Joseph Conrad
Das Ende vom Lied
Joseph Conrad

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XII

Herr van Wyk, der Weiße von Batu-Beru, ein ehemaliger Marineoffizier, der aus Gründen, die ihm selbst am besten bekannt waren, die Aussicht auf eine glänzende Laufbahn hingeworfen hatte, um an jenem abgelegenen Küstenstrich ein Pionier der Tabakkultur zu werden – Herr van Wyk also hatte Kapitän Whalley schätzen gelernt. Das Aussehen des neuen Schiffers hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er war den vielen Typen, die van Wyk nacheinander auf der Brücke der Sofala gesehen hatte, so unähnlich wie nur möglich.

Zu jener Zeit war Batu-Beru noch nicht, was es heute geworden ist: der Mittelpunkt einer aufblühenden Tabakregion, eine tropische, kleine Gartenstadt mit einer einzigen, langen Hauptstraße, die von zwei Baumreihen beschattet, zu beiden Seiten von Bungalows umstanden und von dem Blütenduft der wuchernden Gärten erfüllt ist; mit einer drei Meilen langen Fahrstraße für den nachmittägigen Korso und einem Residenten erster Klasse mit einer fetten, lebenslustigen Frau an der Spitze der weißen Gesellschaft, die aus verheirateten Gutsverwaltern und ledigen jungen Herren im Dienst der großen Kompanien bestand.

All diesen Aufschwung gab es noch nicht; und Herr van Wyk saß ganz allein auf seinem schönen Besitz am linken Ufer, inmitten einer großen, dem Walde abgerungenen Lichtung. Sein einsamer Bungalow lag der Residenz des Sultans jenseits des Flusses gerade gegenüber. Dieser Sultan war ein ruheloser, schwermütiger alter Herrscher, der mit Liebe und Krieg abgeschlossen, für den das Leben kaum einen Reiz mehr hatte (außer üblen Vorahnungen) und die Zeit nie ihren Wert. Er fürchtete sich vor dem Tode und hoffte doch, zu sterben, bevor die weißen Männer kommen würden, um ihm sein Land zu nehmen. Er kam häufig über den Fluß herüber (mit niemals weniger als zehn Booten voller Menschen), in der trügerischen Hoffnung, seinem eigenen Weißen irgendeine Mitteilung über den Gegenstand zu entlocken. Es gab einen gewissen Stuhl auf der Veranda, den er immer benutzte. Die Würdenträger des Hofes hockten auf den Teppichen und Fellen zwischen den Möbelstücken; das niedrige Volk blieb draußen auf dem Grasplatz zwischen dem Haus und dem Strom in dicht gedrängten, drei und vier Mann tiefen Reihen. Nicht selten begann der Besuch bei Tagesanbruch. Herr van Wyk duldete diese Überfälle. Er nickte aus dem Fenster seines Schlafzimmers heraus, mit der Zahnbürste oder dem Rasiermesser in der Hand, oder durchschritt die Reihen der Höflinge im Bademantel. Er tauchte auf und verschwand wieder, summte dabei ein Lied, polierte sich emsig die Nägel, rieb sich das rasierte Gesicht mit Kölnisch Wasser ein, trank seinen Morgentee oder ging hinaus, um nach seinen arbeitenden Kulis zu sehen; er kehrte wieder, überflog einige Papiere auf seinem Schreibtisch, las ein oder zwei Seiten in einem Buch oder setzte sich, weit im Stuhl zurückgelehnt, vor sein Pianino, die Arme ausgestreckt, die Finger auf den Tasten, und wiegte den Körper leise hin und her. War er unbedingt zum Sprechen gezwungen, so pflegte er aus reinem Mitleid allgemeine, begütigende Antworten zu geben; vielleicht war es auch dasselbe Gefühl, das ihn so gastfrei mit Sodawassergetränken machte, daß er selbst oft für mehr als eine Woche ohne Sodawasser blieb. Der alte Mann hatte ihm so viel Land zugesichert, wie er roden wollte; es war nicht mehr und nicht weniger als ein Vermögen.

Ob es nun Vermögen oder Abgeschiedenheit von seinesgleichen war, was Herr van Wyk suchte, so konnte er keinesfalls an einen besseren Platz geraten sein. Sogar die Postdampfer der staatlich unterstützten Gesellschaften, die sonst überall anlegten, wo drei mit Palmblättern gedeckte Hütten auf einem Haufen zusammenstanden, dampften weit draußen an der Mündung des Batu-Beru-Flusses vorbei. Der Vertrag war alt: vielleicht würde nach Jahren, wenn er abgelaufen war, Batu-Beru in den Dienst aufgenommen werden; inzwischen ging die ganze Post Herrn van Wyks nach Malakka, von wo sie ihm sein Agent einmal im Monat mit der Sofala herüberschickte. Die Folge davon war, daß, sooft Massy knapp an Geld war (weil er zu viele Lotterielose gekauft hatte) oder keine Schiffer finden konnte, Herr van Wyk ohne Briefe und Zeitungen blieb. Insoweit war er an dem Schicksal der Sofala persönlich beteiligt. Obwohl er sich für einen Einsiedler hielt (und offenbar nicht nur aus Laune, denn er hatte es schon acht Jahre lang durchgehalten), so wünschte er doch zu wissen, was in der Welt vorging.

