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I.

 

Soll ich in schönen Träumen mich ergehn?
Und mich in Liebe endlich selbst verlieren?

Addison.

 

 

Der Leser wird schon daran denken, daß die Welt, während der Auftritte, die wir erzählten, nicht still stand. Als die drei Seeleute in eben soviel verschiedene Gemächer gebracht waren, die eine auf der zu allen führenden Gallerie gestellte Schildwache im Auge behielt, war bereits die Nacht weit vorgerückt.

Kapitain Borroughcliffe gab der Einladung des Obersten Howard gern Gehör, als dieser viel zur Entschuldigung des gestörten Thee's vorbrachte, und dagegen zu einem neuen Sturme auf ein Paar Maderaflaschen auffoderte. Dies war ein zu angenehmer Gegenstand für den Erstern, um viel darüber zu streiten, und die Glocke in der Abtei hatte schon manchmal düster an die Vergangenheit erinnert, ehe sie sich trennten.

Dillon war während der Zeit unsichtbar geworden. Der Oberst hatte einen Diener deshalb gefragt, und zur Antwort erhalten, Herr Christoph sey nach einem benachbarten Schlosse geritten, um mit Tagesanbruch der Jagd daselbst beizuwohnen. Während indessen die beiden Herren im Speisezimmer der Flasche zusprachen, und über ältere Zeiten, so wie manche Strapazen wacker lachten, fielen in den übrigen Theilen des Hauses zwei besondere Auftritte vor.

Alles war bereits still und ruhig in der Abtei. Nur der Wind heulte manchmal, oder das lange, laute Lachen der beiden Trinkgenossen hallte durch die Gänge wieder. Da öffnete sich leise eine Thüre in einer der Gallerieen des »Klosters«. Katharine Plowden schlüpfte, in einen Mantel gehüllt, mit einer Lampe heraus, die ihr mattes Licht auf die düstern Wände warf und hinter ihr Alles finster ließ. Bald folgten ihr zwei andere weibliche Gestalten, auf gleiche Weise gekleidet, auf gleiche Weise mit Licht versehn. Als Alle im Corridor waren, schloß Katharine die Thüre ohne Geräusch zu, und stellte sich an die Spitze, um sie zu leiten.

»Still!« sagte Cecilie leise und mit zitternder Stimme. »Noch sind sie im andern Flügel munter, und wäre Deine Meinung richtig; so würde unser Besuch Alles verrathen und das sichere Verderben herbeiführen.«

»Ist es denn so selten, so sonderbar, den Obersten bei der Flasche lachen zu hören, daß Du daran nicht denkst?« versetzte Katharine etwas hitzig. »Oder vergißt Du, daß ihm bei solchen Gelegenheiten selten Ohren zu hören und Augen zu sehen bleiben? Komm! Wie ich vermuthe, so ist es. Es ist unmöglich, daß dem nicht so sey. Und wenn wir nichts thun, sie zu retten; so sind sie verloren, vorausgesetzt, daß sie keinen tiefern Plan haben, als wir sehen.«

»Einen gefährlichen Gang wagt Ihr Beide!« setzte Alix Dunscombe in sanftem Tone hinzu. »Doch Ihr seid jung und darum leichtgläubig.«

»Wenn Du unsern Besuch mißbilligst;« sagte Cecilie, »so taugt er nichts, und wir thun besser, umzukehren.«

»Nein, nein; ich habe nichts gesagt, um Euch Euer Abenteuer abzurathen. Hat Gott das Leben der Männer in Eure Hände gelegt, die Ihr zu lieben und zu achten gelernt habt, wie das Weib einem Manne zugethan seyn soll, so that er es nicht ohne Ursache. Bring' uns an ihre Thüren, Katharine. Wir wollen mindestens unsere Zweifel lösen.«

Das muthige Mädchen wartete auf keine zweite Aufforderung. Sie führte sie mit schnellem, flüchtigem Schritte über den Corridor bis zu Ende desselben, wo sie auf einer engen Wendeltreppe in eine Halle hinabstiegen. Hier ward eine kleine Thür geöffnet, und sie traten ins Freie, auf einen Rasenplatz, der zwischen dem Gebäude und seinem Lustgarten lag. Rasch eilten sie darüber hin, die Lampen verbergend und sich zusammenhüllend, da der Wind von der See schneidend daher blies. Bald kamen sie an ein unscheinbares Nebengebäude, dessen unbedeutendes Aeußere nur durch die vollendetern Theile des Hauptgebäudes verdeckt war, und in dieses gingen sie ein, indem ein Thor halb offen stand, als sey es absichtlich.

