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Nun, das Küken hatte Shortys Schrei natürlich so gut gehört wie wir, und es drehte sich um und versuchte wieder nach dem Haus zurückzugelangen. Aber Pepillo hatte kaum ein halbes Dutzend Sprünge gemacht – so ein bleicher, dunstiger Mondschein lag über allem –, da merkte er schon, daß er das Haus nicht mehr erreichen konnte, denn Shorty, der rannte geradezu zauberhaft schnell. Der schoß nur so über den Grund, und es sah aus, als ob seine fürchterlich langen Hände bei jedem Sprung auf den Boden aufsetzten, wie bei einem Affen.

Sie schossen miteinander davon, und ein halbes dutzendmal hatte es schon den Anschein, als könnte Shorty die Hand auf ihn legen, aber immer wieder gelang es Pepillo, einen Haken um einen der Bäume zu schlagen und Shorty zum Narren zu halten. Sie waren schon bei dem Schuppen, und im nächsten Moment mußten sie dahinter verschwinden, da seh ich, wie Shorty das Küken einholt, und im Laufen noch packt er ihn im Genick und reißt ihn in die Luft. Pepillo, der kreischt auf – Mann, ich kann Ihnen nicht sagen, wie der Schrei mir in den Ohren gellte. Und mein Herz fing an zu jagen, es war sonderbar. –

Dann plötzlich hört man nichts mehr. Nichts verriet, was hinter dem Schuppen eigentlich los war. Bloß totenstill war's, und ich kann Ihnen sagen, das war schlimmer zu ertragen als das Gekreisch. Ich sah förmlich vor mir, wie mein Blauhäher auf dem Boden lag, Shortys Fäuste um die Kehle, und wie der Kerl Pepillos Kopf mit dem langen schwarzen Haar in seinen Pranken hielt und schüttelte.

Mann, wie mir das Bild durch den Schädel fährt, da hatt' ich eine Erklärung für alles.

Sage ich: »Bei Gott«, sage ich, »ich denke, Shorty bringt den Jungen um.«

Sagt Rusty: »Ich hoffe!« sagt er durch die Zähne. »Und ich hoffe, er hat wenigstens Spaß dran, und ich habe bloß einen Wunsch: ich wollte, ich wär mit dabei und könnte ihm helfen.«

Sagt's und dreht sich auf dem Absatz rum und geht ins Schlafhaus zurück. Wie mir das so alles durch den Kopf schießt, da wird mir's klar: irgendwie muß ich sehen, daß ich noch zur Zeit hinkomme und Pepillo ein bißchen helfe, wenn's nicht schon zu spät ist.

Mann, ich kann Ihnen sagen, auf der Strecke zwischen dem Schlafhaus und der Ecke von dem Schuppen, wo die beiden verschwunden waren, da habe ich einen Schnelligkeitsrekord aufgestellt. Aber wie ich näher hinkomme, höre ich, wie Shorty aufheult. Man hätte denken können, es hätte ihm einer fürchterlich weh getan.

»Großer Gott!« heult er. »Großer Gott, wie hab ich das wissen können?«

Es war, als hätte mir einer unvermutet eins in die Fresse gegeben. Ich bleibe stehn, wie angenagelt. Ich denke: also hat er das Küken umgebracht, und was er da brüllt, soll heißen, er hätte sich's nicht träumen lassen, daß man Pepillo so leicht und unversehens auslöschen könnte.

Ich nehme den Revolver heraus. Eins wußte ich: wenn Pepillo tot war, dann sollte Shorty an derselben Stelle sterben. Dann denk ich wieder, ich will's ihm lieber mit den Händen besorgen. Und mit dem steck ich den Revolver weg und schleich mich sachte an die Ecke von dem Schuppen.

Plötzlich hör ich Pepillo, wie er ganz atemlos zu Shorty sagt:

»Nun, wo Ihr's wißt, werdet Ihr doch den Mund halten, Shorty?«

Sagt Shorty: »Ah!« sagt er. »Und gewiß werde ich. Ich werde nie den Mund öffnen, wenn Ihr's nicht ausdrücklich mich heißt.«

Das erste war: mein Herz schwoll an, wie ein Kinderkopf so dick, so selig war ich, wie ich das Küken sprechen höre und weiß, es ist ihm nichts Ernstliches geschehn – und dann – wie ich einen Augenblick nachdenke – denke ich, mich trifft der Schlag, wie ich höre, wie Shorty zu dem Küken redet. Was steckte bloß hinter diesem Schlingel von Pepillo? Shorty benahm sich ja auf einmal so, als ob er den brennenden Busch gesehen hätte. Ich lege mich auf den Bauch und krieche so weit vor, daß ich die beiden beobachten kann, und bei meiner ewigen Seligkeit, da steht Shorty und tritt von einem Fuß auf den andern, ganz verlegen, und den Hut hat er in der Hand und der Nachtwind macht sich mit seinem langen zottigen Haar zu schaffen. Das war eine verflixt seltsame Szene. Wär ich nicht so platt gewesen und so drauf aus zu sehen, wie es weiterging, ich hätte mich wälzen können vor Lachen.

Was war bloß mit Pepillo los? Kann mir schlecht vorstellen, daß es irgendeine königliche Familie in der Welt gab, die Shorty all die Ehrfurcht und die Verwunderung eingeflößt hätte, die er jetzt an den Tag legte.

Sagt Shorty: »Ich möchte Euch bitten, mir das zu glauben«, sagt er – und ich schwöre Ihnen, daß seine Stimme zitterte –, »wenn ich bloß gewußt hätte, wer Ihr seid, ich hätte mir lieber die rechte Hand abgeschnitten, als Euch anzurühren.«

»Ich glaube Euch«, sagt Pepillo.

Sagt Shorty, sagt er: »Soll ich Euch ein bißchen abbürsten?«

Sagt Pepillo: »Vielen Dank!«

Der Donner, Mann, ich sehe mit meinen leiblichen Augen, wie Shorty sich auf die Knie niederläßt, damit er nur ja das Küken ordentlich abstauben kann.