In der Veranda, auf einem Nußbaumgestell (es war im Vorjahre mit der Sofala herausgekommen – alles kam mit der Sofala) lag gut zur Hand, mit Bronzegewichten beschwert, ein Stoß der Wochenausgabe der Times, daneben die Riesenbogen des Rotterdamsche Courant, des Graphic in seinem weltbekannten grünen Umschlag, eines illustrierten holländischen Blattes ohne Umschlag und einer deutschen Zeitschrift mit einem Umschlag in der Farbe ›Bismarck malade‹. Es gab auch Hefte mit neuer Musik, obwohl das Pianino (es war einige Jahre zuvor mit der Sofala herausgekommen) in der feuchten Waldluft meistens verstimmt war. Es war langweilig, mitunter sechzig Tage hintereinander von allem abgeschnitten zu sein, ohne alle Mittel, feststellen zu können, was eigentlich los war. Und wenn die Sofala wieder auftauchte, dann pflegte Herr van Wyk die Stufen der Veranda hinunterzusteigen und über den Rasenplatz vor seinem Hause weg mit finster gerunzelten Brauen zum Ufer hinunterzuschlendern.

»Sie sind wohl nach einem Unfall aufgelegt gewesen, nehme ich an.«

So rief er zur Brücke hinauf, doch bevor noch irgend jemand antworten konnte, war unweigerlich Massy schon über die Reling ans Ufer geklettert und ließ nun einen Wortschwall los, wobei er die Hände rang und seinen mageren Kopf, der auf dem Scheitel wie mit Locken und Strähnen bepickt aussah, tief neigte. Und der Zwang, solche Erklärungen abgeben zu müssen, setzte ihm so zu, daß sein Jammern geradezu kläglich wirkte, während er die ganze Zeit über bemüht blieb, ein Lächeln auf seine Lippen zu zwingen.

»Nein, Herr van Wyk, Sie würden es nicht glauben. Ich konnte keinen dieser Kerle kriegen, um das Schiff herauszuführen. Kein einziger der faulen Hunde war dazu zu bringen, und das Gesetz, Sie wissen ja, Herr van Wyk . . .«

Er wimmerte noch lange Entschuldigungen, die Worte Verschwörung, Neid, Mißgunst kehrten immer wieder und wurden besonders bitter betont. Dann sagte Herr van Wyk wohl mit einem Blick auf seine polierten Fingernägel und einer leichten Grimasse: »Hm, recht unglücklich«, und wandte ihm den Rücken.

Wählerisch, klug, ein wenig skeptisch, an die beste Gesellschaft gewöhnt (er hatte ein Jahr lang eine sehr beneidete Landstellung im Marineministerium innegehabt, bevor er seinen Beruf und Europa verlassen hatte), besaß er eine innere Gefühlswärme und eine Fähigkeit zum Mitleid, die er unter scheinbarer Gleichgültigkeit und einem gewissen geschulten Hochmut zu verbergen pflegte; und unter noch etwas in seinem Äußern, das ein Böswilliger hätte Stutzerhaftigkeit nennen mögen, und das wie ein entstelltes Echo früherer Eleganz wirkte. Er brachte es fertig, unter den Kulis der Ländereien, die er dem Urwald abgezwungen hatte, eine fast militärische Disziplin aufrecht zu erhalten; und das weiße Hemd, das er jeden Abend anzog, mit seiner spiegelblank gestärkten Brust und dem hohen Kragen, machte den Eindruck, als wollte er den feierlichen Brauch der Abendkleidung beibehalten; dazu aber trug er eine dicke, scharlachne Schärpe um die Hüften gewickelt, als ein Zugeständnis an die Wildnis, die einst sein Gegner, nun sein gebändigter Gefährte war. Überdies war es auch eine hygienische Vorsichtsmaßregel. Von den Schultern wehte ihm eine kurze Jacke aus irgendeinem luftigen Seidengewebe. Sein schütteres blondes Haar, am Scheitel gelichtet, war an den Schläfen leicht gelockt; ein sorgfältig gebürsteter Schnurrbart, die hohe Stirne, der Glanz der niedrigen Abendschuhe, die unter den weiten Rändern der geradegeschnittenen Beinkleider (aus dem gleichen Stoff wie die Jacke) hervorsahen, vervollständigten seine Erscheinung, die, mit der Schärpe, an einen Piratenkapitän aus einem Roman erinnerte und doch zugleich auch an einen Dandy, der sich, in Weltabgeschiedenheit, in kleinen Absonderlichkeiten gefällt.

