Lena Christ
Lausdirndlgeschichten
Lena Christ

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Die Familienfeier

So. Jetzt ist ein Ende mit aller Lust.

Der Ernst des Lebens ist da.

Ich gehe jedenfalls jetzt bald ins Kloster.

Oder ich heirate.

Außer, ich finde meinen Vater.

Wenn er noch lebt.

Meine Mutter sagt zwar, daß er damals, wie der Dampfer Cimbria untergegangen ist, auch dabei war.

Aber ich glaube es nicht mehr.

Ich habe im Adreßbuch seinen Namen gefunden.

Wenn ich am Sonntag in die Vesper oder in die Kapuzinerpredigt gehen muß, dann suche ich ihn.

Vielleicht ist er es.

Vielleicht ist er auch recht reich; dann wird es fein.

Dann zeige ich es meinen Stiefbrüdern.

144 Und dann laß ich mich nicht mehr so prügeln daheim.

Hoffentlich ist er es.

* * *

Jetzt ist es so zum Verzweifeln.

Nichts kann ich mehr recht machen.

Als ob ich was dafür könnte, daß die Mutter erst zehn Jahre verheiratet ist.

Hätte sie halt den andern Vater geheiratet!

Und jetzt heißt es, ich habe sie blamiert.

Ich habe doch gar nichts dabei gedacht, und überhaupts!

Bei uns muß schon auch alles gefeiert werden!

Jeder Geburtstag, jeder Namenstag, jede heilige Zeit wird bei uns mit Tschintarratta gefeiert!

Und die längsten und die überspanntesten Gedichte müssen hergesagt werden, und Geschenke muß man machen, und hundertmal im Tag muß man es hören: Heut, an mein' Geburtstag! – Heut, an mein' Namenstag! – Heut, an unserm Hochzeitstag!

Ja – der Hochzeitstag.

Der ist schuld an allem Unglück.

Wie nur auch alles grad so unglückselig auftrifft, daß ich am Hochzeitstag der Mutter auch meinen Geburtstag haben muß!

145 Und noch dazu immer um sieben Jahr mehr!

Also. Am ersten Oktober hat die Mutter ihren zehnten Hochzeitsjahrtag mit meinem Stiefvater gefeiert, und ich bin an dem Tag siebzehn Jahr alt geworden.

Und das wars.

Ich richt alles wunderschön her. Girlanden, Lampions, Blumen, Transparent, Kuchen, Geschenke, alles aufs feinste; eine Musik wird bestellt, die Stammgäste helfen auch noch dazu; das Nebenzimmer schaut furchtbar fein aus, und auf einem Brett brennen zehn Kerzen.

Alles geht wie am Schnürl, und ich sage mit feierlicher Stimme meinen selbstgemachten Vers.

Das ist nämlich furchtbar schwer, das Versmachen, und man braucht dazu viele Bücher.

Aber er war sehr fein, und ich habe damit angefangen:

Der Ehestand ein Wehestand!
Dies Sprichwort ist gar wohl bekannt.
Allein, ein jedes Sprichwort hinkt,
Und wem kein Eheglück gelingt,
Der frage, wenn sein Kreuz er trägt,
Ob nicht die eigne Schuld ihn schlägt!
Bei Euch, Ihr Lieben, ist's nicht so;
Ihr waret glücklich stets und froh. 146
Ihr habt mit neubekränztem Haare
Nach wechselvollem zehnten Jahre
Den nie bereuten Bund erneut;
Drum danket Gott für alles heut!
Nehmt das Erzeugnis meiner Hände!
Gering ist's nur, was ich Euch spende:
Ein Käpplein für Herrn Vaters Haupt;
Ich reich es Euch – wenn Ihr's erlaubt!
Doch der Frau Mutter dacht ich zu
Als freundliche Gabe die samtenen Schuh.
O nehmet hin die kleine Gabe
Und lebet glücklich Eure Tage!

Und ich nehme mit schwungvoller Handbewegung die Geschenke und will sie ihnen überreichen.

Da gibt mir die Mutter einen Rippenstoß.

Aber in diesem Augenblick fangt auch der Vorstand von der Tischgesellschaft Eichenlaub mit seinem Prolog an und rühmt die zehnjährige glückliche Ehe und – wünscht mir zum siebzehnten Geburtstag auch das beste!

Da schreit die Mutter drein: »Ja, seids denn auf amal alle mitanand narrisch wordn! Was redt's denn alleweil von zehn Jahr! Mir san do scho zwanz'g verheirat'!«

Ich will ihr ausdeutschen, daß das nicht stimmt; denn sonst wäre sie ja bei ihrer Heirat 147 erst achtzehn, der Vater aber bloß fünfzehn Jahr alt gewesen. Und überhaupts wär sie ja dann noch in die Schul gegangen, wie sie mich . . .

Aber da packt sie mich beim Schlafittich, jagt mich ins Bett, und am andern Tag gibts furchtbare Prügel.

Und jetzt ist es noch immer zum Davonlaufen.

 


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