Kann sein, ich hab's Ihnen nicht so recht beibringen können, Mann, was für ein Rauhbein dieser Shorty eigentlich war, aber ich kann Ihnen sagen, ich stand da und traute meinen eigenen Augen nicht, denn, Mann, das war eine böse Nummer, der Shorty.

Bloß, muß ich sagen, was mich noch mehr um die Fassung brachte, das war die großartige herablassende Art, mit der das Küken sich Shortys Aufmerksamkeiten gefallen ließ. Es war just, als wär er an derlei von klein auf gewöhnt und als hätte er schon in der Wiege das Recht gehabt, von jedermann solche Aufmerksamkeit zu verlangen. Wo er doch ein dreckiger kleiner Gassenjung gewesen war, wie ich ihn aufgelesen hatte!

Shorty, der steht auf und tritt ein paar Schritte zurück, just als wolle er Pepillo mit seiner Person nicht lästig fallen. Plötzlich, da zuckt er zusammen und deutet nach irgend was auf dem Gesicht von Pepillo.

Sagt er: »Entschuldigen«, sagt er, »bin ich das gewesen?«

»Nein! Es war Gelbschädel«, sagt der Blauhäher.

Platzt Shorty heraus: »Bei Gott! Ein Peitschenhieb!«

Pepillo, der nickt.

Sagt Shorty: »Ich werd' ihm das heimzahlen!«

Und – der Schlag soll mich rühren – reißt der Kerl doch seinen dicken schwarzen Colt heraus, dreht sich auf dem Absatz rum und will losziehn. Der Mann, der hatte bloß eine kleine Kleinigkeit im Sinn: der wollte bloß mich umbringen, mehr nicht! Pepillo macht zwei Sätze und springt ihm in den Weg.

Sagt Pepillo: »Ihr müßt ihm nichts zuleide tun. Eigentlich hatte ich's verdient – meine ich.«

»Ihr? Ihr verdient?« keucht Shorty.

»Ich habe all seine Pläne vereitelt.«

»Soll ihn der Teufel holen und seine Pläne dazu!« sagt Shorty. »Alles, was ich verlange, ist ein kleines Tete-a-Tete mit ihm – bloß eine Minute, just so viel, daß ich Zeit habe, ihm auseinanderzusetzen, was ich über ihn denke. Seid so freundlich und laßt mich das besorgen.«

»Nein!« sagt Pepillo. »Keinen Augenblick! Versprecht mir, daß Ihr ihm nichts antut.«

Jawohl, Verehrter, ich sage Ihnen, da steht Pepillo vor Shorty und hebt so ein bißchen die Hand – man hätte meinen können, er ist der Papst oder so was ähnliches – und – daß dich der Donner! Mein Shorty, der spielt richtig den guten Katholiken und stoppt ab. Jawohl, Mann, der steckte den Revolver wieder ein, folgsam wie ein Lämmchen. Sagt er:

»Ich habe kein Recht, ihn anzurühren, wenn Ihr's nicht gestattet.«

Sagt Pepillo, direkt ungeduldig sagt er: »Ich will, daß Ihr es versprecht.«

Shorty, der schluckt krampfhaft, als hätt' er einen Knebel im Hals.

»Ich versprech es!« würgt er heraus.

»Vielen Dank!« sagt Pepillo und lächelt ihm zu, just als wäre Pepillos Lächeln Belohnung genug für Shorty und für jeden andern auf der Welt.

Sagt Shorty: »Ihr könntet mir einen mächtigen Gefallen tun«, sagt er, »wenn Ihr mir sagen wolltet, ob ich Euch in irgend etwas dienlich sein kann. Wenn ich hergehe und denke, wie ich mich gegen Euch benommen habe, dann denke ich, Ihr habt mich für ein richtiges Schwein angesehn. – Im großen und ganzen mögt Ihr recht haben. Aber ich habe nie vergessen, daß ich drüben im alten England in einer anständigen Familie zur Welt gekommen bin. Es wär mir mächtig lieb, wenn ich mal was tun könnte, was mir zum Guten angerechnet wird. Ihr müßt mir bloß sagen, wie ich's anfangen soll. Wenn Ihr vorhabt, hier wegzugehen und dieses Vieh, den Gelbschädel, zu verlassen ...«

Pepillo schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn. Sagt er:

»Ihr dürft nicht so von ihm reden.«

Der Donner, Mann, Shorty, der schluckte das runter, als wär's Zucker. Sagt er:

»Allright«, sagt er, »wollt bloß sagen, wenn Ihr einen Gaul braucht – ich gebe Euch mit tausend Freuden meinen Schecken ...«

Das Ding warf mich beinah um. Der Shorty, der hing an seinem Schecken mehr als ein Vater an seinem Kind, und nun steht er da und bietet seinen Gaul einem Küken an, das einem Grashüpfer nicht an die Knie reichte.

Sagt das Küken: »Ich kann das Geschenk nicht annehmen, Shorty«, sagt er, »nämlich – well – nämlich – ich glaube, ich gehe schließlich zu ihm zurück.«

»Zu Gelbschädel?« fragt Shorty, und ich kann Ihnen sagen, der Kerl mußte sich richtig zwingen, meinen Namen rauszuwürgen, als wär ich irgendein widerwärtiges Gift oder eine Schlange oder so was ähnliches.

»Ja«, sagt mein Blauhäher.

Shorty, der fuchtelt mit den Armen; stöhnt er:

»Tut das nicht! Verdammt will ich sein, wenn ich's ertragen kann, es mit anzusehn, wie Ihr hinter ihm steht – wie ein Diener –, und er –« Er konnt nicht mehr weiter, er erstickte daran, aber seine Finger, die krampften sich zusammen. Es war kein Kunststück zu wissen, was das bedeutete. Es kitzelte ihn geradezu, meine Kehle zwischen den Fingern zu haben.