Es war seine Abendkleidung. Fahrplanmäßig sollte die Sofala in Batu-Beru eine Stunde vor Sonnenuntergang eintreffen. Und es wirkte malerisch und doch auch sehr korrekt, wenn Herr van Wyk zum Ufer hinabkam, den Rasenhang hinter sich, mit dem langgestreckten niedrigen Bungalow darüber, unter einem ungeheuer steilen Dach aus Palmblättern und bis zum Giebel mit Schlingpflanzen bewachsen. Während die Sofala festgemacht wurde, ging er im Schatten der wenigen Bäume, die nahe dem Landungssteg aufgespart worden waren, auf und ab und wartete, bis er würde an Bord gehen können.

Die Weißen auf der Sofala waren nicht nach seinem Geschmack. Der alte Sultan (wenn auch seine willkürlichen Überfälle langweilig genug waren) sagte ihm weit besser zu. Aber es waren doch immerhin Weiße; die gelegentlichen Besuche des Schiffes brachten eine Unterbrechung in die wohl ausgefüllte Eintönigkeit der Tage, ohne doch seine Abgeschlossenheit zu gefährden. Überdies waren sie auch vom geschäftlichen Standpunkt aus notwendig, und infolge seiner Pünktlichkeit, eines Grundzuges seiner Person, war er aufgebracht, wenn das Schiff nicht zur rechten Zeit eintraf.

Die Ursache dieser Unregelmäßigkeiten war zu töricht, und Massy seiner Meinung nach ein verächtlicher Idiot. Als die Sofala zum ersten Mal nach Abschluß des neuen Abkommens um die untere Strombiegung herum auftauchte, nachdem er fast schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, sie je wiederzusehen, da war er so wütend, daß er gar nicht gleich zum Landungssteg hinunterging. Seine Diener waren mit der Nachricht zu ihm gerannt gekommen, und er hatte sich einen Stuhl nahe an die Brüstung der Veranda gezogen, die Ellbogen aufgelegt, das Kinn in die Hand gestützt und starr zugesehen, während sie seinem Hause gerade gegenüber festgemacht wurde. Er konnte alle die weißen Gesichter an Bord deutlich erkennen. Wer in aller Welt konnte doch der Patriarch sein, den sie nun dort auf der Brücke hatten?

Schließlich sprang er auf und ging den Kiesweg hinunter. Es war eine Tatsache, daß sogar der Kies für seine Gartenwege von der Sofala gebracht worden war. Sein Zorn erwies sich stärker als seine ruhige Höflichkeit, und so fuhr er, ohne nach rechts oder links zu sehen, Massy unvermittelt in einer Weise an, daß der bestürzte Ingenieur nur Unverständliches hervorstammeln konnte. Man hörte nur die Worte: »Herr van Wyk . . . Wirklich, Herr van Wyk . . . In Zukunft, Herr van Wyk . . .« und infolge des Blutandrangs nahm Massys großes, galliges Gesicht eine unnatürliche Orangefarbe an, von der die bestürzten kohlschwarzen Augen grell genug abstachen.

»Unsinn. Ich habe es satt! Ich wundere mich, daß Sie die Unverschämtheit haben, an meinem Landungssteg anzulegen, als hätte ich ihn einfach nur für Sie gebaut.«

Massy versuchte, ihm ernst zu widersprechen. Herr van Wyk war sehr ärgerlich. Er hatte gute Lust, die deutsche Firma, die Leute in Malakka – wie hießen sie doch – Boote mit grünen Schornsteinen – herzurufen. Die würden sicher mit größter Freude die Gelegenheit benutzen, einen ihrer kleinen Dampfer die Strecke ablaufen zu lassen. Jawohl; Schnitzler, Jakob Schnitzler würde sofort zugreifen. Jawohl. Van Wyk hatte sich entschlossen, gleich zu schreiben.

Massy haschte nach seiner Pfeife, die ihm in der Erregung entfallen war.

»Das ist nicht Ihr Ernst«, jammerte er.

»Sie sollten Ihr Geschäft nicht in dieser lächerlichen Weise vernachlässigen.«

Herr van Wyk wandte sich auf dem Absatz um. Die anderen drei Weißen auf der Brücke hatten sich während der Szene nicht gerührt. Massy ging hastig auf und ab und blies die Wangen auf, als wäre er am Ersticken.

»Verrückter Holländer!«

Und er stimmte ein langes Klagelied an. Die Anstrengungen, die er durch alle die Jahre hindurch gemacht hatte, um dem Mann gefällig zu sein! Das war der Dank, den er dafür hatte, wie? Schön. An Schnitzler schreiben – die Boote mit den grünen Schornsteinen ins Geschäft bringen – ihn selbst ruinieren, nein, wirklich, man konnte lachen . . . Er lachte schluchzend . . . Ha, ha, ha! Und den Brief sollte wohl noch er in seinem eigenen Schiff befördern!

