Joseph Conrad
Das Ende vom Lied
Joseph Conrad

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IV

In solche Gedanken versunken, ging er den Schienengleisen am Quai entlang, mit breiter Brust, ungebeugt, als hätten seine mächtigen Schultern nie eine der Bürden gefühlt, die wir von der Wiege bis zum Grabe mit uns tragen müssen. Keine verräterische Runzel oder Kummerfalte entstellte das ruhevolle Ebenmaß seines Gesichtes. Es war voll und nicht von der Sonne verbrannt; über der Länge silberigen Barthaares erhob sich massig und ruhig der obere Teil, ansprechend durch die Hautfarbe und die wuchtige Wölbung der Stirn. Sein erster Blick fiel auf die Menschen rein und flink, wie der eines Jungen; infolge der buschigen, weißen Augenbrauen aber wirkte seine liebenswürdige Aufmerksamkeit immer wie eine finstere und durchdringende Prüfung. Mit den Jahren hatte er ein wenig Fleisch angesetzt, hatte an Umfang zugenommen wie ein alter Baum, der doch keine Anzeichen des Verfalls aufweist; und sogar das üppige, glänzende Geringel weißen Haares auf seiner Brust erschien noch als Merkmal unbeugsamer Lebenskraft und Stärke.

Früher einmal ziemlich stolz auf seine große Körperkraft, auf seine persönliche Erscheinung, sich seines Wertes voll bewußt und von unbeugsamer Rechtlichkeit, hatte er, wie ein Erbstück aus besseren Tagen, die ruhige Haltung eines Mannes bewahrt, der sich zu jeder Stunde dem Leben seiner Wahl gewachsen gezeigt hat. Er schritt dahin unter dem breiten Rand eines alten Panamahutes, der eine niedrige Form hatte, eine Quetschfalte quer durch den ganzen Umfang und ein schmales, schwarzes Band. Diese unverwüstliche und ein wenig verschossene Kopfbedeckung machte es leicht, ihn von weitem auf belebten Quais und Straßen zu erkennen. Er hatte die verhältnismäßig neue Mode weißgestrichener Korkhelme nie mitgemacht. Er liebte die Form nicht und hoffte bis zum Ende seines Lebens ohne dieses Beiwerk von hygienischer Lüftung sich seinen kühlen Kopf bewahren zu können. Sein Haar war kurz geschoren, sein Leinen von tadelloser Weiße; ein Anzug aus dünnem, grauem Flanell, etwas abgetragen, aber sauber gebürstet, umfloß seine mächtigen Glieder und erhöhte durch den losen Schnitt noch die Wucht der Erscheinung. Die Jahre hatten die lustige, unbeirrbare Kühnheit seiner Jugend zu einem steten Gleichmut gemildert; und das leise Klopfen seines Stocks mit der Eisenspitze auf dem Pflaster begleitete seine Schritte mit einem selbstbewußten Ton. Es schien undenkbar, eine so vornehme Erscheinung und ein so unverbrauchtes Aussehen mit den erniedrigenden Sorgen der Armut in Verbindung zu bringen; das ganze Leben des Mannes schien einem leicht und weit vor Augen zu stehen, in völliger Freiheit von Geldsorgen und weit wie die Kleider, die er nun am Leibe trug.

Die fast übertriebene Sorge, zu persönlichen Ausgaben im Hotel seine fünfhundert Pfund angreifen zu müssen, störte seine Gemütsruhe. Es gab keine Zeit zu verlieren. Die Rechnung summte sich auf. Er hoffte, daß diese fünfhundert Pfund vielleicht, wenn alles sonst versagte, das Mittel sein konnten, irgendeine Arbeit zu bekommen, die ihm helfen sollte, Leib und Seele zusammenzuhalten (was keine große Sache war), aber auch, seiner Tochter behilflich zu sein. Für sein Gefühl war es ihr Geld, das er dazu benützte, um ihrem Vater, und zwar zu ihrem Nutzen, auszuhelfen. Sobald er einen Posten hatte, wollte er ihr den Großteil seines Gehalts schicken; er konnte noch lange Jahre Dienst tun, und dieses Kosthaus, so sagte er sich, konnte, wie gut auch die Aussichten sein mochten, von Anfang an nicht etwa gleich eine Goldgrube sein. Was für eine Arbeit aber sollte er suchen? Er war bereit, alles anzunehmen, was sich mit seiner Würde vertrug und ihm schnell unter die Finger kam; denn die fünfhundert Pfund mußten für etwaige Notfälle unbedingt erhalten bleiben. Das war die Hauptsache. Mit den ganzen Fünfhundert fühlte man ein Vermögen hinter sich; doch hatte er das Gefühl, daß das Geld alle Wirkung verlieren würde, wenn er es erst auf vierhundertfünfzig oder auch nur vierhundertachtzig einschrumpfen ließ, als läge in der runden Summe eine Zauberkraft. Was für eine Arbeit aber?

