu trinken.«

Der Kaiser lachte, übermütig wie ein Kind, weil er Ganadasas seidene Samara bespritzt hatte, glückselig über die Anbetung des Inders. Das Volk am Eingang drängte sich, jauchzend.

»Weiter gehen!« riefen die Cubicularii barsch.

»Weiter gehen!« rief der Kaiser aus seinem Bade, während er, possierlich, die rauhen Stimmen nachzuahmen suchte; da seine hohe Falsettstimme sich überschlug, lachte er laut auf, und auch die Günstlinge lachten und auch die Menge lachte. Selig hatte sich Antoninus hingestreckt; keuchend lag er da. Über ihm qualmte der Dampf.

 

Am Eingang machte der Christ Matthias einem, der sich durch das Tepidarium näherte, plötzlich ein Zeichen. Er trat auf Antoninus zu.

»Eure heilige Sonnenherrlichkeit,« sprach er, »dürfte der Bischof von Rom Euch nun nahen? Seit Tagen war Eure Heiligkeit von gewichtigeren Dingen in Anspruch genommen. Doch die Christen sind wahrlich sehr getreue Diener Eurer Heiligkeit. Darf der Hohepriester jetzt nicht vor dem höheren Priester der Sonne erscheinen?«

»Der Bischof von Rom?« fragte Antoninus. »Das ist das Oberhaupt all eurer Bischöfe, nicht wahr? Gewiß will ich deinen Pappias empfangen! Gewiß will ich mit dem alten Mann reden. Doch nach meinem Bade. Er soll warten!«

Matthias zog sich zurück und Antoninus befahl:

»Abkühlen!«

Der oberste der Libyer trat an die vier Hähne, um die Temperatur des Wassers zu regeln. Aus vier klaffenden silbernen Schlangenmäulern zugleich strömte das laue Wasser, während das dampfende allmählich abfloß. Aus schlanken Vasen gossen die Libyer syrische flüssige Narden in das Bad und schwer wolkte deren Duft empor, wie ein liebliches Aroma aus jenem verlassenen Rosenland...

»Kälter! Kälter!«

Die Libyer drehten an den Hähnen. Das Wasser wurde immer frischer, dann endlich ganz kalt; bis zwei der Libyer auf silbernen Schalen Schneemassen herbeischleppten wie kleine Alpen.

»Kälter! Kälter!« befahl Antoninus.

Die Libyer warfen den Schnee in das Bad, über den Kaiser, auf dessen Körper er sogleich zerschmolz. Antoninus hatte einen leisen Schrei ausgestoßen, einen Schrei des Wohlbehagens und der Wollust. Immer kälter wurde das fließende Wasser; der Schnee zerschmolz; immer mehr Nardos wurde in das Bad gegossen, bis allmählich das Wasser wieder lauwarm wurde.

Antoninus blieb in seliger Ruhe liegen und lachte, weil er sah, wie Ganadasa noch immer regungslos ihn anstarrte, in unverwandter Anbetung. Er befahl:

»Knetet mich, ihr Libyer.«

Die zwei Männer, die ihn ins Wasser getaucht hatten, hoben ihn empor. Wie frischer Marmor waren seine blanken Glieder und auf dem Ruhebett, inmitten des Saales, in weiße Tücher gehüllt, trocknete man ihn sachte, sachte. Die Menge am Eingang schaute zu.

»Weiter, weiter!« schrien die Cubicularii barsch.

»Calpurnia, kannst du sehen? Jawohl, aber weitergehen mußt du... Das tut nichts; ich komme immer wieder zurück... Sieh nur, wie sie ihn kneifen und reiben, die sechs schwarzen Kerle... Ich sehe nichts. Laß mich doch auch mal sehen... Lucius, kannst du was sehen? ... Jawohl, ich gehe auf und ab... Er liegt da wie ein Adonis... Er ist weiß wie Wachs... Schön sieht er aus neben den sechs Mohren... Götter, die Kerle werden ihn zerbrechen! Nein, er zerbricht nicht so leicht. Sieh nur, er hat die Arme um ihren Nacken geschlungen. Na, die haben's gut! Und der dritte knetet ihm mit seinen schwarzen Fingern das liebe Gesicht... Mit einer Salbe... Das ist eine Zaubersalbe, die bereiten sie in Phönizien... Du, sag mal, könnte Calpurnia sich die nicht mal verschaffen? Die hat im letzten Jahr höllisch eingepackt. Sieh nur, zwei andere reiben ihm die Beine, und der sechste reckt ihm die Zehen aus! Ob es wohl ein Vergnügen ist, so gekniffen und geknetet zu werden? ... Sag mal, Verus, was machen sie eigentlich? Quälen sie das liebe Kaiserlein? ... Du, Tarquinius, hast du den Kaiser schon einmal berührt? ... Er hat mir, während er vorüberging, mit dem Finger auf die Nase getippt. Glück wird dem zuteil, den er berührt... Will der Mönch da auch mal ein Bad nehmen? Das ist der Pappias der Christen... Der andere, das ist der Christ Matthias... Der Kaiser steht auf! Ihr Götter, was für ein Liebling! Er ist ganz rosig von all dem Kneten!«

Der Kaiser hatte sich erhoben. Plötzlich sahen die Zuschauer, wie er sich in geschmeidigen Bewegungen wand und sich vorwärts und rückwärts und seitwärts beugte und sehr rasche Schritte machte, so wie er sich stets nach dem Bade für den Tanz übte, mit der schier unfaßlichen Geschmeidigkeit seiner Gelenke. Wie mit Rosenglut schoß ihm nach dem Bade und der Bewegung das Blut in Stirn und Wangen. Er warf sich auf das Lager; die Frauen näherten sich ihm, um ihn zu enthaaren; sorgfältig zogen sie ihm mit kleinen Zangen jedes einzelne Härchen aus. Er ließ sie gewähren; eine Lässigkeit umfing ihn, sein Kopf sank rückwärts in die Kissen und zwischen den geschäftigen Frauen erschien er wahrlich wie ein Adonis, von Nymphen gehegt.

