Lena Christ
Madam Bäuerin
Lena Christ

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Tante Adele hat ihren Morgenspaziergang gemacht und ist dabei auch an das Land gekommen, auf dem der Schiermoser Frühkartoffeln ausackert.

In den tiefen Furchen, die der Pflug schneidet, raufen sich Stare und Raben um die Engerlinge und Würmer.

Langsam lenkt der Schiermoser den Ochsen und sein Wühst und Hott hallt weithin über die Flur.

Fräulein Adele steht betrachtend am oberen Rande des Ackers und wartet, bis der Bauer in ihre Nähe kommt. Dann beginnt sie folgende Unterhaltung:

»Jetzt wirst es bald haben, Schiermoser?«

»Ja, jetz wer i's bald habn«, erwidert der Bauer.

»Zwoa Biefel hast no, gell?«

»Ja, zwee hans no.«

»Hast a no alleweil hübsch viel Arbeit in deine alten Tag, gell?«

»No ja. Freili wohl.«

»Werst froh sein, balst amal ausrasten kannst.«

»Ja. Scho. Aber da is no weit hin, wähn i.«

»Mei, wenn amal der Franzl heirat'...«

»Wenn er amal...«

»Daß 's net sein kunnt, Schiermoser! Mittendrin amal!«

Der Bauer lacht schier mitleidig.

»Da siecht ma 's wieder!« sagt er; »A so reden halt d' Stadtleut. Weil die koan Begriff net ham, wia daß ma bei uns heraußt heirat.«

Fräulein Adele ist verwundert.

»Wia werd nachher bei enk heraußt gheirat't? Da wird's halt aa a so gehn, daß'n Buam oane gfallt, und daß er sagt: die möcht i!«

»Naa, ganz gwiß net!« erwidert ihr der Schiermoser; »Denn so an Lackl gfallet gar oft oane, die mir gar nia gfalln kunnt als Schwieger.«

»Aha!« sagt Adele; »dees versteh i scho. Wenn er aber jetzt oane bracht, die dir selber recht guat gfalln tat... sagn mir amal... oana wia zum Beispiel... unser Roserl?...«

Den Schiermoser reißt es schier herum.

Aber ein Bauer läßt sich nicht gern in die Karten schauen.

Besonders nicht, wenn es so heikle Dinge betrifft wie das, was die Stadtmadam da eben fragt!

»Mei, dees konn ma net so für gwiß sagn«, meint er, »Ob er grad a solcherne bringt oder a anderne... He Teife, bollischer! Gehst net umme da, auf dein Platz, wost hinghörst!... Dees hat no Zeit, moan i! Jetz soll er zerscht amal arbatn, der Bua! – Hüa, Alter, Wühst eina, sag i! Wühst!«

Und während er eine neue Furche umackert, sagt er halblaut für sich hin: »Wirst es derwarten kinna. Dees muaß er mir scho selber sagn, der Tropf! Sinst is mir oane vom Straßler oder vom Reisertaler aa net unrecht. Wenn i mi jetz glei dro gwohnt hab an dees Luadermadl!...«

Tante Adele aber ist nicht unzufrieden mit sich selber. Wenigstens hat sie so viel erfahren, daß keine andere als Schiermoserin vorbestimmt ist.

Und daß ihm Rosalie nicht gerade zuwider ist, dem Bauern.

Dieses zu wissen ist ihr genug!

Franz Schiermoser weiß sich weder zu raten noch zu helfen.

Die Liebe zu Rosalie plagt ihn Tag und Nacht und macht den Wunsch nach ihrem Besitz in ihm immer größer.

Anderseits aber ist ihm das Leben im Haus unter den obwaltenden Umständen schier unerträglich.

Daß die Mutter Rosalie als Schiermoserin nicht gelten läßt, findet er ja noch verständlich, daß sie in ihrem Haß aber so weit ging, das Haus zu verlassen und so die Augen der ganzen Nachbarschaft auf sich zu richten – daß sie den Hof durch ihr Tun ins Gerede der Leute brachte, das empört ihn und macht ihn bitter.

