Alfred Edmund Brehm
Die Menschenaffen
Alfred Edmund Brehm

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Vor mehr als zweitausend Jahren rüsteten die Karthager eine Flotte zu dem Zwecke aus, Ansiedelungen an der Westküste von Afrika zu gründen. Auf sechzig großen Schiffen zogen ungefähr dreißigtausend Männer und Frauen zu diesem Behufe von Karthago aus, versehen mit Nahrung und allen Gegenständen zur Ansässigmachung. Der Befehlshaber dieser Flotte war Hanno, welcher seine Reise in einem kleinen, aber wohlbekannten Werke (dem »Periplus Hannonis«) der damaligen Welt beschrieb. Im Verlaufe der Reise gründete die Mannschaft jener Schiffe sieben Ansiedelungen, und nur der Mangel an Nahrungsmitteln zwang sie, früher als man wollte, zurückzukehren. Doch hatten die kühnen Seefahrer die Sierra Leone bereits hinter sich, als dieses geschah. Jener Hanno nun hinterließ uns in seinem Berichte eine Mitteilung, welche auch für uns von Wichtigkeit ist. Die betreffende Stelle lautet: »Am dritten Tage, als wir von dort gesegelt waren und die Feuerströme durchschifft hatten, kamen wir zu einem Busen, das Südhorn genannt. Im Hintergrunde war ein Eiland mit einem See und in diesem wieder eine Insel, auf welcher sich wilde Menschen befanden. Die Mehrzahl derselben waren Weiber mit haarigem Körper, und die Dolmetscher nannten sie Gorillas. Die Männchen konnten wir nicht erreichen, als wir sie verfolgten; sie entkamen leicht, da sie Abgründe durchkletterten und sich mit Felsstücken verteidigten. Wir erlangten drei Weibchen; jedoch konnten wir diese nicht fortbringen, weil sie bissen und kratzten. Deshalb mußten wir sie töten; wir zogen sie aber ab und schickten das abgestreifte Fell nach Karthago.« Die Häute wurden dort später, wie Plinius berichtet, im Tempel der Juno aufbewahrt.

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß Hanno unter den wilden behaarten Menschen nur einen Menschenaffen meinen kann, und wenn er auch vielleicht den Schimpansen vor Augen gehabt hat, sind wir doch berechtigt, den riesigsten aller Affen Gorilla zu nennen.

