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XXVIII

 

Wer weiß es, was die Jungfrau fühlt,
Allein im Augenblick der Schrecken –
Ob Irrsinn ihr Gehirn durchwühlt,
Ob Himmelsmächte Kräfte wecken,
Wo eigne nimmermehr erklecken.

Scott

 

Während diese Jagd auf dem See vor sich ging, setzten Miss Temple und Luise Grant ihren Spaziergang ins Gebirge fort. Man hielt bei solchen Ausflügen männliche Begleitung für unnötig; denn man wußte wohl, daß niemand ein achtbares Frauenzimmer belästigen würde. Nachdem also die Verlegenheit, welche eine Folge der letzten Besprechung mit Edwards gewesen, sich gelegt hatte, ergingen sich die Mädchen in einer ihrem Charakter entsprechenden, harmlosen und heiteren Unterhaltung.

Der Pfad führte sie in nur kurzer Entfernung über Lederstrumpfs Hütte hin, bei welcher Gelegenheit sie auf eine Stelle trafen, von der aus sich ihnen eine Vogelperspektive über diesen abgeschiedenen Ort auftat.

Infolge eines ebenso natürlichen wie mächtigen Gefühls hatte es keine der beiden Freundinnen je gewagt, in ihren häufigen vertraulichen Gesprächen nur eine Silbe über die zweideutige Stellung zu äußern, in welcher der junge Mann, der nun in so inniger Verbindung mit ihnen stand, gefunden worden war. Mochte es auch dem Richter Temple klug gedünkt haben, um seinetwillen Nachfragen anzustellen: jedenfalls hatte er es passend gefunden, das Ergebnis derselben für sich zu behalten, obgleich es wiederum kein ungewöhnliches Ereignis war, wohlerzogene junge Leute aus den östlichen Staaten in jeder Stellung, die ein Auskommen versprach, zu finden, so daß die augenscheinliche Armut des mit Kenntnissen gut ausgestatteten Jünglings zu solch einer Zeit und in einem solchen Landstrich kein besonderes Aufsehen erregen konnte. Nicht ganz so stand es jedoch hinsichtlich seiner Erziehung und Abkunft; aber Edwards hatte sich hier durch sein abgemessenes, hin und wieder sogar barsches Benehmen gegen zudringliche Fragen so wirksam geschützt, daß der Richter, als sich seine Sitten mit der Zeit zu mildern schienen (wenn ihm dieser Umstand überhaupt auffiel), recht wohl auf die Vermutung kommen konnte, es sei dies das Ergebnis der Verhältnisse, in welchen der junge Mann in der letzten Zeit gelebt hatte. Das Weib hat aber in solchen Dingen immer ein schärferes Auge als der Mann, und was der Vater in seiner Zerstreutheit übersah, entging den Blicken der Tochter nicht. An tausend kleinen Artigkeiten, wie sie der Verkehr unter gebildeten Ständen mit sich bringt, hatte sie früh entdeckt, daß diese Umgangsformen Edwards nicht fremd waren, obgleich die Anzeichen einer feineren Erziehung durch Härten getrübt wurden, die sie als ungestüme Ausbrüche wilder Leidenschaftlichkeit betrachtete. Es ist wahrscheinlich nicht nötig, dem Leser zu bemerken, daß Luise Grant bei ihrem Urteil nicht den Maßstab der Welt zur Richtschnur wählte. Gleichwohl machte sich aber das sanfte Mädchen doch ihre Gedanken über die Sache und zog daraus wie andere ihre Schlüsse.

»Ich wollte alle meine anderen Geheimnisse darum geben, Luise«, rief Miß Temple mit einem Blick kindlicher Einfalt, wie er sich nur selten in ihren geistreichen Zügen ausdrückte, indem sie lächelnd ihre dunklen Locken aus der Stirn schüttelte, »wenn ich wüßte, was diese rohen Holzpflöcke gehört und mitangesehen haben.«

Sie sahen in diesem Augenblick nach der abgeschiedenen Hütte hinunter, und Miss Grant erhob ihr schönes, blaues Auge, während sie antwortete:

»Ich bin überzeugt, daß Sie nichts zum Nachteil des Herrn Edwards aussagen würden.«

»Vielleicht nicht, aber Sie könnten uns wenigstens sagen, wer er ist.«

»Ei, liebe Miss Temple, das wissen wir ja bereits. Ich habe Ihren Vetter alles so gründlich auseinandersetzen hören –«

»Das Haupt der vollziehenden Gewalt? – Ja, der kann freilich alles erklären. Sein Scharfsinn wird dieser Tage noch den Stein der Weisen auffinden. Aber wie lautete seine Ansicht?«

»Seine Ansicht?« wiederholte Luise mit einem Blick der Verwunderung. »Nun ja, mir schien alles befriedigend, und ich glaubte nicht anders, als daß es sich wirklich so verhielt. Er sagte, Natty Bumppo habe den größten Teil seines Lebens in den Wäldern und unter den Indianern zugebracht, wovon die Folge gewesen, daß er eine vertraute Bekanntschaft mit dem alten John, dem Delawarenhäuptling, anknüpfte.«