Und er kämpft einen harten Kampf mit sich selber, ob er gegen Rosalie nicht doch lieber die Reisertalertochter eintauschen soll.

Aber je länger er darüber nachdenkt, desto unmöglicher erscheint ihm ein Leben ohne das muntere, tüchtige Stadtmaidl, und schließlich faßt er den Entschluß, mit dem Vater ein ernstes Wort zu reden.

Und so sucht er ihn gerade an dem Morgen, da Rosalie der Schiermoserin sagen läßt, daß sie den Hof verlasse, in der Scheune auf und beginnt: »Vata, i hätt epps z' red'n mit dir!«

Der Alte putzt eben die Maschine nach dem Dreschen und erwidert, ohne seinen Sohn anzusehen: »Muaßt es halt sag'n!«

Franz stellt sich ganz nahe zu ihm: »Heirat'n möcht i.«

Der Schiermoser läßt auch jetzt noch keinen Blick von seiner Arbeit.

»Heiratn möchst? – Jetz schaugt mir oana den Tropf an! – Heiratn möcht er!«

Er zieht mit großer Aufmerksamkeit eine Schraube der Maschine an.

»Vo mir aus kannst scho heiratn«, meint er dann; »i red dir da net viel ein.« Und mit einem Lächeln fügt er hinzu: »I hab 's, Herrvergeltsgott, hinter mir. I brauch mir die Arbat nimmer aufz'toa.«

Franz untersucht nun gleichfalls verschiedene Teile der Maschine.

»Amal muaß 's ja do sein«, meint er dabei; »du wirst aa net in alle Ewigkeit rackern und schinaggln wolln!«

Der Schiermoser greift nach der Ölkanne.

»No ja. Bis jetz ham mir's no alleweil dermacha könna. Und a Zeitlang kunnt i 's aa no weiter dermacha. Aber balst lieber du werklst...«

Er ölt etliche Maschinenteile.

Franz wird's schwer, dem Alten seine Entschlüsse mitzuteilen.

Er sucht nach geeigneten Worten.

Daß der Vater die Sache gar so leicht nimmt!

Gewiß ist ihm nicht Ernst damit! Besonders, wenn er hören wird, welche die Seine wird!

Und er bringt vorsichtig die Rede auf Rosalie.

»I will di net außeschiabn aus 'm Hof, Vata«, meint er. »I bin froh, daß d' no da bist. Aber i moan, wenn halt a sauberne Bäuerin mitwerkeln tat... oane wie d' Roserl... a so a richtigs, rieglsams Weibsbild... verstehst...«

Ja, ja! Der Schiermoser versteht ihn gut, seinen Sohn! Aber er hat seinen Spaß an der Bedrängnis des Buben. Darum schweigt er ganz still und läßt ihn weiterzappeln.

»Woaßt, Vata, i moan halt, es waar besser, bal a junge Hand da herinn regiern tät. Aber dee Weibsbilder da umanand mögen ja allsamm nix mehr toa! Die möcht'n si ja grad in Geldhaufa einesetz'n und zuagschaugn, wia d' Deanstbot'n arbatn! – Woaßt, da waar halt oane wia d' Roserl do scho besser! Die mag do arbat'n! Die hat do a Freid am Sach...«

»Und an dir aa, wähn i!« fährts dem Schiermoser heraus.

Und da er schon einmal angefangen hat zu reden, so fügt er auch gleich no hinzu: »No ja – i hab nix dawider, wannst es amal net a so machst, wia die andern. I gar net. Aber sie – d' Muatta!...«

Franzl schiebt nachdenklich den Hut tief ins Gesicht und kratzt sich hinteren Ohr.

»Ja ja... d' Muatta... i woaß 's scho...«

»Daß die net nachgibt, dees kannst dir denka!«

»Ja no... bals siecht, daß 's do nix hilft...«

»Naa, dees tuat 's net. Nachgeb'n tuat die gar nia net. Dera ihren Dickschädel kenn i.«

»Aber du kunnst do mit ihr drüber redn!«

»I? Mit deiner Muatta? – Naa, mei Liaba. Dei Muatta kenn i besser. Und die Alt aa. Und solang die Alt schürt, werd dei Muatta net kalt. Und solang die hoaß auf d' Stadtleut is, kannst nix macha. Dessell sag i.«

Franz geht unruhig in der Scheune auf und ab.

