Robinson der Jüngere
Robinson der Jüngere
Robinson der Jüngere

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Lotte. Was wolt' er denn mit dem grünen Zweige machen?

Vater. Ein grüner Zweig ist bei den Wilden ein Zeichen des Friedens; und wer so sich ihnen nähert, dem pflegen sie nichts zu Leide zu thun. Er nahm ihn also zu seiner Sicherheit mit.

Freitag langte glüklich bei dem Schiffe an, schwam einige mahl um dasselbe herum und rief: holla! Aber da war keiner, der ihm antwortete. Endlich bemerkt' er die Schifsleiter, die an der Seite herab hing; er näherte sich ihr und stieg daran hinauf, den grünen Zweig in der Hand.

Als er so hoch gestiegen war, daß er auf das Verdek sehen konte, erschrekte ihn der Anblik eines Thiers, welches ihm ganz fremd war. Es war schwarz und zottigt; und in dem Augenblikke, daß Freitag von ihm gesehen ward, erhob es eine Stimme, dergleichen dieser noch niemals gehört hatte. Gleich darauf ward es wieder stille, und bezeigte sich so freundlich, daß Freitag die Furcht, die es anfangs ihm eingeflöst hatte, wieder fahren ließ. Es kam in der demüthigsten Stellung herbei gekrochen, wedelte mit dem Schwanze und winselte so beweglich, daß Freitag wohl merkte, es wolle Schuz bei ihm suchen. Er wagte es daher, da es bis zu seinen Füßen vorgekrochen war, es zu streicheln, und das Thier schien ausser sich vor Freude zu sein.

Freitag ging nun auf dem Verdekke herum und fuhr fort, sein Holla! mit lauter Stimme zu rufen; aber es wolte sich noch immer kein Mensch blikken lassen. Er stand jezt und staunte alle die wunderbaren Sachen an, die er auf dem Verdekke erblikte, und hatte dabei den Rükken gegen die Treppe gekehrt, wodurch man vom Verdekke in das Innere des Schiffes hinab steigt; als er plözlich einen so unsanften und nachdrüklichen Stoß von hinten erhielt, daß er der Länge nach hinstürzte. Vol Schrekken richtete er sich wieder auf, sahe sich um und wäre beinahe versteinert worden, da er ein ziemlich großes Thier mit großen krummen Hörnern, und mit langem Barte erblikte, welches sich eben wieder in eine drohende Stellung auf die Hinterfüße sezte, um ihm eine zweite Bewilkommung angedeien zu lassen. Freitag that einen lauten Schrei und sprang, ohne sich einen Augenblik zu besinnen, über Bord ins Meer hinab.

Das erstbeschriebene schwarze Thier, welches ihr an der Beschreibung vermuthlich wohl werdet erkant haben –

Johannes. O ja! ein Pudel!

Vater. Getroffen! – Dieser Pudel, sage ich, folgte Freitags Beispiele und sprang gleichfalls über Bord, um Ihm nach zu schwimmen. Freitag, der das Plätschern desselben hinter sich hörte, bildete sich ein, daß das andere gehörnte Ungeheuer ihm nachgesprungen wäre, und gerieth darüber in solche Angst, daß er zum Schwimmen beinahe unfähig geworden, und in den Abgrund versunken wäre. Abermahls ein Beispiel, wie schädlich die Furchtsamkeit sei, und wie sie uns immer Gefahren aussezt, die wir füglich vermeiden könten, wenn wir uns nicht von ihr regieren liessen!

Er getrauete sich nicht, sich umzusehen und schwam, da er sich erst ein wenig wieder erhohlt hatte, so eilig fort, daß der Pudel ihm kaum folgen konte. Endlich erreicht' er den Strand und sank sprachlos und ohnmächtig zu Robinsons Füßen nieder. Der Pudel erreichte bald darauf gleichfalls das Land.

Robinson bemühete sich auf alle mögliche Weise den treuen Gefährten seines einsamen Lebens wieder zu sich selbst zu bringen. Er küßte, er streichelte, er rüttelte ihn und rief ihn laut bei Nahmen. Aber es verflossen erst verschiedene Minuten, ehe er die Freude hatte, daß Freitag die Augen wieder eröfnete und Zeichen des wiederkehrenden Lebens von sich gab. Endlich war er wieder im Stande zu reden, und da erzählt' er Ihm nun, was für ein entsezliches Abentheuer er ausgestanden habe; wie das Schif ein großer hölzerner Berg zu sein schiene, aus welchem drei hohe Bäume (er meinte die Mastbäume) hervorgewachsen wären; wie das schwarze Thier so freundlich gegen ihn gethan habe, und wie das gehörnte bärtige Ungeheuer ihn darauf habe umbringen wollen; und wie er endlich glaube, daß dieses Ungeheuer der Herr des schwimmenden hölzernen Berges sei, weil er keinen einzigen Menschen darauf gesehen habe.