Sagt Pepillo: »Es hat keinen Zweck«, sagt er, »ich glaube, ich muß bei ihm bleiben.«

Und auf das hin gibt Shorty es auf, noch darüber zu reden. Er stellt sich hin und läßt den Kopf ergeben auf die Brust fallen. Mann, man hätte meinen können, seine ganze verdammte Familie wäre just eben durch Schiffbruch oder sonst ein Unglück zum Teufel gegangen. Sagt mein Shorty ganz brav und sachte:

»Ich habe kein Recht nicht«, sagt er, »mitzureden. Ihr seid der Chef.«

Nun, ich kann Ihnen sagen, in dem Augenblick hatt' ich fürs erste reichlich genug. Ich verdrück mich geräuschlos von dem Fleck, wo ich all das quere Zeug mit angesehen und mit angehört hatte, und wie ich ein bißchen außer Schußweite bin, geh ich auf und ab und überleg mir das Ding. Es war noch nicht lange her, da war mir's so vorgekommen, als wäre das einzige auf der Welt, was überhaupt wichtig wäre, daß wir mit den Viehräubern Schluß machen – und jetzt auf einmal, da vergeß ich doch den ganzen Kram, samt Mauricio und Pablo Almadares und meiner Abmachung mit Randal und meiner Hoffnung, die Ranch zu bekommen, und was sonst noch. Das einzige, woran ich denken konnte, war, wieso Shorty von dem Küken hypnotisiert worden war.

Jawohl, und schließlich war ich auch hypnotisiert worden, das müssen Sie wohl gemerkt haben.

Aber schließlich war das doch eine ganz andere Sache. Shorty hatte Pepillo am Kragen gepackt und hochgerissen, und in der einen Sekunde mußte ihm das Küken ein Wort gesagt haben, das genügt hatte, um ihn zum Einhalten zu bringen. Was das für ein Wort gewesen sein konnte, das war mir schleierhaft, aber es gab eine Spur, der man folgen konnte – wie's in den Detektivgeschichten heißt. – Ich will Ihnen sagen, was ich meine.

Die ganze Zeit hatt' ich mir eingebildet, der Shorty ist so eine richtige Nummer, wie sie im Westen draußen auf die Welt kommen und aufwachsen. Jetzt auf einmal hatt' ich mit angehört, wie er erzählt, er ist in England geboren.

Nun sage ich Ihnen, Mann, warum hätt' er das da grade vorbringen sollen – daß er im alten England geboren ist –, wenn es nicht in irgendeiner Beziehung zu Pepillo stand. Wie mir das einfällt, denke ich, es platzt mir eine Sternschnuppe im Kopf.

Dieses Gemüse, der Pepillo, den ich herumgeschickt hatte und mit der Peitsche traktiert, der mußte tatsächlich drüben in England irgendein besonders hohes Tier sein, der mußte irgendwie verdammt hoch oben auf der Leiter stehn, und, Mann, je mehr ich über das Ding nachdenke, je mehr wird mir klar, daß das sich irgendwie so verhalten muß.

Der Junge, der war so hochgestellt, daß Shorty mir an den Hals wollte, bloß wenn er daran dachte, daß ich dem Pepillo eins mit der Peitsche übergezogen hatte. Der war so hochgestellt, daß Shorty sich nichts draus machte, ihm seinen besten Gaul anzubieten.

Da war kein Zweifel, so ein Ding mußte mit im Spiel sein, wenn das Biest, der Shorty, sich so komisch benahm. Das Küken, das war irgendein hohes Tier, ein mächtig hohes Tier, und da stand ich, ein hundsgemeiner, erbärmlicher Cowboy, und hatt' ihn rechtsum und linksum kommandiert und hatt' mich sogar dazu verstiegen, ihm eins mit der Peitsche über die Schulter zu geben.

Well, Mann, der Gedanke, der sagte mir gar nicht zu. Der sagte mir noch eine Masse weniger zu, als er Ihnen zugesagt hätte, kann ich wohl sagen. Wie ich ins Haus zurückging, war mir's so gemein, so mau, so niederträchtig zumut, ich kann Ihnen nicht sagen, wie.

*

Es war just nicht die richtige Zeit, herumzusitzen und zu grübeln, aber mir machte ein Haufen kleiner Umstände zu schaffen. Zum Beispiel: Wie war es denkbar, daß Pepillo bei der Art von Mundwerk und dem olivengelben Teint und den Augen, die er hatte, von einem englischen Adligen abstammen konnte? Was? Und doch wieder, Mann, gab's eine Art Erklärung dafür. Nicht wahr, man weiß ja, wie solche hochgeborenen Nichtsnutze, solche Grafen und Prinzen, im Ausland drauflos heiraten – eine geradezu widerwärtige Manier haben die am Leib.

Also für mich lag es klar zutage: der Vater von dem Pepillo – weniger als ein Herzog konnt's nicht gewesen sein, wenn man alles zusammennahm – der mußte auch irgendwo so im Ausland wie wild herumgeheiratet haben, und kann sein, die Ehe erwies sich nicht als übermäßig glücklich. Denke, er heiratete eine Spanische – was? Und davon konnt es ganz gut herrühren, daß das Küken, der Pepillo, im Spanischen so gut zu Hause war wie im Englischen.

Und das ist doch klar, Pepillo, das war doch ein Kerl, der ließ sich doch von keinem was gefallen, und wie ihm der Herzog mal gar zu sehr an den Wagen fährt, da macht sich der Jung auf die Strümpfe und läßt Pa und Ma zu Hause sitzen und fängt ein Leben an auf eigene Faust, und auf die Art bin ich dann mit ihm zusammengeraten.

Grad wie ich mir das so ausgedacht hatte, da geht gleich die Tür auf und Pepillo kommt herein.

Sagt er: »Well«, sagt er, »ich hab mich ausgetobt. Mit der Tracht Prügel will ich mich abfinden und komme zu Euch zurück, wenn's Euch recht ist.«

Well, Mann, wie wär's Ihnen zumute, wenn's Ihnen zustoßen sollte – wenn ein junger Herzog ganz ohne Umstände zu Ihnen hereinkommt? Ich sprang schnell auf und wurde ein bißchen rot.