Der Gorilla (Gorilla gina), »Njina« oder »Ingiine« der Eingeborenen, Vertreter einer besonderen Gattung oder doch Untergattung, ist zwar etwas kleiner, aber bei weitem breitschulteriger als ein starker Mann. Laut Owen beträgt beim erwachsenen Männchen die Höhe von der Sohle bis zum Scheitel 1,65 m, die Breite von einer Schulter zur anderen 95 cm, die Länge des Kopfes und Rumpfes zusammengenommen 1,08 m, die der Vorderglieder 1,08 m, der Hinterglieder bis zur Ferse 75 cm, bis zur Spitze der Mittelzehe aber 1,5 m. Die Länge und Stärke des Rumpfes und der Vorderglieder, die unverhältnismäßige Größe der Hände und Füße sowie die durch Bindehaut größtenteils vereinigten mittleren Finger und Zehen sind die bezeichnendsten Merkmale. Der Umriß des Kopfes bildet von dem stark hervortretenden Augenbrauenbeine an nach dem Scheitel zu anfänglich eine etwas eingesenkte, später sanft gewölbte Linie, steigt am Scheitel auf und fällt nach dem Nacken zu gerade ab. Der Brauenbogen wird durch die aufliegende dicke Haut und starke Behaarung noch weiter vorgerückt und läßt das kleine, braune Auge um so tiefer zurücktreten. Die Nase ist flachgedrückt, in der Mitte der Länge nach eingebuchtet und an ihren Flügeln sehr verbreitert, tritt aber, der weiten, schief nach vorn und oben geöffneten Nasenlöcher halber, an ihrer Spitze merklich hervor. Das breite Maul wird durch dicke Lippen geschlossen, welche kürzer und minder beweglich sind als bei anderen Menschenaffen und mehr mit denen des Menschen übereinstimmen. Das Kinn würde seiner Kürze halber zurücktreten, wäre nicht der ganze Unterteil des Gesichtes vorgeschoben. Das ziemlich weit nach hinten, in gleicher Höhe mit den Augen gelegene Ohr ist verhältnismäßig kleiner als das des Schimpansen, jedoch vergleichsweise größer als das des Menschen, diesem ähnlicher als das irgendeines anderen Affen; Leiste wie Gegenleiste, Ecke wie Gegenecke ist wohlentwickelt und selbst ein zwar kleines, aber entschieden hängendes Läppchen vorhanden. Der kurze Hals bildet hinten wegen der langen, mit mächtigen Muskeln überdeckten Wirbelfortsätze mit Hinterkopf und Rücken eine gerade Linie, trennt sich daher nur seitlich und vorn vom Rumpfe ab, so daß der Kopf unmittelbar auf letzterem zu sitzen scheint. Der Rumpf selbst fällt ebensowohl durch seine außerordentliche Stärke wie seine im Vergleiche zu dem des Menschen unverhältnismäßige Länge auf; der mächtige Brustkasten ist ungemein geräumig, die Schulterbreite fast unmäßig, der Rücken sanft gebogen, ohne daß die Schulterblätter hervortreten, der Bauch allseitig gewölbt. Die Glieder unterscheiden sich wesentlich von denen des Menschen durch die gleichmäßige Stärke ihrer einzelnen Teile, indem dem Oberarme die Anschwellung, dem Schienbeine die Wade gänzlich fehlt. Verhältnismäßig ist der Oberarm länger, der ganze Arm aber kürzer als bei anderen Menschenaffen, unter Berücksichtigung der Rumpflänge vergleichsweise nicht viel länger als beim Menschen, obgleich dies der in der Entwicklung zurückgebliebenen Beine halber den Anschein hat. Der Unterarm geht ohne erhebliche Verschmächtigung in die ebenso kurze wie breite und dicke, wegen ihres langen Tellers ausgezeichnete Hand über, deren drei überaus dicke und kräftige, gleichsam geschwollene Mittelfinger bis zu dem dritten Gliede durch eine Bindehaut vereinigt sind, also höchstens zwei Glieder frei bewegen können, und Nägel tragen, welche zwar denen der Menschenhand an Größe gleichkommen, im Verhältnisse zu den Fingern aber klein erscheinen; der Daumen ist wie bei allen Menschenaffen schwach und kurz, kaum halb so lang wie jeder andere Finger. Mit denen der Verwandten verglichen, erscheinen der Oberschenkel stark, der Unterschenkel dagegen ebenso kurz wie schwach, der Fuß kurz und unförmlich breit, die an ihrer Spitze verbreiterte, sehr bewegliche Daumenzehe, welche unter einem Winkel von sechzig Graden zu den anderen steht, verhältnismäßig stark und lang, die übrigen Zehen, unter denen die dritte die längste, die letzte sehr verkürzt ist und deren zweite bis vierte unter sich ebenfalls größtenteils durch Haut verbunden sind, jener gegenüber kurz und schwach. Das gewellte, entfernt an Wolle erinnernde Haar läßt das Vordergesicht nach oben bis zu den Augenbrauen, seitlich bis zur Mitte der Jochbogen, nach unten hin bis zum Kinne, das Ohr, die Hand und den Fuß seitlich und, soweit Finger und Zehen nicht vereinigt sind, auch unten gänzlich frei, bekleidet dagegen ziemlich regelmäßig den übrigen Leib, Oberkopf, Nacken, Schultern, Oberarme sowie Ober- und Unterschenkel am dichtesten, Brust und Bauch am spärlichsten, ist bei alten Tieren aber auch auf Mittel- und Unterrücken gewöhnlich abgerieben und hat, mit Ausnahme des Unterarmes, seinen Strich von vorn und oben nach hinten und unten, am Unterarme dagegen von unten nach oben. Alle nackten Teile haben graulich-schieferschwarze, die mit Haaren bekleideten Hautteile dunkellederbraune, die Haare dagegen verschiedene, schwer zu beschreibende Färbung. Ein düsteres Dunkelgrau, hervorgebracht durch wenige rötliche und viele graue Haare, herrscht vor; die Mischung beider Farben wird gleichmäßiger auf Oberkopf und Nacken, weshalb diese Teile deutlich graurot aussehen; auf dem Rücken kommt mehr das Grau, an den inneren Schenkelseiten das Braun zur Geltung. Einige wenige weiße Haare finden sich am Gesäße. Männchen und Weibchen unterscheiden sich nicht in der Färbung, Alte und Junge anscheinend nicht wesentlich.