»In der Tat, das ist eine Erzählung ganz in Vetter Dicks Weise. Aber was weiter?«

»Ich glaube, er leitete die Freundschaft der beiden von einer Schlacht ab, in welcher Lederstrumpf Johns Leben rettete.«

»Nichts ist leichter möglich«, versetzte Elisabeth etwas ungeduldig, »aber wie gehört all dies zur Sache?«

»Ach, Elisabeth, Sie müssen Geduld haben mit meiner Unwissenheit; Sie sollen dann alles hören, was ich noch im Gedächtnis behalten habe; denn ich habe keine weitere Quelle als das, was zwischen dem Sheriff und meinem Vater bei ihrer letzten Zusammenkunft gesprochen wurde. Er sagte noch weiter, es wäre bei den Königen von England üblich gewesen, Leute von Stand, bisweilen auch Offiziere aus der Armee, als Agenten unter die verschiedenen Indianerstämme zu schicken, und diese Sendlinge hätten nicht selten die Hälfte ihres Lebens in der Wildnis zugebracht«

»Mit wunderbarer geschichtlicher Genauigkeit erzählt! Und schloß er hiermit seine Geschichte?«

»Oh, nein! – Er sagte dann, diese Agenten hätten selten geheiratet, und – und – sie müssen schlimme Menschen gewesen sein, Elisabeth! Aber ich kann Ihnen versichern, daß er so sagte.«

»Gleichviel«, entgegnete Miss Temple, indem sie errötete und lächelte, aber nur so leicht, daß ihre Gefährtin weder das eine noch das andere gewahr werden konnte. »Übergehen Sie das!«

»Nun, dann erzählte er, sie hätten sich's oft zur Ehrensache gemacht, ihre Kinder gut zu erziehen und dieselben nach England, ja sogar auf Hochschulen zu schicken. Und von einem solchen Umstand leitet er die Bildung ab, die Herr Edwards genossen; denn er gibt zu, daß der fast so viel wisse wie Ihr Vater – der meinige – oder gar er selbst«

»Eine wundervolle Steigerung der Gelehrsamkeitsgrade! Und so machte er wohl Mohegan zu dem Großoheim oder Großvater von Oliver Edwards?«

»Sie haben das wohl von ihm selbst gehört?« erwiderte Luise.

»Etwas Ähnliches wohl zum öfteren, nur nicht gerade über diesen Gegenstand. Sie wissen, meine Liebe, daß Herr Jones für alles gleich eine Theorie bereit hat. Weiß er aber auch zu erklären, warum diese Hütte die einzige Wohnung im Umkreis von fünfzig Meilen ist, deren Tür sich nicht jedem öffnet, der auf die Klinke drücken will?«

»Ich habe ihn nie über diesen Gegenstand sprechen hören«, antwortete die Tochter des Geistlichen, »aber ich denke, es ist deshalb so, weil sie arm und daher ganz natürlich sehr besorgt sind, ihr kleines, ehrlich erworbenes Eigentum zu erhalten. Es ist bisweilen gefährlich, reich zu sein, Miss Temple; aber Sie können nicht wissen, was es heißt, wenn man so recht arm ist.«

»Dies wird auch bei Ihnen nicht der Fall sein, Luise? Wenigstens hoffe ich, daß in diesem Land des Überflusses kein Diener der Kirche völligen Mangel zu leiden hat.«

»Wo Vertrauen zum Schöpfer ist, kann keine wirkliche Not Platz greifen«, erwiderte die andere in leisem und ergebungsvollem Ton, »doch gibt es Entbehrungen, die das Herz schwer ankommen.«

»Sie reden doch nicht von sich selbst?« rief Elisabeth hastig. »Nein, nein, meine Liebe, Sie können unmöglich das Elend erfahren haben, das von der Armut begleitet ist!«

»Ach, Miss Temple! Sie kennen, wie mir scheint, die Mühseligkeiten dieses Lebens wenig. Mein Vater hat viele Jahre als Missionar in diesen neuen Landen zugebracht, wo seine Gemeinde so arm war, daß es uns oft an trockenem Brot gebrach, ohne daß wir imstande gewesen wären, welches zu kaufen; und betteln wollte er nicht, weil er seinen heiligen Beruf nicht entehren mochte. Aber wie oft habe ich ihn sein Haus verlassen sehen, während seine kranken und hungrigen Angehörigen bei seinem Fortgang fühlten, daß sie ihren einzigen Erdenfreund verloren; und doch tat er dies, weil er seine Pflicht wegen häuslichen Notstandes nicht versäumen mochte. Ach, wie schwer muß es sein, anderen Trost zu bringen, wenn das eigene Herz vor Kummer brechen will!«

»Aber es ist jetzt doch alles vorüber! Ihres Vaters Einkommen muß nun seinen Bedürfnissen entsprechen, es muß – es soll – –«

»Ja«, entgegnete Luise, indem sie das Haupt sinken ließ, um die Tränen zu verbergen, die trotz ihres ergebungsvollen Sinnes ihren Augen entströmten, »denn es ist niemand übriggeblieben, den er zu ernähren hätte, als ich.«

Mit dieser Wendung des Gesprächs verdrängte eine heilige Rührung alle anderen Gedanken aus den Gemütern der jungen Mädchen, und Elisabeth schloß ihre Freundin in die Arme, als diese ihrem Schmerz durch ein hörbares Schluchzen Luft machte. Nachdem sich dieser Gefühlsausbruch gelegt hatte, erhob Luise ihr sanftes Antlitz, und sie setzten schweigend ihren Spaziergang fort.

