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IV.

 

Bald siehst Du die Rebhühnervölkchen entfliehn.
Die Hunde laß los und die Falken hinziehn,
Laß tönen die Hörner zur lustigen Jagd,
Hinaus in die Haide, der Morgen schon tagt!

 

 

Der Kapitain Borroughcliffe brachte die Nacht in festem Rausche hin, und erwachte erst spät am Morgen, als sein Diener hereintrat. Die gewöhnliche Reveille hatte ihn ermuntert. Er richtete sich im Bette auf, rieb fleißig sein Sehorgan, und kehrte sich dann mit einer üblen Laune, die dem unschuldigen Diener aufbürden zu wollen schien, was der Herr gethan hatte, gegen diesen.

»Hör' ein Mal,« sagte er, »ich dächte, ich hätte dem Sergeanten befohlen, er solle keinen Klöppel aufs Schaffell kommen lassen, so lange wir bei dem alten Obersten einquartirt sind? Folgt der Kerl meinen Befehlen so? Oder denkt er, wenn getrommelt wird, klingt es in den alten Gängen hier so schön?«

»Ich glaube, der Oberst Howard hat es selbst gewünscht, daß dies Mal der Sergeant die Reveille schlagen lassen möchte!« erwiederte der Diener.

»Der Teufel sitzt darin! Ich sehe, der Alte läßt sich gern was vortrommeln, weil's ihm sonst alltäglich war. Aber – wird denn hier das Rindvieh gemustert, wie meine Mannschaft? Ich höre ja auftreten, als ob die alte Abtei eine andere Noahs-Arche wäre, und uns alles Rindvieh auf den Hals käme!«

»Es ist blos ein Detaschement Dragoner. Sie reiten in den Hof ein, wo sie der Oberst bewillkommt.«

»Dragoner? In den Hof?« wiederholte der Kapitain staunend. »Nun, ist es denn soweit gekommen, daß zwanzig derbe Bursche von meiner Compagnie nicht mehr das Rabennest von Abtei gegen die Geister und Stürme vertheidigen können? Daß wir noch Reuterei haben müssen? Hm! Ich denke, Einige von den gestiefelten Herren haben von dem Süd-Carolina-Madera gehört.«

»Nein, nein, Herr Kapitain!« berichtigte ihn der Diener. »Es ist die Mannschaft, die Herr Dillon gestern Abend aufsuchte, als er Euch gestimmt sah, die drei Seeräuber fesseln zu lassen.«

»Seeräuber fesseln lassen?« wiederholte Borroughcliffe, und strich sich mit der Hand über die Augen, obschon nachdenkender, wie vorher. »Ach, ja! ich erinnere mich, drei verdächtig sehende Bursche in die schwarze Höhle oder sonstwohin versetzt zu haben. – Nun aber, was hat denn Dillon und das leichte Dragonerregiment mit den Leuten zu thun?«

»Das weiß ich nicht, Herr Kapitain. Aber man sagt unten, es seien dieselben verdächtig. Sie möchten wohl Verschworne und Rebellen aus den Kolonieen seyn. Es wären große verkleidete Offiziers und Tory's. Einer soll General Washington seyn und die Andern Mitglieder vom Yankee-Parlament, hergekommen, Etwas von guter, alter, englischer Sitte zu erlernen und sich dann darnach einzurichten.«

»Washington? Mitglieder vom Congresse? Geh', Einfaltspinsel! Geh', und sieh', wie viel Mann angekommen sind und wie sie aussehn. – Doch, warte noch, leg' mir erst die Kleider her. Nun, jetzt thu', wie ich sagte, und wenn der Dragoneroffizier nach mir fragt; so empfiehl mich, und sag', ich würde gleich bei ihm erscheinen.«

Der Diener ging; der Kapitain kleidete sich an, und gab auch wohl seinen Gedanken in Gestalt eines Selbstgesprächs Gehör.