Die Zähne sind sehr kräftig, die Eck- oder Hundszähne kaum weniger als bei Raubtieren entwickelt; der hinterste untere Backenzahn zeigt drei kleine äußere und zwei innere Höcker nebst einem hinteren Anhange. Das Geripp entspricht Hinsichtlich seiner Massigkeit der Größe des Tieres. Der ungeheure Schädel fällt besonders auf durch die Länge und Schmalheit des seitlich sehr zusammengedrückten, hinten eckig vortretenden, innen kleinen, d. h. wenig geräumigen Hirnteiles, den mächtig entwickelten Scheitelkamm des Männchens, die weit vortretenden Brauen und Jochbogen und den riesigen Unterkiefer, das Arm- und Handgerüst durch seine gewaltige Stärke, der von dreizehn Rippenpaaren umschlossene Brustkasten durch seine Weite.

Bis jetzt ist es noch nicht möglich gewesen, den Verbreitungskreis des Gorilla genau abzugrenzen, insbesondere wissen wir nicht, wie weit er sich in das Innere Afrikas erstreckt. Einstweilen haben wir die zwischen dem Gleicher und dem fünften Grade südlicher Breite gelegenen Länder der Westküste Afrikas als seine Heimat, die von den Flüssen Gabun, Muni und Fernandovaz durchschnittenen Urwaldungen als seine Aufenthaltsorte anzusehen.

Abgesehen von Hanno, berichtet zuerst Andreas Battell über die großen Menschenaffen Westafrikas. Gelegentlich der Beschreibung von Mayumba und des an der Loangoküste mündenden Stromes, welchen er Banna nennt, sagt er: »Die Wälder sind derartig überfüllt mit Pavianen, Meerkatzen, Affen und Papageien, daß sich jedermann fürchtet, in denselben zu reisen. Namentlich gilt dies für zwei Ungeheuer, welche in diesen Waldungen leben und im höchsten Grade gefährlich sind. Das größte dieser Scheusale wird von den Eingeborenen ›Pongo‹, das kleinere ›Ensego‹ genannt. Der Pongo hat den Gliederbau eines Menschen, ähnelt aber eher einem Riesen als einem Manne; denn er ist sehr groß und besitzt zwar das Antlitz eines Menschen, aber hohlliegende Augen, welche von langen Brauenhaaren überdeckt werden; Gesicht und Ohren sind haarlos, die Hände ebenfalls, der Leib dagegen ist, wenn auch nicht gerade dicht, mit Haaren bekleidet, welche eine düstere Färbung haben. Vom Menschen unterscheidet er sich nur durch seine Beine, welche keine Waden zeigen. Er geht stets auf seinen Füßen und hält, wenn er auf dem Boden läuft, seine Hände zusammengeklammert im Nacken. Er schläft auf Bäumen und baut sich Dächer gegen den Regen. Sein Futter besteht aus Früchten, welche er in den Wäldern findet, auch wohl aus Nüssen; Fleisch ißt er niemals. Sprechen kann er nicht, und sein Verständnis ist nicht größer als das eines Viehes. Haben die Eingeborenen, welche die Wälder durchreisen müssen, nachts ein Feuer angezündet, so erscheinen die Pongos am Morgen, sobald jene das Lager verlassen, und sitzen am Feuer, bis dieses ausgeht; denn sie verstehen nicht, daß man, um es zu erhalten, Holz zulegen muß. Oft vereinigen sie sich zu Gesellschaften und töten manchen Neger im Walde, oft auch überfallen sie Elefanten, welche weidend in ihre Nähe kommen, und schlagen sie so mit ihren mächtigen Fäusten, daß sie brüllend davonlaufen. Niemals kann man diese Pongos lebend bekommen, weil zehn Männer nicht imstande sind, sie festzuhalten; doch erlegt man viele ihrer Jungen mit vergifteten Pfeilen. Der junge Pongo klammert sich so fest an den Leib seiner Mutter, daß die Eingeborenen, wenn sie das Weibchen erlegen, auch das Junge erhalten, welches die Mutter nicht verläßt. Stirbt eines dieser Ungeheuer, so bedecken es die übrigen mit einem großen Haufen von Zweigen und Holz; solche Haufen findet man viele in den Wäldern.«