Sie hatten indessen die Spitze des Berges erreicht, wo sie die Straße verließen und unter dem Schatten der stattlichen Bäume weitergingen. Der Tag war warm, und die Mädchen gingen immer tiefer in den Wald, da die belebende Kühle des Dickichts in angenehmem Gegensatz zu der Hitze stand, der sie beim Bergansteigen ausgesetzt gewesen waren. Die Unterhaltung beschränkte sich, als geschehe es in wechselseitiger Übereinkunft, ganz auf das, was ihnen ihr Spaziergang bot, und jede hohe Fichte, jedes Gebüsch und jede Blume entlockte ihnen irgendeinen einfachen Ausdruck der Bewunderung.

In dieser Weise wandelten sie am Felsenrande hin, indem sie gelegentlich Blicke nach der ruhigen Fläche des Otsego warfen oder innehielten, um auf das Rasseln der Räder und die Schläge der Hämmer zu horchen, die vom Tal herauftönten und die Anzeichen menschlichen Treibens in die Natureindrücke mischten, als Elisabeth plötzlich mit dem Aufruf zusammenfuhr:

»Horch! Ich höre ein Kind auf diesem Berg schreien. Ist etwa eine Lichtung in der Nähe? Oder sollte vielleicht ein Kleines von seinen Eltern fortgelaufen sein und sich verirrt haben?«

»So etwas kommt oft vor«, versetzte Luise. »Wir wollen den Tönen nachgehen. Vielleicht ist' s ein Wanderer, der in den Bergen verschmachtet.«

Durch diesen Gedanken angetrieben, folgten die Mädchen mit raschen und ungeduldigen Schritten den dumpfen und kläglichen Tönen, die aus dem Walde hervordrangen. Mehr als einmal stand die voraneilende Elisabeth im Begriff auszurufen, sie sehe den Notleidenden, als plötzlich Luise ihren Arm erfaßte und mit dem Ausrufe hinter sich wies: »Sehen Sie Ihren Hund an!«

Brave war, seit ihn die Stimme seiner jungen Gebieterin aus der Hütte gelockt hatte, bis auf diesen Augenblick nicht von ihrer Seite gewichen. Sein vorgerücktes Alter hatte ihn schon längst seiner Rührigkeit beraubt, und wenn die beiden Mädchen haltmachten, um die Landschaft zu betrachten oder ihre Blumensträuße zu vergrößern, so pflegte sich der mächtige Bullenbeißer auf die Erde zu legen, indem er mit halbgeschlossenen Augen und einer Trägheit in seinem ganzen Wesen, die übel zu dem Charakter eines Beschützers paßte, ihre Bewegungen beobachtete. Als aber Miss Temple bei Luises Ausruf sich umwandte, bemerkte sie, daß der Hund seine Augen scharf auf irgendeinen fernen Gegenstand heftete, während er den Kopf zur Erde senkte und seine Haare, sei es nun aus Furcht oder Zorn, sich sträubten. Wahrscheinlich war das letztere der Fall; denn er ließ ein dumpfes Knurren vernehmen, wobei er hin und wieder in einer Weise, die seine Gebieterin erschreckt haben würde, wenn sie nicht die guten Eigenschaften des Tieres gekannt hätte, die Zähne zeigte.

»Brave!« rief sie ihm zu. »Sei ruhig, Brave! Was siehst du, alter Bursche?«

Bei dem Ton ihrer Stimme mehrte sich augenscheinlich die Wut des Bullenbeißers, statt sich zu mindern. Er eilte vor die Damen hin, legte sich seiner Gebieterin zu Füßen, heulte noch lauter als vorher und machte hin und wieder seinem Zorn durch ein kurzes, bissiges Bellen Luft.

»Was mag er wohl sehen?« sagte Elisabeth. »Da muß irgendein Tier in Sicht sein.«

Da Miss Temple keine Antwort von ihrer Gefährtin erhielt, so wandte sie den Kopf herum und erblickte Luise, die mit leichenblassem Gesicht dastand und unter krampfhaftem Zittern ihres Armes mit dem Finger in die Höhe deutete. Elisabeths rasches Auge folgte der von ihrer Freundin angedeuteten Richtung und gewahrte die stolze Stirn und die funkelnden Augen eines Pantherweibchens, welches, zum Sprung bereit, grimmige Blicke nach ihnen schoß.

»Laß uns fliehen«, rief Elisabeth, indem sie Luises Arm ergriff, deren Körper gleich schmelzendem Schnee zusammenbrach.

