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15. Kapitel.
Worin Wallingford der »Pneumatischen Gesellschaft« einiges von ihrem eigenen Gelde leiht.

Die Ankunft der Frau Wallingford erhöhte das ohnehin sehr beträchtliche Prestige, das ihr Gatte als Kapitalist mit unbegrenzten Mitteln genoß, noch um ein bedeutendes. Wäre es auch einem seiner Kompagnons eingefallen, darüber nachzudenken, daß Wallingford sich doch eigentlich mit lumpigen 500 Dollars einen nicht unbeträchtlichen Anteil an dem Unternehmen verschafft hatte, so hätte er doch nach den Schilderungen, die Dr. Feldmeyer von der entzückenden Dame entwarf, diesen geringfügigen Umstand darüber vergessen. In der Werkstatt Karl Klugs entfaltete der Doktor eine Werbetätigkeit für Wallingford, ganz genau wie dieser es berechnet hatte.

»Sie ist einfach bezaubernd,« erklärte er mit leichtem Augenzwinkern, »und trägt sich wie eine Königin. Einen Pelzmantel hat sie, der sicherlich seine 600 bis 700 Dollars gekostet hat, und Diamanten, wie sie keine Frau in unserer Stadt besitzt. Wir drei sind gestern im Theater gewesen, und ich kann Ihnen sagen, es haben sich mehr Operngläser auf unsere Loge als auf die Bühne gerichtet. Mit einem Wort, unser Freund Wallingford trinkt nicht nur die besten Weine, er hat auch die reizendste Frau; und was seinen Reichtum betrifft, so kann er uns alle bequem in die Rocktasche stecken.«

»Ich glaub's gern«, meinte Jens Jensen. »Warum gibt sich aber so ein reicher Mann mit einem für seine Verhältnisse so kleinen Geschäft ab?«

»Weil auch ein reicher Mann«, erklärte Dr. Feldmeyer weisheitsvoll, »eine Gelegenheit, 1000 % zu verdienen, nicht vorbeigehen läßt. Gerade darum werden sie eben reich. Von dem, was der Mann an einem Tage ausgibt, könnte jeder von uns fast einen Monat leben. Er hatte schon elegante Zimmer im Hotel gemietet, als er hier ankam, aber als seine Frau kam, ließ er sich die besten im Hause geben, vier große, prächtige Säle. Nach dem Theater lud er mich zum Souper in seinem eigenen Speisezimmer ein, und das Souper hat seine 30 bis 40 Dollars gekostet.«

Solche Schilderungen verfehlen wohl nirgends starken Eindruck, am wenigsten bei solch einfachen Naturen wie diese hier. Otto Schmitt und Henry Vogel und Emil Keßler konnten sich nicht satt daran hören. Hätte Dr. Feldmeyer freilich das Gespräch hören können, das die Ehegatten untereinander führten, als er fortgegangen war, so hätten seine Berichte wohl anders gelautet.

»Ich weiß noch immer nicht, Jim,« sagte Frau Wallingford, und ihre Stimme verriet leise Angst, »was das für Geschäfte sind, die du dieses Mal machst.«

»Ich mache dieses Mal Geschäfte gegen die ›Amerikanische Registrierkassen-Gesellschaft von Neujersey‹,« antwortete Wallingford lachend. »Früher habe ich einmal Geschäfte mit ihr machen wollen. Erinnerst du dich noch, wie ich ihr ein Patent verkaufen wollte? Weißt du noch, wie sie mich damals schmählich haben abfallen lassen?« Die Frau nickte. »Auf deine Veranlassung bin ich damals hingegangen, um, wie du dich ausdrücktest, ein ›ehrliches Geschäft‹ mit den Leuten zu machen; sie haben mich heimgezahlt, wie es einem Waschlappen gebührt. Dieses Mal werde ich ihnen ein Patent verkaufen, verlaß dich darauf, und sie werden einen Klumpen Gold dafür bezahlen.«

»Wessen Patent?« fragte sie.

»Das ist doch ganz gleichgültig«, entgegnete er lachend. »Geschieht ihm recht – warum ist er auch ein Erfinder?«

Sie aber lachte nicht. Sie saß stirnrunzelnd, sichtlich berunruhigt, da. Er beobachtete sie von der Seite.

