Robinson der Jüngere
Robinson der Jüngere
Robinson der Jüngere

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Achter Abend.

Frizchen. Mutter! Mutter!

Mutter. Was wilst du, Frizchen?

Frizchen. Mögtest Johannes ein ander Hemde schikken!

Mutter. Warum ein ander Hemde?

Frizchen. Ja, er kan sonst nicht aus dem Bade kommen.

Mutter. Warum nicht? Kan er denn sein heutiges Hemde nicht wieder anziehen?

Frizchen. Nein, das hat er gewaschen; und nun ist es noch ganz naß. Er wolt' es wie Robinson machen!

Mutter. Auch gut! – Nun, ich wil dir eins geben. – Da lauf und macht daß ihr bald hier seid; Vater wil uns wieder was erzählen!
 

Mutter (zu Johannes, der mit den übrigen komt.) Nun, Freund Robinson, wie bekömt dir das Bad?

Johannes. Recht gut! Aber das Hemde wolte nicht wieder trokken werden.

Vater. Du hast nicht bedacht, daß es hier zu Lande nicht so warm ist, als es auf Robinson's Insel war. – Aber wo blieben wir denn gestern?

Diderich. Da Robinson zu Bette ging und den andern Morgen –

Vater. Ah! nun weiß ich schon! – Am andern Morgen also stand Robinson frühzeitig auf und röstete sich zur Jagd. Seine Jägertasche stopfte er mit gebratenen Kartoffeln und mit einem derben Stükke Schildkrötenbraten aus, welches er in Kokusblätter gewikkelt hatte. Dan stekte er sein Beil an die Seite, wand das Strik, welches er gestern zum Lamafang gedreht hatte, um den Leib, nahm seinen Sonnenschirm in die Hand und machte sich auf den Weg.

Es war noch sehr früh am Tage. Er beschloß daher, diesmahl einen Umweg zu nehmen, um zugleich noch einige andere Gegenden seiner Insel kennen zu lernen. Unter der Menge von Vögeln, wovon die Bäume wimmelten, sahe er auch viele Papegaien von wunderschönen Farben. Wie gern hätte er einen davon gehabt, um ihn zahm und zu seinem Geselschafter zu machen! Aber die Alten waren zu klug, um sich greifen zu lassen, und ein Nest mit Jungen sah er nirgends. Er mußte also die Befriedigung dieses Wunsches für dasmahl aufschieben.

Dafür aber entdekte er auf diesem Wege etwas, welches ihm nöthiger, als ein Papegai war. Indem er nemlich einen Hügel nahe am Meere bestieg und von da herab zwischen Felsenklüften hinblikte, sahe er daselbst etwas liegen, welches seine Neubegierde reizte. Er kletterte also hinab und fand zu seinem grossen Vergnügen, daß es – was meint ihr?

Diderich. – Perlen waren!

Johannes. Ja darüber wurde er sich gefreut haben! – Es war wohl Eisen?

Nikolas. I, weißt du nicht mehr, daß in den heissen Ländern kein Eisen gefunden wird? – Es mogte wohl wieder ein Klumpen Gold sein!

Lotte. Ich dachte gar! Würde er sich denn darüber wohl gefreut haben? Das Gold kont' er ja nicht brauchen!

Vater. Ich sehe wohl, ihr werdet es doch nicht rathen; ich wil's also nur selbst sagen. Was er fand, war – Salz.

Zwar hatte er den Mangel desselben bisher durch Seewasser einigermassen ersezt: aber es war doch das nicht. Das Seewasser hat auch zugleich einen bittern Geschmak, der sehr unangenehm ist, und daß sein Bökelfleisch sich darin halten würde, war ein Irthum; weil dieses Seewasser, eben so wie Brunnen- oder Flußwässer, faul wird, so bald es stil steht. Es that ihm also recht wohl, daß er hier wirkliches Salz fand. Auch fülte er seine beiden Roktaschen damit an, um sogleich etwas davon mitzunehmen.

Gotlieb. Wie war denn das Salz dahin gekommen?

Vater. Du erinnerst dich wohl nicht mehr an das, was ich von dem Ursprunge des Salzes euch einmahl erzählt habe?

Johannes. O ja, ich weiß noch! Sie graben welches aus der Erde; und dan so kochen sie auch was aus salzigem Wasser, welches aus der Erde hervorquilt, und dan so ist auch was in dem Meerwasser!

Vater. Ganz recht. Nun aus dem Meerwasser kochen, so wohl die Menschen, als auch die Sonne, Salz.

Gotlieb. Die Sonne?

Vater. Ja; indem nemlich nach einer hohen Fluth, oder nach einer Ueberschwemmung Seewasser auf dem Lande zurük bleibt, so troknet die Sonne nach und nach dies Wasser aus und was denn an dem Orte übrig bleibt, das ist Salz.

Lotte. I, das ist ja närrisch!