»Chloe hat meinen Befehlen gehorcht!« lispelte Katharine, als sie aus der kalten Luft kamen. »Wenn alle Bedienten schlafen, wird unsere Hoffnung, unentdeckt zu bleiben, zur Gewißheit.«

Sie mußten nun durch die Vorhalle gehen, und es geschah, ohne gesehn zu werden, da hier nur ein alter Neger, zwei Schritte von der Klingel entfernt, im festen Schlafe lag. Von nun an ging es durch ein Labyrinth von Gallerieen, die Katharinen eben so bekannt, als ihren Freundinnen fremd waren, bis sie endlich eine andere Treppe fanden, welche erstiegen wurde. Jetzt standen sie den Gefängnissen nahe, und schauten umher, ob und welche Schwierigkeit ihrem fernern Beginnen im Wege stehe.

»Ach, jetzt scheint die Sache verloren!« sagte Katharine leise, als sie so am Ende des ungeheuer langen, engen Ganges in Finsterniß gehüllt, da standen. »Hier ist eine Schildwache auf dem Gange, statt daß sie, wie ich glaubte, unter den Fenstern seyn sollte.«

»Wir wollen lieber wieder umkehren!« entgegnete Cecilie eben so leise. »Ich habe vielen Einfluß auf den Onkel, wenn er auch manchmal böse auf uns scheint. Morgen werde ich Alles aufbieten, ihn zu bereden, die Leute freizulassen, und sie nur zum Versprechen anzuhalten, solche Streiche nicht wieder zu machen.«

»Morgen früh ist's zu spät!« entgegnete Katharine. »Der Satan, Christoph Dillon, ist unter dem Vorwande, der großen Jagd beizuwohnen, fortgeritten. Aber ich verstehe mich auf seinen boshaften Blick zu gut, um darüber getäuscht zu werden. Er schweigt, um ganz sicher zu gehn. Wenn der Morgen tagt, und Griffith noch hier ist, bringt man ihn auf's Schaffot!«

»Schweig!« unterbrach sie Alix Dunscombe mit sonderbarer Unruhe. »Vielleicht sind wir mit der Schildwache glücklich!«

Und mit diesen Worten ging sie vorwärts. Kaum hatten sie einige Schritte gethan, als der Soldat gellend anrief.

»Jetzt ist keine Zeit zu verlieren;« lispelte Katharine den Freundinnen zu.

»Wir sind die Damen von der Abtei, und wollen sehen, ob Alles in Ordnung ist!« sagte sie zum Soldaten. »Sonderbar ist es, daß wir, indem wir in unsern Wohngebäuden wandern, auf bewaffnete Leute stoßen!«

Der Soldat zog achtungsvoll sein Gewehr an, und erwiederte:

»Ich habe Befehl, die Thüren der drei Stuben zu bewachen. Wir haben Gefangene darin. Außerdem werde ich nach allen meinen Kräften zu Diensten stehen.«

»Gefangene?« rief Katharine, und stellte sich, als staune sie. »Wie? Macht Kapitain Borroughcliffe aus St. Ruth's Abtei ein Gefängniß? Was haben denn die armen Leute gethan?«

»Ich weiß es nicht, Mylady; aber da sie Matrosen sind, vermuthe ich, sie seien aus dem Dienste Sr. Majestät entwichen.«

»Sonderbar, wahrhaftig! Nun, warum sind sie denn nicht in das gewöhnliche Gefängniß der Grafschaft geschickt worden?«

»Das muß doch näher untersucht werden!« nahm Cecilie das Wort, und schlug den Mantel zurück. »Als Herrinn vom Hause muß ich wissen, wen seine Mauern beherbergen. Ihr werdet mir einen Gefallen thun, wenn Ihr aufschließt: denn ich sehe, die Schlüssel hängen an Eurem Gürtel.«

Die Schildwache zauderte. Die Schönheit und Rede der Sprecherinn hatten ihn sehr eingeschüchtert. Aber eine innere Stimme erinnerte ihn an seine Schuldigkeit. Indessen ein glücklicher Gedanke brachte ihn aus der zweifelhaften Lage heraus. Er konnte der Dienstpflicht und dem Wunsche, oder besser dem Befehle der Lady gehorchen.