»Was hast du nur?« fragte er vorwurfsvoll. »Du warst doch nicht immer so.«

»Wir sind über die Jugendjahre längst hinaus«, antwortete sie zaghaft. »Was soll aus uns werden, wenn wir alt sind?«

»Das will ich dir genau sagen, aber erschrick nicht, Fanny«, deklamierte er mit Theaterpathos. »Du wirst graue Haare und ich werde eine Glatze haben.«

Jetzt mußte sie selbst lachen. Da mit ihm doch nicht ernst zu reden war, so brach sie das Gespräch ab. –

Von Wallingford ermutigt, war Dr. Feldmeyer in den nächsten Wochen fast ständig bei dem Ehepaar anzutreffen. Eitel, leicht entzündbar und, wie er glaubte, von den Frauen sehr gern gesehen, war er bemüht, sich bei Frau Wallingford einzuschmeicheln, und der Gatte war ihm dabei nach Möglichkeit behilflich. Wenn dieser einen bestimmten Zweck damit verfolgte, so vertraute er ihn seiner Frau nicht an; im Gegenteil, er verbarg ihn sorgfältig vor ihr, denn er war ihrer nicht sicher.

Inzwischen nahmen die Vorarbeiten der »Pneumatischen Registrierkassen-Gesellschaft« schleunigen Verlauf. Ein geraumer Teil der Klugschen Werkstatt würde für diese Arbeiten bereitgestellt; er schaffte die erforderlichen Maschinen herbei und stellte so viele Arbeiter ein, als er für seine Zwecke brauchte. Wallingford kam jeden Tag hin; seine Anregungen waren fast immer vernünftig und erhöhten Klugs Achtung vor ihm. Bei den übrigen Herren machte er auf andere Weise Eindruck. So oft sie Karls Werkstatt besuchten, jedesmal erblickten sie Wallingfords Wagen vor der Tür, und bald sprach es sich herum, daß dieser Wagen jedesmal für den ganzen Tag gemietet war. Was für ein reicher Mensch mußte dieser Wallingford doch sein! In Wirklichkeit kam kein anderer als »Blackie« Daw für alle diese Ausgaben auf. Blackie hatte jetzt mit seinen Spekulationen auf die Leichtgläubigkeit der Menschen mehr Glück als das letztemal, und er war so in der Lage, seine Schuld – die 4000 Dollars Bürgschaft – an Wallingford nach und nach abzutragen.

Etwas über zwei Monate waren seit der Gründung der Gesellschaft vergangen. Karl hatte einen größeren Posten Registrierkassen fertiggestellt, und die Barmittel der Gesellschaft waren damit erschöpft. Man brauchte Geld, um die fertigen Kassen auf den Markt zu bringen, und das bedeutete, daß Wallingford entweder mit dem Rest seiner Einzahlung, 3000 Dollars, herausrücken oder ein Mittel finden mußte, der Zahlung auf gute Art aus dem Wege zu gehen. Er war darauf vorbereitet. Als die Versammlung, die einberufen wurde, um die Nachtragszahlungen der Mitglieder einzufordern, eröffnet wurde, ergriff Wallingford sogleich das Wort.

»Meine Herren!« sagte er. »Wozu das? Wozu unser gutes Geld aus den Sparbanken herausholen? Wenn ich recht unterrichtet bin, so muß Mr. Schmitt sich seine 3000 Dollars von seiner Baugesellschaft ausleihen und 6 % Zinsen dafür bezahlen, und Mr. Jensen zahlt für seine Einlage jetzt schon 5 %. Ich will Ihnen zeigen, wie man unseren Konzern finanziert. Ich werde sofort 10 000 Dollars einlegen, und die Gesellschaft gibt mir ihr Akzept dafür. Dieses Akzept mache ich dann flüssig und verwende das Geld für meine eigenen Geschäfte. Auf diese Art leisten meine 10 000 Dollars Dienste für 20 000, und eine Bank nimmt beide Transaktionen auf sich.«

Dieser Vorschlag war den Männern, die von den Künsten der Geldmanipulation nichts wußten, etwas ganz Fremdartiges, und es dauerte einige Zeit, ehe sie ihn begriffen. Als sie aber verstanden hatten, um was es sich handelte, freuten sie sich wie ein Junge mit seiner ersten Uhr, und Wallingford stand in ihren Augen höher da als je. Er blickte auf die Uhr, um sich zu vergewissern, daß die Bankstunden schon vorüber waren, und stellte mit nonchalanter Miene einen auf 10 000 Dollars lautenden Scheck auf »seine Bank in Boston« aus. Dann nahm er das Akzept entgegen, das von der »Pneumatischen Registrierkassen-Gesellschaft« ausgestellt und von allen Mitgliedern gemeinschaftlich indossiert war.