»Ich setze mein Kommando gegen eine halbe Fähndrichsgage, wenn nicht Einige von den faulen Kerlen, die ein vierbeiniges Thier haben müssen, um fortzukommen, von dem Madera gehört haben! – Madera! Ja, ich muß nur in die Londoner Zeitungen ein Avertissement einrücken, und das Doppelthier von Soldaten zur Rechenschaft fordern. Ist er ein braver Kerl; so wird er sich nicht unter seinem Incognito versteckt halten, sondern gegen mich stellen. Schlägt das aber Fehl; so reite ich nach Yarmouth, und fodre den ersten besten Mulatten, der mir in den Weg kommt. Tod und Teufel! Ist je ein Kriegsmann so beleidigt worden? Wenn ich nur den Namen wüßte! – Sollte das Ding bekannt werden, ich wäre die stete Zielscheibe an jedem Zelttische, bis ein noch größerer Narr nach mir käme. Sechs Duelle wenigstens kostete es mir, davon zu kommen. Nein, nein! In meinem Regiment will ich keinen Schuß Pulver deshalb abbrennen. Aber einen Seesoldaten schieß' ich nieder! Das ist nicht mehr, als vernünftig. Der Peter! Wenn der Schurke ein Wörtchen laut werden läßt, wie er mit der Muskete gestampft worden ist! Ich könnte ihn nicht deswegen Gassen laufen lassen, aber in Rechnung bringe ich's ihm bei der ersten Gelegenheit, oder ich müßte gar nicht wissen, wie Regimentssachen einzurichten sind.«

Der Kapitain endete sein Selbstgespräch, machte sich nun fertig, die neuen Gäste zu bewillkommnen, weshalb er dann in den Hof hinabstieg. Er fand hier seinen Wirth in lebhaftem Gespräche mit einem jungen Manne, der als Dragoner gekleidet war. Beide standen unter dem Hauptthor der Abtei. Der Oberste empfing ihn freundlich.

»Einen guten Morgen, mein würdiger Schützer und Retter!« rief er ihm schon von Ferne zu. »Hier giebt es für Euer loyales Ohr seltsame Neuigkeiten. Es scheint, als ob unsere Gefangenen verkleidete Feinde des Königs sind. Cornet Fitzgerald, den ich Euch hier vorzustellen glücklich bin, indessen er sich freut, den Kapitain Borroughcliffe kennen zu lernen!« – Die beiden Herren begrüßten sich, und der Alte fuhr fort: »Cornet Fitzgerald ist so gut gewesen, ein Detaschement herzubringen, um die Schurken nach London oder sonst wohin transportiren zu lassen, wo sie gute, loyale Offiziere finden, um ein Kriegsgericht zu bilden, das dann ihnen das Urtheil als Spionen sprechen kann. Christoph Dillon, mein würdiger Vetter, sah gleich mit Einem Blick ihren schwarzen Charakter, während Ihr und ich, gleich zwei arglosen Knaben, die Schurken für den Dienst des Königs geeignet hielten. Aber Dillon hat ein Auge und einen Kopf, wie Wenige haben, und ich wollte, er nähme einen gehörigen Posten auf Englands Gerichtsbank ein.«

»Wär' zu wünschen!« sagte Borroughcliffe ernsthaft, theils den Spott zu verbergen, theils der Dinge gedenkend, die nun folgen mußten. »Aber was bewegt denn eigentlich den Herrn Christoph Dillon zu glauben, daß die drei Seeleute mehr oder weniger sind, als sie scheinen?«

»Das kann ich nicht sagen; aber hinreichenden und wichtigen Grund hat er, darauf wett' ich mein Leben!« rief der Oberste. »Dillon ist ein Mann, der immer Gründe hat: denn diese machen den Grund und Boden seiner Kunst aus, und wie er sie gehörigen Ortes anbringen soll, versteht er auch vortrefflich. Aber freilich kann der Rechtsgelehrte nicht immer so keck und frei mit der Sprache herausgehen, wie der Soldat, wenn er nicht die Sache, wohin sie gehört, in Gefahr setzen will. Kurz und gut, Dillon hat seine guten Gründe, und wird sie zu seiner Zeit mittheilen.«

»Nun, da will ich nur hoffen,« bemerkte der Kapitain gleichgültig, »daß wir die Leute gehörig bewacht haben, Herr Wirth. Ich dächte, Ihr hättet mir gesagt, die Fenster seien zu hoch, um daraus zu entkommen, und darum hab' ich keine Wache außen und unten hingestellt.«

»Seid unbesorgt, mein würdiger Freund!« rief der Oberste. »Wenn Eure Leute, statt zu wachen, nicht geschlafen haben; so halten wir sie alle Drei noch fest. Allein wir werden sie doch fortschaffen müssen, ehe sich der Friedensrichter hineinmischt, und so wollen wir die Hunde herauslassen. Eine Abtheilung Dragoner kann sie während unsers Frühstückens fortschaffen. Es wäre doch nicht klug, die gewöhnliche Behörde einschreiten zu lassen: denn diese hat selten für so ein Verbrechen den gehörigen Sinn.«