 

Er schlief halb, wohlig ermüdet nach dem Bad und dem Kneten. Als er die Augen aufschlug, sah er Matthias, den Christen, vor sich stehen, die Hände flehentlich gefaltet.

»Was gibt's?« fragte Antoninus.

»Eure heilige Sonnenherrlichkeit... darf der Bischof von Rom...?«

»Ja, ja, er darf.«

»Dank, Dank, Eure Heiligkeit!«

Matthias schleppte seine Körperfülle strauchelnd, doch so schnell wie möglich an die Pforte des Badesaales und winkte.

»Die Christen stehen in Ansehen!« murmelten die Umstehenden. »Matthias wird noch Senator werden. Und doch war er nur ein Schank- und Bordellwirt!«

Antoninus entließ die Frauen, lehnte sich lässig in die Polster und winkte zweien der Libyer, die ihm zur Seite knieten und ihn leicht kneteten. So lag er da, als Matthias den Pappias Zephyrinos, den Bischof von Rom, hereinführte. »Tritt näher, Pappias, tritt näher!« rief der Kaiser fröhlich aus.

Schüchtern trat der alte Mann näher und unwillkürlich wies Antoninus mit anmutig einladender Gebärde auf seinen Fuß und seine Knie. Doch der Bischof begriff nicht und verneigte sich sehr tief.

»Gebt dem Pappias einen Schemel!«

»Eure Herrlichkeit ist zu gnädig!«

»Nimm Platz, Pappias, nimm Platz. Ich freue mich, dich einmal zu sehen, ich freue mich, mit dir zu sprechen. Ich kenne die Christen besser, als du vielleicht meinst.«

Unter den knetenden Händen der Libyer leise stöhnend, sang er diese Worte mit seiner gekünstelt hohen und lieblichen Falsettstimme. Gut gelaunt, wollte er dem alten Mann freundliche Dinge sagen, wiewohl er sich des Rates seiner Großmutter Mäsa recht wohl entsann.

»Dein Begehr, Pappias?«

»Ein Geringes nur, Eure Herrlichkeit! Gar wenig begehrt ein alter Mann,« sagte Zephyrinos, die Hände gefaltet, während er, in seine Kutte gehüllt, dicht neben dem Ruhelager saß, auf dem der adonisgleiche Knabe unter den Händen der Libyer wollüstig stöhnte, »gar wenig. Seht, Matthias, einer Eurer getreuen Diener, hat in Rom einen Freund und Glaubensgenossen. Der besitzt eine kleine Taberne, in die die Soldaten gern einkehren...«

»Eine Schenke und ein Bordell, so wie Matthias selbst einst zu Emesa...«

»Dieser Glaubensgenosse Papinianus hat uns seine Taberne überlassen, damit wir uns dort versammeln und unsern Gott und seinen Sohn anbeten können, so wie es uns unter Eurem gnädigen Großvater Septimius Severus bereits vergönnt war. Doch so gern, so herzensgern möchten wir jetzt diese Taberne zu einem Tempel weihen, Eure Herrlichkeit, zu einer Kirche, auf daß unserem Gott und seinem Sohn eine würdige Stätte bereitet werde!«

Der Kaiser Antoninus lächelte, während er sich unter den Fäusten der Libyer wand. Er entsann sich dessen, was Mäsa geraten hatte: niemals den Christen einen Tempel zu gewähren, weil das Orakel der Magier – das war ein Geheimnis – geweissagt hatte, die Christen würden, so sie einen Tempel erlangten, allmählich ganz Rom beherrschen. Doch Antoninus war gut gelaunt; er wollte einmal mit diesem alten Mann reden und ihm zeigen, daß Heliogabal, wenn er auch keinen Tempel bewilligte, doch milde und duldsam sei und daß seine Sonnengnade auch vielen anderen kleineren und minderen Göttern Erbarmen schenkte. Darum hub Antoninus an:

»Eine würdige Stätte, Pappias? Nicht, als ob ich gegen den Genuß des Weines und gegen die Huldigung der Natur sei, aber doch will es mich bedünken, als sei eine armselige Schenke, ein schmutziges Bordell nicht wohl geeignet, in einen Tempel umgewandelt zu werden. Allein ich weiß, ihr Christen seid demütig. Siehst du, dort zu Emesa auf dem Sternenturm haben die Magier mich die geheimen und unsichtbaren Dinge gelehrt und die tiefen Mysterien und auch von den Mysterien der Christen haben sie mir hin und wieder gesprochen. Ich weiß, daß ihr ebenso wie alle anderen, die anbeten und einen Kultus treiben, Opfer darbringt. Widersprich mir nicht: ich weiß es, Pappias. Ich weiß, daß ihr bei euren Zusammenkünften euer Blut in einer Schale mengt und es trinkt. Ich weiß, daß euer Gottessohn der Sohn eines Zimmermannes war. Jeder Gottesdienst erscheint mir sehr gewichtig, um des Gedankens willen, daß die Menschheit anbeten muß, wenn auch nicht immer die leuchtende Wahrheit, so doch eine Illusion. Ich kenne die Mysterien aller Gottesdienste, Pappias, so jung ich bin und obwohl ich niemals einen so schönen grauen Bart tragen werde, wie er dir über deine Kutte niederwallt.«