An demselben Abend fuhr Wallingford in größter Eile zu Jens Jensen, dem Schatzmeister.

»Zeigen Sie mir doch einmal den Scheck, den ich Ihnen heute nachmittag gegeben habe«, sagte er mit der Miene eines Menschen, der nicht genau weiß, ob ihm nicht ein Fehler unterlaufen ist. Jens, ein wenig erstaunt, holte ihn aus seiner Kassette heraus. »Dachte ich mir's doch!« rief Wallingford, nachdem er einen Blick darauf geworfen, aus. »Ich habe ihn auf die ›Fünfte Nationalbank‹ in Boston ausgestellt. Sie wird ihn wahrscheinlich honorieren, aber es ist nicht die richtige Bank. Ich habe ein Konto bei ihr, aber ich weiß augenblicklich nicht genau, ob ich noch so viel drin habe, um diesen Scheck damit zu decken. Halten Sie ihn noch zurück, und morgen vormittag werde ich der Bank telegraphieren. Ist mein Konto nicht groß genug, so gebe ich Ihnen einen Scheck auf die ›Erste Nationalbank‹, mit der ich den größten Teil meiner Geschäfte mache.«

»Gewiß«, sagte Jensen und legte das wertlose Stück Papier in die Kassette zurück.

Am nächsten Vormittag diskontierte Wallingford das Akzept der »Pneumatischen« in einer Bank, was ohne jede Schwierigkeit vor sich ging, da die Indossenten der Bank bekannt waren. Er gewann einen Vorsprung von vollen vierundzwanzig Stunden dadurch, daß er die 10 000 Dollars durch Eilbrief an die »Fünfte Nationalbank« in Boston überwies, in der er allerdings ein Konto hatte, das sich indessen augenblicklich auf beträchtlich weniger als 100 Dollars belief. Dann fuhr er wieder zu Jensen und sagte ihm, daß er den Scheck jetzt diskontieren könne, da sein Konto bei der »Fünften« groß genug sei.

Es war ein verwegenes finanzielles Jongleurstück, das Wallingford da ausgeführt hatte, und er tat sich nicht wenig darauf zugut. Damit war aber noch nicht alles getan. Nachdem er der Gesellschaft 10 000 Dollars von ihrem eigenen Gelde geliehen hatte, stand er jetzt vor der dringenden Notwendigkeit, die Mittel für seine ungeheuren persönlichen Ausgaben aufzutreiben. Zur Auffüllung seiner Kasse hatte er den Dr. Feldmeyer als neue Einnahmequelle ausersehen. Die Zeit war jetzt reif dafür. Denn obgleich Frau Wallingford in ihrem Verkehr mit dem Doktor nicht über die übliche freundliche Höflichkeit hinausgegangen war, die allerdings von männlichen Koketten so oft falsch gedeutet wird, redete Dr. Feldmeyer sich allerlei törichte Dinge ein und war ganz erfüllt von seinem »Erfolge« bei der schönen Frau. Er hatte ein schlechtes Gewissen, so oft er mit Wallingford zusammenkam, und er verriet es, indem er bei jedem scharfen Blick, jeder plötzlichen Bewegung, jeder nicht gleich verständlichen Bemerkung nervös wurde. Gerade das hatte Wallingford beabsichtigt. Der Doktor fühlte sich dem Gatten gegenüber so unbehaglich, wie eben einem Feigling mit schlechtem Gewissen in ähnlicher Lage zumute sein mag; und als der große Mann ihn eines Tages in fast befehlendem Tone unter irgendeinem Vorwande aufforderte, ihm einen recht erheblichen Betrag zu leihen, dachte der Doktor nicht an Widerspruch und gab das Geld her. Auf diese Art wieder auf einige Zeit mit Geldmitteln versehen und der Sorgen enthoben, ließ Wallingford sich herbei, die ersten pneumatischen Registrierkassen auf den Markt zu bringen, d. h. sie persönlich zu verkaufen. Er ging auf Reisen und suchte eine Reihe von Personen auf, deren Namen und Adressen ihm von seinem Rechtsanwalt Maylie geliefert worden waren. Zwischendurch verkaufte er eine Anzahl Kassen mit einer Schnelligkeit, über welche die Mitglieder der Gesellschaft in hohem Maße erfreut waren; denn sie sagten sich: selbst wenn die »Amerikanische Gesellschaft« sie nicht aufkaufen wolle, so blühe ihnen ein großes Geschäft schon auf dem gewöhnlichen Wege der Erzeugung und des Verkaufs.

