Lena Christ
Madam Bäuerin
Lena Christ

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Kaum ist sie aber außer Seh- und Hörweite, da bricht das Wetter bei der Schiermoserin los.

»So. Jetz is's dahi. Ös Lackln, ös abscheuliche! – jetz habt's enka Bäuerin. Jetz kinnt's mit enkan Stadtdrak'n weiterhausen vo mir aus!«

Da rührt sich der Schiermoser zum erstenmal, seit er auf der Bank sitzt und sagt: »Dees war dees g'fahrlicher no lang net! D' Rosl waar mir liaber wie woaß Good was für oane von heraußt. Lieber als wie die Betschwestern vo Reisertal amal g'wiß!«

Die Schiermoserin tut, als drohte ihr der gache Tod.

»Insa heilig's Kreiz! Versündten tuat er si aa no! – Hast scho recht! Tua nur a so weiter, so gottlos und so modisch! Werst es scho sehgn, wia weit daß d'kimmst!«

Der Schiermoser muß lachen.

»I woaß gar net, was d' hast auf amal!« sagt er, »fahrt's mittendrin dahi um a Schwieger und woaß gar net, ob der Bua 's Heirat'n im Sinn hat – nachher bringt's dees bigotte Weibsbild daher – und z'letzt redt's vom Versündten! – Und derweil 's dees tuat, versaamt's d'Hauptsach'!«

Er muß wieder lachen.

Da wird sie stutzig.

»Was für a Hauptsach'«, fragt sie gespannt.

Der Bauer schmunzelt: »Siechst, Alte«, sagt er, »daß d' koane von dee ganz G'scheiten bist, dees hab' i lang g'wißt. Aber daß d'insan Buam behüat'n möchtst vor der Rosl und dabei laßt d' die zwee den ganzen Tag alloa mitanand arbat'n... daß d' so dumm wärst, dees hab i do net g'moant.«

Die Schiermoserin muß sich setzen und reißt die Augen sperrangelweit auf »Warum... wieso... is eppa was g'schehgn?...« fragt sie voller Angst.

Aber ihr Eheherr bleibt ganz ruhig.

»Was wird g'schehgn sein!« meint er, »weiter gar nix is g'schehgn, als daß die zwee handeloans san. Daß d' dein'm Buam zwanz'g Hochzeiterinnen bringa kannst – er wird dir a jede abweisen. – Weil er sein eigna Kopf auf hat...«

Seine Wabn unterbricht ihn voller Aufregung: »Ja, und du? – du schaugst zua und laßt den Kerl werken, wie er mag! – Du rührst di gar net, wenn er die Stadtflugga nimmt!«

Der Schiermoser bleibt immer noch ganz ruhig.

»Was soll i mi da lang rühr'n? Bal der was will, nachher will er's. Und was er will, dees is epps Rechts. Was er tuat, hat Hand und Fuaß. – Und wenn i's sag', wie i mir's denk: mir g'fallt's, dees Weibsbild. Daß 's wenig Geld hat... no ja... deessell is ja z'wider. – Aber sinst is s' mir lieber wie a jede zehn Stund im Umkreis!«

Die Bäuerin meint, nicht recht zu hören.

»Ja... dees kaam ja grad außa... als wia wennst du selber dabei waarst bei dem Handel...«

»I bin net dawider, bal i's aufrichti sag'...«

»Alter!«

»Ja no... es muaß net alleweil nach dem alten Schlag geh'. – Es derf aa amal epps Neumodisch's aufkemma. Heirat'n d' Bauernweibsbilder Stadtherrn – warum soll a Bauernbursch net aa amal a Stadtfrailein heirat'n. – Gar a so a richtigs, ordentlichs und saubers Leut!«

Allmählich ist es der Schiermoserin möglich, das, was in ihr tobt und rast, in Worte zu kleiden.

»A so is's dir!« ruft sie aus, »a solchana bist du word'n! Du hilfst zu dera Stadtbruat! – Und du willst es hab'n, daß insa Sach' in dene eahnane Klauen kimmt! – Mei Liaba! Dei Sach kannst geb'n, wemst magst. Aber dees mei... dees bleibt mir in meiner Hand. Daß d' es woaßt. Und mei Geld kriagts mir aa net, dees Weibsbild. Heunt no will i 's z'ruckhab'n! Heunt no!«

Sie kocht vor Zorn.

Aber der Schiermoser ist, als wär' er von Holz, so ruhig.

»Dees kannst macha, wiast willst«, sagt er gelassen, »dee paar tausad Markl machen eahm's Kraut aa nimmer fetter. Der langt mit dem, was i eahm derhaust hab'...«

»Er! – Er hat's derhaust! – Und i nachher? – Und mei Arbat? – Und dees, was i verdeant hab' von dee Sommerfrischler?...«

Aber damit hat sie sich eine Schlinge gedreht.