»Hier sind die Schlüssel!« erwiederte er. »Mein Befehl lautet, die Gefangenen nicht herauslassen, aber Keinen abzuhalten, der hinein will. Wenn Ihr mit ihnen gesprochen habt; so seid so gut, die Schlüssel mir wieder zuzustellen, wär' es auch nur, die Augen eines armen Burschen zu schonen: denn bis die Thüre wieder verschlossen ist, darf ich nicht einen Augenblick davon wegsehen!«

Cecilie versprach das gern, und als sie mit zitternder Hand den einen Schlüssel versuchte, hielt sie Alix zurück, um selbst mit der Wache zu reden.

»Nicht wahr, es sind Drei?« fragte sie. »Sind sie bejahrt?«

»Nein, Milady, lauter dienstfähige Bursche, die nichts Besseres thun konnten, als Sr. Majestät dienen, oder vielmehr nichts Schlechteres, als ihrer Fahne entlaufen.«

»Nun, sind sie sich denn an Jahren und Gestalt gleich? Ich frage blos, weil ich einen Freund habe, der manche Knabenpossen gemacht hat, und unter andern auch zu Schiffe gegangen ist.«

»Ein Knabe ist nicht darunter. In der dritten Stube da hinten ist ein derber Kerl, der wie ein Soldat aussieht und ein Dreißiger seyn kann. Der Kapitain meint, er habe schon die Muskete getragen. Auf ihn soll ich ein besonderes Auge haben. Dann daneben ist ein so hübscher, junger Mensch, wie man ihn nur gern sehn mag, und mich macht's traurig, wenn ich an sein Geschick denke, falls er vom Schiffe desertirt ist. Hier gleich ist ein kleiner untergesetzter Mann. Er paßte besser zum Prediger, als zum Matrosen oder Soldaten, denn er hat so einen gewissen Anstand.«

Alix hielt einen Augenblick die Hand vor die Augen. Dann hatte sie sich gefaßt.

»Güte vermag bei den Menschen, die unglücklich sind, oft mehr, als Furcht!« sagte sie. »Hier ist eine Guinee. Geht an's Ende des Gangs, wo Ihr, wie hier, Alles sehn könnt. Wir wollen hineingehen, und sie zu bereden suchen, Alles zu gestehen.«

Der Soldat nahm das Goldstück, und sah erst etwas ungewiß herum. Dann aber willigte er doch ein. Es war ihm klar, daß eine Flucht anders, als die Treppe hinab, unmöglich sey. Als er zu weit war, um die Mädchen verstehen zu können, drehte sich Alix zu ihren Freundinnen. Eine leichte fieberhafte Röthe überzog ihre Wangen, als sie sprach:

»Es wäre Thorheit, wollte ich’s Euch verbergen, daß ich hier den Mann zu finden erwarte, dessen Stimme ich gestern Abend in der That gehört haben muß. Nicht eingebildete Töne waren es, wie ich thöricht, wenn auch nicht sündlich, vermuthete. Ich hielt ihn für todt. Jetzt glaub' ich, er sey in diesem unnatürlichen Kriege ein Streitgenosse der rebellischen Amerikaner. O! schilt nicht, Katharine. Bedenke, daß ich auf dieser Insel geboren bin. Ich komme nicht hieher, meinem eitlen, schwachen Herzen zu fröhnen, liebe Cecilie, sondern nur Menschenblut zu sparen.«

Sie hielt inne.

»Gott allein kann wissen, wie diese Zusammenkunft endigen wird!« setzte sie dann leise hinzu.