Von dieser quälenden Sorge verfolgt wie von einem bösen Geist, gegen den er keine Beschwörungsformeln kannte, blieb Kapitän Whalley auf dem Scheitelpunkt einer kleinen Brücke stehen, die sich steil über das Bett eines zwischen Granitmauern eingezwängten Flusses spannte. Zwischen den Quaderwänden lag eine malaiische Hochseeprau vor Anker, halb unter dem Steinbogen verborgen, die Spieren niedergefiert, ohne einen Laut an Bord, vom Heck bis zum Bug mit einer Unmenge von Matten aus Palmblättern bedeckt. Er hatte das überhitzte Pflaster hinter sich gelassen, mit seiner Einfassung von Steinmauern, die wie die Klippen jeder Einbuchtung des Ufers folgten; vor ihm tat sich eine unbegrenzte Weite auf, wie ein gepflegter Park, mit weiten Flächen kurzen Rasens, wie grüne glatte Teppiche, mit langen Reihen alter Bäume, die als dunkle Säulen das Astgewölbe einer ungeheuren Halle zu tragen schienen.

Einige dieser Alleen endeten am Meer. Die Masten und Spieren einiger Schiffe, die weit weg lagen, den Rumpf unter der Kimm, ragten in einem feinen Gewirr rosiger Linien, wie mit Bleistift gezeichnet, gegen den klaren Himmel empor. Kapitän Whalley sandte ihnen einen langen Blick zu. Dort draußen lag auch das Schiff, das einst das seine gewesen. Es tat weh, denken zu müssen, daß es ihm nicht länger gegeben war, am Quai ein Boot zu nehmen und sich zu dem Schiff hinausrudern zu lassen, wenn der Abend kam. Zu keinem Schiff. Vielleicht nie wieder. Bevor der Kauf abgeschlossen und bis die Kaufsumme bezahlt war, hatte er täglich einige Zeit an Bord der Fair Maid zugebracht. Das Geld war an diesem selben Morgen bezahlt worden, und nun gab es mit einmal kein Schiff mehr, an dessen Bord er gehen konnte, wenn ihn die Lust ankam. Kein Schiff, das seine Gegenwart brauchen würde, für die Arbeit – zum Leben. Es schien eine ganz unglaubliche Sachlage, zu lächerlich, um von Dauer sein zu können. Und die See war voll von Schiffen aller Art. Da lag diese Prau so still unter ihren Decken aus zusammengenähten Palmblättern – auch sie hatte ihren unentbehrlichen Mann. Sie lebten beide voneinander, dieser Malaie, den er nie gesehen hatte, und dieses unförmige Ding mit dem hohen Heck, das nach einer langen Reise auszuruhen schien. Und von all den Schiffen in Sicht, nah und fern, hatte jedes seinen Mann, den Mann, ohne den auch das schönste Schiff ein totes Ding ist, ein treibender, zweckloser Klotz.

Nachdem er diesen einen Blick über die Reede geworfen hatte, ging er weiter, da es nichts mehr gab, dem er sich hätte zuwenden können, und die Zeit irgendwie hingebracht werden mußte. Die Alleen zwischen den großen Bäumen erstreckten sich weit längs der Küste, schnitten einander in verschiedenen Winkeln, mit Säulen an ihrem Fuß und wucherndem Überschwang oben. Die verschlungenen Äste dort oben schienen zu schlummern; kein Blatt rührte sich, und die Gußeisenrohre der Lampenpfosten in der Mitte der Straße, goldfarben wie Zepter, verkleinerten sich in der weiten Perspektive und schienen mit ihren weißen Porzellankugeln auf der Spitze ein barbarischer Schmuck aus Straußeneiern, die in einer Reihe aufgepflanzt waren. Der flammende Himmel warf einen kleinen Purpurfleck auf die glitzernde Oberfläche der Glasschalen.