Neckend zupfte er den alten Bischof am Bart und fuhr fort:

»Pappias, wenn du nun davon überzeugt bist, daß ich mehr weiß als andere meines Alters, so wollen wir reden, wie ein Hoherpriester zum anderen: ich von der Sonne, du von Christus. Gewiß wirst du, Pappias, mir zugeben müssen, daß alles auf das gleiche hinausläuft, daß alle Religionen sich ähneln. Ich weiß es, daß in eurem Gottesdienst die etwas traurige und düstere Idee, die Liebe zum Nächsten, im Mittelpunkt steht. Doch glaubst du in der Tat, mein alter, braver Pappias, ihr hättet die Liebe zum Nächsten erfunden? Meinst du, das sei eine neue Idee, nicht eine, die aus vergangenen Jahrhunderten stammt? Bester Pappias, ich bin ein Schüler des gewaltigen Magiers Hydaspes, der mir zu meinem Schmerz nicht hierher gefolgt ist. Er selbst hat mich unterwiesen. Mein guter Pappias, jene Idee ist so alt wie die Welt. Meinst du vielleicht, daß in unserem heiligen Mysterium die Sonne nicht auch die allumfassende Liebe sei? Hat die Sonne nicht alle lieb? Bestrahlt sie nicht alle? Und ich, ihre Inkarnation, habe ich nicht alle lieb? Bestrahle ich nicht viele? Werde ich nicht immer mehr und mehr bestrahlen? Glaube mir, du braver Pappias mit deinem grauen Bart... es ist alles, alles das Gleiche! Unsere Sonne ist eure Göttin und ich bin Christus – und umgekehrt. Nur die Symbole sind verschieden. Gott ist die Sonne – das Licht – denn die Sonne selbst, du weißt das – unter uns Hohenpriestern sei es gesagt – ist Symbol. Gott ist das Licht. Ich bin der Sohn des Lichts. Das ist genau so wie in eurem Gottesdienst. Hydaspes hat mich unterwiesen und jedes Wort aus seinem Mund habe ich in meiner Erinnerung bewahrt. Der Schwarze Stein ist ein heiliges Symbol, aber nicht mehr – unter uns Hohenpriestern sei es ausgesprochen; ihr habt ein anderes Symbol: das Kreuz. Ein wenig seltsam, dünkt mich, ein Strafwerkzeug für Sklaven und Missetäter, doch will ich gern annehmen, daß mir dieses Symbol verborgen bleibt, wie ich ja auch sicher weiß, daß euch unser Symbol verborgen bleibt: der Phallos, der Schwarze Stein, die heilige Lebensgewalt der Natur... Allein wenn auch unsere Symbole verschieden sind, wir beten doch alle das Gleiche an. Aber Heliogabal ist die reinste Inkarnation und das allerheiligste Symbol und die Magier haben die Wahrheit gefunden. Nur Eins will ich dir noch sagen: unterdrücken werde ich deinen Gottesdienst nicht. Diene deinem Gott und seinem Sohn frei und ungehemmt; doch willst du diesem Dienst in unsern Augen die rechte Weihe geben, so trage das Kreuzbild feierlich in den heiligen Sonnentempel, dorthin, wo ich alle Götter vereinigen will, dorthin, wo alle Götter die Diener meines Gottes sein sollen, meines hohen Gottes aus Licht und ewigem Glanz. Denn die Wahrheit haben meine Magier gefunden und Heliogabal, der Glanz und das Licht, bin ich, Pappias. Alle sind in mir verkörpert!«

 

Der Knabe hatte, mit dem grauen Bart des Bischofs spielend, diese Sätze in gekünsteltem Ton von seinen Lippen fallen lassen. Gefallsüchtig wie er war, hatte er sofort erkannt, daß er diesen Mann nicht durch die Schönheit seines Körpers würde gewinnen können, und daher wollte er ihn für sich einnehmen durch das mystische Wissen, das er besaß. Er entsann sich der Lehren des Hydaspes: er, der Schüler, wiederholte die Worte seines Meisters; zugleich hütete er sich wohl, mehr zu versprechen, als was die alte Mäsa ihm zu versprechen gestattet hatte. Denn er war noch sehr unsicher in der Handhabung seiner Autorität und tat gern alles, was seine Großmutter ihm riet, solange dies nicht gegen seine eigenen Wünsche verstieß. Antoninus, der der Meinung war, daß der Bischof ihm zu Füßen fallen und ihm danken würde, wunderte sich, als der Greis unbeweglich verharrte und endlich schüchtern sprach: »Augustus, wohl wißt Ihr weise Dinge, doch Hydaspes in Emesa hat Euch sicherlich die größte Weisheit noch nicht gelehrt. Wohl seid Ihr sehr leutselig, wohl überwältigt mich Eure Gnade, Augustus, obgleich Ihr es dem Greise verwehrt, eine kleine Taberne zum christlichen Tempel zu weihen. Doch ich kann nichts anderes tun, als Euch um noch größere Gnade anflehen und Euch bitten, den Christen und mir nicht zu zürnen, wenn ich erkläre, das nicht tun zu können: unser Kruzifix feierlich in den Tempel der Sonne bringen und die Sonne mehr anbeten denn Gott, den Schöpfer von Licht und Sonne.«

Antoninus errötete vor Zorn.