»Geh, geh!« munterte Katharine sie auf, die im Stillen eine Freude über den Entschluß der Freundinn hatte. »Wir wollen indessen das Verhältniß der andern erforschen.«

Alix drehte den Schlüssel um, und öffnete sacht die Thüre. Sie bat die Freundinnen, beim Fortgehn anzupochen, und verschwand in das Zimmer.

Cecilie und ihre Base gingen an die nächste Thüre, die sie schweigend öffneten, und dann ebenfalls eintraten.

Katharine Plowden hatte die Vorkehrung des Obersten Howard so weit ausgeforscht, daß sie wußte, es seyen für die Gefangenen Decken bereitet worden. Andere Bequemlichkeiten hielt er bei Leuten, die gewohnt schienen, meistens Bett und Pfühl auf dem Boden eines Schiffes zu finden, für unnöthig.

Die Mädchen fanden daher den jungen Seemann, den sie suchten, in eine rauhe Decke gehüllt, auf einem nackten Brete ausgestreckt, und in tiefen Schlaf versunken. Sie traten so furchtsam auf, hatten beim Aufschließen so wenig Geräusch gemacht, daß sie an seiner Seite standen, ohne seinen Schlummer gestört zu haben. Sein Kopf ruhte auf einem Klotze. Die eine Hand schützte ihn gegen die rauhe Fläche desselben, und die andere war im Busen, wo sie einen Dolch halb umschlossen hielt. So fest er aber auch schlief; doch war darin etwas Unnatürliches und Unruhiges. Sein Athem ging ängstlich und schnell. Manchmal ließ er undeutliche Worte ohne Zusammenhang hören. Der Augenblick war da, wo Ceciliens Charakter ganz umgewandelt zu seyn schien. Bis jetzt hatte sie sich von ihrer Base leiten lassen, deren Thätigkeit und Muth so trefflich zu einer Führerinn paßte. Jetzt eilte sie Katharinen voraus, und hielt die Lampe, daß sie das Gesicht des Schlafenden beleuchtete, indeß sie sich beugte, und mit forschendem Blicke seine Züge musterte.

»Hab' ich recht?« lispelte Katharine zu ihr.

»Gott schütze ihn nach seiner unendlichen Barmherzigkeit, und habe Mitleiden mit ihm!« erwiederte Cecilie leise, und am ganzen Körper zitternd, als die Gewißheit, Griffith sey hier, ihre Seele ergriff. – »Ja, Katharine, er ist es. Blinde Unbesonnenheit hat ihn hergebracht. – Doch die Zeit ist dringend. Er muß aufgeweckt und seine Flucht um jeden Preis bewirkt werden.«

»Nun, so steh' nicht länger an. Mache ihn munter!«

»Griffith! Eduard Griffith!« rief Cecilie sanft. »Griffith wach' auf!«

»Du rufst umsonst so. Sie schlafen unter Stürmen und beim Brausen des Meeres. Aber ich habe gehört, die leiseste Berührung bringt sie zur Besinnung!«

»Griffith!« wiederholte Cecilie, und legte zagend ihre kleine Hand auf die seinige.

Der Blitz fährt nicht schneller herab, als der junge Mann auf den Beinen stand. Und kaum war er das, als auch sein Dolch beim Schein der Lampe funkelte, indem er ihn mit der einen Hand heraus zog. Die andere streckte drohend nach seinen Umgebungen ein Pistol aus.

»Zurück!« rief er. »Nur meinen Leichnam könnt Ihr gefangen behalten!«

Sein wilder Blick, sein rollendes Auge, welches Feuer sprühte, schreckten Cecilie, daß sie einige Schritte furchtsam zurücktrat. Endlich warf sie den Mantel weg, und sah ihn mit dem sanften Auge so vertrauensvoll an, wie sie vorher ängstlich gewesen war.

»Eduard!« sagte sie, »ich bin es. Cecilie Howard kömmt, Dich vom Verderben zu retten. Wir haben Dich, trotz Deiner Verkleidung, erkannt.«

Dolch und Pistol entsanken dem jungen Seemann. Sein Blick verläugnete jede Furcht und sprach nur Freude.