Es lag nicht der mindeste Zug in Elisabeth Temples Charakter, der sie hätte veranlassen können, eine Freundin in einer solchen Not zu verlassen. Sie fiel neben der leblosen Luise auf ihre Knie nieder und lüftete instinktiv und rasch diejenigen Teile der Bekleidung ihrer Gefährtin, die dem Atmen Eintrag tun konnten, indem sie zugleich ihre einzige Sicherheitswache, den Hund, durch die Töne ihrer Stimme zu ermutigen suchte.

»Halte dich wacker, Brave!« rief sie in bebenden Lauten. »Mut, Mut, guter Brave!«

Ein junger Panther, der bisher Elisabeths Blicken entgangen war, kugelte nun aus den Zweigen eines Gesträuchs herunter, das im Schatten der dem alten Tier zum Sitz dienenden Buche wuchs. Das unerfahrene Geschöpf näherte sich dem Hunde, indem es die Gebärden und Töne seiner Mutter nachahmte, aber auf eine seltsame Weise das Spielen eines Kätzchens mit der Wildheit seiner Rasse vereinigte. Es stellte sich auf seine Hinterbeine und zerkratzte mit den Vorderpfoten die Rinde eines Baumes in katzenartiger Possierlichkeit; dann peitschte es sich selber mit dem Schwanz, heulte und scharrte die Erde auf, wobei es versuchte, den gleichen Grimm an den Tag zu legen, der seine Mutter so schrecklich machte.

Die ganze Zeit über stand Brave fest und furchtlos da, den kurzen Schwanz in die Höhe gereckt und den Körper gegen seine Hinterbeine zurückgezogen, während seine Augen unablässig die Bewegungen der beiden Bestien beobachteten. Das Junge kam spielend mit jedem Sprung dem Hunde näher, und das Heulen der drei Tiere wurde mit jedem Augenblicke schrecklicher, bis der junge Panther sich überschlug und gerade vor dem Bullenbeißer niederfiel. Es war ein Augenblick des fürchterlichsten Kampfes und Geheuls, der aber ebenso rasch endete, wie er begonnen hatte; denn unmittelbar darauf sah man das junge Tier aus Braves Rachen in die Luft wirbeln und mit solcher Gewalt gegen einen Baum fliegen, daß es völlig besinnungslos wieder zur Erde fiel.

Elisabeth war Zeugin des kurzen Kampfes, und das Blut schoß ihr bei dem Triumph des Hundes wärmer durch die Adern, als sie auf einmal die Gestalt der alten Pantherin in die Luft schießen sah, die aus zwanzig Fuß Entfernung von dem Buchenast auf den Rücken des Bullenbeißers niederstürzte. Keine Worte vermögen den wütenden Kampf zu schildern, der jetzt folgte. Es war ein wirres Balgen auf den trockenen Blättern, begleitet von lautem und schrecklichem Geheul. Miß Temple blieb, mit dem Körper über Luise gebeugt, auf ihren Knien liegen und heftete ihre Augen mit einer entsetzensvollen, aber doch so gespannten Teilnahme auf die Tiere, daß sie fast über den Ausgang des Kampfes ihre eigene Sicherheit vergaß. Die Sprünge der Waldbewohnerin waren so rasch und lebhaft, daß ihre bewegliche Gestalt fast ohne Unterlaß in der Luft zu schweben schien, während der edle Hund bei jeder neuen Wendung seinem Feinde wacker standhielt. Wenn der Panther sein Hauptziel, die Schulter des Bullenbeißers, erreicht hatte, so schüttelte der alte Brave seinen wütenden Gegner stets wie eine Feder ab, obgleich seine Haut an vielen Stellen zerrissen war und er bereits aus einem Dutzend Wunden blutete; er richtete sich auf seine Hinterbeine auf und begann aufs neue mit offenem Rachen und furchtlosen Augen das schreckliche Ringen. Aber das Alter und ein gemächliches Leben waren keine geeignete Voraussetzung für einen solchen Kampf, und der edle Bullenbeißer zeigte in allem, seinen Mut ausgenommen, keine Spur mehr von dem, was er vordem gewesen. Ein höherer Sprung als die früheren brachte die gewandte und wütende Bestie weit aus dem Bereich des Hundes, der ihr mit einer verzweifelten, aber vergeblichen Anstrengung nachzusetzen suchte, und nun stürzte sie abermals aus einer günstigeren Lage auf den Rücken ihres Feindes nieder. Sie vermochte sich nur einen einzigen Augenblick zu halten, da der Hund in krampfhaftem Ringen seine äußersten Kräfte aufbot. Aber Elisabeth sah jetzt, als Brave seine Zähne wieder in die Seite der Gegnerin schlug, daß das Messinghalsband, das während des ganzen Ringens blank gewesen, sich mit Blut färbte, und unmittelbar darauf sank sein Körper schwerfällig zur Erde, wo er sich ausreckte und hilflos liegen blieb. Es folgten nun mehrere gewaltsame Anstrengungen von Seiten der wilden Katze, sich dem Gebiß des Hundes zu entwinden, die jedoch fruchtlos blieben, bis sich der Bullenbeißer auf den Rücken legte und seine Zähne losließen, worauf kurze Zuckungen und die darauf folgende Stille den Tod des armen Brave anzeigten.

