Robinson der Jüngere
Robinson der Jüngere
Robinson der Jüngere

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Funfzehnter Abend.

Der Vater fuhr fort:

Kinder, es ist ein wahres Sprichwort: guter Rath komt Morgen. Das können wir aus Robinsons Beispiel lernen.

Ihr wisset, welche thörigte Entschliessungen ihm gestern seine unmäßige Furcht eingab. Wohl bekam es ihm, daß er die Ausführung derselben auf den morgenden Tag verschieben muste: denn kaum hatte das liebliche Tageslicht die dunkeln Schatten der Nacht vertrieben, als er die Dinge von einer ganz andern Seite betrachtete. Was er gestern für gut, weise und nothwendig hielt, das schien ihm jezt schlecht, thörigt, und unnöthig zu seyn. Mit einem Worte, er verwarf alle die übereilten Anschläge, welche die Furcht ihm eingeflößt hatte, und faßte andere, welche von der Vernunft gebilliget wurden.

Sein Beispiel, lieben Kinder, diene euch zur Warnung, daß ihr in Dingen, die einigen Aufschub leiden, nie gleich von der ersten Entschliessung unmittelbar zur That schreitet, sondern vielmehr wenn es sein kan, die Ausführung auf den folgenden Tag verschiebet.

Robinson fand jezt, daß seine gestrige Furcht übertrieben gewesen sei. »Ich bin nun schon so lange hier, dacht' er bei sich selbst, und noch nie ist ein Wilder in die Gegend meiner Wohnung gekommen. Beweis genug, daß auf der Insel selbst keine leben müssen. Aller Wahrscheinlichkeit nach, kommen also nur zuweilen einige derselben von einer andern Insel herüber, um hier ihre Siegesfeste zu feiern und ihre unmenschlichen Mahlzeiten anzustellen; und vermuthlich landen diese immer auf dem südlichen Ende der Insel, und fahren wieder ab, ohne sich weiter auf derselben umzusehen. Das ist also abermahls ein grosser Beweis von der Güte der götlichen Vorsehung, daß ich grade an diesen unfruchtbaren Theil der Insel habe müssen geworfen werden, welcher der sicherste für mich war. Wie solt' ich ihr denn nicht zutrauen dürfen, daß sie auch ferner mich beschützen und vor Gefahren behüten werde, da ihre weisen und guten Führungen bis hieher so sichtbar gewesen sind!«

Hier macht' er sich selbst die bittersten Vorwürfe, daß er bei seiner gestrigen übertriebenen Furcht so wenig Vertrauen auf Gott bewiesen habe; warf sich reuevoll auf seine Knie und bat um Verzeihung dieser seiner abermahligen Verschuldung. Dan trat er neugestärkt den Weg zu seiner Wohnung an, um dasjenige ins Werk zu richten, was er nunmehr beschlossen hatte.

Johannes. Was wolt' er denn nun thun?

Vater. Er wolte nur noch einige Veranstaltungen zu seiner grössern Sicherheit treffen; und darin handelte er überaus vernünftig. Denn ohngeachtet wir der götlichen Vorsehung zutrauen müssen, daß sie, wenn wir nach ihrem heiligen Willen zu leben uns bestreben, uns in keiner Noth verlassen werde: so müssen wir doch auch von unserer Seite nichts versäumen, was zu unserer Sicherheit und zu unserm Glükke etwas beitragen kan. Denn dazu hat eben der liebe Gott uns unsern Verstand und alle andere Kräfte unserer Sele und unsers Leibes gegeben, daß wir zur Beförderung unserer Glükseeligkeit sie anwenden sollen.

Das erste, was er vornahm, war dieses, daß er in einer kleinen Entfernung von der Baumwand, die seine Wohnung einschloß, einen dichten Wald anlegte, welcher verhindern solte, daß seine Burg von fern nicht könte gesehen werden. In dieser Absicht pflanzte er nach und nach wohl 2000 Zweige von dem weidenartigen Baume ein, dessen leichtes Fortkommen und schnellen Wachsthum er nun schon erfahren hatte. Er pflanzte sie aber nicht in Reihen, sondern mit Fleiß unordentlich durch einander hin, damit das Ganze ein natürliches, nicht durch Menschenhände angelegtes Gebüsch zu sein schien.

