Lena Christ
Lausdirndlgeschichten
Lena Christ

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Beim Weber

Am Sonntag hat mancher einen Rausch. Aber der Ropfer hat alle Tag einen gehabt, auch am Werchtag.

Der Herr Pfarrer hat ihm viel Worte gegeben, gute und schlechte; aber der Ropfer hat gesagt: »Den brauch i, den muaß i habn, mein Rausch.«

Da ist es halt so geblieben.

Der Ropfer, das ist unser Weber.

Dem sein Weib, die Ropferin, ist halt nicht die rechte Weberin gewesen; mein Großvater sagt immer, die hätt halt do' bei ihrane Säu bleibn solln!

Sie ist nämlich eine solchene Magd gewesen, die wo bei den Schweinen sind.

Drum hat sie auch beim Ropfer einen Stall gehabt.

Aber in der Stuben.

Da sind die Hühner auf dem Webstuhl 26 gesessen, und die Geiß hat das Brot und das Salz aus dem Millikastl geschleckt.

Unter der Ofenbank sind die Kinihasen herumgehupft und auf den Stühlen die Kinder.

Denn sie haben sieben.

Und die Katz ist auf dem zerbrochenen Sesselofen gehockt und hat geschnurrt und auf die vielen Fliegen geschaut, die um den Nachthafen mitten am Stubenboden herumgetanzt sind.

Und die Luft war dick und die Ropferin auch.

So hat es ausgeschaut, wie wir gekommen sind; weil meine Großmutter den Flachs gebracht hat.

Da hat sie grad die Geiß gemolken, die Ropferin.

Und die Kinder haben gerauft um den Schnuller von dem kleinen Ropferbuben. Das ist ein Fleckl, und darin ist ein nasses Brot und ein Zucker.

Den hätte ein jedes haben mögen.

Aber er hat dem Wastl gehört.

Der Ropfer hat gearbeitet, daß alles gescheppert hat, und hat gesungen: »Und der Krieg muß den Frieden vertreiben . . .«

Da hat die Großmutter geschrien. »Grüaß enk Good!«

Sie hat es aber viermal schreien müssen. Da hat die Ropferin das Melken aufgehört und hat gesagt: »Ja, grüaß di Good, Handschuasterin!«

27 Dann hat sie die Milch auf die Ofenbank gestellt.

Jetzt ist die Katz auch auf die Ofenbank. Und der Ropfer hat furchtbar laut gesungen: »Ja, im Krieg, da wird keiner verscho–o–o–ont!«

Da hat ihm die Ropferin einen Stoß gegeben und hat auf die Großmutter gedeutet.

Die Großmutter ist jetzt hin zu ihm und hat ihm den Flachs gegeben.

Ich bin auch hin.

Da hab ich es gefunden.

Es ist ein irdenes Krüglein gewesen und ist neben dem Webstuhl gestanden. Das hab ich genommen und hab daran gerochen.

Es hat grad so gerochen wie der Großmutter ihr Taubeerschnaps.

Der Herr Pfarrer schimpft furchtbar über das Saufen und am ärgsten über den Schnaps.

Drum hab ich es ausgeschüttet.

In den Hühnertrog.

Dann hab ich das Krüglein in den Milchhafen getaucht.

Die Ropferin hat mit der Großmutter über die Pfarrerlies geschimpft, und der Ropfer hat den Flachs angeschaut.

Da hab ich es wieder hingestellt.

28 Der Wastl hat die Hosen fallen lassen und ist auf den Hafen gegangen.

»Also, Ropfer,« hat dann die Großmutter gesagt, »tua mi net vergessn und mach mir's billi! Mehra wia zwee Markl zahl i net für'n Bund!«

»Zwee Markl? Naa, naa! Handschuasterin, da muaßt scho no a weng was drauflegn!«

»Ja freili! Zwee Markl und net mehra, sag i!«

»Alsa, Handschuasterin,« hat der Ropfer noch einmal angefangen, »paß auf, i mach mei Sach g'recht: i verlang zwee Markl, und du tuast ma dö Ehr o und schickst ma a Flaschei vo dein' o'g'setztn Taubeerschnaps hintra.«

»Naa, sag i! Du kimmst aa ohne mein' Schnaps zu dein Rausch!«

»Sigst, Handschuasterin, du machst ma's Lebn saur. – Da werd ma ganz loade, sag i dir! – Da muaß i mi wirkli stärka, Handschuasterin! –« Dabei hat er nach dem Krüglein gegriffen. »Mit Verlaub – grad an Weichbrunn auf den Schreckn!«

Da bin ich an die Tür geschlichen.

Die Hühner sind zum Futter geflogen und haben viel gefressen.