Elisabeth war nun ganz der Gewalt der Bestie preisgegeben. Man sagt, es liege etwas in dem Antlitz von Gottes Ebenbild, was den Mut aller untergeordneten Geschöpfe einschüchtere; und es konnte scheinen, daß eine solche Gewalt auch in dem gegenwärtigen Augenblick das drohende Äußerste verzögere. Die Augen des Ungeheuers und des knienden Mädchens begegneten sich für einen Moment, worauf das erstere den Kopf senkte, um den gefallenen Feind zu untersuchen und das Junge zu beriechen. Sobald es jedoch des letzteren ansichtig wurde, schossen seine Augen neue Glutblitze; es peitschte sich die Seiten wütend mit dem Schweif, und seine Krallen traten zollang aus den breiten Tatzen hervor.

Miss Temple wollte oder konnte sich nicht von der Stelle bewegen. Ihre Hände waren zum Gebet gefaltet, aber ihre Augen ruhten dabei unablässig auf ihrem schrecklichen Feind; ihre Wangen waren weiß wie Marmor und ihre Lippen vor Entsetzen leicht geöffnet. Der Augenblick eines schrecklichen Endes schien nun gekommen zu sein, und Elisabeths schöne Gestalt beugte sich bereits ergeben dem Todesstreich, als ein Rauschen von Blättern hinter ihrem Rücken eher ihr Ohr zu necken als wirkliche Hoffnung zu erwecken schien.

»Sst! Sst!« ließ sich eine Stimme vernehmen. »Bücken Sie sich tiefer, Mädchen, Ihr Hut verbirgt mir den Kopf der Bestie.«

Es war mehr ein Nachgeben gegen die gebieterische Macht der Natur als eine Willfährigkeit gegen diese unerwartete Aufforderung, was unsere Heldin veranlaßte, das Haupt auf ihre Brust sinken zu lassen, als sie auf einmal den Knall einer Büchse, das Pfeifen der Kugel und das wütende Heulen der Bestie vernahm, die sich auf der Erde überkugelte, in ihr eigenes Fleisch die Zähne schlug und, soweit ihre Pfoten reichten, Äste und Zweige zerriß. Im nächsten Augenblick eilte Lederstrumpf auf Elisabeth zu, während er laut seinem Hund zurief:

»Herein, Hektor! Komm her, alter Narr! Solch ein Tier hat ein zähes Leben und könnte wohl wieder aufspringen.«

Natty blieb furchtlos vor den Frauenzimmern stehen, ohne sich durch die gewaltigen Sätze und den drohenden Anblick der verwundeten Pantherin einschüchtern zu lassen, an der verschiedene Anzeichen die Rückkehr ihrer Kraft und Wildheit verkündeten. Erst als er seine Büchse wieder geladen hatte, näherte er sich dem wütenden Ungetüm, hielt die Mündung seines Gewehrs dicht vor dessen Kopf, und im Nu war durch den Schuß jede Spur des Lebens aus dem Tiere vertilgt.

Der Tod ihres schrecklichen Feindes erschien Elisabeth wie eine Auferstehung aus ihrem eigenen Grabe. Es lag eine Schwungkraft in dem Geist unserer Heldin, welche sich unter dem Drang der augenblicklichen Gefahr hob, und je näher diese war, desto mehr hatte ihre Natur gekämpft, um ihr mutig ins Auge zu schauen. Gleichwohl war sie ein Weib. Wäre sie in ihrer äußersten Not sich selbst überlassen gewesen, so hätte sie wahrscheinlich alle ihre Seelenkräfte aufgeboten, um die geeigneten Maßregeln zum Schutz ihrer Person zu treffen; aber mit dem Hemmgewicht einer besinnungslosen Freundin war an eine Flucht nicht zu denken. – Ungeachtet des furchtbaren Anblicks ihrer Feindin hatte Elisabeth doch die Augen nie vor deren wütendem Blick abgewendet, und noch lange nach diesem Ereignis kehrten ihre Gedanken oft zu den Gefühlen jenes Augenblicks zurück oder wurde die sanfte Ruhe ihres nächtlichen Schlummers getrübt, wenn ihre rege Phantasie das Ungetüm heraufbeschwor mit allen Bewegungen, in denen sich seine furchtbare Macht gezeigt hatte.

Wir überlassen es dem Leser, sich auszumalen, wie Luise wieder zu sich kam und wie die beiden Mädchen sich in glühendem Dank gegen ihren Retter vereinigten. Das erstere wurde durch etwas Wasser bewerkstelligt, das Lederstrumpf aus einer der tausend Bergquellen in seiner Mütze herbeibrachte, und das letztere geschah mit aller Wärme, die sich von Elisabeths Charakter erwarten ließ. Natty nahm die ungestümen Dankesäußerungen voll Gutmütigkeit und Nachsicht mit ihrer gegenwärtigen Aufregung, aber auch mit einer Sorglosigkeit hin, die zeigte, wie wenig er sich auf den geleisteten Dienst zugute tat.