Er stolperte über einen Lattenrost und fluchte. Er würde keinen Augenblick zögern, die Post des Holländers über Bord zu werfen – das ganze verdammte Bündel. Er hatte niemals, niemals einen Pfennig für diesen Dienst berechnet. Aber Kapitän Whalley, sein neuer Teilhaber, würde ihn das wahrscheinlich nicht tun lassen; überdies würde ja doch der böse Tag nur aufgeschoben sein. Er für seine Person übrigens würde lieber ein Loch ins Wasser machen, als ruhig zusehen, wie die grünen Schornsteine ihm sein Geschäft wegschnappten.

Er tobte laut. Die chinesischen Boys warteten mit den Speiseplatten am Fuße der Leiter. Er brüllte von der Brücke auf Deck hinunter: »Sollen wir denn heute abend keinen Bissen zu essen bekommen?« und wandte sich dann heftig an Kapitän Whalley, der ernst und geduldig am oberen Ende des Tisches wartete und ab und zu mit einer gemessenen Bewegung über seinen Bart strich.

»Sie scheinen sich nicht darum zu kümmern, was mir geschieht. Sehen Sie nicht, daß es Sie ebensoviel angeht wie mich? Es ist kein Spaß.«

Er setzte sich an das Fußende des Tisches und knurrte weiter vor sich hin.

»Wenn Sie nicht etwa ein paar Tausender irgendwo liegen haben. Ich habe sie nicht.«

Herr van Wyk aß in seinem hellerleuchteten Bungalow zur Nacht, der wie eine lichte Insel von der Höhe des gerodeten Uferhanges weg über den Strom hinaussah. Nachher setzte er sich an sein Pianino. Er merkte während einer Pause, daß jemand auf dem Kies vor dem Hause vorbeiging. Ein oder zwei Planken knarrten unter einem schweren Tritt; er wandte sich auf dem Klaviersessel halb um und horchte, die Fingerspitzen immer noch auf den Tasten. Sein kleiner Terrier bellte heftig und kam aus der Veranda ins Zimmer zurück. Eine tiefe Stimme entschuldigte sich wegen ›dieses Einbruchs‹. Er ging rasch hinaus.

Von der letzten Treppenstufe ragte eine patriarchalische Gestalt auf, ohne näher zu kommen. Es war offenbar der neue Kapitän der Sofala; er hatte gut ein Dutzend anderer gesehen, aber keinen dieser Art. Der kleine Hund bellte unaufhörlich, bis ein leichter Schlag mit Herrn van Wyks Taschentuch ihn beiseite springen und verstummen ließ. Kapitän Whalley stieß, als er das Thema anschlug, auf peinlich höflichen, aber entschlossenen Widerspruch.

Sie führten ihr Gespräch im Stehen, dort, wo sie einander begegnet waren. Herr van Wyk beobachtete seinen Besucher aufmerksam. Dann sagte er schließlich, wie aus seiner Zurückhaltung herausgelockt:

»Ich bin überrascht, daß Sie sich für einen so verflixten Narren verwenden.«

Der Satz wirkte unvollständig, als wäre sein wahrer Sinn: »daß ein Mann wie Sie sich verwendet!« Kapitän Whalley nahm es hin, ohne mit der Wimper zu zucken. Man hätte glauben können, er habe nichts gehört. Er fuhr einfach mit der Feststellung fort, daß er ein persönliches Interesse daran habe, die Dinge in Ordnung zu bringen. Persönlich . . .

Herr van Wyk aber, fortgerissen durch seinen Zorn gegen Massy, wurde sehr deutlich:

»Wirklich, ich will ganz offen mit Ihnen reden – sein ganzer Charakter scheint mir nicht sonderlich hochstehend oder vertrauenswürdig . . .«

Kapitän Whalley schien sich noch höher aufzurecken und noch breiter zu werden, als hätte sein Brustumfang unter dem großen Bart plötzlich zugenommen.

»Mein lieber Herr, Sie glauben doch nicht, daß ich hierhergekommen bin, um über einen Mann mit Ihnen zu reden, mit dem ich – mit dem ich, nun – in engster Verbindung stehe.«

Dann, nach einem kurzen, feierlichen Schweigen: er sei es nicht gewohnt, Gefälligkeiten zu erbitten; die Wichtigkeit der vorliegenden Frage aber habe ihn bestimmt, den Versuch zu wagen . . . Herr van Wyk, dem die Haltung des anderen gefiel und der sich durch eine plötzliche Lachlust besänftigt fühlte, unterbrach ihn:

»Das ist schon recht, wenn Sie eine persönliche Angelegenheit daraus machen; aber nun werden Sie es auch nicht abschlagen können, niederzusitzen und eine Zigarre mit mir zu rauchen.«

Eine kleine Pause, dann trat Kapitän Whalley wuchtig vor. Was die Regelmäßigkeit des Dienstes angehe, so mache er sich in Zukunft persönlich dafür verantwortlich; und sein Name sei Whalley – vielleicht einem Seemann (er sprach zu einem Seemann, nicht wahr?) nicht ganz unbekannt. Es gab jetzt einen Leuchtturm auf der Insel, vielleicht habe Herr van Wyk selbst . . .