Vater. So gütig hat der liebe Gott für uns gesorgt, daß dasjenige, was uns am unentbehrlichsten ist, die wenigste Zubereitung durch Kunst erfodert, und am häufigsten da ist.

Robinson ging nun vergnügt nach dem Orte hin, wo er ein Lama zu erhaschen hofte. Da er ankam, war keins derselben da; aber es war auch noch nicht ganz Mittag. Er lagerte sich also unter einem Baume, um sich unterdeß von seinem Braten und von seinen Kartoffeln gütlich zu thun! O wie viel kräftiger schmekte ihm jezt beides, da er es mit etwas Salz geniessen konte!

Eben da er mit seiner Mahlzeit fertig war, zeigten sich in der Ferne die herbei hüpfenden Lama's. Robinson stelte sich geschwind in Positur, und wartete mit aufgehobener Schlinge, bis eins derselben sich ihm nähern würde. Jezt waren schon verschiedene von ihnen vorüber gegangen, ohne daß er sie erreichen konte: aber plözlich kam ihm eins so nahe, daß er nur seine Hände durfte fallen lassen, um es in der Schlinge zu haben. Er that's und in dem Augenblikke war das Lama sein!

Es wolte blöken; aber aus Besorgniß, daß die Andern dadurch scheu werden mögten, zog er die Schlinge so fest zu, daß dem Thiere das Schreien wohl vergehen muste. Dan zog er es, so geschwind er nur konte, ins Gebüsch, um den Uebrigen aus den Augen zu kommen.

Das gefangene Lama war eine Mutter zweier Lämmer. Zu Robinsons grosser Freude folgten diese ihr auf dem Fusse nach, und schienen sich gar nicht vor ihm zu fürchten. Er streichelte die kleinen lieben Dinger, und sie – recht als wenn sie ihn bitten wolten, daß er doch ihre Mutter mögte gehen lassen – lekten ihm die Hand.

Gotlieb. O da hätte er sie doch auch müssen gehen lassen!

Vater. Da wär' er wohl ein grosser Nar gewesen, wenn er das gethan hätte!

Gotlieb. Ja, aber das arme Thier hatte ihm ja nichts gethan!

Vater. Er aber brauchte seiner; und du weißt ja, lieber Gotlieb, daß es uns erlaubt ist, die Thiere zu brauchen, wozu sie gut sind, wenn wir sie nur nicht misbrauchen! –

Nun, Robinson war hoch erfreut, daß er seinen Wunsch so glüklich erreicht hatte. Er zog das gefangene Thier, so sehr es sich sträubte, aus allen seinen Kräften mit sich fort, und die beiden Lämmerchen folgten ihm. Der kürzeste Weg war ihm jezt der liebste; und auf diesem langte er endlich glüklich bei seiner Wohnung an.

Aber nun war die Frage, wie er das Lama auf seinen Hofraum bringen solte, den er, wie wir wissen, auf allen Seiten fest zugemacht hatte. Es oben von dem Felsen am Strik hinab zu lassen, war wohl nicht thunlich, weil er besorgen muste, daß es unterwegens erstikken werde. Er beschloß also, vor der Hand einen kleinen Stal neben seinem Hofplaze zu machen, und das Lama mit seinen Jungen so lange darin zu verwahren, bis er irgend eine bessere Anstalt würde getroffen haben.

Bis dieser Stal fertig wäre, band er es an einen Baum und fing so gleich die Arbeit an. Er hieb nemlich mit seinem steinernen Beil eine Anzahl junger Bäume ab, und pflanzte sie so dicht neben einander in die Erde, daß sie eine ziemlich feste Wand machten. Das Lama hatte sich unterdeß vor Müdigkeit nieder gelegt, und die Lämmer, die nichts davon wußten, daß sie Gefangene wären, lagen sorglos an ihren Zizen und liessen sichs wohl schmekken.

Was das für ein erfreulicher Anblik für unsern Robinson war! Zehnmahl stand er stil, um den lieben Thierchen zuzusehen, und sich glüklich zu schäzen, daß er doch nun wenigstens einige lebendige Geschöpfe zu seiner Geselschaft habe! Von diesem Augenblikke an, schien sein Leben ihm nicht mehr ganz einsam zu sein, und die Freude darüber gab ihm so viel Kraft und Munterkeit, daß er in kurzer Zeit mit der Anlegung des Stals zu Stande kam. Dan führte er das Lama mit seinen Jungen hinein und verzäunte die lezte Oefnung mit dichten Zweigen.

Wie vergnügt er nun war – O das läßt sich mit Worten nicht beschreiben! Ausser der Geselschaft dieser Thiere, die ihm allein schon unschäzbar war, versprach er sich noch viel andere, recht große Vortheile davon; und das mit Recht! Von ihrer Wolle konte er sich vielleicht mit der Zeit irgend eine Kleidung machen lernen, ihre Milch konte er essen, konte auch Butter und Käse davon machen. Wie er dies alles eigentlich anfangen würde, das wußte er zwar noch nicht; aber er hatte nun schon hinlänglich erfahren, daß man an seiner Geschiklichkeit nicht verzweiflen müsse, wenn man nur Lust und Fleiß genug zur Arbeit brächte.