Nächstdem beschloß er, aus dem innersten seiner Höhle einen unterirdischen Gang bis an das andere Ende des Berges durchzuführen, um, im Fal der Noth, wenn seine Festung von Feinden erstiegen wäre, sich durch diesen Ausgang retten zu können. Dies war aber wieder ein mühseeliges und langwieriges Geschäft und es versteht sich von selbst, daß die Schifbauerarbeit darüber vor's erste eingestellt werden muste.

Er verfuhr aber bei diesem Ausgraben des unterirdischen Weges eben so, wie die Bergleute bei Anlegung der Stollen verfahren.

Gotlieb. Was sind das Stollen?

Johannes. Weißt du nicht mehr? Erst graben ja die Bergleute so grade hinein in die Erde, als wenn sie einen Brunnen machen wolten, das nennen sie einen Schacht; und denn, wenn sie schon ein bischen tief gegraben haben: so machen sie erst Quergänge zu den Seiten, und die nennen sie Stollen. Dan graben sie wieder einen Schacht und dan wieder einen Stollen, bis sie an Stellen kommen, wo das Erz liegt.

Vater. Gut erklärt! Nun, seht ihr, wenn sie nun so in die Quere, (man nent das Horizontal) graben: so würde ihnen die Erde von oben auf den Kopf fallen, wenn sie dieselbe nicht zu befestigen suchten. Also müssen sie, indem sie weiter arbeiten wollen, diese Erde erst durch Pfäle und Querhölzer stüzen, damit sie fest liege; und eben so macht' es nun auch Robinson.

Alle Erde, die er heraus arbeitete, warf er an die Baumwand, und trat sie fest, so daß dadurch nach und nach eine Erdmauer entstand, die wohl acht Fuß dik und wenigstens zehn Fuß hoch war. An verschiedenen Stellen hatt' er kleine Löcher, wie Schießscharten, offen gelassen, um durchsehen zu können. Zugleich hatt' er einige Treppen eingeschnitten, um mit Bequemlichkeit auf und absteigen und seine Festung, wenn es einmahl nöthig sein solte, von der Mauer herab vertheidigen zu können.

Nun schien er vor einem plözlichen Ueberfalle hinlänglich gesichert zu sein. Aber wie? wenn die Feinde sich einfallen liessen, ihn förmlich zu belagern? Wie da?

Der Fal schien nicht unmöglich zu sein; er hielt es also für nöthig, sich auch darauf gefaßt zu machen, um nicht durch Hunger und Durst zur Uebergabe genöthiget zu werden. In dieser Absicht beschloß er, wenigstens ein milchgebendes Lama immer auf seinem Hofraume zu halten und zum Unterhalte desselben einen nur in der Noth anzugreifenden Heuschober in Bereitschaft zu haben; ferner so viel Käse, als er nur immer ersparen könte, aufzubewahren und endlich einen Vorrath von Früchten und Austern von einem Tage zum andern so lange zu sparen, als sie sich nur halten würden.

Auf die Ausführung eines andern Einfals must' er Verzicht thun, weil er voraus sahe, daß sie ihm gar zu viel Zeit kosten würde. Er wünschte nemlich, die Quelle, welche nicht weit von seiner Wohnung hervorsprudelte und einen kleinen Bach machte, durch seinen Hofraum leiten zu können, um im Fal einer Belagerung auch mit Wasser versehen zu sein. Aber da hätte er eine ziemlich große Anhöhe durchstechen müssen, welches von einem einzigen Menschen ohne großen Zeitverlust nicht geschehen konte. Er hielt es daher für besser, dieses Projekt vor der Hand aufzugeben, und wieder zu seiner Schifbauerarbeit zurük zu kehren.

So verstrichen ihm nun wieder einige Jahre, in denen eben nichts vorfiel, welches erzählt zu werden verdiente. Ich eile daher zu einer der wichtigsten Begebenheiten, welche auf das Schiksal unsers guten Freundes einen grössern Einfluß hatte, als alles, was bis hieher auf seiner Insel ihm begegnet war.