»O ja! O gewiß!« Herr van Wyk hakte sofort ein. Er wies auf einen Stuhl. Wie interessant! Er für seine Person habe während des letzten Sumatrakrieges kurz Dienst getan, sei aber nie so weit östlich gekommen. Whalley Island? Natürlich. Nun, das sei also wirklich sehr interessant. Welche Veränderungen sein Gast seither mit angesehen haben mußte!

»Ich kann sogar noch weiter zurücksehen – auf ein volles halbes Jahrhundert.«

Kapitän Whalley ging ein wenig aus sich heraus. Der Duft einer guten Zigarre (es war seine Schwäche) war ihm geradenwegs zu Herzen gegangen, ebenso wie die Höflichkeit des jungen Mannes. Es lag etwas in dieser Zufallsbegegnung, wonach er in den Jahren seiner Nöte gehungert hatte.

Eine Ausbuchtung in der Hauptwand schuf einen kleinen Nebenraum, der wie ein Zimmer eingerichtet war. Eine Lampe mit einem Milchglasschirm hing an einer dünnen Messingkette vom Giebel des hohen Daches herunter und warf einen hellen Lichtkreis über einen kleinen Tisch mit einem offenen Buch und einem Papiermesser aus Elfenbein. Und in dem hellen Schatten dahinter waren andere Tische zu sehen, mehrere bequeme Stühle von verschiedenen Größen und eine Menge von Fellen und Teppichen, die über dem Teakholzboden der Veranda verstreut lagen. Die blühenden Schlingpflanzen erfüllten das Zimmer mit ihrem Duft. Durch die breite Öffnung der Veranda an seinem Ellbogen konnte Kapitän Whalley die Fallreepslaterne der Sofala unten am Ufer sehen, die schattenhaften Umrisse der Stadt jenseits des dunkelglänzenden Stromes und oberhalb der Waldgipfel einen Streifen des nächtlichen reichbestirnten Himmels. Mit der fabelhaften Zigarre in der Hand erlebte er einen Augenblick des Wohlbehagens.

»Eine Kleinigkeit. Jemand mußte den Anfang machen. Ich zeigte einfach nur, daß das Ding zu machen war; aber ihr Leute, die ihr auf Dampfschiffen aufgewachsen seid, könnt euch die große Tragweite meines Wagnisses für den östlichen Handel der damaligen Zeit nicht mehr vorstellen. Nun, die neue Route hat für mehr als das halbe Jahr die Dauer einer südlichen Durchfahrt um volle elf Tage verkürzt. Elf Tage! Das ist amtlich festgestellt. Das Bemerkenswerte dabei aber war meiner Ansicht nach, unter Seeleuten gesprochen . . .«

Er sprach gut, ohne Überheblichkeit, berufsmäßig. Die mächtige Stimme erfüllte mühelos den Bungalow sogar bis in die leeren Räume hinein mit tiefem, klarem Widerhall und schien außerhalb eine Stille zu schaffen; Herr van Wyk war überrascht über die klare Ruhe darin, die den Eindruck großer Seelenstärke erweckte. Er hielt seinen kleinen Fuß in Seidenstrümpfen und Abendschuhen auf dem Knie und hörte gespannt zu. Es schien, als ob jetzt niemand mehr so erzählen könnte; und die überschatteten Augen, der wallende weiße Bart, die mächtige Gestalt, die überlegene Ruhe, die ganze Gemütsart des Mannes schienen ein erstaunliches Überbleibsel aus vorgeschichtlichen Zeitaltern der Welt, das ihm durch die See ins Haus gebracht worden war.

Kapitän Whalley war auch der Begründer des Handels im Golf von Petschili gewesen. Er fand sogar Gelegenheit zu der Erwähnung, daß er dort sein ›liebes Weib‹ vor sechsundzwanzig Jahren begraben hatte. Herr van Wyk hörte unbewegt zu und konnte sich dabei einiger Betrachtungen nicht enthalten, welcher Art wohl die Frau gewesen sein mochte, die zu einem solchen Mann gepaßt hatte. Waren sie ein abenteuerlustiges, gut zueinander passendes Paar gewesen? Nein. Sehr wahrscheinlich war die Frau klein, gebrechlich und gewiß sehr weiblich gewesen – oder vielleicht auch einfacher Durchschnitt, mit häuslichen Instinkten und völlig unbedeutend. Aber Kapitän Whalley dachte nicht daran, bei persönlichen Sorgen zu lange zu verweilen; er schüttelte den Kopf, als wollte er den Schatten verjagen, der sich einen Augenblick lang auf sein schönes altes Gesicht gelegt hatte, und lenkte dann das Gespräch auf Herrn van Wyks Einsamkeit.