Sage ich (Mann, ich habe doch Lebensart am Leib): »Sehr erfreut«, sage ich, »bitte Platz zu nehmen, Euer Ehren!«

»Was ist mit Euch los?« sagt Pepillo. Sagt er: »Und was meint Ihr mit ›Euer Ehren‹? Wollt Ihr mich zum Narren halten?«

Ich seh gleich, er wünscht nicht, daß man sein Inkognito lüftet, und hatte ich vielleicht das Recht, ihn dann dazu zu zwingen? Das werden Sie mir doch zugeben, daß das nicht ging.

Sage ich: »Allright«, sage ich, »Pepillo, wenn du wünschst, daß es so weiter geht wie früher, so denke ich, du hast ein Recht darauf, daß alles so angeordnet wird, wie du's verlangst.«

Pepillo, der setzt sich auf einen Stuhl und zieht die Beine unter sich, dann stützt er den Kopf in die Hand und schaut mich an. Sagt er:

»Was für ein Floh beißt Euch eigentlich, Señor? Ihr benehmt Euch wie ein Fisch, der aufs Trockene geraten ist.«

Sag ich: »Ach nein«, sag ich: »Mit mir ist nichts los, durchaus nicht, bloß ...« Ich spüre, wie ich heißer und heißer werde.

Sagt Pepillo: »Na weiter!« sagt er und betrachtet mich so recht nachdenklich. »Was geht Euch im Kopf rum?«

Ich fang an zu stottern und glotz ihn hilflos an.

Sagt Pepillo: »Señor, Ihr werdet ja ganz rot!« sagt er, und auf einmal, da wird er selbst knallrot und springt von seinem Stuhl. »Gelbschädel«, sagt er und deutet mit dem Finger auf mich, »Gelbschädel, Ihr habt hinter der Ecke von dem Schuppen gesteckt.«

Mann, ich hätt' mich gern herausgelogen, aber ich bracht's nicht zuwege; sag ich:

»Sonny«, sage ich, »möchte dir nicht lästig fallen«, sag ich, »du wirst zweifellos deine besonderen Gründe haben, aber ich an deiner Stelle, ich würde wieder zu meiner Familie zurückkehren.«

Pepillo, der wirft einen langen, nachdenklichen Blick auf mich, der hört gar nicht auf, und ich fange an und muß immer von einem Fuß auf den andern treten.

»Nun«, sagt er, »bloß mit der Sprache raus. Was habt Ihr gehört?«

Sage ich: »Daß Shorty mich umbringen will.«

Sagt er: »Und warum?«

»Warum –? Du weißt doch, Pepillo.«

»Kann sein, daß ich's weiß«, sagt er, »aber ich will, daß Ihr's aussprecht.«

»Alles«, sage ich, »habe ich nicht gehört«, sage ich, »bloß, das ist kein Kunststück herauszufinden, daß du aus einer mächtig vornehmen Familie kommen mußt, Pepillo. Ich will dich, weiß Gott, nicht drängen, mir mehr mitzuteilen, als du von dir zu geben geneigt sein dürftest. Schließlich ist's ja deine Angelegenheit, das weiß ich ganz genau. Ich weiß ja nicht, was dein alter Herr eigentlich ist oder warum du ihn im Stich gelassen hast, aber das ist natürlich so ein Herzog oder so ein Graf, der hat seine Sorgen und seinen Ärger genau so gut wie jedermann, das braucht man mir erst nicht zu erzählen.«

Pepillo, der zieht die Stirne kraus und starrt mich an. Sagt er:

»Grafen und Herzöge –«, sagt er, und dann fängt er an und grinst. Er setzt sich wieder auf seinen Stuhl und tut einen tiefen Atemzug.

»Höre«, sage ich, »kann sein, es fehlt dir nur das Geld für die Rückreise ...«

Pepillo schüttelt den Kopf, sagt er: »Ich werde nie mehr dorthin zurückkehren, also braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen. Und im übrigen, soweit sich's um Euch handelt, bin ich nach wie vor Pepillo oder der Blauhäher oder was es Euch sonst noch beliebt, mir für närrische Namen anzuhängen. Ist das in Ordnung jetzt, Gelbschädel?«

»Gewiß!« sage ich. »Bloß ich fühl mich so gewissermaßen komisch, wegen ...«

Pepillo, der fängt an und lacht in sich hinein. Seine Augen, die tanzen nur so.

Sage ich: »Was ist denn jetzt los?«

»Euer Ehren«, sagt Pepillo und fängt an und lacht noch lauter, richtig festhalten mußt er sich, es schmiß ihn auf seinem Stuhl nur so hin und her, er brüllte vor Lachen. Ich konnte nicht anders, ich fing selbst an zu grinsen. Sage ich:

»Hör mal«, sage ich, »du Aff, ich vertrag ein ganzes Teil, vergiß mal nicht ...«

»Die Peitsche?« fragt Pepillo.

Es gab mir einen ordentlichen Ruck, und ich hielt den Mund. Aber Pepillo rutscht von seinem Stuhl runter und kommt an mich ran.

Sagt er: »Ich hab nicht die Absicht, große Erklärungen abzugeben, wer ich bin«, sagt er. »Aber das sag ich Euch: ich bin um kein Gran besser als das, wofür Ihr mich früher gehalten habt, Mann, ich bin schlimmer! – ein ganz Teil schlimmer!«

Und damit hält er mir die Hand hin, und ich nehm sie so sachte, als wär sie aus Marzipan.

Sagt er: »Und die Sache mit der Peitsche – jetzt, wo's vorbei ist, muß ich zugeben, ich hab's verdient. Kann sein, es wird mir wirklich gut tun. Ich trag Euch nichts nach, Gelbschädel. Wenn damit aufgewogen ist, daß ich Sammy Dance losgelassen habe, dann sind wir quitt.«

»Sammy Dance!« brüll ich los. »Der Donner! Wieso weißt du, wie der Kerl geheißen hat?«

»Na was denn! Den Namen weiß ich von Euch. Oder hätt' ich mir nichts merken lassen sollen?« sagt er. Aber seine Augen werden unstet und weichen mir aus. Da wußt ich, er lügt mich an.