»Ja, ja!« hat die Großmutter noch gesagt, »Gott g'segn dir'n! Dös woaß ma scho, was du 29 für an Weichbrunn brauchst! Für di derfan s' amal im Himmi drobn extra . . .«

Sie hat nimmer ausreden können; denn der Ropfer hat kaum die Geißmilch auf der Zunge gehabt, hat er sie auch schon wieder heraußen gehabt.

Da hat sie die Großmutter im Gesicht gehabt.

»Himmi – Kreiz – Kruzidürkn . . .!«

Furchtbar geflucht hat er, der Ropfer, und hat das Krüglein der Ropferin nachgeschmissen.

Und den Hocker auch, auf dem es gestanden war. Und das Lieserl und den Hansl hat er gepackt und hat sie in die Ecke geschmissen und hat noch lauter geflucht, und alle haben geschrien, und die Großmutter hat sich das Gesicht abgewischt und ist davon, und alle sind davon.

Der Wastl ist über das Haferl gefallen, und die Geiß und die Hühner sind heraus, und alles hat geschrien.

Der Ropfer ist ganz narrisch gewesen vor lauter Wut.

Und dem Wastl sind ein paar Kinihasen zwischen die Füße gesprungen und er ist zum Haus herausgefallen, und das Blut ist ihm heruntergelaufen, und er hat seine Nase gehalten und geschrien: »I blüat! I bin tot!«

30 Sein Schnuller ist auch blutig gewesen.

Ich hab mich an das Nachbarshaus gestellt.

Da hab ich alles gesehen.

Meine Großmutter ist heimgelaufen und hat recht geschrien.

Und die Hühner haben angefangen zum Torggeln und alles war dahin.

Da hat der Gockel auch angefangen und hat mit den Flügeln geschlagen und hat nicht mehr laufen können von dem Schnaps. Und da haben sie immer die Füße aufgehoben und der Gockel auch und sind doch nicht vorwärts gekommen.

Da hab ich furchtbar gelacht.

Aber der Wastl hat gar nicht mehr aufgehört zum Weinen und ist ohne Hosen um das Haus gelaufen.

Und das Haus war zugesperrt, und ich habe keinen Menschen mehr gesehen und kein Kind.

Da habe ich den Wastl bei der Hand genommen und bin mit ihm an den Bach.

Hinter dem Sägmüller.

Weil er mir erbarmt hat.

Dann hab ich ihn in den Bach hinein und ich bin auch hinein, und er hat noch immer geschrien.

»I bin tot, i blüat!«

Und wie er im Wasser war, hab ich ihm sein 31 Jopperl ausgezogen. Dann hab ich ihm das Hemd ausgezogen.

Das waren nur noch Fetzen.

Aber es war doch sein Hemd.

Mit dem hab ich den Wastl gewaschen. Dann hat er noch viel ärger geschrien und hat davon wollen.

Und dann ist er umgefallen und wäre bald ertrunken.

Aber ich habe ihn wieder heraus. Und das Jopperl ist fortgeschwommen.

Das Hemd auch.

Da hab ich etwas gesehen.

Es war eine Wasch von der Müllerin, die ist im Gras gelegen zum Bleichen.

Da hab ich ein Tischtuch genommen und hab den Wastl eingewickelt und hab gesagt: »Jatz gehst hoam und laßt di o'ziagn.«

Derweil hat es aber die Müllerin gehört, weil er so geheult hat.

Da bin ich durch den Bach gewatet und hinter die Büsche, und der Wastl ist dagestanden und hat noch immer geblutet und geschrien.

Der Müllerin aber hat er gar nicht erbarmt, und sie hat so geplärrt und hat ihm das nasse Tischtuch herumgehaut: »Hab i di derwischt, 32 du Hundsbua, du miserabliger!« hat sie geplärrt, »wart, dir wer' i fremdn Leutn sei Sach stehln!«

Und dabei hat sie ihn wieder gehaut.

»Und voller Dreck is's aa! Und voller Bluat is's aa!«

Dabei hat sie es ihm wieder herumgehaut. Und dann ist sie fort.

Der Wastl hat so geschrien, daß ich gemeint habe, er steckt im Messer.

Dann ist er heim.

Ganz pudelnackat.

Aber er war nicht mehr dreckig. Bloß von der Nasen ist noch immer das Blut heruntergetröpfelt.

Da bin ich auch heim.

Aber am andern Tag ist er doch wieder dreckig gewesen und noch immer blutig und hat einen Rock angehabt und gar keine Hosen.

Und der Rock ist von der Zenzi, und er ist ihm viel zu lang.

Und auch dreckig.

Und er ist doch schon bald sechs Jahre alt.

Da hat er mir nicht mehr erbarmt.

 


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