»Nun, nun«, sagte er, »lassen Sie das gut sein; tun Sie mir den Gefallen und sprechen Sie nicht mehr davon, wir können ein andermal darüber reden. Kommen Sie, wir wollen auf die Straße zurückkehren; denn Sie haben Schrecken genug ausgestanden, um sich nach dem Schutz des väterlichen Hauses zu sehnen.«

Mit diesen Worten führte er die beiden so schnell wie es Luises Schwäche gestaltete, nach der Straße. Als sie dort anlangten, trennten sich die Damen von ihrem Führer, indem sie erklärten, sie könnten jetzt recht wohl ohne seinen Beistand den Rückweg finden, da sie sich durch den Anblick des Dorfes ermutigt fühlten, das im Hintergrund des klaren Sees und des sich dahinschlängelnden Stromes mit seinen hundert weiß getünchten Ziegelschornsteinen wie ein Gemälde vor ihren Füßen lag.

Wir brauchen dem Leser nicht die Gefühle auszumalen, die nach der Rettung aus so schrecklicher Todesgefahr in den Gemütern der beiden jungen, edelsinnigen und wohlerzogenen Mädchen lebendig waren, als sie schweigend an der Seite des Gebirges ihres Weges zogen; und ebensowenig wollen wir den demütigen Dank schildern, den sie gegen ihren Schöpfer empfanden, der sie in der äußersten Not nicht verlassen hatte. Auch mag der Leser sich selber ausmalen, wie oft sie sich gegenseitig die Hände drückten, wenn die Gewißheit ihrer nunmehrigen Sicherheit wie heilender Balsam ihre geängstigten Seelen beruhigte, sooft ihre Gedanken zu der eben erlebten entsetzlichen Szene zurückkehrten.

Lederstrumpf blieb auf dem Berg und sah den sich entfernenden Gestalten nach, bis sie in einer Wendung des Pfades verschwanden worauf er seinen Hunden pfiff, die Büchse über die Schulter warf und in den Wald zurückkehrte.

»Es war allerdings ein schauerlicher Anblick für die beiden jungen Geschöpfe«, sprach Natty, als er zu dem erlegten Tier zurückkehrte »und es hätte wohl eine ältere Frauensperson mit Entsetzen erfüllen können, wenn sie eine Pantherin mit einem toten Jungen an der Seite so ganz in ihrer Nähe gesehen hätte. Ich möchte übrigens wissen, ob ich dem Gewürm schon mit dem ersten Schuß den Garaus gemacht haben würde, wenn ich statt auf den Schädel, auf das Auge gezielt hätte; aber diese Bestien haben ein zähes Leben, und der Schuß war gut, wenn man bedenkt, daß ich nichts als den Kopf und die Schwanzspitze sehen konnte. Ha! wer kommt dort durch den Wald?«

»Wie geht's, Natty?« begann Herr Doolittle, indem er aus den Gebüsch trat, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die durch den Anblick der in seiner Richtung gesenkten Büchse sehr beschleunigt wurde. »Was? Ihr pflegt an diesem warmen Tag der Jagd? Seht Euch vor, alter Mann, daß Euch nicht das Gesetz zu fassen kriegt.«

»Das Gesetz, Squire? Ich bin seit vierzig Jahren in gutem Einvernehmen mit dem Gesetz gewesen«, entgegnete Natty, »denn was hat ein Mann, der in der Wildnis lebt, mit den Wegen des Gesetzes zu schaffen?«

»Vielleicht nicht viel«, erwiderte Hiram, »aber Ihr handelt bisweilen mit Wildbret. Es ist Euch hoffentlich nicht unbekannt, Lederstrumpf, daß ein Antrag durchgegangen ist, laut welchem jedermann der zwischen Januar und August einen Hirsch schießt, fünf Pfund alten Fußes oder zwölf Dollar und fünfzig Cent nach dem Dezimalsystem Strafe zahlen muß. Der Richter sieht darauf, daß dem Gesetz Achtung verschafft werde.«

»Ich will's glauben«, versetzte der alte Jäger. »Von einem Mann der so im Lande haushält, läßt sich nicht nur dies, sondern alles andere erwarten.«

»Das Gesetz gilt ohne Ausnahme, und der Richter ist willens, es durchzuführen – fünf Pfund Strafe. Es ist mir, als hätte ich Eure Hunde diesen Morgen auf der Spur einer Jagdbeute gesehen. Ich weiß nicht, Lederstrumpf – aber der Umstand könnte Euch in Verdrießlichkeiten bringen.«

»Das ist so ihre Art und Weise«, entgegnete Natty unbekümmert. »Und wieviel fällt von der Strafe auf den Angeber, Squire?«

»Wieviel?« wiederholte Hiram, der sich unter dem ehrlichen, aber scharfen Blick des Jägers ziemlich unbehaglich fühlte. »Der Angeber erhält, glaube ich, die Hälfte; – ja, 's wird die Hälfte sein. Aber Ihr habt Blut an Eurem Ärmel, Mann – Ihr habt doch nicht diesen Morgen etwas geschossen?«