Es war an einem schönen warmen Morgen, als Robinson, da er schon mit seinem Schifbau beschäftiget war, in einiger Entfernung von sich unvermuthet einen starken Rauch aufsteigen sahe. Seine erste Empfindung bei diesem Anblik war Schrekken, die zweite Neugier; und beide trieben ihn an, so geschwind er konte nach dem Berge hinter seiner Wohnung zu laufen, um von da zu sehen, was doch die Ursache davon sein mögte. Kaum hatt' er den Berg bestiegen, als er zu seiner noch weit grössern Bestürzung wenigstens fünf Kanoes, oder kleine Kähne, am Strande, und bei einem großen Feuer wenigstens 30 Wilde erblikte, die unter barbarischen Gebehrden und Freudensbezeugungen einen Rundtanz hielten.

So sehr nun auch Robinson auf ein solches Schauspiel vorbereitet war, so fehlte doch nicht viel, daß er nicht abermahls vor Angst und Schrekken alle Besonnenheit verlor. Doch rief er diesmahl seinen Muth und sein Vertrauen auf Gott geschwinder zurük; stieg eiligst hinab, um sich in den nöthigen Vertheidigungsstand zu sezen; legte seine ganze Rüstung an und faßte im Vertrauen auf Gott den mänlichen Entschluß, sein Leben, so lange er könte, zu vertheidigen. Kaum hatt' er diese Entschliessung genommen und durch ein kurzes Gebet sich darin bestärkt, als es ihm so leicht ums Herz ward, daß er Muth genug fühlte, die Strikleiter wieder hinan zu klettern, um die Bewegungen der Feinde von dem Gipfel des Berges herab zu beobachten.

Aber wie schlug ihm das Herz von Unwillen und Entsezen, da er ziemlich deutlich zwei unglükliche Menschen aus den Kähnen hohlen und nach dem Feuerplaze hinschleppen sahe! Er zweifelte nicht, daß sie zur Schlachtbank geführt werden solten, und in demselben Augenblikke wurde diese seine Vermuthung auf die schreklichste Weise bestätigst. Einige der Unmenschen schlugen nemlich den einen Gefangenen zu Boden und ein Paar andere fielen über ihn her, vermuthlich, um ihm den Leib aufzuschneiden und ihn zu ihrem abscheulichen Gastmahle zu zubereiten. Unterdeß stand der andere Gefangene als ein Zuschauer bei diesem unmenschlichen Schauspiele da, bis die Reihe an ihn kommen würde. Aber plözlich, da dieser arme Mensch merkte, daß alle mit seinem geschlachteten Kameraden beschäftiget waren und eben nicht sehr auf ihn achteten, ergrif er, in der Hofnung sein Leben zu retten, die Flucht, und lief mit unglaublicher Geschwindigkeit grade nach der Gegend zu, wo Robinsons Wohnung war.

Freude, Hofnung, Furcht und Grauen ergriffen jezt zugleich das Herz unsers Helden und färbten seine Wangen bald mit hoher Röthe, bald mit Todtenblässe; Freude und Hofnung, weil er bemerkte, daß der Entronnene viel schneller laufen konte, als die, welche ihn verfolgten; Furcht und Grauen hingegen, weil der Verfolgte und die Verfolger ihren Weg grade nach seiner Burg zu nahmen. Indeß war zwischen diesen und jenen noch ein kleiner Meerbusen, den der Unglükliche durchschwimmen muste, wenn er sich nicht gefangen geben wolte. Allein kaum war er dabei angekommen, als er ohne sich einen Augenblik zu besinnen, hineinplumpte und mit eben der Schnelligkeit, die er im Laufen bewiesen hatte, nach dem gegenseitigem Ufer schwam.

Zwei seiner Verfolger, welche die Vordersten waren, schwammen ihm nach, die übrigen kehrten zu ihrem verruchten Gastmahle zurük. Mit innigem Vergnügen bemerkte Robinson, daß diese beiden auch im Schwimmen dem Ersten bei weiten nicht gleich kamen. Dieser flohe schon gegen seine Wohnung zu, indeß die Andern noch nicht zur Hälfte durchgeschwommen waren.