Später erwähnt ein Schiffsführer, welcher sich längere Zeit an der Westküste Afrikas aufgehalten hat, derselben Affen, führt aber drei Arten von ihnen auf und bemerkt, daß der größte »Impungu« heiße. »Dieses wundervolle und fürchterliche Erzeugnis der Natur«, sagt er, »geht aufrecht wie ein Mann, ist erwachsen sieben bis neun Fuß hoch, verhältnismäßig dick und entsetzlich stark. Schwarzes Haar, welches sich auf dem Kopfe verlängert, bedeckt seinen Leib. Sein Gesicht ähnelt dem des Menschen mehr als das des Schimpansen, ist aber ebenfalls schwarz. Wenn dieses Tier einen Neger sieht, verfolgt und fängt es diesen; zuweilen tötet es ihn auch, und manchmal packt es ihn bei der Hand und nimmt ihn mit sich fort. Einige, welche so glücklich waren, dieser Gefangenschaft zu entrinnen, sagen, daß sich das Ungetüm, wenn es schlafen geht, nicht niederlegt, sondern gegen einen Baum lehnt; dann wartet der Gefangene, bis es eingeschlafen ist, löst vorsichtig seine Hand von sich ab und stiehlt sich still hinweg, erregt aber doch zuweilen die Aufmerksamkeit des Gegners und wird zurückgeholt. Das Tier lebt von den Früchten und Wurzeln dieses Landes und macht sich vornehmlich die Arbeit der Eingeborenen zunutze. Fehlt es ihm an Wasser, so sucht es sich einen Baum mit saftiger Rinde auf, reißt diese mit der Hand ab, zerquetscht sie und saugt den Saft aus; ja es nimmt zuweilen einen solchen Baum bei seinen Wanderungen mit, wenn es weiß, daß sich auf dem Wege kein Wasser findet. Ich habe gehört, daß es imstande ist, einen Palmbaum abzubrechen, um zu dem Safte desselben zu gelangen. Niemals habe ich dieses Tier zu sehen bekommen; allein ein Junges von ihm wurde während der Zeit, als mein Sohn in Malemba war, von einem Lande des Inneren dem Könige geschenkt und die Leute, die es brachten, sagten, daß es seit der Zeit, in welcher sie es in Besitz hatten, ruhig und ernsthaft gewesen sei, seine Speisen widerstandlos genommen und verständig gegessen und getrunken habe. Man hatte ihm ein Joch um den Nacken gelegt und seine Hände gebunden wie die der Sklaven, welche mit ihm kamen, und so führte man es widerstandslos fort. Als es aber in der Königsstadt angelangt war und eine unschätzbare Menge von Leuten sich einfand, um es zu betrachten, wurde es traurig und mürrisch, wollte keine Nahrung mehr zu sich nehmen und starb nach vier oder fünf Tagen. Es war noch jung, aber doch über sechs Fuß hoch. Auch mein Sohn sah es nicht, wohl aber die Hand von ihm, welche man etwas über dem Gelenke abgehauen und getrocknet hatte; die Finger waren noch in diesem Zustande so dick wie drei von den seinigen, stärker fast als sein Handgelenk, im Verhältnisse zu den menschlichen länger, während der Armteil auch in getrocknetem Zustande noch dicker war als die dickste Stelle seines Armes. Der obere Teil der Finger und aller übrigen Handteile war mit schwarzem Haar bedeckt, der untere Teil der Hand ähnelte der eines Negers. Man sah, daß es das stärkste aller Tiere des Waldes sei, und begriff, daß die übrigen sich sämtlich vor ihm fürchten.«