»Allerdings«, erwiderte der Jäger mit einem bedeutsamen Kopfnicken, »und es war kein übler Schuß, den ich getan habe.«

»H-e-m!« räusperte sich die Magistratsperson. »Und wo ist das Wild? Ich denke, 's wird ein guter Braten sein; denn Eure Hunde sind nicht von der Art, daß sie Aas jagten.«

»Sie jagen alles, was ich ihnen anweise, Squire«, rief Natty mit seinem gewohnten Lachen; »und werden auch Euch fassen, wenn ich sie's heiße. Heran, heran, Hektor! Herein, Slut – da her, ihr Jungen – hier herein!«

»Oh, ich habe immer den Charakter Eurer Hunde rühmen hören«, versetzte Herr Doolittle, indem er ängstlich seine Beine hob, als die Hunde um ihn her schnupperten. »Und wo ist das Wild, Lederstrumpf?«

Während dieses Gesprächs waren die beiden rasch vorangeschritten, und Natty ließ nunmehr seine Büchse von der Schulter gleiten, zeigte mit deren Ende durch das Gebüsch und antwortete:

»Dort liegt eins. Was haltet Ihr von einem solchen Braten?«

»Was?« rief Hiram. »Das ist ja der Hund des Richters, der alte Brave! Seht Euch vor, Lederstrumpf, und macht den Richter nicht zu Eurem Feind! Ich hoffe nicht, daß das Tier durch Euch zu Schaden gekommen ist?«

»Sperrt die Augen auf, Meister Doolittle«, erwiderte Natty, indem er sein Messer aus dem Gürtel zog und es einige Male auf seinen hirschledernen Hosen hin und her zog. »Sieht dieser Hals hier aus, als ob ich mein Messer daran versucht hätte?«

»Er ist schrecklich zerrissen! Eine fürchterliche Wunde! So etwas kann kein Messer tun. Aber woher mag es rühren?«

»Von den Panthern hinter Euch, Squire.«

»Panthern?« wiederholte Hiram, indem er sich mit einer Behendigkeit, die einem Tanzmeister Ehre gemacht haben würde, auf dem Absatz umdrehte.

»Seid ruhig, Mann«, sagte Natty, »da sind zwei solcher heillosen Bestien: aber der Hund hat der einen den Garaus gemacht, und den Rachen der andern habe ich für immer geschlossen. Ihr braucht Euch daher nicht zu fürchten, Squire, sie können Euch nicht mehr beißen.«

»Und wo ist der Hirsch?« rief Hiram, mit wirren Blicken um sich sehend.

»Welcher Hirsch?« entgegnete Natty.

»Ei, ist nicht von Wildbret die Rede gewesen, und habt Ihr nicht einen Bock geschossen?«

»Warum nicht gar! Ist das nicht durch das Gesetz verboten?« erwiderte der alte Jäger. »Oder gibt es vielleicht auch ein Gesetz, welches das Erlegen eines Panthers verbietet?«

»Nein; es steht sogar ein Preis auf den Skalpen: – aber – sind denn Eure Hunde auf Panther dressiert, Natty?«

»Auf alles; ich habe Euch ja vorhin gesagt, daß sie sogar auf den Mann gehen. Heran, heran, Jungen –«

»Ja, ja, ich entsinne mich. Nun, ich muß sagen, Ihr habt seltsame Hunde – ich bin ganz erstaunt.«

Natty hatte sich inzwischen auf die Erde gesetzt, den grimmigen Kopf des toten Feindes in seinen Schoß gelegt und zog nunmehr mit geübter Hand einen Schnitt um die Ohren, die er in einer Weise vom Schädel des Tieres trennte, daß sie miteinander verbunden blieben. Dann sagte er:

»Wieso, Squire? Habt Ihr nie zuvor den Skalp eines Panthers gesehen? Nun, Ihr seid eine Magistratsperson, und ich wünsche, daß Ihr mir ein Zertifikat für die Belohnung ausstellt.«

»Die Belohnung?« wiederholte Hiram, indem er die Ohren einen Augenblick mit der Fingerspitze betastete, als wisse er nicht, wie er sich weiter zu benehmen habe. »Nun ja, wir wollen in Eure Hütte hinuntergehen, wo ich Euch den Eid abnehmen und die Anweisung ausstellen kann. Ihr habt doch vermutlich eine Bibel? Zwar verlangt das Gesetz nichts weiter als die vier Evangelien und das Gebet des Herrn.«

»In meiner Wohnung finden sich keine Bücher«, sagte Natty kaltblütig, »und daher auch keine solche Bibel, wie Ihr sie für nötig erachtet.«

»Oh, es gibt nur eine Art von Bibel, die vor dem Gesetz gilt«, erwiderte die Magistratsperson, »und die Eurige wird den Dienst so gut wie eine andere tun. Kommt, das Aas ist nichts wert, wir wollen hinuntergehen, damit ich Euch den Eid abnehmen kann.«