»Aha!« erwidert ihr der Bauer, »d' Sommerfrischler! Da zählen's auf amal mit! – Eahna Geld hast eing'schob'n. Wenn's aa a Stadtgeld g'wen is. Aber i sag dir was: dees mit dein Geld kannst macha, wiast magst. – Und der Franzl kann toa, was er mag – und i geh jetz in mei Bett. – Und bal er mir an Hof bald abnimmt, der Bua, is's mir ganz recht. – I bin so gutding alt und müad. – Guate Nacht.«

Damit verschwindet er im Haus und läßt die Schiermoserin in ihrer Wut und ihrem Schmerz allein.

Diese kommt sich vor wie eine, die einen schweren Traum träumt. Sie versucht immer wieder, das Ganze von sich abzuweisen.

Aber es geht nicht. Es ist schon so, wie es ist.

Sie ist verraten und verkauft von ihren eigenen Leuten.

Ihre Töchter kommen ihr in den Sinn.

Wenn sie wenigstens die auf ihrer Seite hat! Wenn die diesem Weibsbild die Hölle heiß machen!

Jawohl. Ihre Töchter werden keine Städtische dulden auf ihrem Heimatl!

Sie springt auf und läuft eilends hinauf in die Dirndlkammer.

Die beiden Maidln schlafen schon.

Aber die Schiermoserin hat keine Ruhe, sie muß es ihnen noch heute beibringen, daß sie tun, was sie ihnen rät.

Drum weckt sie beide nochmal auf, indem sie jede fest rüttelt.

»Mariedl!... Bawettei! – ... Geh, lust's a weng auf! – He da! – Ös zwee!... I hab' epps zu red'n mit enk! Merkt's a weng auf, alle zwee!«

Mit vieler Müh' bringt sie die beiden aus dem ersten Schlaf.

Die Barbara ist am ehesten munter und fragt erschreckt: »Muatta! – Was gibt's? – Was is passiert?«

Die Schiermoserin bricht in Tränen aus.

»Was werd passiert sein! – Insa Hoamatl g'hört nimmer ins!... Insa scheens Sach' geht dahin!...«

Die Barbara reibt sich schlaftrunken die Augen. »Ha sagst? Was is dees?«

Und die Mariedl sagt aus dem Traum heraus: »Wo geht er hin?«

Aber die Schiermoserin ist nun mittendrin in ihrem Unglück und Verdruß und jammert und klagt so laut, daß ihre beiden Töchter aus dem Bett springen und endlich etwas Bestimmtes wissen wollen.

Denn ihre Mutter redet vom Judas in der Familie, der seine angestammte Heimat verschachert, von der Niedertracht dieser Stadtjungfer, die den Franzl schlau eingefädelt hat, und daß sie, die Schiermoserin, auf und davon gehe, denn die Schand könne sie nicht verwinden ihr Lebtag!

»Was für a Schand?« fragen die Töchter gleichzeitig.

Diese Frage steigert den Zorn und den Schmerz ihrer Mutter noch um vieles.

»Was für a Schand! – Fragen tät i aa no! – Is dees eppa koa Schand, bal oan der Bua so a Weibsbild ins Haus einabringt?«

Aber ihre Töchter finden gar nicht, daß die Schande so groß sei, ja, die Barbara meint sogar, sie würde ganz gern einen Stadtherrn heiraten, wenn einer käm'. Dies dreckige Bauernleben mit seiner ewigen schweren Arbeit wär' ihr schon lange zuwider!

Und die Mariedl gähnt und schlüpft wieder ins Bett, indem sie brummt: »Z'weg'n dem hätt'st ins net extra aus'n Schlaf reiß'n braucha! Laß s' halt heirat'n, dee zwo, bals anand gern hab'n. I heirat aa amal grad den, den i mag.«

Und damit dreht sie sich gegen die Wand, gähnt noch einmal und schläft wieder weiter.

Die Barbara sucht noch die Mutter zu beruhigen. »Jetz geh nur ins Bett, Muatta!« meint sie, »no san s' net verheirat'. Wer woaß's, ob er 's überhaupts ernst moant damit. Und wenn, nachher is 's aa net weit g'feit. Sie is a riegelsam's Leut', dees wo guat einapaßt zu ins, und mir ham 's gern. Liaber wia jede andere...«

Der Schiermoserin steht der Verstand fast still.

Also, alle sind sie zusammengeschworen!

Alle helfen sie zu dieser Stadtbrut!

Aber sie weiß schon, was sie tut!

Sie wird ihnen schon zeigen, wie sie über die Sache denkt.

Und sie geht hinüber in die Schlafkammer ihrer Mutter.

Da sitzen denn die beiden Frauen die halbe Nacht beisammen und beraten gleich Feldherren vor einer Schlacht.

Und am andern Morgen erscheint ein Maurer, richtet ein kleines Austraghäuschen, das seit Jahren neben dem Schiermoserhof steht, wieder zusammen und weißelt es sauber herunter.

Denn die Schiermoserin und ihre Mutter wollen keine Gemeinschaft mehr mit den Ihren.

Sie verlassen das Haus.

Der Friede ist also aus dem Schiermoserhof gewichen. Oder vielmehr: der Unfriede.