Herr van Wyk versicherte, daß er mitunter mehr Gesellschaft hätte, als er sich wünschte. Er erwähnte lächelnd einige der Eigenheiten seines Verkehrs mit ›seinem Sultan‹. Er machte seine Besuche mit Gewalt. Die Leute beschädigten den Rasenplatz vor dem Hause (es war nicht leicht, irgend etwas wie einen Rasen in den Tropen zuwege zu bringen) und hatten neulich auch ein paar seltene Sträucher niedergebrochen, die er gepflanzt hatte. Und Kapitän Whalley erinnerte sich augenblicklich daran, daß im siebenundvierziger Jahre der damalige Sultan, »dieses Mannes Großvater«, berüchtigt gewesen war als ein großer Beschützer der vom Osten kommenden Piratenflotten. Sie hatten eine sichere Zuflucht im Fluß von Batu-Beru gehabt. Der Sultan hatte besonders einen Balinini-Häuptling mit Namen Hadschi Daman unterstützt. Kapitän Whalley versicherte mit einem bezeichnenden Zucken seiner buschigen weißen Augenbrauen, daß er besonders guten Grund habe, einiges darüber zu wissen. Seither sei die Welt fortgeschritten.

Herr van Wyk widersprach mit unerwarteter Schärfe. Fortgeschritten? Das wollte er wohl wissen.

Nun, im Wissen um die Wahrheit, in der Gesittung, in Gerechtigkeit, in Ordnung – auch in Ehrlichkeit, da ja die Leute einander meistens aus Unkenntnis Böses zufügten. Es sei, so schloß Kapitän Whalley, nun einfach besser darin zu leben.

Herr van Wyk wollte, spöttisch, nicht zugeben, daß zum Beispiel Herr Massy von Natur aus angenehmer sein könne als die Balinini-Piraten.

Der Fluß habe bei dem Tausch nicht gewonnen. Sie seien in ihrer Art alle gleich ehrlich. Massy war zweifellos weniger blutdürstig als Hadschi Daman, aber . . .

»Und wie ist es dann mit Ihnen, mein lieber Herr?« Kapitän Whalley lachte ein tiefes, leises Lachen. »Nun, Sie sind doch sicher eine Verbesserung!«

Er fuhr in spaßhaftem Ton fort. Eine gute Zigarre sei besser als ein Schlag auf den Kopf – als die Art von Willkommen also, die ihn an diesem Fluß vor fünfundvierzig Jahren erwartet hätte. Dann lehnte er sich vor und sprach sehr ernsthaft. Es schien, als hätten diese Seeräuber, außer ihren eigenen Berufsgenossen, die ganze Menschheit mit einem unverständlichen Haß verfolgt. Inzwischen sei ihren Raubzügen ein Ziel gesetzt worden, und was sei nun die Folge? Die neue Generation sei ordentlich, friedliebend, in aufblühenden Dörfern angesiedelt. Er könne da aus eigener Erfahrung sprechen. Und sogar noch die wenigen Überbleibsel aus jenen Zeiten – nun alte Männer – hätten sich so sehr geändert, daß es herzlos scheinen müßte, ihnen die Erinnerung daran entgegenzuhalten, daß sie je in ihrem Leben eine Kehle aufgeschlitzt hätten. Dabei hatte er besonders einen im Sinn: den ehrwürdigen, hochgeachteten Häuptling eines gewissen großen Küstendorfes, etwa sechzig Meilen Südwest von Tampasuk. Es täte einem im Herzen wohl, den Mann anzusehen, ihn sprechen zu hören. Dabei mochte er wohl einmal ein blutdürstiger Wilder gewesen sein. Was die Menschen brauchten, das war, durch überlegene Intelligenz, durch überlegenes Wissen, auch durch überlegene Gewalt, gezügelt zu werden – jawohl, auch durch Gewalt, die jemand von Gott übertragen worden war, um sie seinem Willen gemäß zu gebrauchen. Kapitän Whalley glaubte daran, daß in jedem Mann eine Anlage zum Guten bestünde, auch wenn die Welt im ganzen genommen kein sonderlich glücklicher Platz war. In die Weisheit der Menschen setzte er nicht soviel Vertrauen. Der Anlage zum Guten mußte gelegentlich recht kräftig nachgeholfen werden, gab er zu. Sie mochten dumm sein, querköpfig, unglücklich; aber von Natur aus schlecht – nein! Auf dem Grunde lag immer zumindest eine völlige Harmlosigkeit . . .

»Ja, wirklich?« fiel Herr van Wyk spöttisch ein.

Kapitän Whalley lachte über den Einwurf, das tiefe Lachen einer starken, duldsamen Gewißheit. Er konnte, wie er hervorhob, auf ein halbes Jahrhundert zurückblicken. Der Rauch wirbelte bedächtig durch die weißen Haare um seine gütigen Lippen hervor.