»Sachte, sachte, Squire«, entgegnete der Jäger, indem er bedächtig seine Trophäen von der Erde aufhob und die Büchse auf die Schulter warf. »Wozu bedarf es überhaupt eines Eides in einer Sache, die Ihr mit eigenen Augen angesehen habt? Setzt Ihr denn ein Mißtrauen in Euch selbst, daß ein anderer Mann etwas beschwören soll, dessen Wahrheit Ihr bezeugen könnt? Ihr habt gesehen, daß ich die Bestien skalpierte, und wenn ein Eid erforderlich ist, so will ich ihn vor dem Richter Temple schwören.«

»Aber wir haben hier weder Feder noch Papier, wir werden daher doch in die Hütte gehen müssen; denn wie kann ich sonst die Anweisung schreiben?«

Natty lachte der schlauen Magistratsperson abermals auf seine eigentümliche Weise ins Gesicht, und sprach:

»Ei, was sollte ich mit solch gelehrtem Zeug anfangen? Ich brauche weder Feder noch Papier, da ich sie nicht zu benutzen weiß, und führe deshalb auch nichts dergleichen. Nein, nein, ich will die Skalpe ins Dorf bringen, Squire, und dann könnt Ihr die Anweisung aus einem Eurer Gesetzbücher herausnehmen; sie wird in diesem Falle nur um so besser sein. – Hole der Henker das Leder an dem Hals des Hundes; es wird den alten Narren noch erdrosseln. Könnt Ihr mir ein Messer leihen, Squire?«

Hiram, dem besonders viel daran gelegen zu sein schien, mit seinem Gefährten in gutem Einvernehmen zu bleiben, willfahrte dem Verlangen.

Natty schnitt den Riemen am Hals des Hundes durch, und als er das Werkzeug dem Eigentümer zurückgab, bemerkte er leichthin:

»Ein gutes Stückchen Stahl, das gewiß schon mehr derartiges Leder durchschnitten hat?«

»Ihr wollt damit doch nicht sagen, daß ich Eure Hunde losgelassen hätte?« rief Hiram, den das Bewußtsein seiner Schuld alle Vorsicht vergessen ließ.

»Die Hunde losgelassen?« entgegnete der Jäger. »Das hab' ich selbst getan. Ich lasse sie immer los, ehe ich die Hütte verlasse.«

Das nicht zu bewältigende Erstaunen, womit Herr Doolittle diese Unwahrheit vernahm, würde an sich schon seine Mitwirkung an der Befreiung der Hunde verraten haben, wenn Natty einer weiteren Bestätigung bedurft hätte, und die ruhige Mäßigung des alten Mannes machte nun einem offenen Zornausbruch Platz.

»Seht Euch vor, Meister Doolittle«, sagte er, indem er den Schaft seiner Flinte ungestüm auf den Boden stieß. »Ich weiß nicht, was es in dem Wigwam eines armen Mannes, wie ich bin, gibt, daß ein Bursche, wie Ihr, sich so danach sehnen kann. Ich sage Euch aber unverhohlen, Ihr sollt nie mit meiner Einwilligung einen Fuß unter das Dach meiner Hütte setzen, und wenn Ihr fortfahrt, so um sie herumzulungern, wie Ihr in der letzten Zeit getan habt, so könnte Euch eine Behandlung blühen, die Euch wenig behagen wird.«

»Und ich sage Euch, Meister Bumppo«, entgegnete Hiram, indem er eilig den Rückzug antrat, »daß es mir bekannt ist, wie Ihr das Gesetz übertreten habt. Ich bin eine Magistratsperson und will es Euch fühlen lassen, ehe Ihr noch um einen Tag älter werdet.«

»Ich schere mich nicht so viel um Euch und um Euer Gesetz«, rief Natty, indem er nach dem Friedensrichter mit den Fingern schnippte. »Fort mit dir, du Gewürm, ehe mich der Teufel versucht, dir deinen Lohn zu geben! Sieh dich vor, daß ich dich nicht für eine Eule nehme und niederschieße, wenn du je wieder deine Glotzaugen in den Wäldern blicken läßt.«

Es liegt immer etwas Gebieterisches in einem gerechten Zorn, und Hiram blieb nicht stehen, um den Grimm des alten Jägers auf die Spitze zu treiben. Sobald der Aufdringliche verschwunden war, kehrte Natty zu der Hütte zurück, wo er eine Grabesruhe antraf. Er legte seine Hunde an, pochte an die Tür und fragte, als Edwards öffnete, ob alles in Ordnung sei.

»Alles«, entgegnete der Jüngling. »Man hat zwar versucht, das Schloß zu öffnen, aber der Naseweis mußte es wohl bleiben lassen, weil es zu stark für ihn war.«

»Ich kenne jetzt den Kerl«, erwiderte Natty, »hoffentlich wird er sich aber in den nächsten Tagen nicht in den Bereich meiner Büchse wagen – –«

Was Lederstrumpf grollend noch weiter vor sich hin murmelte, wurde unhörbar, da der Jäger die Tür der Hütte laut hinter sich zuschlug.


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