Eins fehlte noch, um sein Glük vollkommen zu machen. Er wünschte mit seinen lieben Thieren von einerlei Wänden eingeschlossen zu sein, um sie immer vor Augen zu haben, so oft er zu Haus wäre, und um sich die Freude zu machen, sie an seine Geselschaft gewöhnt zu sehen.

Lange zerbrach er sich den Kopf darüber, wie er das wohl anzufangen habe? Endlich beschloß er, es so zu machen. Er wolte nemlich sich die Mühe nicht verdriessen lassen, die Baumwand seines Hofraums an einer Seite einzureissen und eine Neue von etwas grösserem Umfange anzulegen, damit sein Hof zugleich ein wenig erweitert würde. Um aber unter der Zeit, daß er die neue Baumwand anlegte, doch auch zugleich sicher wohnen zu können, nahm er sich klüglich vor, die alte Wand nicht eher einzureissen bis er mit der neuen würde fertig geworden sein.

Durch unverdrossenen Fleiß ward das Werk in einigen Tagen vollendet; und so hatte Robinson die herzliche Freude, sich in Geselschaft dreier Hausgenossen zu finden. Indeß vergaß er darüber nicht, wie viel Vergnügen ihm die Entdekkung seiner ersten Geselschafterin, der Spinne, verursachet hätte, und fuhr fort, sie täglich mit Fliegen und Mükken zu versorgen. Das Thier merkte auch bald seine freundschaftlichen Gesinnungen gegen sich und wurde so vertraut, daß es, so oft er das Nez berührte, hervorkam, um ihm die Fliege aus der Hand zu nehmen.

Auch das Lama und die Jungen gewöhnten sich bald an seine Geselschaft. So oft er zu Hause kam, sprangen sie ihm entgegen, berochen ihn, ob er ihnen nichts mitgebracht habe, und lekten ihm dankbar die Hand so oft sie frisches Gras oder junge Baumreiser von ihm erhalten hatten.

Er gewöhnte darauf die Jungen von der Muttermilch ab, und fing an, die Alte des Morgens und des Abends ordentlich zu melken. Zu Gefäßen dieneten ihm seine Kokusschalen, und der Genuß der Milch, die er zum Theil süß verzehrte, zum Theil sauer werden ließ, vermehrte das Vergnügen seines einsamen Lebens um vieles.

Da der Kokusbaum ihm so sehr viel Vortheile verschafte: so hätte er ihn gar zu gern vervielfältigst gesehen. Aber wie solt' er das anfangen? Er hatte wohl gehört, daß man Bäume zu pfropfen oder einzuimpfen pflege; aber wie das eigentlich gemacht werden müsse, darum hatte er sich niemahls bekümmert. O, seufzte er oft, wie wenig habe ich in meiner Jugend meinen Vortheil gekant, daß ich nicht auf Alles, was ich sahe oder hörte, recht genau Achtung gab, um den Leuten alle ihre Künste abzulernen! Hätte ich das Glük noch einmahl jung zu werden: o wie wolt' ich aufmerksam sein auf Alles, was Menschen Hände und menschliche Geschiklichkeit nur immer machen können! Es solte kein Handwerker, kein Künstler sein, dem ich nicht etwas von seinen Kunststükken ablernen wolte.

Aber was halfen ihm diese Klagen jezt, da es zu spät war, ihnen abzuhelfen? Besser wars, er richtete alle seine Gedanken darauf, wie er den Mangel an gelernten Künsten durch seine Erfindsamkeit ersezen mögte. Und das that er denn auch wirklich.

Ohne zu wissen, ob er es recht mache, schnitte er ein Paar junge Bäume ab, machte in der Mitte des Stams einen kleinen Einschnit, stekte ein junges Reis vom Kokusbaum da hinein, umwand darauf die Stelle des Einschnits mit Baumbast; und erwartete mit Ungeduld, was wohl der Erfolg sein werde? Und siehe! auch dieses mußte ihm gelingen. Nach einiger Zeit fingen die eingepfropften Reiser an zu grünen, und das Mittel war also gefunden, sich nach und nach einen ganzen Wald voll Kokusbäumen zu zuziehen!

Neue Ursache zur Freude! Neuer Antrieb zur innigsten Dankbarkeit gegen den Schöpfer, der so unzählbare Kräfte und Eigenschaften in die Natur der Dinge gelegt hat, daß es seinen lebendigen Geschöpfen nirgends an Mitteln fehlt, sich zu erhalten, und ihren Zustand angenehm zu machen!

Das alte und die jungen Lama's waren in kurzer Zeit so zahm geworden, als bei uns die Hunde sind. Er fing daher nach und nach an, sich ihrer zu seiner Bequemlichkeit, als Lastthiere zu bedienen, so oft er etwas einholen wolte, welches zu tragen ihm selbst zu schwer geworden wäre.


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