»Auf alle Fälle«, schloß er nach einer Pause, »bin ich froh, daß sie bisher noch nicht Zeit gefunden haben, Ihnen ernsthaft Böses anzutun.«

Diese Anspielung auf seine verhältnismäßig jungen Jahre verletzte Herrn van Wyk nicht; er stand auf und zuckte mit rätselhaftem Lächeln die Schultern. Sie gingen freundschaftlich nebeneinander durch die sternhelle Nacht zum Flußufer hinunter. Ihre Schritte klangen ungleich auf dem dunklen Pfad wider. Am Uferende der Laufplanke warf die Laterne, die niedrig am Geländer befestigt war, ein helles Licht auf die weißen Beine und die großen schwarzen Füße des Herrn Massy, der ängstlich wartete. Von der Hüfte aufwärts blieb er im Schatten, nur eine Reihe von Knöpfen glänzte bis zu den verschwommenen Umrissen seines Kinns empor.

»Sie mögen sich bei Kapitän Whalley dafür bedanken«, sagte ihm Herr van Wyk kurz, bevor er sich zum Gehen wandte.

Die Lampen auf der Veranda warfen zwischen den Säulen durch drei lange, erleuchtete Rechtecke über den Rasen. Vor Herrn van Wyks Augen flitzte ein Käfer vorbei, wie ein losgelöster Fleck der samtigen Nacht. Längs der Jasminhecke war die Nachtluft geschwängert von wohlriechendem Tau: Blumenbeete faßten den Weg ein. Die gestutzten Sträucher erhoben sich da und dort vor dem Hause in dunklen, rundlichen Formen; das dichte Blattwerk der Schlingpflanzen dämpfte das Lampenlicht aus dem Innern die ganze Front entlang zu einem grünlichen Schein; und alles, nah und weit, stand ruhig in völliger Reglosigkeit und großer Süße.

Herr van Wyk (einige Jahre zuvor hatte er Anlaß gehabt, sich einzubilden, daß er schlechter als sonst ein lebender Mensch von einer Frau behandelt worden sei), Herr van Wyk also empfand für Kapitän Whalleys optimistische Lebensanschauungen die Geringschätzung eines Mannes, der einst selbst gläubig gewesen war. Sein Ekel vor der Welt (die Frau hatte sie für ihn eine Zeitlang ausgefüllt) hatte die Form einer arbeitsreichen Einsamkeit angenommen, denn, wenn auch großer Gefühlstiefe fähig, war er doch tatkräftig und durchaus nicht lebensfremd. In diesem ungewöhnlichen alten Seemann aber, der da von außen her an den Grenzen seiner Abgeschlossenheit auftauchte, steckte etwas, das seine Zweifelsucht reizte. Selbst seine Einfalt, die belustigend genug war, erschien als letzte Verfeinerung eines aufrechten Charakters. Die überraschende Würde des Gehabens bei einem Manne, der auf eine so niedrige Stellung gesunken war, konnte nichts andres sein als der Ausdruck einer überwiegend vornehmen Veranlagung. Bei all seinem Glauben an die Menschheit war er kein Narr; die Heiterkeit seiner Gemütsart am Ende so langer Jahre, die ihm ja offenbar nicht von Erfolg versüßt worden waren, erschien als letzte Weisheit. Herr van Wyk belustigte sich mitunter darüber. Sogar die rein körperlichen Züge des Kapitäns der Sofala, seine mächtige Gestalt, seine gesetzte Miene, sein kluges, schönes Gesicht, die wuchtigen Gliedmaßen, die gütige Höflichkeit, der Schatten von Ernst in den buschigen Augenbrauen, schufen das Bild einer anziehenden Persönlichkeit. Herr van Wyk haßte alles Kleine; an diesem Mann aber war nichts Kleines. Und während vieler, musterhaft pünktlicher Reisen war eine Vertrautheit zwischen ihnen erwachsen, ein warmes Gefühl, das sich unter gemessenen Verkehrsformen barg, wie sein verwöhnter Geschmack sie verlangte.

Sie behielten jeder ihre Meinung über alle weltlichen Dinge. Seine anderen Überzeugungen drängte Kapitän Whalley nie jemand auf. Der Altersunterschied schien ein weiteres Band zwischen ihnen zu bilden. Als einmal Herr van Wyk mit der Unbarmherzigkeit seiner Jugend geneckt wurde, warf er einen Blick über die mächtigen Ausmaße seines Gegenübers und gab im gleichen Ton zurück:

»Oh, Sie werden sich schon noch zu meiner Denkweise bekennen. Zeit genug werden Sie dazu haben. Nennen Sie sich nicht alt: Sie können es gut bis auf das volle Hundert bringen.«

Er konnte aber seine angeborene Schärfe nicht lassen und fügte, wenn auch gemildert durch ein beinahe liebenswürdiges Lächeln, hinzu:

»Bis dahin werden Sie wahrscheinlich gern bereit sein zu sterben, aus reinem Überdruß.«

Kapitän Whalley lächelte ebenfalls und schüttelte den Kopf. »Gott verhüte es!«

Er meinte, daß er vielleicht, alles in allem, etwas Besseres verdiente, als in einem solchen Gefühl zu sterben. Die Zeit würde natürlich kommen, und er vertraute seinem Schöpfer, daß er ihm einen Hingang bescheren würde, dessen er sich nicht zu schämen brauchte. Im übrigen hoffte er, hundert Jahre alt werden zu können, wenn es nötig sein sollte; auch andere Leute hatten das getan; es war kein Wunder. Er erwartete keine Wunder.