»Ei, ei!« fiel der Dragoneroffizier ein. »Herr Dillon ließ mich glauben, wir würden hier auf eine feindliche Streifparthie stoßen, und jetzt soll ich den Dienst eines Konstablers versehen? Uebrigens sichern die Staatsgesetze jedem ein Gericht von seines Gleichen zu, und ich wage es nicht, sie in's Gefängniß zu bringen, bevor sie nicht vom Friedensrichter vernommen wurden.«

»Ach, da sprecht Ihr von treuen, loyalen Unterthanen!« erwiederte der Oberst, »und in Betreff ihrer habt Ihr vollkommen Recht. Indeß Feinde und Verräther sind von solchen Vorrechten ausgeschlossen.«

»Aber erst muß doch erwiesen werden, daß sie das sind, um dann als solche behandelt und bestraft zu werden!« rief der Dragoner etwas rechthaberisch, indem er selbst erst vor Einem Jahre der Rechtsschule entlaufen war. »Ich will mich wohl mit der Bewachung der Leute befassen, aber nur sie sicher vor den gewöhnlichen Richter zu bringen.«

»Wir wollen doch die Gefangenen nur selbst sehen!« sprach Borroughcliffe dazwischen, in der Absicht, eine Unterredung zu beendigen, die ihm warm zu machen schien, und, wie er wohl wußte, umsonst war. »Vielleicht nehmen sie ganz ruhig Dienste unter den Fahnen unsers Königs, und dann ist alle weitere Rücksicht, eine heilsame Kriegszucht abgerechnet, unnöthig.«

»Ja, wenn es Leute von gewöhnlichem Stande sind, die einen solchen Schritt wahrscheinlich machen;« entgegnete der Cornet, »so bin ich's gern zufrieden, daß die Sache so abgemacht wird. Ich hoffe aber doch, Kapitain, daß Ihr dann in Erwägung zieht, wie die leichten Dragoner dabei ebenfalls bemüht waren, und in der zweiten Schwadron jetzt auch Lücken haben.«

»Wir wollen uns da schon vergleichen,«– versetzte jener – »Jeder bekommt einen Mann, und eine Guinee in die Luft geworfen, entscheidet über den Dritten. – Sergeant komm! Du sollst Deine Wache ablösen, und die Gefangenen herauslassen!«

Indem sie alle dem Gebäude zugingen, wo diese seyn solltet, bemerkte der Oberst:

»Ich bestreite Kapitains Borroughcliffe Einsichten nicht, meine aber mit meinem Vetter Dillon: es sind Gründe da, wenigstens einen von den Leuten für mehr zu halten, als daß er ein gemeiner Soldat werden könnte. In dem Falle wäre Euer Plan umsonst gemacht.«

»Nun für wen hält er denn den Einen?« fragte der Kapitain. »Soll's denn ein verkleideter Bourbon oder ein geheimer Repräsentant des rebellischen Congresses seyn?«

»Mehr sagte mir mein Vetter nicht: denn er hat verschlossenen Mund, wenn die Gerechtigkeit ihre Wage beschaut. Es giebt Leute, die man geborne Soldaten nennen kann, wie z. B. den Grafen von Cornwallis, der in den beiden Carolina's den Rebellen kräftig die Spitze bietet. Andere scheinen von Natur zu Geistlichen, zu Heiligen auf Erden bestimmt, aber Manche scheinen gar nicht im Stande zu seyn, eine Sache anders, als mit unparteiischen, scharfsichtigen und uneigennützigen Blicken untersuchen zu können, und dazu gehört namentlich auch mein Vetter, Christoph Dillon. Ich sage Euch, Ihr Herren, wenn die königlichen Waffen erst diese Rebellion vertilgt haben; so werden die Minister Sr. Majestät einsehen, wie die Würde eines Pairs auf die Kolonieen auszudehnen sey, um loyale Beiläufig bemerken wir, daß damals mit dem Worte Loyal so viel Mißbrauch getrieben wurde, wie mit manchem andern jetzt. Je schändlicher Einer in jener Zeit gegen die Amerikaner handelte, für desto loyaler galt er an Georg's III. Hofe. D. Ueb. Unterthanen zu belohnen und künftige Treulosigkeit zu verhüten, und in dem Falle hoffe ich, ihn mit dem Hermelinmantel über dem eines Pairs bekleidet zu sehn.«

Der Kapitain Borroughcliffe wechselte mit dem Dragoner-Offizier gar manchen spottenden Seitenblick, den aber der Oberst viel zu wenig bemerkte, da er den Kopf zu voll mit den Gefangenen und dem Kriege hatte.