Erst im Jahre 1846 gelang es Wilson, einem amerikanischen Heidenprediger, den Schädel dieses Affen zu erhalten. Dieser ließ keinen Zweifel zu, daß er einer noch unbeschriebenen Art angehöre. Nach einigen Anstrengungen wurde ein zweiter Schädel erworben; andere Teile des Gerippes konnten später erlangt werden. Die Eingeborenen, vollständig vertraut mit Wesen und Sitten dieses Tieres, gaben die eingehendsten Berichte über seine Größe, seine Wildheit, die Beschaffenheit der Waldungen, welche es bewohnt, versprachen auch in kürzester Frist ein vollständiges Geripp zu beschaffen. Wilson selbst hat einen getöteten Gorilla gesehen. Nach seiner Versicherung ist es unmöglich, einen richtigen Begriff weder von der Scheußlichkeit seines Aussehens, noch von seiner außerordentlichen Muskelkraft zu geben. Sein tiefschwarzes Gesicht offenbart nicht allein verzerrte (der englische Text sagt »übertriebene«) Züge, sondern die ganze Erscheinung ist nichts anderes als ein Ausdruck der rohesten Wildheit. Große Augäpfel, ein Schopf von langen Haaren, welcher in der Wut über den Vorderkopf fällt, ein riesenhaftes Maul, bewaffnet mit einer Reihe von gewaltigen Zähnen, abstehende Ohren: dies alles zusammen läßt den Affen als eines der fürchterlichsten Geschöpfe der Erde erscheinen. Es ist nicht überraschend, daß die Eingeborenen sogar bewaffnet mit ihm zusammenzutreffen fürchten. Sie sagen, daß er sehr wild sei und unabänderlich zum Angriff übergehe, wenn er mit einem einzelnen Manne zusammenkomme; »ich selbst«, versichert Wilson, »habe einen Mann gesehen, welchem eins dieser Ungeheuer die Wade fast gänzlich weggebissen hatte und welcher wahrscheinlich in Stücke zerrissen worden wäre, hätte er nicht rechtzeitig die Hilfe seiner Gefährten erhalten. Es wird versichert, daß sie dem bewaffneten Manne das Gewehr aus der Hand reißen und den Lauf zwischen ihren Kiefern zusammendrücken; und wenn man die ungeheure Muskelkraft der Kinnladen in Erwägung zieht, kann man nicht finden, daß dies unmöglich sei.«