Die eigene, nachdenkliche Betonung veranlaßte Herrn van Wyk, den Kopf zu heben und den Alten fest anzusehen. Kapitän Whalley sah wie verzückt vor sich hin, als könnte er seines Schöpfers gnädigen Entschluß in geheimnisvollen Buchstaben auf der Wand geschrieben sehen. Er verhielt sich einige Sekunden lang völlig reglos und sprang dann so unvermittelt auf die Füße, daß Herr van Wyk fast erschrak.

Jetzt erst führte er einen wuchtigen Schlag gegen die gewölbte Brust; dann streckte er den einen mächtigen Arm waagrecht aus, und er stand in der Luft wie ein Baumast an einem windlosen Tage. Dazu meinte er:

»Kein Ziehen und kein Schmerz darin. Können Sie das leiseste Zittern merken;«

Seine Stimme klang leise und wie ehrfürchtig, im Gegensatz zu der herrischen Wucht seiner Gebärden. Er setzte sich unvermittelt wieder hin.

»Das tue ich nicht, um mich zu rühmen, müssen Sie wissen. Ich bin nichts«, sagte er mit einer mühelosen und starken Stimme, die so natürlich hervorzudringen schien, wie ein Fluß strömt. Er nahm die Zigarre wieder auf, die er beiseite gelegt hatte, und fügte mit einem leichten Nicken bedächtig hinzu: »Zufällig ist mein Leben nötig; es gehört nicht mir. Nein – weiß Gott!«

Den Rest des Abends sprach er nicht mehr viel, doch entdeckte Herr van Wyk wiederholt ein leises, selbstsicheres Lächeln, das unter dem schweren Schnurrbart hinhuschte.

Späterhin nahm Kapitän Whalley dann und wann eine Einladung zum Abendessen ›im Hause‹ an. Er ließ sich sogar herbei, ein Glas Wein zu trinken. »Glauben Sie ja nicht, daß ich mich davor fürchte, mein guter Herr«, erklärte er. »Es hatte seinen triftigen Grund, daß ich den Wein aufgab.«

Bei einer anderen Gelegenheit bemerkte er, während er bequem zurückgelehnt dasaß, »Sie haben mich sehr, sehr menschlich behandelt, mein lieber Herr van Wyk, von Anfang an.«

»Sie werden zugeben, daß ich einen Grund dazu hatte«, gab Herr van Wyk lustig zurück. »Ein Teilhaber dieses ausgezeichneten Massy . . . Nun, nun, mein lieber Kapitän, ich will kein Wort gegen ihn sagen.«

»Es hätte auch keinen Sinn, daß Sie irgend etwas gegen ihn sagten«, versicherte Kapitän Whalley ein wenig verstimmt. »Wie ich Ihnen schon früher erklärte, sind mein Leben und meine Arbeit nötig, nicht für mich allein. Ich habe keine Wahl . . .« Er unterbrach sich, spielte mit seinem Weinglas und schloß: »Ich habe ein einziges Kind – eine Tochter.«

Eine weite, zu Boden weisende Bewegung seines Armes über den Tisch schien, in weiter Entfernung, ein ganz kleines Mädchen andeuten zu wollen. »Ich hoffe sie noch einmal zu sehen, bevor ich sterbe. Inzwischen ist es genug, zu wissen, daß sie mich hat, gesund und rüstig, Gott sei Dank. Sie können nicht begreifen, wie man da empfindet. Bein von meinem Bein, Fleisch von meinem Fleisch; das wahre Abbild meiner armen Frau. Nun, sie . . .«

Wieder unterbrach er sich und brachte dann gemessen betont hervor: »Sie hat schwer zu kämpfen.«

Und sein Haupt sank auf die Brust, seine Augenbrauen blieben gerunzelt, wie in krampfhaftem Nachdenken. Bald aber schien sich sein Sinn wieder aufzurichten an der ungemessenen Hoffnung auf eine höhere Macht. Herr van Wyk fragte sich mitunter, wieviel davon der prachtvollen Lebenskraft dieses Mannes zuzuschreiben war, der körperlichen Stärke, die sich der Seele mitzuteilen scheint. Doch er hatte ihn ehrlich liebgewonnen.

 


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