»Ja, ja!« sagte der Kapitain, »wir werden durch die Erhöhung des Herrn Dillon's gewaltig erhöht und erbaut werden, ob ich schon noch nicht weiß, welchen Titel er dann annehmen wird.«

»Darüber hab' ich schon viel nachgedacht,« bemerkte sein Wirth, »und bin endlich auf den Gedanken gekommen, er soll die kleine Besitzung, welche er am Pedeeflusse hat, alsdann die Baronie von Pedee nennen.«

»Also Baron dann! Ach,« fuhr Borroughcliffe spöttisch fort. »Der wenige Adel in der neuen Welt wird dann die altmodischen Titel der abgelebten alten Welt verachten, und alle Barone, Grafen und Herzoge zum Teufel jagen. Der unsterbliche Locke hat sich viel Mühe gegeben, Euch mit Titeln nach Maßgabe Eures Landes und Eurer Verhältnisse zu versorgen. Locke hatte in der That für Carolina eine Verfassung entworfen, die lange gegolten hat. D. Ueb. Nun – da ist er ja, der – Cazique von Pedee in eigner hoher Person!«

Während sie so sprachen, ging es immer Treppe hinauf, die zu den Gemächern führte, worin man die Gefangenen zu haben wähnte, und Dillon's nichtssagendes Gesicht schien mit jedem Schritte, daß es weiter ging, von boshafter Freude, dem Abdruck seiner innigen Zufriedenheit, mehr erhellt zu werden. Da mehrere Stunden hingegangen waren; so hatte der Mann, welcher um Griffith's und seiner Freunde Flucht wußte, wiederum die Wache auf dem Saale. Mit dem eigentlichen Verhältnisse recht gut bekannt, lehnte er richtig an der Mauer, und bemühte sich, die gestörte Nachtruhe etwas auszugleichen, indeß ihn die schallenden Fußtritte erinnerten, als aufmerksamer Soldat zu erscheinen.

»Nun, Bursche!« fragte ihn sein Kapitain, »was machen denn Deine Gefangenen?«

»Ich denke, sie schlafen: denn seitdem ich auf den Posten gekommen bin, hab' ich kein Geräusch in diesen Stuben gehört.«

»Die Bursche sind müde, und thun recht, wenn sie in ihren hübschen Quartieren ein Bischen ausruhen. Zieh's Gewehr an, Bursche, und stell' Dich hübsch ordentlich. Marschire nicht, wie ein Krebs, oder ein Korporal von der Landmiliz. Siehest Du nicht einen Cavallerieoffizier heraufkommen? Willst Du Deinem Regimente Schande machen?«

»Ach, Herr Hauptmann!« erwiederte der Soldat leise, »wer weiß, ob ich je wieder gerade stehn kann!«

»Da! kauf' Dir ein neues Pflaster!« erwiederte dieser eben so leise, und steckte ihm einen Schilling in die Hand. »Du hast blos Deine Pflicht zu beobachten!«

»Und die ist, Herr Hauptmann?«

»Zu hören und zu schweigen. – Da kommt der Sergeant. Er wird Dich ablösen!«

Der Haupttrupp blieb an der Treppe. Ein Paar Mann wurden vom Korporal vorgeführt, bis an die Thüre der Gefängnisse, wo die Wache in gehöriger Ordnung abgelöset ward. Jetzt legte Dillon die Hand auf eine der Thüren.

»Schließt hier einmal auf, Sergeant,« sagte er mit boshaftem Ausdrucke. »Der Bauer hier enthält den Vogel, den wir brauchen.«

»Sachte, sachte, Mylord Justizminister und allmächtiger Cazique von Pedee et cetera und so weiter!« fiel der Kapitain ein. »Noch ist die Stunde nicht, wo Ihr bei einem Geschworenengericht von dicken Freisassen den Vorsitz führt. Mit meinen Leuten hat Niemand zu reden, als ich!«

»Der Verweis war derb, das muß ich gestehen!« bemerkte der Oberst, »aber weil es in der Ordnung, und dem Dienste gemäß ist, habe ich nichts dagegen. – Ja, lieber Dillon, das ist so beim Regimente. Sey nicht ungeduldig. Ich hoffe, es kommt die Zeit, wo Du die Wage der Justiz bei manchem Verräther halten, und deine gerechten Hände an ihn legen wirst. Ja, wahrlich, in so einem Falle könnte ich selbst den Henker machen!«