Ungefähr in derselben Zeit stellte Savage unter den Negern eingehende Nachforschungen über die Lebensweise des Affen an und veröffentlichte die Ergebnisse in der »Bostoner naturwissenschaftlichen Zeitung« vom Jahre 1847. Ihnen zufolge lebt der »Ingiine« im Inneren von Unterguinea, während der Verbreitungskreis des Schimpansen sich mehr längs der Küste erstreckt. Der Gang des ersteren ist wackelnd oder watschelnd, die Bewegung des Leibes, welcher immer nach vorn überhängt, etwas rollend oder von einer Seite zur anderen schwankend. Die Arme werden beim Gehen vorwärts geworfen und auf den Grund gestemmt. Man sagt, daß der Gorilla beim Gehen die Finger nicht beuge, sondern sie ausgestreckt als Stütze der Hand verwende. Wenn er sich aufrichtet und in dieser Stellung geht, hält er seinen mächtigen Körper dadurch im Gleichgewichte, daß er seine Arme nach oben beugt. Er lebt in Banden, die jedoch nicht so zahlreich sind wie die der Schimpansen. In jeder solchen Bande befinden sich mehr Weibchen als Männchen, denn alle Nachrichten stimmen darin überein, daß sich nur ein altes Männchen bei solcher Gesellschaft befindet und daß, wenn junge Männchen ihre volle Größe erreicht haben, zwischen ihnen und anderen ein Kampf um die Oberherrschaft stattfindet und der stärkste, nachdem er den Nebenbuhler getötet oder doch vertrieben hat, sich zum Haupte der Gesellschaft aufwirft. Seine Wohnungen, falls man sie so nennen darf, ähneln denen, welche der Schimpanse baut, und bestehen einfach aus wenigen Stecken und blätterigen Zweigen, welche von Astgabeln und Ästen der Bäume unterstützt werden, gewähren auch keinen Schutz gegen das Wetter und werden nur des Nachts benutzt. Gorillas sind außerordentlich wild und stets angriffslustig, flüchten auch niemals vor dem Menschen. Die Eingeborenen fürchten sie in hohem Grade und nehmen niemals den Kampf mit ihnen auf, es sei denn, um sich selbst zu verteidigen. Die wenigen Stücke, welche erbeutet wurden, fanden ihren Tod durch Elefantenjäger und Handelsleute, welche im Walde mit ihnen zusammentrafen. Angesichts eines Menschen soll der männliche Gorilla zuerst einen entsetzlichen Schrei ausstoßen, welcher auf weithin im Walde widerhallt und etwa wie ein langgezogenes und schrilles »Kheh, Kheh« klingt, dabei die ungeheuren Kiefer zu voller Weite öffnen und mit über das Kinn herabhängender Unterlippe und über die Brauen herabfallendem Haarschopfe das Bild unbeschreiblicher Wildheit sein. Weibchen und Junge verschwinden bei dem ersten Schrei des Männchens, dieses aber nähert sich, in rascher Folge seinen entsetzlichen Schrei ausstoßend, dem Jäger. Letzterer erwartet seine Ankunft mit dem Gewehre an der Wange und verzögert, wenn er seines Schusses nicht ganz sicher ist, sein Feuer, bis das Tier den Gewehrlauf ergriffen und, wie es zu tun pflegt, in das Maul gebracht hat. Sollte das Gewehr versagen, so zerquetscht der Gorilla den dünnen Lauf zwischen seinen Zähnen und das Zusammentreffen kann für den Jäger verhängnisvoll werden. Im übrigen ähneln die Sitten und Gewohnheiten des Gorilla denen des Schimpansen: er baut ähnliche Nester auf die Bäume, lebt von denselben oder ähnlichen Früchten und macht seinen Aufenthaltsort von den Umständen abhängig.

Im Jahre 1852 gibt Ford übereinstimmende Nachrichten. »Der Gorilla«, sagt er, »erhebt sich zum Angriffe auf seine Füße, nähert sich jedoch seinem Gegner in gebeugter Haltung. Obgleich er niemals auf der Lauer liegt, stößt er doch, sobald er die Annäherung eines Menschen wahrnimmt, augenblicklich seinen bezeichnenden Schrei aus, bereitet sich zum Kampfe und geht zum Angriffe über. Der Schrei ist mehr ein Grunzen als ein Heulen, ähnelt dem des erregten Schimpansen, ist jedoch lauter und wird in weiter Entfernung vernommen. Zuerst nun begleitet er die Weibchen, von denen er regelmäßig umgeben wird, auf eine kurze Strecke bei ihrer Flucht, kehrt hierauf zurück, sträubt den Haarschopf, so daß er vorn überhängt, weitet seine Nüstern, zieht die Unterlippe herab, fletscht die Zähne und läßt nochmals jenen Schrei hören, wie es scheint in der Absicht, seinen Gegner zu erschrecken. Streckt ihn jetzt nicht eine wohlgezielte Kugel zu Boden, so nimmt er einen Ansatz, schlägt seinen Gegner mit der Hand nieder oder packt ihn mit einem Griffe, welcher kein Entrinnen ermöglicht, wirft ihn auf den Boden und zerfetzt ihn mit den Zähnen. Das wilde Wesen dieses Geschöpfes konnte man deutlich sehen an einem kleinen Jungen, welches hierher gebracht wurde. Man hielt es mehrere Monate und gab sich die größte Mühe, um es zu zähmen; es war jedoch so unverbesserlich, daß es mich noch eine Stunde vor seinem Tode biß.«


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