»Du weigerst dich?« rief er aus und seine Stimme überschlug sich.

»Ich kann nichts anderes tun, als in tiefster Ehrfurcht vor Eurer kaiserlichen Hoheit mich weigern, Augustus!«

»Du weigerst dich, deinen gekreuzigten Gott, deinen armseligen Gottessohn, der einen Sklaventod starb, in meinen Tempel zu bringen, wo ich ihn im Abglanz des höchsten Lichtes dulden will?«

»Augustus, ich muß mich weigern. Ich bin ein schwacher alter Mann und mein Leben ist nicht mehr viel wert. Doch wollt Ihr es, um Euren Zorn zu kühlen, so nehmt es hin und gebietet, daß man mich foltere und den wilden Tieren vorwerfe. Niemals aber wird Jesus Christus ein Diener der Sonne oder irgend eines anderen Götzen sein!«

Demutsvoll hatte der alte Mann gesprochen, während er, mit gefalteten Händen, unbeweglich dasaß. Plötzlich riß der Kaiser den Greis rauh an seinem Bart und stieß ihn von sich.

»Geh!« gebot er zornig. »Geh, Pappias, und komm mir nicht mehr vor die Augen! Vor die Tiere? Nein, sie würden dein mageres Skelett nicht einmal wollen. Suche einen anderen Tod als den des Märtyrers, nach dessen Ekstase ihr alle begehrlich seid. Nicht in Ekstase sollst du sterben, Pappias... Geh, stirb auf deinem Strohsack! Stirb in deinem Schmutz, in deiner Dummheit! Bah, wie dumm seid ihr Christen, wenn ihr behauptet, das Licht stamme von Gott... Esel! Dummköpfe! Schmutzfinken, die sich nicht baden! Geh, Pappias, du stinkst! Deine Kutte stinkt, dein Bart stinkt, meine Hand stinkt nach deinem Bart! Libyer, bringt mir ein Becken, badet mir die Hände in Nardos! Livilla und Vasthi, verbrennt aromatische Düfte! Was für ein Gestank von Schweiß und Dummheit! Puh! Puh!«

Der Kaiser lag auf seinem Bett und blies durch die Lippen. Sein Abscheu war possierlich anzusehen. Der Bischof floh hinweg, fortgeführt von Matthias, der bleich geworden war.

 

Am Eingang zum Badesaal stand das Volk und schüttelte sich vor Lachen. Ganadasa, der Inder, der das Gespräch zwischen dem Kaiser und dem Bischof gehört hatte, lag lang hingestreckt auf dem Boden und wieherte vor Freude.

»Puh! Eure Göttlichkeit, wie belustigend war es, als Ihr dem alten Herrn den Abschied gabt! Der Schmutzfink! Der Dummkopf! Der Esel!«

Ganadasa und Antoninus lachten laut auf, doch bleich, zitternd und unsicheren Schrittes näherte sich Matthias und warf sich vor der Lagerstatt des Kaisers zu Boden.

»Was willst du?« rief Antoninus, noch zornig. »Hinweg! Hinweg! Ich will keine Christen mehr sehen! Ihr stinkt alle! Ihr seid alle Dummköpfe und Esel, Ihr glaubt, das Licht komme von Gott, während gerade umgekehrt die Götter aus dem Licht kommen! Weg, weg mit euch allen! Weg mit Matthias!«

Ganadasa, der voller Schadenfreude seinen Genossen in Ungnade fallen sah, stand hämisch lächelnd da. Doch Matthias blieb am Boden liegen und winselte.

»Eure Ewigkeit, Eure Ewigkeit! Ich bade jeden Tag, ich pflege meinen Bart! Ich besprenge mich mit Nardos! Ich habe dem Pappias meine Meinung gesagt! Wie? Er will unser Kreuzesbild nicht, von Zeremonien begleitet, in den heiligen Tempel der Sonne tragen? Er will Christus nicht unter den gnädigen Schutz des Heliogabal stellen? Aber, Eure Ewigkeit, dann will ich Christus nicht mehr dienen, dann verleugne ich den Glauben meiner Väter, um dessentwillen sie einst den wilden Tieren vorgeworfen wurden, dann diene ich künftig keinem anderen Gott mehr als Heliogabal, als Euch allein! Ewigkeit! Göttlichkeit! Licht! Gnade! Heliogabal, ich will kein Christ mehr sein, die Sonne bete ich an, einzig die Sonne!«

Während er sich auf seinem dicken Bauch bis dicht vor die Lagerstatt wälzte, riß er sich das kleine Kruzifix vom Halse, bespie es und schleuderte es weit von sich.

Antoninus, der sich am Anblick dieser Verzweiflung mit kindlicher Freude weidete, lachte laut auf und Ganadasa tat das gleiche. Alle lachten über den lächerlichen Christen, der sich im Schmerz über die kaiserliche Ungnade wand. Bis Antoninus sprach:

»Also du findest auch, daß der Pappias stinkt?«

»Er stinkt, er stinkt, Eure Ewigkeit! Puh! Puh!«

»Puh! Puh, die Christen!« rief das Volk am Eingang.