Das Kinn ein wenig gesenkt, die Hand hinter dem Rücken und mit dem Stockende eine leicht zitterige Spur in den Kies ritzend, überlegte Kapitän Whalley, daß ein Schiff ohne Mann wie ein Körper ohne Seele war, ein Seemann ohne ein Schiff aber in dieser Welt nicht viel mehr bedeutete, als ein herrenloser Baumstamm, der im Meere treibt. Der Baumstamm mochte innerlich ganz gesund sein, zäh in der Faser und kaum umzubringen, doch was bedeutete das! Das plötzliche Vorgefühl unabänderlicher Muße machte ihm die Füße schwer wie Blei.

Mehrere offene Wagen rollten hintereinander die neu eröffnete Küstenstraße einher. Man konnte über die weiten Rasenflächen weg die von den wirbelnden Speichen gebildeten Kreise sehen. Die bunten Wölbungen der Sonnenschirme hingen leicht heraus wie voll erschlossene Blüten über den Rand einer Vase; und die ruhige Fläche dunkelblauen Wassers, von einem Purpurstreifen durchkreuzt, bildete den Hintergrund für die kreisenden Räder und die weit ausgreifenden Pferde, während die turbanbedeckten Köpfe der indischen Diener, über die Horizontlinie hinausragend, am bleiernen Blau des Himmels entlangglitten. Auf einem offenen Platz nahe der kleinen Brücke bog jedes Gespann in einem eleganten Bogen vom Sonnenuntergang weg, wurde dann scharf angehalten und schloß sich der langen Reihe andrer an, die im Schritt, den tiefroten Himmel im Rücken, die Hauptallee durchzogen. Die Stämme der mächtigen Bäume zeigten alle auf derselben Seite die rote Färbung; die Luft unter dem hohen Blätterwerk schien zu brennen – sogar noch der Boden unter den Hufen der Pferde war rot. Die Räder kreisten langsam. Die Farben des Sonnenuntergangs vergingen eine nach der andern, langsam, wie Riesenblüten, die ihre Kelche am Ende des Tages schließen. In der eine halbe Meile langen Kette sprach keine menschliche Stimme ein vernehmliches Wort, nur der leise Hufschlag war zu hören, mit dem gelegentlichen Klingeln vermischt, und die reglosen Köpfe und Schultern von Männern und Frauen, die nebeneinander saßen, ragten über die niedergelassenen Verdecke empor, wie aus Holz geschnitzt. Ein Gespann aber, das später ankam, schloß sich der Reihe nicht an.

Es flog lautlos dahin. Beim Betreten der Allee scheute einer der dunklen Braunen, bog den Hals und drückte sich schnaubend mit der Stahlkappe gegen die Deichsel. Eine Schaumflocke flog vom Gebiß gegen die seidige Schulter, und das dunkle Gesicht des Kutschers lehnte sich augenblicks vor, während die Hände in die Zügel nachgriffen. Es war ein langer, dunkelgrüner Landauer, der sich zwischen den scharfgebogenen C-Federn feierlich schwebend fortbewegte, und dessen äußerste Eleganz den Eindruck hochamtlicher Würde erweckte. Er schien geräumiger, als es sonst üblich ist, seine Pferde etwas größer, das Geschirr noch tadelloser, die Diener etwas höher auf dem Kutschbock. Die Gewänder dreier Frauen – zwei davon jung und hübsch, eine schön und voll in reifem Alter – schienen das geräumige Wageninnere ganz auszufüllen. Das vierte Gesicht war das eines Mannes mit schweren Gliedern, vornehm und hager, mit einem dicken, dunkel eisengrauen Knebel- und Schnurrbart. Seine Exzellenz . . .

Die schnelle Bewegung dieses einen Wagens ließ alle anderen völlig minderwertig und unansehnlich erscheinen und dazu verdammt, mühselig im Schneckentempo hinzukriechen. Der Landauer ließ die ganze Reihe in federndem Trab hinter sich. Die Umrisse der Insassen, die rasch außer Sicht glitten, hinterließen den Eindruck starrer Blicke und unbeirrter Teilnahmslosigkeit.