»So will mir endlich das Glück wohl!« rief er. »Das ist viel, gute Cecilie, mehr als ich verdiene und erwartete. Doch – Du bist nicht allein?«

»Es ist meine Base Käthchen mit hier. Ihrem durchdringenden Blick verdankst Du es, daß wir Dich erkannten, und gern willigte sie ein, mich zu begleiten, um Deine Flucht in dieser Nacht noch, wenn es nöthig ist, zu bewerkstelligen. Aber es ist grausame Thorheit, Griffith, so das Schicksal zu versuchen.«

»Hab’ ich es denn umsonst versucht? – Miß Plowden, ich muß an Euch appelliren. Antwortet, rechtfertigt mich!«

Katharine schien unwillig. Sie antwortete nicht gleich.

»Ganz zu Befehl, Sir Griffith!« sagte sie endlich. »Ich sehe, der gelehrte Kapitain Barnstable hat nicht nur mein Gekritzel heraus buchstabirt, sondern es auch Andern zum Gebrauch mitgetheilt.«

»O! thut nicht mir und ihm Unrecht!« bat Griffith. »Es war kein Verrath, mich mit einem Plane bekannt zu machen, bei dem ich die Hauptrolle spielen sollte.«

»Ei freilich! Entschuldigungen habt Ihr so geschwind bei der Hand, als Eure Mannschaft;« erwiederte das junge Mädchen. »Aber, wie kommt's denn, daß der Held des Ariel einen Stellvertreter sendet, eine ihm ganz eigenthümlich obliegende Pflicht zu erfüllen? Ist er gewohnt, bei solchen Dingen die zweite Rolle zu übernehmen?«

»Der Himmel verhüte es, daß Ihr von ihm nur einen Augenblick so gering dächtet! Wir sind Euch viel schuldig, aber haben auch noch andere Pflichten. Wir dienen, wißt Ihr, unserm gemeinschaftlichen Vaterlande, und ein Höherer steht über uns, dessen Wink Befehl ist.«

»Eile also, Griffith! da Du noch kannst, dem blutenden Vaterlande zu dienen;« sprach Cecilie, »und haben die vereinten Anstrengungen seiner tapfern Kinder die Fremdlinge von seinem Boden verjagt: dann laß uns hoffen, es komme bald die Zeit, wo Katharine und ich, dem heimischen Herde zurückgegeben werden.«

»Weißt Du auch, wie lange hin Britanniens mächtiger Arm diesen Augenblick hinausdrängen kann? Wir werden siegen. Ein Volk, das für die theuersten Rechte kämpft, muß stets siegen. Aber für ein armes, zerstreutes, von Allem entblösetes Volk ist es nicht das Werk eines Tages, eine Macht, wie die Englands ist, niederzustrecken. Du vergißt, daß Dein Verlangen, Dich mit solcher Aussicht zu verlassen, nichts als Verurtheilung zur hoffnungslosesten Verbannung ist.«

»Wir müssen Gott vertrauen! Wenn er will, Amerika soll nur nach Jahre langen Leiden frei seyn, so kann ich nur mit meinen Gebeten helfen; Du aber, Griffith, hast einen Arm und Erfahrung, die bessere Dienste thun können. Gebrauche beide nicht unnütz, in eingebildeten Plänen; sondern nimm den Augenblick wahr, wie er Dir geboten wird. Eile auf Dein Schiff zurück, wenn es jetzt in Sicherheit liegt. Bemühe Dich, Deine Unbesonnenheit, und für eine Zeitlang das Mädchen zu vergessen, das Dich zu dem Abenteuer verleitete.«

»Auf einen solchen Empfang war ich nicht bereitet!« rief Griffith. »Zwar brachte mich nur der Zufall, nicht bedachter Plan, diesen Abend hierher. Aber doch hoffte ich, nur in Deiner Gesellschaft die Fregatte wieder zu sehn.«

»Mir darfst Du gerechter Weise keinen Vorwurf machen, wenn Du getäuscht bist. Ich habe nicht eine Sylbe geäußert und äußern lassen, die Dich oder sonst Jemand überreden könnte, ich werde meinen Onkel verlassen.«

»Und wirst Du mich für anmaßend halten, wenn ich Dich an die Stunden erinnere, wo Du mich nicht für unwerth hieltest, mir Dich selbst und Dein Glück anzuvertrauen?«

Eine hohe Röthe überflog Ceciliens Antlitz.