»Weitergehen!« befahlen die Cubicularii.

»Also du ehrst Heliogabal als den Allerhöchsten?« fragte Antoninus gebieterisch.

»Euch diene ich, Euch bete ich an, ewiger Heliogabal! Euch, göttlicher Antoninus!«

»Es ist gut, steh auf. Vom heutigen Tag an sollst du einen Sitz im Senat haben.«

»Augustus! Antoninus! Sohn der Sonne, heiliger Geist, Heliogabal!«

»Libyer, bringt sogleich eine Laticlavia, auf daß Matthias mit dem Senatorengewand bekleidet werde!«

»O Licht! O Heliogabal!« rief Matthias aus.

»Inder...« sprach der Kaiser.

»Eure Ewigkeit?«

»Wünschest du dir etwas?«

»Nichts... Eure Ewigkeit, nur die Gunst, Euch anstarren zu dürfen, bis ich in Eurem Glanz vergehe.«

»So starre!«

»Dank, Eure Ewigkeit!«

Gordus und Murissimus traten ein, nachdem sie in der Piscina ein Bad genommen hatten. Ihnen folgten der bärtige Aristomachos und der breitschultrige Antiochianus.

»Göttlicher Augustus!« sprach Aristomachos, »der Tribun Maximus, der Thraker, der Riese, erfleht von Eurem Licht, daß es ihm während eines Augenblickes erstrahle!«

Der Kaiser war sehr neugierig. Er lag auf der Lagerstatt inmitten des Saales, das Kinn auf die Hand gestützt, auf dem Ellbogen ruhend, die schlanken Knabenschenkel fest zusammenschließend. Spielerisch bewegte er seine Füße nach dem Rhythmus, indem er mit den Zehen auf dem Polster herumtrappelte.

»Maximus?« fragte er, »der Riese, der Thraker, ist er wirklich so groß, wie man sagt? Trägt er ein Weiberarmband am Daumen? Ja, ich will ihn sehen. Ist er wirklich so stark? Er soll dreißig Gladiatoren besiegt haben, einen nach dem andern. Man führe mir den Achilles vor!«

Die Offiziere geleiteten den Tribunen Maximus herein. Ein bewundernder Enthusiasmus durchfuhr die Menge, denn der Tribun war ein Riese und das Volk liebte die verschiedenartigen Typen männlicher Schönheit. Es betete, verliebt, den Lustknaben Antoninus an; es jubelte Maximus zu, um dessen berühmter Kraft und unbesiegbarer Streitbarkeit willen.

»Beim Herkules!« rief Antoninus aus, als er Maximus erscheinen sah, umgeben von den Tribunen und Präfekten. »Aristomachos! Antiochianus! Wie Kinder seht ihr aus neben meinem Tribunen! Was für ein Kerl! Ich liebe große Männer!«

 

Maximus war näher getreten; er stand, hoch aufgerichtet, in soldatischer Haltung. Er schwieg. In plumpem Riesenbau türmte sich sein Körper, die muskelstrotzenden Glieder breit, die Züge grob, sehr groß seine beiden tiefliegenden meerblauen Augen, deren Pupillen grausam blitzten; über seinem Schuppenpanzer hing in schweren Falten die Chlamys, mit einer Spange auf der Schulter gehalten. Sein Haar, kurz und kastanienbraun, lockte sich schwer und üppig auf seinem Riesenkopf und auch sein Schnurrbart und Spitzbart waren kraus. Alle anderen erschienen klein neben ihm.

»Beim Herkules!« wiederholte Antoninus. »Nein, sie haben mir von dir nicht zu viel erzählt, Maximus! Du bist ein Kerl! Sieh mich, sieh mich neben dir! Sieh!«

Blank und zierlich stellte sich Antoninus neben Maximus. Er reichte ihm bis an die Ellbogen. Das Volk jubelte.

»Ich reiche dir bis an die Ellbogen!« rief Antoninus aus, »und bin doch nicht klein. Ihr Götter, fast könnte ich zwischen deinen Beinen gehen! Was für Füße du hast! Und was für Hände und Arme! Und was für eine Caliga du trägst! Trägst du ein Armband am Daumen?«

»Ja, Eure Ewigkeit,« antwortete endlich die Baßstimme des Riesen in schlechtem Lateinisch mit thrakischem Akzent, »doch es ist das Armband eines Kindes.«

»Wahrhaftig! Aber was für ein Daumen! Du bist ein Thraker, nicht wahr? Mein göttlicher Großvater Septimius Severus ließ dich an seiner Seite laufen, während er zu Pferd einhersprengte, nicht wahr? Sieben Ringkämpfer hast du besiegt, einen nach dem anderen? Und der Kaiser hat dir eine goldene Kette geschenkt? Ist es nicht so?«

»Hier hängt sie, Eure Göttlichkeit, auf meiner Brust. Der erhabene Septimius Severus stellte mich bei seiner kaiserlichen Leibwache ein.«

»Was für eine blanke Haut du hast,« sagte Antoninus. »Schminkst du dich? Nein, nicht wahr?«

Während er sich auf den Zehen emporreckte, streichelte er die Wange des Maximus und betrachtete dann dessen Finger.