»Ich kann meine Ungeduld zähmen!« erwiederte Dillon mit heuchlerischer Freundlichkeit und Selbstbeherrschung, obschon in seinem Auge wilde Freude sprühte. »Verzeiht, Herr Kapitain, wenn ich in meinem Bestreben, die bürgerliche Behörde in ihre Rechte zu setzen, in die Eurigen griff.«

»Ja seht, Borroughcliffe,« rief der Oberst freudenvoll, »der Bursche ist mit Allem bekannt, was Gesetz und Gerechtigkeit anbelangt. Ein Mann, wie er, kann, denke ich, gar nicht gegen seinen König unloyal werden. Aber das Frühstück wartet. Der Herr Cornet ist diesen Morgen schon tüchtig zugeritten. Lassen wir die Leute vortreten.«

Borroughcliffe winkte dem Sergeanten. Dieser schloß auf. Alle traten in das leere Gemach.

»Euer Gefangener ist fort!« rief der Cornet, nachdem er nur einen Augenblick gebraucht hatte, sich davon zu überzeugen.

»Ach, nicht doch! Um's Himmelswillen nicht!« schrie Dillon, und zitterte vor Wuth, indeß er sein Auge ringsherum gehen ließ. »Hier ist Verrath! Hochverrath gegen den König!«

»Und wem fällt der zur Last, Herr Christoph Dillon?« bemerkte Borroughcliffe mit gerunzelter Stirn, im derben Tone. »Ihr wagt doch nicht, mir oder einem meiner Leute Hochverrath Schuld zu geben?«

Die wilde Hitze des künftigen Pairs schien jetzt von einem der Wuth ganz fremden Gefühl verdrängt zu werden. Er sah die Nothwendigkeit ein, sich zu beherrschen. Ganz umgewandelt war er wieder der vorige, gefällige, einschmeichelnde Patron, um zu antworten!

»Der Oberst Howard wird meine Aufwallung zu würdigen wissen, wenn ich ihm sage, daß dieses Zimmer hier in der vorigen Nacht Lieutnant Eduard Griffith von der Flotte der Rebellen enthielt, welcher seinen Namen und sein Vaterland schändet, und ein Verräther an dem Könige ist.«

»Wie?« rief der Oberst staunend, »Der tolle Jüngling hat es gewagt, St. Ruth's Abtei mit seinen Fußtapfen zu entheiligen? Du träumst, Dillon; zu so Etwas gehört gar zu viel Keckheit!«

»Es scheint doch nicht!« entgegnete der Andere, »denn ob er schon in diesem Zimmer gewiß und wahrhaftig war; so findet er sich doch nicht mehr darin, und aus diesem Fenster, das zwar offen steht, würde er selbst mit Hülfe eines Andern nicht entkommen seyn.«

»Nun, wenn ich glauben könnte,« rief Oberst auf's Neue, »daß der schändliche Bube sich solcher groben Unverschämtheit schuldig machte: ich fühlte mich versucht in meinen alten Tagen, die Waffen wieder zu ergreifen und seine Schamlosigkeit zu bestrafen. Was? Nicht genug, daß er in meine Behausung in der Kolonie eindrang, und die unruhige Zeit benutzte, um mich des kostbarsten Edelsteins, – ja, Freunde, mich meines Bruders Harry's Tochter zu berauben! Er muß auch dieses geheiligte Eiland mit gleichem Vorsatze betreten, und so als Verräther vor dem Auge seines hintergangenen Königs selbst erscheinen? Nein, Dillon, nein! Deine Loyalität gegen den König hat Dich irre geleitet. Dies zu thun, hat er nicht gewagt!«

»So hört und laßt Euch überzeugen!« erwiederte der gefällige Vetter. »Ich wundere mich nicht, daß Ihr so wenig glaubt: aber ein guter Zeuge ist die Seele aller Justiz. Ich kann dessen Werth nicht abläugnen. Ihr wißt, daß zwei Schiffe der Rebellen seit mehreren Tagen an der Küste signalisirt worden sind. Ihrentwegen haben wir den Kapitain Borroughcliffe um seinen Schutz gebeten. Die Beschreibung stimmt zu denen, welche uns in Carolina so beunruhigten. Tags darauf, wo wir die erste Nachricht haben, daß sie in die Bai und Klippen vom Teufelskanal gelaufen sind, werden drei Männer gefunden, die sich in Matrosenkleidung durch die Umgegend schleichen. Man hält sie fest, und ich erkenne an der Stimme des einen gleich auf der Stelle den Verräther Griffith.