»Wohl weiß ich das!« war ihre Antwort. »Aber Du erinnerst mich mit Recht an meine Schwäche. Der Gedanke an jene Thorheit und Unbesonnenheit kann mich jetzt nur in meinem festen Entschlusse bestärken.«

»Nicht doch!« fiel der Liebende ihr schnell in's Wort. »Wenn ich einen Vorwurf beabsichtigte, oder einen anmaßenden Gedanken wagte; so verbanne mich, als Deiner Gunst unwürdig, auf ewig aus Deinen Augen.«

»Beides such' ich weniger in Dir, als ich mich selbst von dem Vorwurf der Schwäche und Thorheit freimachen kann. Indessen es sind manche Dinge seit unserm letzten Beisammenseyn vorgefallen, die wohl eine Wiederholung von unüberlegter Hast auf meiner Seite verhüten können. Eines davon ist« – sie lächelte dabei zärtlich – »ich zähle zwölf Monate mehr, in Betreff des Alters, und hundert mehr in Hinsicht auf Verstand. Dann, und das ist vielleicht noch wichtiger! war mein Onkel damals unter den Freunden seiner Jugend, von Allen umgeben, deren Blut mit dem seinigen vermischt ist. Hier lebt er als Fremdling. Zwar findet er einigen Trost darin, daß er ein Gebäude bewohnt, worin seine Ahnen hauseten. Aber immer wandelt er, wie nicht heimisch, durch die düstern Gänge; und für die Liebe, die Theilnahme Aller, die er von Kindheit an liebte und achtete, findet er in dieser eitlen, äußern Ehre nur dürftigen Ersatz.«

»Und doch ist er den Wünschen Deines Herzens entgegen, Cecilie, insofern mich meine thörichte Eitelkeit glauben läßt, was mich zum Wahnsinn bringen könnte, hörte ich, es sey falsch. In Euern Meinungen über den Staat seyd Ihr nun vollends ganz verschieden. Ich sollte denken, bei einer Verbindung, wo kein einziges Gefühl gemein ist, könne nur wenig Glück genossen werden.«

»Und doch! Und zwar viel Glück! Es gründet sich auf unsere Liebe. Er ist mein guter, theilnehmender, und – reizt ihn nichts Unangenehmes, – nachsichtiger Onkel und Vormund. Ich bin seines Bruders Harry Kind. Dies Band ist nicht leicht zu zerreißen, Griffith, ob ich schon, um Dich nicht ganz ängstlich zu machen, nicht sagen mag, Deine thörichte Eitelkeit habe Dich irre geführt. Aber wahrlich, Eduard, es ist möglich, doppelte Bande zu fühlen, und den Pflichten gegen beide getreu zu bleiben. Ich kann und will nicht einwilligen, meinen Onkel zu verlassen, ihn, der ein Fremdling in dem Lande ist, dessen Rechte er so blind vertheidigt. Du kennst dies England nicht, Geliebter! Es nimmt seine Kinder aus den Kolonieen kalt und mit stolzem Mißtrauen, gleich einer eifersüchtigen Stiefmutter auf, die gegen die Kinder der ihr verhaßten Abkunft mit jeder Gunstbezeugung geizt.«

»Ich kenne England im Frieden und im Kriege!« sagte der junge Seemann auffahrend, »und kann wohl sagen, es ist ein stolzer Freund, ein unversöhnlicher Feind! Aber jetzt kämpft es mit Männern, die nichts von ihm verlangen, als die Gelegenheit und den Kampf auf Leben und Tod. – Doch dieser Entschluß wird Barnstable eine traurige Nachricht seyn.«

»Nein!« sagte Cecilie lächelnd, »für Mädchen, die keinen Onkel haben, wohl aber ein übergroßes Maaß von Haß und Widerwillen gegen dieses Land, dies Volk und seine Sitten besitzen, ob sie gleich von Allem nichts wissen, mag ich nicht Bürge seyn.«