In diesem Augenblikke fühlte unser Robinson sich von einem Muthe beseelt, der so groß und feurig noch nie in ihm erwacht war. Seine Blikke sprüheten Feuer; sein Herz drengte ihn, dem Unglüklichen beizuspringen; er ergrif seine Lanze und ohne sich einen Augenblik länger zu bedenken, rant' er den Berg hinab und war in einem Hui! zwischen dem Verfolgten und seinen Verfolgern. Halt! rief er dem Ersten mit lauter donnernder Stimme zu, indem er aus dem Gebüsch hervorsprang; halt! Der arme Flüchtling sahe sich um, und erschrak beim Anblik des über und über in Felle gehülten Robinsons, den er vermuthlich für ein übermenschliches Wesen hielt, dergestalt, daß er nicht wuste, ob er sich vor ihm niederwerfen oder entfliehen solte.

Robinson winkte ihm mit der Hand, gab ihm zu erkennen, daß er zu seiner Beschüzung da sei, und rükte dabei almählig gegen seine beiden Verfolger an. Jezt war er so weit gekommen, daß er den ersten mit seinem Spieß erreichen konte. Er ermante sich, und versezte ihm einen so nachdrüklichen Stoß in den nakten Leib, daß er zu Boden stürzte. Der Andere, welcher noch ohngefähr hundert Schritte entfernet war, stuzte; holte darauf einen Pfeil hervor und schoß auf Robinson, indem dieser eben auf ihn los gehen wolte. Der Pfeil traf grade die Stelle des Herzens, – aber glüklicher Weise nur so schwach, daß er von der harten Pelzjakke, wie von einem Panzer zurükpralte, ohne ihm auch nur im geringsten zu verlezen.

Unser muthige Streiter ließ dem Feinde nicht Zeit, einen zweiten Schuß zu thun; er rante auf ihn zu, und strekte ihn in den Sand, indem er eben wieder den Bogen spante. Und jezt sah er sich nach dem Geretteten um.

Der arme Flüchtling stand zwischen Furcht und Hofnung noch auf derselben Stelle, auf der ihm Robinson zugerufen hatte, ungewiß ob das, was vorging, zu seiner Errettung geschähe, oder ob die Reihe jezt an ihn kommen werde. Der Sieger rief ihm abermahls zu und winkte ihm, herbei zu kommen. Er gehorchte; stand aber bald wieder stille, trat abermahls etwas näher und stand von neuem stille und zwar mit sichtbarer Angst und in der Stellung eines Betenden. Robinson gab ihm alle ersinliche Zeichen von Freundschaftsbezeugung und winkte ihm abermahls herzu zu treten. Er thats; doch kniete er alle zehn oder zwölf Schritte mit den demüthigsten Gebehrden nieder, als wenn er ihm danken, und zugleich ihm huldigen wolte.

Robinson nahm hierauf seine Maske ab um ihm ein menschliches und freundliches Gesicht zu zeigen; worauf er ohne Bedenken näher trat, vor ihm niederkniete, den Boden küßte, sich plat niederlegte und Robinsons Fuß auf seinen Nakken sezte, vermuthlich zur Versicherung, daß er sein Sklav sein wolle. Unser Held, dem es mehr um einen Freund, als um einen Sklaven zu thun war, hob ihn liebreich auf, und suchte ihn auf jede nur mögliche Weise zu überzeugen, daß er nichts als Gutes und Liebes von ihm zu erwarten habe. Allein da war noch mehr zu thun.

Einer der Erschlagenen, der den Stich nur in den Unterleib bekommen hatte und vermuthlich nicht tödtlich verwundet war, fing an sich wieder zu erhohlen, und etwas ausgerissenes Gras in die Wunde zu stopfen um das Blut zu stillen. Robinson machte seinen Wilden aufmerksam darauf und dieser antwortete ihm einige Worte in seiner Landessprache, die jener zwar nicht verstand, aber welche doch wie Musik in seinen Ohren tönten, weil es die erste menschliche Stimme war, die er nach so vielen Jahren wieder hörte. Hierauf zeigte der Indianer auf sein steinernes Beil, dan auf sich, und gab zu verstehen, daß er seinem Feinde vollends den Rest damit zu geben wünschte. Unser Held, der ungern Menschenblut vergoß und gleichwohl die Nothwendigkeit, den Verwundeten völlig umzubringen, erkante, gab seinem Schuzgenossen das Beil, und wandte seine Augen weg. Dieser lief drauf hin; und spaltete dem Verwundeten auf einen Streich den Schedel bis in die Schulter herab. Dan kam er lachend wieder zurük und legte mit vielen sonderbaren Gebehrden das Beil und die Hirnschale des Erschlagenen zum Zeichen des Sieges zu Robinsons Füßen nieder.