Kapitän Whalley hatte den Kopf gehoben, um zuzusehen, und sein Verstand, in seinen Betrachtungen gestört, wandte sich nun erstaunt, wie es der menschliche Verstand gern tut, ganz nebensächlichen Dingen zu. Es fiel ihm plötzlich ein, daß er gerade in diesen Hafen, wo er nun sein letztes Schiff verkauft hatte, mit dem ersten, das er besessen, gekommen war, den Kopf voll von dem Plan, eine neue Handelsbeziehung mit dem entfernten Teil des Archipels anzubahnen. Der damalige Gouverneur hatte ihn in jeder Weise ermutigt. Keine Exzellenz – dieser Mister Denham – dieser Gouverneur in Hemdärmeln; ein Mann, der sozusagen Nacht und Tag das schnelle Aufblühen der Niederlassung mit selbstloser Hingabe überwachte, wie eine Wärterin ein Kind, das sie liebt; ein alleinstehender Junggeselle, der mit den wenigen Dienern und seinen drei Hunden wie in einem Feldlager in dem Gebäude wohnte, das der Regierungsbungalow genannt wurde: ein Bau mit niedrigem Dach auf dem halb gerodeten Hang eines Hügels, mit einer neuen Flaggenstange davor und einer Polizeiordonnanz in der Veranda. Kapitän Whalley dachte daran, wie er in drückender Sonne zu seiner Audienz den Hügel hinaufgegangen war, dachte an den leeren Eindruck des kühlen, schattigen Raumes; der lange Tisch war an einem Ende mit Stößen von Papieren bedeckt, am andern lagen zwei Gewehre, ein Messingfernrohr und eine kleine Ölflasche mit einer Feder darin. – Er dachte auch an die schmeichelhafte Aufmerksamkeit, die ihm der damalige Machthaber erwiesen hatte. Das Unternehmen, das auseinanderzusetzen er gekommen war, hatte seine großen Gefahren. Doch eine Unterredung von zwanzig Minuten im Regierungsbungalow hatte es glatt vom Stapel gehen lassen. Und als er sich zurückzog, rief ihm Mr. Denham, der sich schon wieder zu seinen Papieren gesetzt hatte, nach: ›Im nächsten Monat geht die Dido auf Kreuzfahrt in Ihre Nähe. Ich werde den Kapitän nachdrücklich auffordern, nach Ihnen zu sehen.‹ Die Dido war eine der schmucken Fregatten der Chinastation – und fünfunddreißig Jahre sind eine große Zeitspanne. Vor fünfunddreißig Jahren war ein Unternehmen wie das seine für die Kolonie wichtig genug, daß ein königliches Schiff geschickt wurde, um nach ihm zu sehen. Eine große Zeitspanne. Damals hatte der einzelne Mann noch seinen Wert. Männer wie er; Männer auch wie der arme Evans zum Beispiel, mit seinem roten Gesicht, seinem kohlschwarzen Backenbart und den ruhelosen Augen, der am Rande des Urwaldes, in einer einsamen Bai, drei Meilen weiter aufwärts, die erste Patenthelling zur Ausbesserung kleiner Schiffe eingerichtet hatte. Mr. Denham hatte auch dieses Unternehmen ermutigt, und doch war der arme Evans schließlich in der Heimat in traurigen Verhältnissen gestorben. Sein Sohn, hieß es, preßte Öl aus Kokosnüssen, auf irgendeinem gottverlassenen Inselchen des Indischen Ozeans, um nur leben zu können. Aus dieser Patenthelling aber, in einer einsamen, waldigen Bucht, waren die Werkstätten der Vereinigten Dockgesellschaft entstanden, mit ihren drei Trockendocks, die aus gewachsenem Fels gesprengt waren, mit ihren Werften, Hafendämmen, ihrer elektrischen Lichtanlage und dem Kesselhaus – mit ihren ungeheuren Mastenkranen, die stark genug waren, um die schwersten Gewichte zu heben, und deren Oberende wie die Spitze eines eigenartigen Denkmals über das sandige Vorland und die Waldgipfel weg zu sehen war, wenn man von Westen her in den Hafen einfuhr.