Er war verkleidet, und in der That recht gut. Aber ein Mann, der sein ganzes Leben der Erforschung der Wahrheit widmet, ist schwer zu blenden, und wenn die Verkleidung noch so künstlich ist.«

Auf dem Oberst Howard machte das Letztere, mit verstellter Bescheidenheit vorgetragen, großen Eindruck. Die Schlußbemerkung bestätigte ihm die Wahrheit vollkommen. Borroughcliffe horchte aufmerksam, und biß sich mehr als ein Mal unruhig in die Lippen.

»Ich wollte schwören,« sagte er, »der Eine von den Gefangenen wußte mit der Muskete umzugehn.«

»Nichts ist wahrscheinlicher, mein würdiger Freund!« bemerkte Dillon. »Da die Landung doch sicher nicht ohne böse Absicht geschah, kam er auch gewiß nicht ohne Schutz und Wache. Ich behaupte sogar, alle Drei waren Offiziers, und Einer darunter ein Marineoffizier. Daß sie Unterstützung hatten, ist gewiß, und eben weil ich überzeugt war, daß noch geheime Hülfe vorhanden sey, eilte ich nach Verstärkung.«

Dies Alles klang so wahrscheinlich, daß selbst Borroughcliffe überzeugt wurde, und ein Wenig seitwärts ging, seine Unruhe zu verbergen. So nichtssagend sonst auch sein Gesicht war, jetzt fühlte er doch eine gewisse Verlegenheit aufsteigen.

»Das verdammte Doppelthier!« brummte er für sich. »Er war Soldat, aber auch ein Verräther, ein Feind! Nun, der wird eine verfluchte Freude haben, wenn er die rebellischen Ohren seiner Kameraden mit der Erzählung kizzelt, wie er über den Rücken eines Borroughcliffe kalt Wasser geschüttet hat, der ihm so guten, herrlichen Madera-Wein in die rebellische Gurgel goß! Ich möchte bald meinen rothen Rock mit einer blauen Jacke vertauschen, blos um den Schurken auf dem Wasser anzutreffen, und dann in's Reine mit ihm zu kommen. – Nun, Sergeant, sind denn die andern Zwei da?«

»Sie sind auch fort, Herr Hauptmann!« antwortete der Korporal, der eben aus den andern, von ihm visitirten Gemächern zurückkam. »Wenn der Teufel dabei nicht im Spiele war, verstehe ich den Handel nicht.«

»Mein Oberst,« sagte Borroughcliffe feierlich, »Euer köstlicher Madera-Wein muß von der Tafel verbannt seyn, bis ich volle Rache habe. Denn mir kommt es zu, für diesen Schimpf Genugthuung zu fordern, und ich will sie augenblicklich suchen. Drill, geh'! Eine Wache suche für's Haus hier heraus. Die andere Mannschaft soll frühstücken, und dann laß Generalmarsch schlagen. Wir wollen in's Feld rücken. Ja, mein würdiger Oberst, zum ersten Male seit dem Tage des unglücklichen Karl Stuart soll wieder im Herzen von England ein Feldzug eröffnet werden!«

»Rebellion, Rebellion, grausame, unnatürliche, unheilige Rebellion verursachte damals das Elend, und jetzt!« rief der Oberst.

»Wär' es nicht besser, ich ließ meine Leute und Pferde ein Wenig abfüttern, und dann einen Streifzug an der Küste machen?« fragte der Cornet. »Vielleicht bin ich so glücklich, auf einige der Flüchtlinge, oder einen Theil ihrer Partei zu treffen.«

»Ihr habt meine Gedanken errathen!« erwiederte Borroughcliffe. »Der Cazique von Pedee kann die Thore von St. Ruth zuschließen. Wenn er die Fenster verrammelt, die Bedienten bewaffnet, kann er sich gegen jeden Angriff gut vertheidigen, falls sie etwa einen Sturm auf unser Schloß beabsichtigen sollten. Hat er sie zurückgeschlagen; so soll es meine Sache seyn, ihnen den Rückzug abzuschneiden.«