»Und i kann ihr amal net helfa: i muaß d' Roserl heiratn. I mag koa anderne.«

Der Alte schmunzelt.

»I hab's a so gwißt. Du müßtest net a Junga von der Altn sein. Da is oans so bockstarri und eignsinni wia dees andere – Aber wia i sag: heirat's nur, dei Rosl. I red dir nix ei. Bloß mit ihrana Verwandtschaft laß mir mein Fried. Mit dene überspannten Weibsbilder überanand. Denn die machen bloß Unfriedn eina ins Haus...«

»Und hängen an der Schüssel dro«, ergänzt Franz zustimmend; »na, na. Dees Kreiz tät i mir scho z'erscht net auf.

Aber daß d'Muatta gar so bockboanig is, dees is mir scho recht zwider. Zwegn dee Leut scho. Weil sich a jeds gähend s' Mäu zreißn wird über ins.«

Aber der Schiermoser macht eine wegwerfende Handbewegung.

»Ah, was! D' Leit muaß ma redn lassen und d' Hund kehlzen, hoaßt's. Bal sie sich gnug gredt habn, nachher werdn's scho wieder aufhörn. Und die Alt soll bocka, so lang, bis's Hörndl kriagt. D' Hauptsach is, daß si bei dir nixn feit.«

Franz lacht.

»Naa, Vater. Da feit si nixn bei mir! Daß d' Roserl net naa sagt, dessell woaß i – und daß mir zwee guat mitanand auskemman, dessen woaß i aa.«

»Und sie – d' Rechtsrätin? – Moanst daß die aa net naa sagt?«

Franz macht eine wegwerfende Handbewegung.

»Die sagt mir guat naa! Auf die paßt ja do neamd auf! D' Rosel net und die alt Frailn net, und i erscht recht net. Die braucht ja net außa z' geh' zu ins Bauern, bal mir ihr net gfalln! Die kann ja zu ihrane andern Töchter geh'. Mir jammern ihr net nach!«

Plötzlich fällt ihm aber ein, daß ja Rosalie schon einen Hochzeiter hat, drinnen in der Stadt. Doch diese Erkenntnis betrübt ihn nicht weiter.

»Mit dem andern Stadtfrackn da drinn z' Münka werdn mir scho firti werdn«, sagt er zuversichtlich; »der muaß ganz oafach verzichten, bal i da bin.«

Der alte Schiermoser nickt.

»Werd z'erscht koa gscheiter net sei; sinst tat 's Madl besser nache darnach«, meint er, »mir woaß 's ja. Anorts wo a Angstellter halt oder a Beamter oder so epps. Mit dem werst leicht firti. Und mit der Alten aa. Die derf froh sein, daß mir ihra Tochta herlassen auf insan Hof.«

»Dees glaab i aa. Und sie derf ja grad geh', bals ihr net paßt...«

Der Schiermoser nickt.

»Jawoi. Aber redn muaßt doch mit ihr; zwegn an Heiratgut und zwegn an Kucheiwagn. A wengl a Sach und a Gwand und a Geld soll's einabringa, moan i. Ganz umasinst bist mir nachher do scho net feil! Du net und mei Hof net!«

Der Junge sagt es zu: »Freili red i damit Vatta«, erwidert er; »herschenka tua i auf koan Fall epps. Bals a net viel is, was s' kriegt; a bissl was is's doch. – Und zwegn die Leut is 's a besser, bals epps hat. Dees hoaßt: auf d' Leut paß i net auf. Aber redn tua i do mit der Alten. Oder mit der Frailn. Die versteht mi besser.«

Damit rückt er auch schon sein Hütl zurecht und geht hinüber ins Wohnhaus, um Rosel oder ihre Mutter zu treffen; denn er möchte auch das eigene Eisen schmieden, solange es warm ist.


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