Bevor aber der Verkäufer von seiner Reise zurückkehrte, traf Karl Klug und seine Freunde ein Schlag aus heiterem Himmel. Es wurde ihnen ein Einhaltsbefehl und eine Klageandrohung zugestellt, worin nicht nur der Gesellschaft, sondern auch einem jeden Käufer des Apparats gerichtliche Verfolgung in Aussicht gestellt wurde, ersterer für den Fall, daß sie fortfahre, ihre Apparate zu fabrizieren und zu verkaufen, den letzteren, falls sie solche Kassen verwendeten. Das Verfahren gründete sich auf die Behauptung der Patentverletzung. Die »Amerikanische Gesellschaft« erklärte, die Vorrichtung im Klugschen Apparat, durch welche die Schublade herausgestoßen werde, sei ihrer eigenen nachgebildet. Die peinliche Nachricht wurde Wallingford drahtlich mitgeteilt. Er hatte sie aus naheliegenden Gründen erwartet und reiste sofort zurück. Inzwischen war Maylie – ausgerechnet Maylie – zum juristischen Vertreter der großen Neujerseyer Gesellschaft eingesetzt worden. Auch das hatte Wallingford veranlaßt. Unter den Mitgliedern der Pneumatischen Gesellschaft herrschte größte Bestürzung. Als sie ihn um Rat angingen, schüttelte er traurig den Kopf, aber er sprach trotzdem tapfere und tröstende Worte.

»Alles, was wir tun können,« erklärte er ihnen, »ist, die Lippen zusammenbeißen und durchhalten.«

Das taten sie denn auch, und in einigen Monaten war der Prozeß zu ihren Gunsten entschieden. Wieder frohlockten sie und wieder gaben sie sich goldenen Zukunftsträumen hin. Aber schon am Tage nach ihrem gerichtlichen Siege ging ihnen abermals ein Einhaltsbefehl und eine Klageandrohung zu, und dieses Mal ging die Sache nicht mehr so glatt ab. Die »Amerikanische Gesellschaft« ging, wie immer, methodisch vor. Sie hatte mit der für sie am ungünstigsten liegenden Klagesache angefangen und schritt nun zu einer zweiten, besseren Erfolg versprechenden Klage, und sie ließ keinen Zweifel daran aufkommen, daß diesem Prozeß ein dritter und ein vierter folgen werde. Mit ihrem Millionenkapital und ihrer weitreichenden, aus vielen solchen Streitsachen geschöpften Erfahrung konnte sie den Kampf ins unendliche verlängern, oder doch, bis der »Pneumatischen Gesellschaft« die Luft ausgegangen sein würde.