»Nein, du schminkst dich nicht. Laß mich einmal sehen, ob ich deinen Bizeps mit meinen beiden Armen umspannen kann. Ihr Götter, was für Arme du hast! Hart sind sie wie Marmor. Und was für Schenkel! Sag, ißt und trinkst du viel?«

»Ich esse täglich vierzig Pfund Fleisch, Eure Ewigkeit.«

»Vierzig Pfund Fleisch?«

»Doch Gemüse esse ich niemals. Ich trinke täglich ein Quantum Wein, das dem Inhalt der Musteramphora auf dem Kapitol, also achtundzwanzig Kotylen gleichkommt.«

»Achtundzwanzig Kotylen?« rief der Kaiser aus, während er laut aufjubelte.

»Ich habe hin und wieder meinen Schweiß aufgefangen,« fuhr Maximus prahlerisch fort, »und zwei, sogar drei Sextarien damit gefüllt.«

»Ah!« rief Antoninus voller Ekel aus. »Ich habe auch Eurem Vater gedient, Eure Ewigkeit, dem Bassianus Antoninus, ihm, den wir Caracalla nannten, und Macrinus, seinen Mörder, habe ich gehaßt!«

»Das war recht!« rief Antoninus befriedigt aus.

»Während er herrschte, habe ich den Dienst verlassen.«

»Brav!«

»Ich zog mich nach Thrakien zurück auf das Gehöft, wo ich geboren ward. Ich kaufte dort Land und trieb Handel mit den Goten und Geten.«

»Nicht übel.«

»Die Alanen, die an den Grenzen umherschwärmten, betrachteten mich als ihren Freund und boten mir Geschenke an.«

»Die du annahmst?«

»Ich lehrte die Barbaren Ehrfurcht hegen vor Rom. Als ich hörte, daß Macrinus besiegt sei von Euch, Eure Ewigkeit, Sohn des Caracalla, Enkelsohn des Septimius Severus, bin ich nach Rom zurückgekehrt.«

»Du tatest recht daran.«

»Augustus, ich biete Euch meine Dienste an. Treu war ich Euren Vätern, treu werde ich auch Euch sein!«

»Ein braver Bursche bist du, Maximus,« sagte der Kaiser, plötzlich sehr ernst, und blickte dem Riesen tief in die grausamen Augen. »Aber sehr seltsame Augen hast du. Mir ist, als läse ich in diesen Augen... Sag, wie war deine Jugend? Bist du unter Vorzeichen geboren?«

»Ich glaube nicht, Eure Ewigkeit. Ich war der Sohn eines Hirten, ich hütete die Herden. Oftmals überfiel ich die Straßenräuber, bis ich endlich mein Land von jenen Schelmen befreite. Als Septimius Severus zur Feier der Geburt seines zweiten Sohnes Geta kriegerische Schauspiele veranstaltete, tat ich mich hervor, wie Ihr selbst soeben erwähntet.«

»Schön. Also Vorzeichen waren nicht vorhanden? Wie groß bist du, Maximus?«

»Acht Fuß, Eure Ewigkeit.«

»Das ist ungeheuer. Bist du völlig ebenmäßig gewachsen?«

»Ja, Eure Ewigkeit.«

»Ich möchte dich wohl einmal im Bade sehen.«

»Ich stehe zu Euren Diensten, mein Kaiser!«

Antoninus kniff seine veilchendunklen Augen zu, voll schalkhafter Spottlust ob der Naivität des Barbaren, der nicht begriff...

»Schön, also werden wir nachher prüfen und messen. Sag, Milo von Kroton, wie stark bist du?«

»Ich ziehe allein einen schweren Wagen. Mit einem einzigen Faustschlag zertrümmere ich einem Pferde das Gebiß, mit einem einzigen Fußtritt zerbreche ich einem Pferde das Bein. In meinen Fäusten zerreibe ich Tuffstein zu Pulver und einen Baum fälle ich mit einem einzigen Schlag.«

»Das mache ich dir nicht nach. Aber machst du mir dies nach? Sieh, Maximus.«

Der Kaiser neigte sich hintenüber gleich einem Blumenstengel. Sein Kopf berührte beinah den Boden, verführerisch blinzelten seine Augen Maximus an. Mit der Geschmeidigkeit vollendeter Harmonie blühte er wieder empor.

»Nein, Eure Ewigkeit, das mache ich Euch nicht nach. Ihr seid zum Verwundern geschmeidig; auch seid Ihr sehr geübt. Es war etwas Außergewöhnliches, was Ihr da tatet.«

»Sieh nur, ich kann es auch so« – und er beugte sich weit vor – »und auch seitlings, nach links und nach rechts.«

»Ja, Eure Ewigkeit, es ist außergewöhnlich kunstvoll. Ihr seid schön, wie ich niemals einen Jüngling sah!«

»Dafür bin ich auch Heliogabal!«

»Ja, göttlicher Augustus!«

»Also die Sonne.«

»Ja, die Sonne, Eure Ewigkeit.«

»Ich bin die Sonne, darum bin ich schön... Doch, Maximus, was hast du für seltsame Augen! Ich bin, glaube ich, von Natur nicht furchtsam, aber ein anderer würde sich vor dir fürchten. Weißt du, was ich in deinen Augen sehe?«

»Nein, Eure Ewigkeit.«

»Einen roten Funken, einen purpurnen Schimmer. Sehr seltsam. Sage mir, Maximus, wurde nicht, als du geboren wurdest, zugleich ein purpurfarbener Widder geboren? Oder legte nicht eine Henne ein purpurnes Ei? Oder hatte deine Amme nicht eine purpurrote Nase?«