Dillon wollte von dem Vorschlage nicht viel hören: denn er meinte, ein Angriff auf die Abtei würde wahrscheinlich von Griffith selbst unternommen, um seine Geliebte zu entführen, und der Mylord Justizminister hatte nicht viel kriegerisches Blut. In der That konnte blos dieser Mangel ihn bestimmen, in der vorigen Nacht selbst fortzueilen, statt zu dem Zwecke einen Boten zu senden. Indessen eine Entschuldigung, um die gefährliche Bestimmung abzuändern, wurde glücklich durch den Oberst Howard unnöthig gemacht: denn dieser rief gleich aus, als Borroughcliffe seinen Plan mitgetheilt hatte:

»Mir kommt es zu, Kapitain, mir liegt es ob, St. Ruth zu vertheidigen; und diese Werke zu erobern, soll kein Kinderspiel seyn! Dillon wird sich lieber im offenen Felde versuchen. Ich kenne ihn. Kommt, laßt uns frühstücken, und dann soll er aufsitzen, die Dragoner auf den schwierigen Küstenpfaden zu führen!«

»Also gefrühstückt!« jubelte der Hauptmann. »Dem Herrn Kommendanten von der Festung trau' ich Alles zu, und im Felde lebe der Kapitain hoch! Nun voran, mein werther Oberst!«

Die Anordnungen zum Essen waren schnell getroffen; nicht weniger schnell ward abgetafelt. Jetzt war in der Abtei ein Leben ohne Gleichen.

Die Truppen wurden gemustert, aufgestellt.

Borroughcliffe kommandirte einen Theil als Wache für das Haus; an die Spitze der Uebrigen stellte er sich selbst; und dann ging es im Doppelschritt hinaus in's Freie. Dillon schwang sich freudig auf eins von den besten Jagdpferden des Obersten, bei dessen Wahl er seine Sicherheit auf gehörige Art berechnet hatte. Sein Busen brannte von mächtigem Verlangen, Griffith zu vernichten: aber er wünschte auch gewaltig, dies zu bewirken, ohne seine Person auf's Spiel zu setzen.

Neben ihm hielt der junge Cornet, in gewohnter Anmuth sich im Sattel wiegend. Er ließ zuerst das Fußvolk abmarschiren, warf noch einen Blick auf seine kleine Mannschaft, und kommandirte dann: Marsch! Die Reiter formirten schnell einen Zug. Der Offizier begrüßte den Obersten; fort ging es, im kleinen Gallop, durch das offene Thor nach der Küste hin.

Der alte Oberst weilte einige Minuten, so lange die Hufschläge zu hören und die funkelnden Waffen zu sehen waren, um den von ihm so oft gehörten Tönen, den immer gern gesehenen Bildern zu lauschen. Dann ging er nicht ohne inneres Wohlbehagen und freudig an das Verrammeln der Fenster und Thüren; fest und muthig entschlossen, im Nothfall die Abtei zu vertheidigen.

Nur eine kleine Stunde lag diese vom Meer entfernt, und unzählige Wege führten durch das Gebiet derselben dahin, welches sich bis an die Küste ausdehnte. Dillon führte seine Partei, bis sie nach einem scharfen Ritte von einigen Minuten den Klippen nahe waren. Hier legte der Cornet seine Reiterei in ein kleines Gehölz. Er selbst ritt mit Dillon vor auf den Rand der steilen, senkrechten Felsen, deren Fuß vom Schaum bespült wurde, obschon die Brandung des Meeres ungleich ruhiger geworden war.

Der Sturm hatte nachgelassen, ehe die Gefangenen entflohen, und wie die Gewalt desselben in Osten allmählich aufhörte, trat ein mäßiger Südwind ein, der längs der Küste wehte. Noch rollte der Ozean mit furchtbaren Wogen. Aber ihre Fläche war glatt; mit jedem Augenblick wurden sie minder hoch und minder schreitend. Umsonst schauten die zwei Reiter in die unermeßliche Wasserfläche, die von dem Glanz der Sonne hell beleuchtet wurde. So eben tauchte diese aus dem Meere herauf. Sie wünschten irgend Etwas, namentlich ein Segel, in der Ferne zu entdecken, um ihren Verdacht bestätigt oder ihren Zweifel gehoben zu sehn. Allein Alles schien während des jüngsten Sturmes die gefährliche Fahrt hier vermieden zu haben, und Dillon wollte eben das Auge von dem leeren Schauplatze abwenden, als sein Blick senkrecht abfiel, und er unten an der Küste etwas sah, was ihn ausrufen ließ:

»Da! da fahren sie! Beim Himmel, sie kommen fort!«

Der Cornet blickte in der Richtung, die ihm des Andern Finger andeutete, und sah, in einer kleinen Entfernung vom Lande, dem Schein nach unter seinen Füßen, ein kleines Boot, gleich einer schwarzen Muschel, auf dem Wasser in den Wellen steigend und fallend. Die Leute darin schienen auf ihren Rudern zu ruhen, und Etwas zu erwarten.