Eine betrübtere, untröstlichere Schar von Menschenkindern als Karl Klug und seine Freunde am Tage nach der zweiten Klageandrohung läßt sich kaum vorstellen. Wallingford war der untröstlichste von allen. Wenn die anderen – so ungefähr ließ er sich vernehmen – Lust hätten, noch mehr Geld zu einem Kampf mit dieser millionenschweren Gesellschaft aufzuwenden, so könne er nichts dagegen sagen; ja, er halte das nicht einmal für gänzlich aussichtslos; was aber ihn selbst angehe, so seien seine geschäftlichen Angelegenheiten zur Zeit derart gelagert, daß er nicht einen Dollar entbehren könne. Er sagte das in zögerndem Tone; und dabei blitzte ein 500-Dollar-Diamant an seinem Finger und ein ähnliches Wertobjekt auf seiner Kravatte; und so hatten die Mitglieder der »Pneumatischen Gesellschaft« die deutliche Empfindung, daß Wallingford ein sehr reicher Mann sei, der aber sein Geld nicht in einem so ungleichen Kampf einsetzen wolle. Seine ganze Haltung bestärkte sie in dem niederdrückenden Gefühl, daß alles Kapital, das sie etwa noch aufbringen könnten, nur ein schwacher Strohhalm wäre, den der furchtbare Neujerseyer Riese mit einem Finger beiseite fegen könnte, diese geldstarke Gesellschaft, die nicht nur imstande, sondern augenscheinlich auch gewillt war, die »Pneumatische« zu zerschmettern.

Wallingford verabschiedete sich von seinen schwer bedrückten Geschäftsfreunden, um, wie er sagte, nach dem Osten zu reisen und »nach seinen anderen Geschäften zu sehen«. Diese Geschäfte führten ihn geradeswegs in die Bureaus der »Amerikanischen Registrierkassen-Gesellschaft von Neujersey« und zu einer längeren Konferenz mit Mr. Priestly, dem Herrn, der alle Patentangelegenheiten dieser Gesellschaft unter sich hatte.

»Ich komme, um Ihnen die ›Pneumatische Registrierkassen-Gesellschaft‹ zu verkaufen«, sagte er ganz unvermittelt.

»Die ›Pneumatische Registrierkassen-Gesellschaft‹?« wiederholte Mr. Priestly im Tone eines Menschen, der sich des Namens nicht zu entsinnen vermag, und warf einen Blick in sein Register. »Ach ja, wir haben einen Prozeß gegen sie anhängig gemacht.«

»Richtig«, stimmte Wallingford bei. »Prozeß Nummer zwei. Wir haben den Prozeß Nummer eins gewonnen und werden, wenn es sein muß, Nummer zwei, drei, vier, fünf und sechs auch gewinnen. Aber damit wird auf beiden Seiten eine Menge Geld vergeudet. Es ist schon besser, Sie kaufen uns früher auf, als später.«

Mr. Priestly schüttelte den Kopf. Er lächelte nicht, wie der Besucher wohl erwartet haben mochte. Er blickte ernst, fast düster drein. Er war ein kleiner Mann mit grauen Bartkoteletten, und sein wortkarger Ernst war, nicht zu überbieten. Er langte nach seinem Patentverzeichnis und holte eine Abschrift des von Karl Klug und des von Wallingford erwirkten, der »Pneumatischen« übertragenen Patents hervor; dann schob er diese Papiere wieder fort, als ob es sich nicht der Mühe verlohnte, sie genauer durchzusehen.

»Die ›Pneumatische Registrierkassen-Gesellschaft‹«, sagte er, »besitzt durchaus nichts, was wir anzukaufen wünschten.«

»O doch«, beharrte Wallingford. »Sie besitzt zwei Patente und sie hat die absolute Gewißheit für sich, ein so großes Geschäft damit zu machen, daß sie Ihnen in drei Jahren mehr Kundschaft und mehr Profite fortnimmt, als Ihnen lieb ist. Jedenfalls zwei- und dreimal so viel, als Sie jetzt zahlen würden, wenn Sie uns gleich aufkaufen.«

Abermals schüttelte Mr. Priestly, ernst wie ein Totengräber, den Kopf.

»Warten wir erst einmal die drei Jahre ab«, sagte er. Er sagte es ruhig, ohne versteckte Drohung. »Wir müssen jeden Tag unseres Lebens um unsere nackte Existenz kämpfen. Täten wir es nicht, so hätten wir schon längst das Geschäft an den Nagel hängen müssen!«

»In Ihren Personalakten«, fuhr Wallingford unbeirrt fort, »liegen ausführliche Berichte über die Herren Karl Klug, Jens Jensen, Otto Schmitt und alle die anderen Mitglieder der Gesellschaft. Sie sind über die geringen Geldmittel dieser Herren genau unterrichtet und können fast auf den Tag ausrechnen, wie lange diese Mittel noch reichen dürften. Darin liegt aber gerade Ihr Rechenfehler, Mr. Priestly. Denn die genannten Herren werden bald mit der ›Pneumatischen‹ nichts mehr zu tun haben. Hier habe ich eine andere Liste von Namen, über die Sie sich wohl kaum erst zu erkundigen brauchen, da Sie sich ihrer wohl noch erinnern werden.«