Die Bäuerin und die Alte sind mit Sack und Pack aus dem Hof und ins Austraghäus'l gezogen.

Denn die Schiermoserin hat den Schwur getan: lieber ließe sie sich scheiden, als daß sie mit dem Weibsbild auch nur eine Stunde die Herrschaft teilen würde.

Nun ist es zwar noch lange nicht so weit zwischen Franz und Rosalie.

Wenn auch der Tag, an dem die Rechtsratstochter als Schiermoserin hantierte, bestimmend für die Wünsche und Pläne beider wurde, so hat doch Franz bis heute noch nicht das erlösende Wort gesprochen. Und Rosalie kann trotz aller Liebesbeweise nicht recht froh werden.

Je mehr sie über die Dinge nachdenkt, desto stärker drängt sich ihr die Erkenntnis auf, daß Franz sie doch eigentlich niemals heiraten könne.

Denn, wenn auch der Bauer und seine Töchter ihr wohlgeneigt sind, so empfindet sie doch im Innern eine gewisse Wesensfremdheit zwischen ihr und ihnen.

Der offene Haß aber, mit dem die Schiermoserin und ihre Mutter sie nun Tag für Tag verfolgen, und der Umstand, daß sie die Ursache des Zerwürfnisses der Familie ist, machen sie ganz traurig und bekümmert.

Wenn auch der Bauer augenblicklich über sein Weib noch lacht und das Ganze als eine verrückte Laune betrachtet, so kann doch jede Stunde auch bei ihm die Erkenntnis kommen, daß ein Stadtmädel keine Frau für den Sohn eines Schiermoserbauern ist.

Und ist erst der Alte so weit, so würden wohl die Töchter nur zu bald aus derselben Trompete blasen wie er und die Bäuerin.

Und sie bedenkt, daß sie unter solchen Umständen trotz ihrer Zuneigung für den lieben Burschen wohl nie ganz glücklich werden könne.

Ob dann ein richtiges Heimatsgefühl in ihr aufkommen würde?

Ganz gewiß nicht.

Und so beschließt sie in ihrem Innern, den Ratschlägen der Tante Adele nicht zu folgen, sondern auf ihre Mutter zu hören und dem Antrag ein entschiedenes Nein entgegenzusetzen, wenn's auch weh tut.

Daher läßt sie der Schiermoserin etwa eine Woche nach dem Zerwürfnis durch eine Magd sagen, die Bäuerin möge nur wieder zu den Ihren kommen, sie und ihre Mutter verließen in vier Tagen das Haus.

Sie kocht auch nicht mehr, sondern überläßt den Haushalt den Töchtern, die freilich wenig Freude darüber empfinden und lieber draußen bei der Dreschmaschine werken, lachen und scherzen möchten.

Tante Adele ist über diesen plötzlichen Entschluß ihrer Nichte ganz trostlos.

Für sie gab es keinen anderen Gedanken mehr, als daß die beiden Menschenkinder bald ein glückliches Paar würden und daß sie mit ihnen dann eine Heimat hätte, in der sie sich wohl fühlt.

Anders die Rätin.

Die beeilt sich sogleich, unter Tränen der Erlösung und Freude ihre Sachen zu packen und sich für die Abreise zu rüsten.

Denn sie litt jeden Tag noch mehr unter der Befürchtung, ihr Kind an diese Leute verlieren zu müssen.

Ja, sie hatte sich im Laufe der Zeit in einen richtigen Groll gegen Rosalie und die Schwägerin hineingewühlt, hatte sich ganz abgeschlossen von ihnen und blieb nur noch, weil die Befürchtung, ihre Tochter möchte in ihrer Abwesenheit sofort dem Burschen ihr Jawort geben, sie nicht abreisen ließ.

Obgleich Tante Adele bei jedem Wortgefecht, bei jeder Gelegenheit sagte: »Du kannst ja gehen, wenn du nicht gern hier bist, Schwägerin! Ich und Rosel werden aber bleiben! Wir fühlen uns recht wohl hier.«

Und nun muß sie selbst abreisen, diese schreckliche Adele! Die Rätin vergißt vor Freude einen Augenblick, wie unlieb ihr die Schwägerin gerade in den letzten Wochen wurde, als sie so offen für Rosalie warb, beim Bauern – bei den Töchtern – bei Franz.

Und nun kommt doch alles anders – so wie sie selbst es wünscht! Nun wird doch der Assessor ihr Schwiegersohn werden!

Sie denkt gar nicht mehr an die Beschwerden des Packens und schafft und werkt den ganzen Tag, so daß sich endlich am Abend Koffer und Körbe in ihrer Stube türmen.

Und da sie sich am Ende todmüde aufs Bett legt, vergißt sie ganz, wie sonst zu husten und zu klagen über das ungesunde Klima dieser Gegend, sondern sie schläft mit einem zufriedenen Lächeln ein und träumt von einer goldenen Zukunft im Hause ihres vornehmen Schwiegersohnes.


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