Sage ich: »Pepillo«, sage ich, »was du da redest, ist gelogen wie gedruckt. Entschuldige, daß ich das feststelle.«

Sagt er: »Aber es ist doch so.«

Well, Mann, ich ließ die Sache fallen. Aber ich wußte ganz bestimmt, daß ich keinem den richtigen Namen von dem Kerl verraten hatte. Das war eine mächtig quere Sache. Wie kam das Küken dazu, plötzlich den Namen zu kennen? Je mehr ich drüber nachdachte, desto rätselhafter war's für mich. Mann, das sah ich so recht: in dem Küken steckte ein Haufen mehr, als ich mir hatte träumen lassen. Also denke ich, in Zukunft werd' ich mir nichts merken lassen, aber die Augen und Ohren, die werd' ich gründlich offen halten, vielleicht lohnt sich's doch.

Pepillo, der ging auf die andere Seite vom Zimmer und fängt an, seine gewöhnliche Arbeit zu tun, denn es war dicht vor Sonnenaufgang. Er schleift ein Paar alte Stiefel von mir aus der Ecke und fängt an und fettet sie ein.

Es dauert nicht lange, da frag ich: »Worüber lachst du eigentlich?«

»Über nichts, Euer Ehren!« sagt er.

Well, Mann, ich holte nach ihm aus, aber er duckte sich, und dann geh ich runter, um mich unten ein bißchen umzuschaun.

Es dauert nicht lange, da gerat ich an Randal. Er hatte schon gehört, was los war. Sagt er:

»Gelbschädel«, sagt er, »was hast du jetzt mit dem Jungen vor?«

Sage ich: »In Ruh lassen werd' ich ihn.« Daß ich geplant hatte, gegen Almadares und das übrige Gesindel zu reiten, das schien gute tausend Jahre her. »Randal«, sage ich, »kannst du mir sagen, wie die Leute einen Herzog anreden?«

»Na was denn«, sagt Randal, »ich denke, sie sagen ›Euer Gnaden‹ zu ihm.«

Das erklärte alles. Ich verfluch mich in Grund und Boden. Daß es irgend was mit »Euer« war, das wußt ich noch. Aber Sie sehn ja selbst, wie weit ich mit dem übrigen danebengeschossen hatte. Auf alle Fälle war ich mächtig froh, daß ich mit Pepillo wieder halbwegs auf dem alten Fuß stand. Und ich denke: machst noch einen kleinen Spaziergang, bis das Frühstück fertig ist! Ich geh den Fahrweg entlang und bin noch gar nicht weit vom Haus, da kommt mir so ein verwitterter, alter Bursche entgegengeritten. Der Mustang, auf dem er ritt, der war weiß vor Schweiß und bis oben mit Dreck bespritzt. Sah aus, als hätte der Kerl die ganze Nacht durch auf dem Gaul gesessen. Mit all dem schwingt er sich aus dem Sattel wie ein Junger. Sagt er:

»Hört mal, junger Mann, bringt doch mal gleich mein Pferd hier nach dem Stall und schüttet ihm ordentlich Hafer auf, nicht wahr?«

Das Ding kam mir mächtig unerwartet, aber, Mann, ich habe Prinzipien. Ich fluche nicht mit alten Leuten, ich sag also nichts weiter zu dem alten Knaben, als:

»Was hindert Euch, selber Euern Gaul zu versorgen, Fremder? Ich hab zu tun.«

Er sieht mich scharf an, sagt er: »Was habt Ihr denn zu tun?«

»Ich seh mir an, wie die Sonne aufgeht«, sage ich und dreh ihm den Rücken.

Mit einemmal hör ich die Haustür gehn, und Randal kommt hinter mir hergelaufen und kreischt:

»Holla, Großvater! Das ist mal eine Überraschung!«

Sagt der alte Mann: »Harry«, sagt er, »warum stellst du nicht bloß solche Leute ein, die tun, was man ihnen sagt? Der Mann da hat sich geweigert, mein Pferd zu füttern!«

Ich dreh mich um, ich denk, ich träum! Jawohl, Verehrter, das war der alte Henry Randal, und, Mann, das lag auf der Hand, daß mein Verhalten nicht gerade dazu beigetragen hatte, die Aktien von seinem Enkel in die Höhe zu treiben. Ich nehm den Gaul beim Zügel und troll mich und geb den Steinen auf dem Weg Fußtritte und fluch durch die Zähne, auf die Welt im besonderen und mich im allgemeinen.

*

Wie ich in die Scheune komme, treff ich Shorty und Rusty McArdle. Rusty, der sah recht verdrossen aus, aber wie er mich zu Gesicht kriegt, grinst er mich an und winkt mir zu, Shorty aber, der wirft mir einen finsteren Blick zu und antwortet nicht, wie ich Guten Morgen sag.

»He, Shorty, was ist denn in dich gefahren?« sagt Rusty. »Siehst du den Gelbschädel nicht?«

»Verdammt soll er sein«, sagt Shorty, »und du mit!« Und geht sich ein Pferd einfangen, um mit der Arbeit zu beginnen.

Sagt Rusty: »Was ist los?«

Sage ich: »Rusty, hier auf der Ranch ist dicke Luft. Da hängen so viel faule Sachen herum; ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, davon zu reden. Außerdem muß ich sagen: Die Tatsachen sind das wenigste, aber ich ahne so mancherlei. Bloß zum Anfang werd' ich dir einen Bissen verabreichen, an dem du noch zu kauen hast: der alte Randal ist uns ins Haus geschneit. Da kannst du Gift drauf nehmen, noch heute wird das Vieh gezählt, und das erste wird sein, er kriegt heraus, daß uns Stücker hundert fehlen.«

Und recht hatte ich. Wie ich ins Haus zurückkomme, ist der alte Herr munter wie ein Specht. Das ganze Frühstück über hält er nicht den Mund.