Robinson hörte ihm vol Verwunderung zu. Er merkte aus der Beschreibung, daß das gehörnte Ungeheuer nichts anders, als eine Ziege wäre, und er schloß aus allen übrigen Umständen, daß das Schif gestrandet sei, und daß die darauf befindliche Manschaft sich in die Böte gerettet und das Schif verlassen habe. Aber wo diese mögten geblieben sein, das war ihm unerklärlich. Hätten sie auf seine Insel sich gerettet; so müsten sie ja, aller Wahrscheinlichkeit nach, an demselben Orte gelandet sein, wo er mit Freitag sich jezt selbst befand: aber da war nichts von ihnen zu hören oder zu sehen. Wären sie aber in den Böten verunglükt: so müste man ja wohl ihre Leichname und die Böte an den Strand getrieben finden. Endlich erinnerte er sich des Umstandes, daß der Wind während des Ungewitters sich plözlich gedrehet und östlich geworden sei, da er anfangs westlich war. Dies schien ihm das ganze Geheimniß zu erklären.

Gewiß, dacht' er, sind die Leute, da sie in die Böte gesprungen waren, durch den plözlich entstandenen Ostwind abgehalten worden, unsere Küste zu erreichen. Der Sturm hat sie nach Westen getrieben, und da sind sie entweder auf der Fahrt verunglükt – vielleicht auf den Meerstrom gerathen – oder an irgend eine westliche Insel getrieben worden. Gott gebe das Lezte seufzt' er; und theilte Freitag seine Muthmaßung mit, der sie gleichfalls wahrscheinlich fand.

Aber was ist nun zu thun? fragte Robinson. Die Leute mögen nun entweder todt oder noch lebendig und nur verschlagen sein: so können wir in beiden Fällen nichts Besseres thun, als daß wir von dem Schiffe so viel Sachen zu retten suchen, als uns möglich sein wird. Aber wie? da wir keinen Kahn mehr haben! Hier empfand er selbst den Verlust des Kahns beinahe eben so schmerzlich, als Freitag es vorher gethan hatte. Er zerrieb sich die Stirn, um ein Mittel ausfindig zu machen, den Verlust desselben zu ersezen; aber er konte lange keins finden. Einen andern Kahn zu zimmern, würde zu viel Zeit gekostet haben. Hinzuschwimmen getraut' er sich nicht, weil es viel zu weit war: und dan was hätt' er im Schwimmen auch eben fortbringen können?

Johannes. Ich weiß wohl, was ich gemacht hätte?

Vater. Nun, was denn?

Johannes. Ein Flößholz.

Vater. Grade eben dasselbe fiel unserm Robinson zulezt auch ein! Ein Flößholz, dacht' er, wird noch am geschwindesten gemacht werden können –

Frizchen. Was ist denn das ein Flößholz?

Johannes. Hast du nicht gesehen, da wir neulich nach dem Jagdschiffe fuhren, da lagen ja da auf der Elbe bei dem Teichthore eine Menge solcher Flößhölzer?

Frizchen. Ach ja, so ein Haufen Balken, die an einander gebunden sind, daß man ordentlich darauf stehen und fahren kan, als wenn's ein Schif wäre?

Vater. Ganz recht! Ein solches Flößholz also wolte Robinson machen, um damit nach dem großen Schiffe zu fahren und so viele Sachen daraus abzuholen, als sie nur könten. Er beredete sich darauf mit Freitag, daß einer von ihnen nach Hause laufen solte, um auf einen ganzen Tag Speise, nebst allen vorräthigen Strikken und was sie von Handwerkszeuge hatten, herzuholen; und weil Freitag am hurtigsten auf den Füßen war: so wurde dieser hingesandt und Robinson blieb zurük, um unterdeß Bäume zu dem Flößholze zu fällen.

Es wurde beinahe Abend ehe Freitag zurük kam. Robinson hatte unterdeß seine herzliche Freude an dem Pudel, der ihm, als ein europäischer Landsman überaus lieb und werth war. Auch der Pudel schien sich über ihn zu freuen und machte ihm ungeheissen allerlei Künste vor, die er gelernt hatte. Robinson gab ihm bei Freitags Zurükkunft von dem herbei gebrachten Essen die erste Porzion, ohngeachtet er selbst den ganzen Tag über nichts genossen hatte.

Da es zum Glük eine mondhelle Nacht war; so arbeiteten beide unaufhörlich fort, bis nach Mitternacht. Dan stelte sich aber auch das Bedürfniß des Schlafes so dringend ein, daß sie ihm ohnmöglich länger widerstehen konten.

Nikolas. Das glaub' ich, sie hatten auch die ganze vorige Nacht gewacht!

Diderich. Und waren heute so sehr gelaufen; besonders Freitag!

Vater. Sie strekten sich also ins Grüne und überliessen es dem Pudel, sie zu bewachen. Der Pudel legte sich zu ihren Füßen und so genossen sie der Wohlthat eines sanften und erquikkenden Schlummers, bis die Morgenröthe hervorbrach.


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