»Das sind sie!« fuhr Dillon fort, »oder, was noch wahrscheinlicher ist, es ist ihr Boot, das sie erwarten, und an's Schiff zurückbringen soll. Eine gewöhnliche Veranlassung würde keinen Seemann bestimmen, in so kleiner Entfernung von der Brandung so unbesorgt zu halten.«

»Ja, was ist da zu machen?« fragte der Cornet. »Meine Pferde holen sie da nicht, und ein Musketenschuß erreicht sie auch nicht. Ein leichter Dreipfünder würde sie recht schön begrüßen.«

Dillon's heißer Wunsch, seinen Feind zu fangen, oder zu verderben, ließ ihn schnell Etwas ersinnen. Nach einem augenblicklichen Nachdenken erwiederte er:

»Die Flüchtlinge sind noch am Lande. Bewahren wir die Küste, stellen wir an gehörigen Orten Wachen aus; so ist ihre Flucht leicht zu verhüten. In der Zwischenzeit reit' ich in gestrecktem Gallop dem nächsten Hafen zu, wo einer von Sr. Majestät Kuttern liegt. In einer halben Stunde kann ich dort und an Bord seyn. Der Wind ist der Richtung günstig. Können wir ihn um jenen Vorsprung herumbringen; so schneiden wir diese Räuber ab, oder segeln sie in den Grund.«

»Nun, fort dann!« rief der Cornet, dessen jugendliches Blut nach Kampf lechzte. »Zum Mindesten treibt Ihr sie nach der Küste zu, und dann will ich mit ihnen anbinden.«

Er hatte noch nicht das letzte Wort gesprochen, und schon war ihm Dillon, der wüthend längs den Küsten hinjagte, aus dem Gesichte. Er verschwand in einem dicken Gehölz am Wege. Die Loyalität, mit der der junge Mann dem Könige zugethan war, hatte auch Etwas von der Rechenkunst aufgenommen. Sie stand in genauer Verbindung mit dem, was er »sich selbst gerecht werden« nannte. Der Besitz von Cecilie Howard und ihrem Vermögen dünkte ihm ein Gewinn, der jeder späteren Erhöhung in den wieder besiegten Kolonieen die Waage halten konnte. Griffith schien ihm dabei das einzige Hinderniß im Wege zu seyn, und so trieb er das Pferd mit dem verzweiflungsvollen Entschlusse an, den jungen Seemann zu vernichten, ehe noch einmal die Sonne wieder aufgegangen sey. Wenn ein Mann auf Böses mit solchem Gefühl, solchen Beweggründen sinnt, wird er selten hinter seinem Ziele zurückbleiben und zu spät kommen. Dillon war daher noch einige Minuten früher, als er den Zwischenraum zu durcheilen versprochen hatte, an Bord der Alacrity.

Der schlichte alte Seemann, welcher diesen Kutter befehligte, hörte mit Ernst seinem Berichte zu. Er besah sich das Wetter, und verglich alles Andere, was mit seiner Pflicht zusammenhieng, wie ein Mann, der nie so viel gethan hatte, um ein großes Vertrauen zu sich selbst zu fassen, und für das Wenige, was er leistete, nur kärglich belohnt worden war.

Indessen Dillon trieb. Das Wetter schien gut. Endlich willigte er ein, und der Kutter ward in Gang gebracht.

An funfzig Mann Besatzung, nicht ohne die Langsamkeit ihres Befehlshabers zu theilen, kamen in Thätigkeit. Als das kleine Schiff die Landspitze umsegelte, hinter der es vor Anker gelegen hatte, wurden die Kanonen gerichtet, und die gewöhnliche Vorbereitung zum etwa nothwendigen Kampfe getroffen.

Dillon war wider seinen Willen genöthigt worden, an Bord zu bleiben. Er sollte den Punkt zeigen, wo die verdächtigen Leute mit ihrem Boote hielten. Als der Kutter in gehöriger Entfernung vom Lande war, segelte er mit frischem Winde längs der Küste so schnell und flink dahin, daß die Unternehmung, für welche er ausgelegt hatte, den besten Erfolg versprach.


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