Sagt er: »Harry, wie ich das letztemal hier war, haben sich deine Leute im ganzen Haus herumgeflegelt. Wie kommt's, daß das aufgehört hat.«

»Ich hab es schließlich satt bekommen«, sagt Harry, »und da hab ich endlich Schluß gemacht.«

»Du hast damit Schluß gemacht?« sagt der Alte, und er schaut vom Teller auf und betrachtet sich seinen Enkel mit so einem scharfen Blick, wie ein Bussard die Maus, auf die er stoßen will. »Du hast Schluß damit gemacht?«

»Jawohl«, sagt Harry, und er schmeißt mir einen Blick zu, als wollt er sagen: »Daß du mir brav den Mund hältst.«

Natürlich hätt' ich sowieso kein Wörtchen fallen lassen, denn das Spiel, das Harry spielte, das war auch mein Spiel. Wenn Harry die Partie verlor, dann verlor auch ich.

Der alte Henry, der redete weiter und frühstückte weiter – der packte genug ein, um einen gesunden Rancharbeiter den ganzen Tag in Betrieb zu halten – und bei alldem redete er noch für zwei. Der trug seine achtzig Jahre, als wären es dreißig, und ich konnt nicht anders, ich mußte dran denken, was für ein prächtiges Mannsstück der in seinen jungen Jahren gewesen sein mußte. Und da hatt' ich wieder einmal danebengeschossen. Später, da erfuhr ich, daß er immer mit einem Fuß im Grab gestanden hatte, solang er jung war. Bloß wie er älter wurde, da war's, als wär der Krankheitsstoff in ihm verdunstet und eingetrocknet, und er war geworden wie so ein zähes, altes, gut ausgetrocknetes Stück Kernholz.

Er erzählt uns, eigentlich hätte er gar nicht die Absicht gehabt, uns dieser Tage schon zu besuchen, aber in der vorigen Nacht, da hätt' er keinen rechten Schlaf gefunden. Da wär er aufgestanden, hätte sich angezogen und hätte gedacht, machst einen kleinen Ritt. Aber weil er nicht recht gewußt hätt', wo er hinreiten soll, da hätte er sich eben nach unserer Ranch auf den Weg gemacht. Da hatte er sich also just den Platz ausgesucht, wo man nach ihm die wenigste Sehnsucht hatte – aber das war ohne weiteres klar, dem Mann war das wurscht.

Es war just so ein bißchen frostiger kalter Morgen. Der Wind, der kam geradeswegs vom Gebirge herunter, wo der Schnee lag. Es dauert nicht lange, sagt der alte Randal:

»Harry, warum läßt du hier nicht ein bißchen Feuer machen? Mann, willst du, daß mir das Blut in den Adern gefriert?«

Harry, der war natürlich mächtig darauf aus, dem alten Geier zu Gefallen zu sein. Er läßt sich's nicht zweimal sagen, springt von seinem Stuhl und hält ein angebranntes Streichholz an das Holz, das im Kamin schon immer bereit lag. Es dauert nicht eine Sekunde, da ist ein Feuer im Gang, um einen Ochsen zu braten; es heulte nur so im Kamin. Und ein bombiger Kamin war das. Den hatte ja auch Stephen Randal gebaut. Der Stephen Randal, wie der sich's in den Kopf gesetzt hatte, er will ein Haus bauen, da fing er erst mal an und ließ einen Keller in den Fels hauen, der für ein Schloß genügt hätte, und in dem Stil fuhr er fort, und das Haus, das er draufsetzte, das paßte zu dem soliden Keller. Mann, das Eßzimmer hätten Sie sehn sollen, da hätten fünfzig Mann an einem langen Tisch Platz gehabt. Der Eßtisch, der war so lang, selbst wenn alle Einlegbretter herausgenommen wurden, bekam er noch kein anständiges Format. Wir drei – der Alte, Randal und ich –, wir verschwanden beinah an dem Riesentisch. Von einem zum anderen waren meterweite Zwischenräume, und wenn gegessen wurde, mußten immer Stücker ein oder zwei Neger im Zimmer sein, um das Essen herumzureichen. Und der Kamin, der war genau in dem Stil gebaut wie alles übrige. So lang ich auch war, ich konnt in dem Kamin stehn, ohne mich zu bücken. Das war kein Kamin mehr, das war eine Art Nebenzimmer, und die Herdeisen waren so klobig, die wären als Untergestell für eine Lokomotive nicht zu schwach gewesen. Das Holz, das in dem Kamin gebrannt wurde, das war beinah ebenso eine Sehenswürdigkeit. In so einen Kamin hätte man einen ganzen Armvoll gewöhnliches Brennholz werfen können, es wär nicht wärmer gewesen und nicht heller, als hätten Sie ein Streichholz angezündet, Mann. Das Feuerholz, das wir brauchten, das waren richtige Baumstämme, höchstens ein- oder zweimal quer durchgespalten. Damit wurde im Kamin so eine Art von Scheiterhaufen gebaut.

»Leg doch ein bißchen Holz auf!« sagt der alte Randal. »Der Donner, Mann, so leg doch ein bißchen Holz auf!« und trommelt mit den Händen. Der alte Kerl, der hatte eine gräßliche Ungeduld im Leibe. Was der wollte, das mußte getan sein, eh man die Hand umdrehn konnte, und wenn's fertig war, da war der alte Kerl schon längst mit seinen Gedanken um die Ecke und wieder mit was anderem beschäftigt. Der konnte andere Leute nervös machen, der – so was hab ich in meinem ganzen Leben nicht gesehn.

Randal, der macht den zwei Niggers ein Zeichen, und die packen so ein paar von den größten Scheiten und schleppen sie zum Kamin.

Sie ächzten und stöhnten, wie sie sich damit herumschleppen. Nämlich, Mann, mit so schwerem Holz umzugehn, da gehört nicht nur Kraft dazu, sondern auch so ein gewisser Kniff, es ist beinah so, wie wenn man gebündeltes Heu zu stapeln hat, freilich, ganz so eine wissenschaftliche Angelegenheit wie beim Heu ist es denn doch nicht.