»Ist Miß Howard es überdrüßig, mich unter dem Dache von St. Ruth zu sehn?« fragte Katharine schnell. – »Doch horcht! sind das nicht Fußtritte, die auf der Gallerie ertönen?«

Sie lauschten, ohne Athem zu holen, und hörten ganz deutlich Jemanden kommen. Mehrere Stimmen wurden vernehmlich. Bevor sie noch Zeit hatten, zu überlegen, was das Beste sey, tönten die Worte der Sprechenden vollkommen deutlich außen vor der Thüre des Zimmers:

»Höre, er hat ein militairisches Ansehen, Peter, und das macht ihn was werth. Komm, mach' einmal die Thüre auf!«

»Das ist gar nicht die Stube;« versetzte der Soldat unruhig. »Sein Quartier ist da unten auf der Gallerie.«

»Woher weißt Du denn das, Peter? Komm! Gieb den Schlüssel her und mache auf. Ich kümmere mich nicht darum, wer hier schläft. Wer weiß denn, ob ich sie nicht alle Drei anwerben kann.«

Ein Augenblick von schrecklicher Ungewißheit folgte, als man die Wache endlich auf diesen unausweichlichen Befehl antworten hörte:

»Ich dachte, der Herr Kapitain wollte nur etwa den mit der schwarzen Halsbinde sehn, und so ließ ich die andern Schlüssel am andern Ende der Gallerie hängen.«

»Ei, das ist nichts, Schlingel! Eine Wache muß immer die Schlüssel bei sich haben, wie ein Gefängnißwärter. Komm und laß mich den Kerl sehen, der so gut rechtsum macht.«

Katharinens Herz klopfte endlich schwächer.

»Das ist Borroughcliffe!« sagte sie. »Er hat zu viel getrunken, um den Schlüssel an unserer Thüre zu sehn. Aber was ist nun zu thun? Wir haben nur einen Augenblick zu überlegen?«

»Wenn der Tag graut,« sagte Cecilie, »sende ich, unter dem Vorwande, daß Ihr Frühstück bekommt, meine Wärterinn selbst zu Euch.« –

»Wegen meiner Sicherheit,« bemerkte Griffith, »seyd unbesorgt. Ich denke kaum, daß man uns festhalten wird. Wär’ es aber; so ist Barnstable mit einer Mannschaft bei der Hand, die diese Rekruten nach allen vier Winden zerstreuen würde.«

»Ach das würde zu blutigen Auftritten führen!« rief Cecilie bebend.

»Horch!« lispelte Katharine. »Sie kommen wieder!«

Ein Mann kam in der That gegen die Thüre, die leise aufgemacht wurde. Die Schildwache guckte herein.

»Kapitain Borroughcliffe macht die Runde,« sagte der letztere, »und für funfzig Guineen möcht' ich Euch keine Minute länger hier lassen!«

»Nur noch ein Wort!« sagte Cecilie.

»Nicht eine Sylbe, Mylady: es gilt mein Leben!« entgegnete die Wache. »Die Dame aus dem andern Zimmer wartet schon Eurer. Einem armen Kerl zu gefallen, geht, woher Ihr gekommen seyd!«

So einer Aufforderung war nicht zu widerstehen, und sie fügten sich.

»Ich werde Euch Morgen früh zu essen schicken, junger Mann,« sprach Cecilie, als sie aus dem Zimmer trat, »und dann sagen lassen, was ihr für Eure Gesundheit zu thun habt.«

Auf der Gallerie fanden sie Alix Dunscombe, die sich in ihren Mantel gehüllt hatte. Sie seufzte tief, und schien durch die gehabte Zusammenkunft auf’s Aeußerste beunruhigt.

Wahrscheinlich wird der Leser gern wissen wollen, was das gutmüthige Mädchen so verstimmen konnte. Wir wollen daher den Gang der Geschichte etwas unterbrechen, um dem Wesentlichen nach mitzutheilen, was sich zwischen ihr und dem Manne ereignete, den sie aufsuchte.


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