Er überreichte Herrn Priestly einen Zettel in sauberer Schreibmaschinenschrift, auf dem kaum mehr als ein halbes Dutzend Namen aufgezeichnet waren. Trotz der Gewalt, die er über seine Gesichtszüge hatte, konnte Mr. Priestly eine Geste der Überraschung nicht unterdrücken, und er schoß einen schnellen, kurzen Blick zu Wallingford hinüber, in dem bedeutend mehr Respekt lag, als er bisher an den Tag gelegt hatte.

»J. B. Hammond«, las Mr. Priestly von dem Zettel ab. Er betonte die Anfangsbuchstaben der beiden Vornamen wie einer, der sich an ein Stroh anklammert. »Der Name Hammond ist mir bekannt, aber mit anderen Vornamen.«

»Das kann ich verstehen«, sagte Wallingford. »Ihnen ist der Name W. A. Hammond bekannt. Aber Mr. W. A. Hammond hat, als Sie ihn ankauften, mit Ihnen eine Abmachung getroffen, worin er sich verpflichtete, nicht wieder ins Registrierkassen-Geschäft zu gehen. Darf ich Ihnen einen Brief vorlesen, den er mir letzthin geschrieben hat?« Er zog einen Brief aus der Rocktasche. »Mein lieber Mr. Wallingford,« las er denn vor, »ich persönlich kann mich an der Herstellung von Registrierkassen unter keinen Umständen beteiligen. Aber mein Sohn, Mr. J. B. Hammond, ist durchaus überzeugt, daß das Klugsche Patent ausgezeichnet und dabei unanfechtbar ist. Er hat mir eben mitgeteilt, daß er bereit ist, bis zu 200 000 Dollars anzulegen, falls eine Gesellschaft mit wenigstens einer Million effektivem Kapital gegründet werden kann. Ihr ergebener William A. Hammond.«

»Es ist ein eigenartiger Zufall,« fuhr Wallingford lächelnd fort, »daß hier von 200 000 Dollars die Rede ist, also von genau demselben Betrag, den Sie Herrn William A. Hammond nach fünf Jahren erbitterten Herumprozessierens für sein Geschäft ausgezahlt haben. Sein Sohn hat unzweifelhaft ein ganz direktes, persönliches Interesse daran, die Verluste, die sein Vater durch Ihre Gesellschaft erlitten hat, wieder hereinzubekommen. Eine Gesellschaft, die eine Million Dollars hinter sich hat, besitzt ausgezeichnete Chancen auf Erfolg, wenn sie mit Ihrer Gesellschaft in die Schranken tritt. Eine solche Gesellschaft, aus gründlichen Fachkennern zusammengesetzt, würde mit allen Ihren Prozessen im Handumdrehen fertig werden, weil sie aussichtslos sind. Sie werden sich dies selbst sagen, Mr. Priestly, wenngleich Sie es augenblicklich wohl kaum offen zugeben werden. Mr. Keyes, der zweite auf der Liste, hat durch die Prozesse mit Ihrer Gesellschaft allerdings eine Viertelmillion verloren, hat aber dieser Tage eine recht ansehnliche Erbschaft angetreten und möchte sehr gern einen Teil davon in unserer Gesellschaft anlegen. Hier ist der Brief des Mr. Keyes.« Damit reichte er Herrn Priestly auch dieses Schreiben hin, und dieser las es ernst und stumm genau durch.

Wallingford zündete sich in ruhigem Behagen eine Zigarre an und wartete, bis Mr. Priestly den Brief gelesen hatte. Dann zog er noch ein Schreiben aus der Tasche.

»Mr. Rankley«, sagte er, »ist nie im Registrierkassen-Geschäft gewesen, aber er hat unzweifelhaft seine eigenen, privaten und. ganz persönlichen Gründe, um sich diesem Geschäft in die Arme zu werfen.«

Mr. Priestly zerbrach, als er den Namen Rankley hörte, den Zahnstocher, den er in der Hand hielt, und warf die Stücke fort. Er wußte, daß Rankley der bitterste Feind Mr. Alexanders, des Präsidenten und führenden Geistes der »Amerikanischen Registrierkassen-Gesellschaft«, war.