»Ich glaube nicht, göttlicher Augustus.«

»Besitzest du Ehrgeiz, Maximus?«

»Nur den Ehrgeiz, Euch treu zu dienen, Euch, dem Nachkommen meiner früheren Kaiser!«

»Ich vermute, daß ich älter werde als du.«

»Ich erwarte es und erflehe es von den Göttern.«

»Wenn ich keine Söhne bekomme, die den Purpur tragen, so habe ich noch einen Vetter, der den Purpur liebt; das ist der Cäsar Alexianus.«

»Ich denke nicht an Purpur, Eure Ewigkeit, nicht an anderen Purpur als den Euren.«

»Das wäre in der Tat sehr brav von dir. Also du willst mir dienen?«

»Ja.«

»Dann muß ich zunächst ergründen, ob du meiner wert bist. Willst du dich einer Probe unterwerfen?«

»Ich bin Euer Sklave, o Ewigkeit.«

Der Kaiser sah sich rings um, sehr schalkhaft, dachte einen Augenblick nach. Dann winkte er einer Ankleiderin und rief:

»Livilla!«

Sie stürzte herbei.

»Mein Gebieter?«

Die Sklavin warf sich nieder, gehorsam einem jeden Wink ihres Herrn, den sie anbetete.

»Maximus,« sprach Antoninus und wies dabei auf die schöne georgische Tänzerin, die auf einem über Polstern gebreiteten Teppich hingestreckt lag; »dreißigmal nacheinander hast du dreißig Athleten besiegt. Besiege nun Livilla, die deiner Belagerung widerstehen wird, dreißigmal nacheinander!«

»Augustus!« rief der Tribun entrüstet aus.

»Ich schenke dir kein einziges Mal, Maximus, kein einziges Mal! Sei froh, daß ich dir Livilla erwählte und daß ich dir nicht meine alte treue Vasthi anwies.«

Der Riese wuchs in seiner Entrüstung.

»Augustus!« brüllte er, »ich komme, Euch meine Treue und meine Kräfte anzubieten, weil ich dies dem Sohn Eurer Väter schuldig zu sein glaube. Aber um Euch meine Treue und meine Kräfte zu beweisen, bin ich nicht verpflichtet, das zu tun, was ihr von mir verlangt!«

Der Kaiser fuhr auf, blutrot.

»Unverschämter Flegel!« rief er rasend, mit hoher Falsettstimme aus. »Aristomachos! Antiochianus! Hört ihr die Kränkung, die man meiner Heiligkeit angetan hat? Der Unverschämte weigert sich, zu tun, was ich befahl! Man werfe ihn den wilden Tieren vor!«

Maximus hatte sich hastig entfernt, war vorübergeschritten an den Günstlingen, die erbleichten. Doch Aristomachos und Antiochianus eilten auf den Kaiser zu und flehten ihn an, während der eine des anderen Worte durchkreuzte: »Göttlichkeit, erteilt diesen Befehl nicht, laßt Maximus nicht den Tieren vorwerfen! Bedenket: er diente Septimius Severus, er diente Bassianus Antoninus, Eurem Vater! Er verließ den Dienst, als Macrinus herrschte! Nun, da Eure Göttlichkeit herrscht, bietet er seine Dienste an. Das Heer betet ihn an, die Prätorianer beten ihn an. Nein, Eure Göttlichkeit, erteilt diesen Befehl nicht!«

Der Knabe Antoninus reckte sich, lachte gleichgültig. Er reckte sich mit der Grazie eines Mimen, eines Tänzers, und seine Beine wurden noch schlanker, seine zarten Brüste rundeten sich leicht, seine feinen Hüften wölbten sich, während seine beiden Arme eine Lyra bildeten rings um sein blondes Haupt und er mit den veilchendunklen Augen die Menge schelmisch und verführerisch anblickte.

»Nun, so laßt es, meinetwegen,« sagte er gleichgültig. »Ich bin gut gelaunt heute, weil meine Libyer mich köstlicher kneteten als je. Aber verwöhnt werde ich heute nicht. Alle verweigern mir alles. Der Bischof von Rom verweigert mir sein häßliches Kruzifix und Maximus die Belagerung der Livilla. Das Schauspiel würde uns ergötzt haben und ich wette, daß der Kerl wohl kann, aber nicht will. Er ist ein Barbar, ein Thraker, und die Barbaren sind sehr sittlich.«

 

Draußen erklangen Trompeten und die Menge zog sich vom Eingang des Saales zurück. Es kamen die Mütter mit ihrem Gefolge von Cubicularii, Eunuchen, Frauen und Freigelassenen: die alte Mäsa, Semiamira, Mammäa und mit ihnen die jugendliche Kaiserin Cornelia Paula, – nicht älter als Antoninus selber – die trotz ihrer schweren weißseidenen Stola und Palla, deren Gewebe mit Perlen überstickt war, wie ein zartes Kind erschien. Sie war Jungfrau. In asiatisch-fürstlicher Üppigkeit von gemmenschweren Gewändern – die Haare bizarr von rundem Diadem eingefaßt, hoch getürmt, gelockt, bei Semiamira mit Azur, bei Paula mit gestampften Perlen bestreut – betraten die Mütter und die kindliche Gemahlin des jungen Kaisers das Badegemach. Es fiel auf, daß Mäsa und Mammäa mehr römischen Matronen glichen als Semiamira, die ganz syrische Fürstin geblieben war. Die Großmutter betonte trotz ihres syrischen Blutes sehr bewußt die Römerin und Mammäa folgte ihrem Vorbild, voll trunkenen Ehrgeizes für ihr Kind Alexianus. Mäsa fragte sogleich neugierig:

»Was sah ich da, Antoninus? Als wir anlangten, entfernte sich der tapfere Maximus hastig durch das Peristyl. Selbst unsere Ankunft hielt ihn nicht zurück. Was ist geschehen?«

»Livilla ist entsetzt worden!« rief der Kaiser lachend aus. »Ihre Belagerung ist aufgehoben, noch bevor sie begonnen hatte. Wir hofften auf dreißig Bestürmungen, aber Maximus entsprach den Erwartungen nicht. Was für ein Prahler! Er hatte nicht den Mut und entfloh, der Feigling! Den Tieren hätte ich ihn vorwerfen lassen, wäre ich heute nicht sehr gut gelaunt gewesen. Ich fühle mich so frisch, daß ich gern im Stadion lenken möchte.«

»Was hast du getan?« rief Mäsa aus. »Wie konntest du dir den braven Maximus entfremden!«

Sie war sehr unzufrieden, versuchte indessen, es nicht zu zeigen. Sie war bleich vor Zorn und ihre nervigen Fäuste, die in dem Glanz ihrer Ringe erstrahlten, ballten sich. Doch Semiamira sagte, stolz und gleichgültig:

»Mütterlichkeit, so zürne doch nicht! Maximus, der ernste Barbar, begriff den heiteren Scherz meines sonnigen Antoninus nicht. Ernenne Maximus morgen zum Präfekten der Prätorianer und er wird den Staub von deinen Sohlen lecken!«

»Maximus ist unser unschätzbarster Tribun,« sagte Mäsa. »Achte ihn nicht gering. So jemals Krieg ausbrechen sollte ...«

»Nun siehst du es doch selbst, Mütterlichkeit,« zischte Mammäa Mäsa ins Ohr, »kaum hast du Antoninus allein gelassen, so durchkreuzt er auch schon wie ein ungezogenes Kind all unsere Wünsche.«

»Ist er denn nicht noch ein Kind?« stieß Semiamira barsch hervor. »Er ist ein Kind und von so sonniger Heiterkeit, wie dein Alexianus niemals sein wird. Mit den Jahren wird er ernster werden.«

»Still!« zischte Mäsa. »Still, Kinder, keift hier nicht. Bedenkt, daß ihr euch unter den Augen des römischen Volkes befindet.«

»Du verdirbst Antoninus ganz und gar!« rief Mammäa aus, »noch vor sechs Monaten würdest du ihn mit der Sandale geschlagen haben für das, was er heute angerichtet hat.«

»Der Imperator der Welt,« rief Semiamira aus, »duldet keine Züchtigung, auch nicht von seiner Großmutter! Obwohl er noch ein Kind ist!«

»Still, Mammäa, still, Soaemis! So seid doch still!« beschwichtigte die alte Mäsa würdig, indem sie die Hände auf die Arme ihrer Tochter legte.

»Alexianus liebst du immer weniger. Nichts gilt dir der Cäsar!« rief Mammäa in heftigem Vorwurf aus.

»Still doch, Mammäa, still! Alexianus ist mein Enkelsohn, den ich liebhabe, und Alexianus ist Cäsar, aber Antoninus ist Kaiser von Rom. Lernt euch doch vertragen und benehmt euch würdig!«

Man hatte den Zwist nicht beachtet. Im Badesaal hielt sich die Kaiserin auf mit ihrem Gefolge von Freigelassenen und Sklaven. In der Mitte saß auf einer Lagerstatt die Kaiserin Paula, vergessen, still und wehmütig; ihr feines, trauriges Gesichtchen schien gealtert unter dem Email der allzu reichlich aufgetragenen Schminke und dem großen Diadem. Vor ihr stand, von den geschäftigen Fingern der Ankleiderinnen bedient, ihr knabenhafter Gemahl Antoninus; er sollte in feierlichem Zeremoniell bekleidet werden, doch nachdem die Menge über das Gewand, das der Kaiser gewählt hätte, unterrichtet worden war, fuhr eine fieberhafte Erregung durch die Thermen und allüberall, durch das Tepidarium und das Peristyl, nach der Piscina und dem Caldarium zu, schleuderte der eine dem andern laute Ausrufe entgegen:

»Der Kaiser geht ins Stadion! Der Kaiser geht ins Stadion! Der Kaiser wird lenken!«

Sogleich drängte sich die Menge wie rasend. Die schon angekleidet waren, eilten nach dem Stadion, das bei den Thermen hinter dem Kuppelraum des Caldariums gelagen war.

»Der Kaiser kommt ins Stadion! Der Kaiser wird lenken!« Ihn sehen, ihn sehen, während er lenkte, immerfort ihn sehen, was er auch tun mochte! Ihn im Triumph sehen, ihn im Tempel um den Schwarzen Stein tanzen sehen, jeden Monat! Ihn gehen, sitzen, grüßen und lachen sehen! Sehen, wie er badete und wie er geknetet ward, ihn essen und trinken sehen, ihn lenken sehen, um die Wette mit den berühmtesten Wagenlenkern. Ihn sehen, allzeit, und ihn bewundern und ihn anlächeln und die verführerisch schmachtenden Blicke seiner Dirnenaugen auffangen!

Im Nu waren die Ränge erstürmt, alle Sitzplätze eingenommen.


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