Sagt der alte Henry: »Jetzt seh sich das ein Mensch an!« und schiebt seinen Stuhl zurück und schlägt die Hände zusammen. »Du lieber Himmel, wie ich jung war, da hätt' ein kleines Kind mit solchen Scheiten umspringen können und auch mit noch gröberem Holz. Ich sag's ja, die Welt kommt immer mehr auf den Hund, und die Leute auch. Sie da! – Wie heißt dein Vormann, Harry?«

Harry Randal, der glotzt mich dumm und hilflos an, der wollte um keinen Preis der Welt, daß mein richtiger Name bekannt wird.

Auf der Ranch, da hatte er mich nie anders angeredet als: Smith, also sagt er auch jetzt ganz brav:

»Sein Name ist Jim Smith.«

»Smith? So?« sagt der Alte. »Mir kommt so vor, als hätt' ich jemanden gekannt, der denselben Namen gehabt hat. Bloß an das Gesicht kann ich mich nicht erinnern. Habt Ihr je in Kansas City gewohnt, Smith, nein? Nein? Well, Mr. Jones, Sie können mich mal sehen lassen, ob Sie mit dem Holz besser umgehen können wie die Neger.«

Mann, mir stieg die Galle. Ich spring auf und stoß die Neger zur Seite und lese die paar Klötze vom Boden auf und laß sie ins Feuer sausen.

Ich staube mir die Hände ab und gehe an den Tisch zurück. Harry Randal, der lächelt großartig und bläht sich in seinem Stuhl auf, als hätt' er selbst das Kunststück fertiggebracht.

»Du siehst«, sagt er zu dem Alten, »ganz so auf den Hund, wie du vielleicht denkst, Großvater, sind die Leute hierherum doch noch nicht.«

»Du rede, wenn du gefragt wirst!« knallt der Alte heraus, scharf und schneidig. »Übrigens, da sehe ich, das Feuer hat ja gar kein Hauptscheit. Jones, warum haben Sie kein Hauptscheit ins Feuer gelegt? Warum tut Ihr Eure Arbeit nicht gründlich, wenn Ihr schon mal mit Hand anlegt? Wenn Ihr Vormann auf einer Ranch seid, dann müßt Ihr so verdammt gründlich sein, daß die anderen Arbeiter sich ein Beispiel daran nehmen können. Ist das vielleicht ein Beispiel? Da liegt doch ein gutes Hauptscheit, Jones? Legt das doch gefälligst aufs Feuer, nicht wahr?«

Ich bleib stehn und seh mir den alten Burschen genau an. Er war alt, aber trotz seiner weißen Haare juckte es mich ordentlich in den Händen, es stieg mir so was Kochendes im Schlund hoch, und ich hatte eine Kollektion freundlicher Worte auf der Zunge, die wog mindestens zehn Pfund. Ich mußte die Zähne zusammenbeißen, daß es knallte, damit mir nicht etwa eins entwischt, und ich dreh mich schleunigst herum, damit ich wenigstens dem alten Teufel den Rücken kehr.

Das Stück Holz, von dem er gesagt hatte, es gäbe ein gutes Hauptscheit für das Feuer, das war ein großmächtiges Stück von einem soliden alten Eichenstamm. Der lag bloß da, weil er vor ein paar Monaten aus Versehen ins Haus geschafft worden war, wie mir Randal erzählt hatte. Zuallernächst hätte es sich gehört, daß der Stamm gespalten worden wäre, und außerdem hätte es sich gehört, daß das Holz erst mal ein Jahr gelagert hätte, um gut auszutrocknen, eh man dran denken konnte, es zu spalten.

Und der alte Randal, der dachte, den Elefanten von Baumstamm sollte ich als Hauptscheit ins Feuer schmeißen! Der Donner, das Ding wog so viel wie ein ganzer Flügel, und die Idioten, die es hereingeschleppt hatten, denen hatte es so viel zu schaffen gemacht, daß sie es lieber liegen ließen, wo es lag, und nicht wagten, es wieder wegzuschleppen. Ich schau mir das Untier an und mir scheint, ich hab ein bißchen hilflos ausgesehn, denn Harry, der sprang von seinem Stuhl auf.

»Ich werde ein bißchen mit Hand anlegen, Gelbschädel«, sagt er.

»Setz dich hin! Setz dich hin! Setz dich hin!« bellt der alte Henry. »Wirst du dich gefälligst hinsetzen?! Möchtest du mir gefälligst sagen, ob Jones vielleicht verlangt hat, daß du ihm hilfst? Der ist groß genug, um so eine Kleinigkeit allein zu erledigen, und ich hoffe, er ist nicht so ein schlapper Kerl, daß er schon um Hilfe schreit, eh er noch weiß, ob er dem Ding gewachsen ist oder nicht. Ich hoffe doch, er ist nicht aus Marzipan gemacht.«

Ich kann Ihnen sagen, Mann, der alte Geißbock, der hatte eine richtig teuflische Zunge!

Ich pack das Holz und heb aus aller Kraft an. Ich war beinah blind vor Zorn, aber es half nichts, das einzige, was ich erreichte, war, daß das Ding ein bißchen weiterrollte, und dabei hatte es ein so scheußliches Gewicht, daß schon davon das ganze Zimmer zitterte.