Ja, das war eine Zeit gewesen, in der die Männer etwas galten: damals gab es nicht so viele Gespanne in der Kolonie, obwohl Mr. Denham, soviel er sich erinnerte, ein Buggy gehabt hatte. Und Kapitän Whalley hatte das Gefühl, als würde er von einer geistigen Rückströmung aus der großen Allee hinausgespült. Er erinnerte sich an morastige Ufer, an einen Hafen ohne Quais, an den einzigen hölzernen Landungssteg, der von der Gemeinde errichtet war und sich wackelig ins Meer hinausstreckte. An die ersten Kohlenschuppen, die auf Monkey Point errichtet wurden, dann geheimnisvoll in Brand gerieten und tagelang glimmten, so daß die einfahrenden Schiffe zu ihrer Verwunderung in eine Reede voll von Schwefeldämpfen gerieten, über der die Sonne glutrot im Mittag hing. Er erinnerte sich an die Dinge, die Gesichter und noch etwas daneben – wie an den feinen Duft einer bis auf den Grund geleerten Schale, an ein gewisses Etwas in der Luft, das sich in der Luft dieser Tage nicht mehr vorfand.

In dieser rückschauenden Stimmung, die rasch und deutlich alle Einzelheiten hervortreten ließ, wie ein Aufblitzen von Magnesiumlicht in den Nischen einer dunklen Gedächtnishalle, betrachtete Kapitän Whalley die Dinge, die einst wichtig gewesen waren, die Anstrengungen kleiner Leute, das Wachsen eines großen Platzes, was alles nun sein Gewicht verloren hatte durch die Größe des Erreichten und die Hoffnung auf eine noch größere Zukunft; das gab ihm einen Augenblick lang eine so brennende Klarheit des Zeitbegriffs, ein solches Verständnis für unsere unveränderlichen Gefühle, daß er kurz stehen blieb, seinen Stock auf den Boden stieß und ausrief: »Was zum Teufel tue ich hier!« Er schien in Überraschung verloren; da hörte er eine klägliche Stimme einmal, zweimal seinen Namen rufen – und wandte sich langsam um.

Er sah einen Mann von altmodischem, gichtischem Aussehen gewichtig auf sich zuwatscheln, dessen Haar weiß war wie sein eigenes, dessen blühende Wangen aber glatt rasiert waren und der einen Maschenbinder trug – fast schon ein Halstuch –, dessen Stoffenden zu beiden Seiten weit vom Kinn abstanden; mit runden Beinen, runden Armen, einem runden Leib, einem runden Gesicht machte seine kurze Gestalt den Eindruck, als wäre sie mit einer Luftpumpe bis an die Grenze der Haltbarkeit seiner Kleidernähte aufgetrieben worden. Das war der Direktor des Hafenarsenals, eine höhere Art von Hafenmeister also, eine Persönlichkeit draußen im Osten, die in ihrem Machtbereich nicht ohne Bedeutung ist; ein Regierungsbeamter, über die Hafengewässer gesetzt und mit einer nicht ganz scharf umrissenen Disziplinargewalt über Seeleute aller Klassen ausgestattet. Von diesem besonderen Arsenaldirektor hieß es, daß er seine Macht als jämmerlich unvollkommen empfand, weil sie nicht die Gewalt über Tod und Leben in sich schloß. Das war eine spaßhafte Übertreibung. Kapitän Eliott war mit seiner Stellung recht zufrieden und sich der Machtfülle, die sie bot, recht wohl bewußt. Seine eitle und herrschsüchtige Gemütsart ließ nicht zu, daß sie etwa von seinen Händen unbenutzt verkümmerte. Die laute, heißblütige Offenherzigkeit seiner Auslassungen über den Charakter und die Aufführung mancher Leute machten ihn gefürchtet; wenn auch gesprächsweise manche behaupteten, ihn durchaus nicht zu scheuen, so lächelten doch andere säuerlich bei der bloßen Nennung seines Namens, und es gab sogar manche, die es wagten, ihn einen zudringlichen alten Halunken zu nennen. Doch war fast für jeden einzelnen unter ihnen allen die Aussicht, einen von Kapitän Eliotts Ausbrüchen aushalten zu müssen, so schrecklich wie etwa die völlige Vernichtung.

 


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