Und so ging Wallingford still triumphierend die ganze Liste durch. Sie setzte sich aus sehr bemittelten Leuten zusammen, die in das Unternehmen nicht nur Erfahrung und scharfen Geschäftsgeist mitbringen würden, sondern auch grimmigen Haß auf die große Neujerseyer Gesellschaft und ihre Leiter.

»Hm, ja«, machte Mr. Priestly. Er legte den letzten Brief auf die übrigen und stellte einen gläsernen Briefbeschwerer mit peinlicher Sorgfalt ganz genau mitten auf sie. »Sie gestatten mir wohl, diese Briefe eine kurze Zeit bei mir zu behalten. Ich möchte sie dem Direktorium vorlegen.«

»Wann?« fragte Wallingford.

»Unsere Monatsversammlung –« begann Mr. Priestly.

»O nein, das machen wir nicht«, unterbrach ihn der andere. »Ich bin überzeugt, daß das Direktorium dazu ganz und gar nicht nötig ist. Eine ganz kurze Unterredung mit Mr. Alexander wird sicher genügen. Ich weiß schon, Sie glauben, wenn Sie sich direkt an Mr. Klug und seine Freunde wenden, so werden Sie die Patente von ihnen billiger bekommen als von mir. Ich weiß aber auch, und zwar sehr bestimmt, daß ich Mr. Klug und die neue Gesellschaft – die Gesellschaft, von der Mr. Hammond spricht – veranlassen kann, den Preis der Patente zu erhöhen.«

»Warum haben Sie dann diese neue Gesellschaft nicht schon gegründet?« fragte Mr. Priestly scharf, mißtrauisch. »Warum kommen Sie dann überhaupt zu uns?«

»Weil ich persönlich«, setzte Wallingford geduldig auseinander, »mehr Geld für mich herausschlagen kann, wenn ich das Patent Ihrer Gesellschaft unter der Hand verkaufe, als wenn ich es offen und offiziell den anderen verkaufe. Wenn Sie einen Augenblick nachdenken, so wird es Ihnen einleuchten. Gegenwärtig habe ich ein Zwölftel-Anteil in der Klug-Gesellschaft: Mr. Klug die Hälfte, ich und die anderen fünf Mitglieder je ein Sechstel der zweiten Hälfte. Wenn ich die neue Gesellschaft veranlasse, das Patent zu kaufen, so muß der Kaufpreis in zwölf gleiche Teile zerlegt werden, von welchen ich nur einen erhalte. Ist Mr. Alexander in der Stadt?«

»Ich glaube«, antwortete Mr. Priestly zögernd.

»Ist er in seinem Bureau?«

»Möglicherweise.«

»Also ja«, sagte Wallingford ihm auf den Kopf zu. »Ich denke, daß Sie mir in einer Stunde Bescheid geben können. Ich wohne im Hotel Vandyne. Sie können mich dort telephonisch erreichen. Ich möchte heute abend nach dem Westen zurückreisen.«

Es dauerte eine Stunde, ehe die Herren Priestly und Alexander zu der Einsicht gelangten, daß sie eine Menge Geld sparen könnten, wenn sie mit ihm zu einem befriedigenden Abschluß gelangten. Sie ersuchten ihn telephonisch, sie nochmals in ihrem Bureau aufzusuchen. Nach längerem Feilschen kam eine Vereinbarung zustande, der zufolge Wallingford sich schriftlich verpflichtete, der »Amerikanischen Registrierkassen-Gesellschaft von Neujersey« innerhalb 60 Tagen die Patente der »Pneumatischen Registrierkassen-Gesellschaft« gegen die Summe von 175 000 Dollars zu überweisen. 10 000 Dollars wurden ihm auf diese Kaufsumme sofort angezahlt.

Bevor Wallingford wieder nach dem Westen aufbrach, telegraphierte er dem Anwalt Maylie: »Klugs Akzept morgen fällig. Raten Sie der Bank vertraulich, es einzuklagen.«


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