Dieser gab ihm durch Zeichen zu verstehen, daß er die Bogen und Pfeile der Getödteten nehmen und ihm folgen solte. Der Wilde hingegen bedeutete ihm, daß er erst die todten Körper im Sande verscharren wolte, damit ihre Kameraden, wenn sie etwa nachfolgen solten, sie nicht finden mögten. Robinson bezeugte ihm Beifal über diese seine Vorsichtigkeit, und da war er mit seinen Händen so hurtig darüber aus, daß er in weniger, als einer Viertelstunde schon beide Leichname verschart hatte. Dan wanderten Beide nach Robinsons Wohnung und erstiegen den Berg.

Lotte. Aber, Vater, nun war ja Robinson ein Mörder geworden.

Frizchen. I, das waren ja nur Wilde, die er umgebracht hatte; das thut nichts!

Lotte. Ja, es waren aber doch Menschen!

Vater. Allerdings waren sie das, Frizchen, und wild oder gesittet thut hier nichts zur Sache. Die Frage ist nur, ob er ein Recht dazu hatte, diese Unglüklichen umzubringen? Was meinst du, Johannes?

Johannes. Ich glaube, daß er recht daran that.

Vater. Und warum?

Johannes. Weil sie solche Unmenschen waren, und weil sie sonst den andern armen Wilden würden todt gemacht haben, der ihnen doch wohl nichts mogte zu Leide gethan haben.

Vater. Aber wie konte Robinson das wissen? Vielleicht hatte dieser den Tod verdient? Vielleicht waren diejenigen, die ihn verfolgten, Diener der Gerechtigkeit, die von ihrem Oberhaupte dazu befehliget waren. Und dan, wer hatte Robinson zum Richter über sie bestellt?

Nikolas. Ja, aber wenn er sie nicht getödtet hätte, so würden sie seine Burg gesehen haben, und dan hätten sie es den Andern wieder erzählt –

Gotlieb. Und denn wären sie alle gekommen und hätten den armen Robinson selbst umgebracht.

Frizchen. Und aufgefressen dazu!

Vater. Jezt seid ihr auf dem rechten Flekke; zu seiner eigenen Sicherheit must' er's thun, ganz recht! Aber ist man denn wohl berechtiget, um sein eigenes Leben zu retten, einen Andern umzubringen?

Alle. O ja!

Vater. Warum?

Johannes. Weil Gott wil, daß wir unser Leben erhalten sollen, so lange wir nur können. Wenn also einer uns umbringen wil, so muß es ja wohl recht sein, ihn erst umzubringen, damit er's wohl müsse bleiben lassen.

Vater. Allerdings, lieben Kinder, ist eine solche Nothwehr nach menschlichen und götlichen Gesezen recht, aber wohl gemerkt! – nur in dem einzigen Fal, wenn ganz und gar kein anderes Mittel zu unserer eigenen Rettung übrig ist. Haben wir hingegen Gelegenheit, entweder zu entfliehen, oder von Andern beschüzt zu werden, oder unsern Verfolger ausser Stand zu sezen, uns zu schaden: so ist ein Angrif auf sein Leben ein wirklicher Mord, und wird auch von der Obrigkeit, als ein solcher, bestraft.

Vergeßt nicht, lieben Kinder, Gott zu danken, daß wir in einem Lande leben, in welchem die Obrigkeit so gute Veranstaltungen zu unserer Sicherheit getroffen hat, daß unter hundert tausend Menschen höchst selten ein Einziger in die traurige Nothwendigkeit gerathen kan, von dem Rechte der Nothwehr Gebrauch machen zu müssen.

Genug für heute!


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