»Na also!« sagt der alte Teufel, wie ich mich wieder aufrichte und nach dem Tisch umdreh. »Na also!« sagt er, »jetzt hat er also den kürzeren gezogen. Einmal probiert, das ist alles, und gleich bekennt sich dein Mister Jones als geschlagen. Ein langer Lulatsch, aber kein Mark in den Knochen!«

Ich werf dem alten Henry einen Blick zu, und Harry, der sagt:

»Aber, Großvater, wir haben vier Mann gebraucht ...«

»Vier sonst was!« sagte der Alte. »Stell du dich nicht her und versuch mich zu belehren, was ein Mann ist und was Männerarbeit ist, da brauch ich dich nicht, da weiß ich Bescheid.«

Sagt Harry: »Schon gut, Großvater, aber ich glaube, du verlangst etwas, was unmöglich ist.«

»Soo? Verlang ich das? Das Unmögliche verlang ich? Well – da geht er dran und versucht's doch wenigstens noch ein zweites Mal. Ich bin immerhin froh, daß dein Mister Jones da doch wenigstens ein bißchen Scham im Leibe hat. Wenn auch sonst nichts an ihm ist.«

Nun, Mann, Sie werden sich gar nicht vorstellen können, wie einer wagen kann, in der Art daherzureden, aber Henry Randal, der war alt und niederträchtig genug, um einfach alles daherzureden, was ihm durch seinen verflixten Schädel fuhr, und man konnte sicher sein, daß es so ziemlich nichts gab, was ihm nicht früher oder später durch den Schädel fuhr.

Ich pack den verdammten Klotz mit so einem eisernen Griff, daß ich mir gleich zuerst die Finger ganz gemein abschinde, und dann leg ich mich im Kreuz zurück und laß die Knie ein bißchen einsinken und straffe die Arme und sehe zu, daß mein Brustkasten und meine Hüften und meine Fersenballen soviel wie möglich in einer Linie sind.

Wie ich soweit bin, beginn ich mich langsam aufzurichten. Ich war selber ganz verblüfft, aber weiß Gott, der gräßliche alte Stamm kam mit hoch. Ich fühle, wie meine Muskeln und Sehnen sich anspannen, daß sie beinah platzen, und in meinen Schultern fängt es in der niederträchtigsten Art an zu knacken – aber – weiß Gott! der verflixte Klotz kam mit hoch, und ich schleife ihn rücklings nach dem Kamin hin.

»Anhalten! Anhalten!« schreit Harry Randal. »Ihr kratzt ja den Fußboden kurz und klein ...«

»Halt den Mund, Idiot!« ruft Henry Randal. »Wirst du wohl den Mund halten und ihn in Ruhe lassen! Der Teufel hol deinen Fußboden.«

Richtig komme ich mit dem Klotz bis vor das Feuer, und wie ich da glücklich angelangt bin, bleibe ich mit dem Fuß an einer Spalte im Fußboden hängen und fange an zu wanken.

»Da geht er hin!« flötet der alte Henry und klatscht begeistert in die Hände. »Da geht er hin! Grad im letzten Moment noch läßt er sich schlagen, just wie er beinah gewinnt, gibt er das Spiel auf.«

Mann, ich kann Ihnen sagen, es war, als wenn mich einer mit der Peitsche getroffen hätte. All das, was ich am liebsten dem gemeinen alten Teufel angetan hätte, das schoß mir jetzt wie ein Strom von Kraft in die Hände, in die Arme, in die Schultern. Ich stemm den ganzen Klotz in den Armen hoch und schmeiß ihn ins Feuer. Es tat einen Krach, und die Funken und der Rauch stoben mir ins Gesicht, und ich verlor beinah das Gleichgewicht und stolperte nach rückwärts.

Den Augenblick war mein ganzer Körper wie abgestorben, das Blut schoß mir zu Kopf, bis ich dachte, die Schläfen werden mir platzen. Ich konnte plötzlich nichts mehr sehn, und grade noch kam ich bis zu einem Stuhl und fall hinein. Ich war so schwach, ein dreijähriges Kind hätte mich umwerfen können. Im ganzen Körper hatte ich ein Gefühl genau so, wie wenn einem der Arm eingeschlafen ist.

Die aufstiebenden Funken waren in einem dichten Regen auf dem Fußboden vor dem Kamin niedergegangen, und Harry Randal, der springt von seinem Stuhl und schreit:

»Das Haus wird Feuer fangen!« und wirtschaftet herum, damit er die Funken auslöscht, aber der Alte saß da, als gäbe er keinen Pfifferling dafür, ob das Haus niederbrennt oder nicht. Mann, wenn man den ansah, dann kam's einem beinah vor, als wenn's dem lieber gewesen wäre, das Haus wäre niedergebrannt.

Wie ich so nach und nach und ganz allmählich wieder zur Besinnung komme, da steht der junge Randal da und deutet auf die Löcher, die es ihm in den Boden gebrannt hat, und schimpft darüber, daß der dicke Klotz das Feuer einfach ausgequetscht hat. Es war kein Funke mehr im Kamin. Und dann stellt er sich hin und jammert über den großmächtigen Riß, den der Stamm in den Boden gemacht hatte, wie ich ihn an den Kamin schleifte. Aber sein Großvater, der saß da und stützte das Kinn in seine dürre Hand – wie so eine Raubvogelkralle war dem seine Hand – und blinzelt mit seinen Raubvogelaugen – denn so war das – richtige Raubvogelaugen hatte der Mann – und glotzt mich an.

»So hab ich mir das vorgestellt«, sagt er schließlich. »Denke mir, du hast so ein klein bißchen Unterstützung gehabt, Harry, um deine Cowboys zur Räson zu bringen, was? Denke mir, dein Jones oder Smith da, oder wie er sich sonst nennt, der hat gelegentlich dabei mit Hand angelegt.«

War der gerissen?! Mann, ich sage Ihnen, der Kerl sah durch zweizöllige Bretter. Und mein Harry, der wird rot wie ein Narr und fängt an zu stottern. Und wie er dasteht und kommandiert die Nigger, sie sollen sich tummeln und sollen sich sorgen, daß das Feuer wieder in Gang kommt – und entschuldigt sich furchtbar, weil das ganze Zimmer voll Rauch war – und tut alles und jedes, bis er vor lauter Verlegenheit in Schweiß gebadet ist – was tut der Alte? Er schafft sich vom Stuhl hoch und stellt sich hin und sagt:

»Es ist so eine verdammte Hitze, man kann unmöglich im Zimmer bleiben. Kommen Sie mit, Jones, wir wollen heute einen kleinen Ritt machen und uns den Betrieb hier ansehn.«

Er geht hinaus, und wir schaffen ihm ein Pferd, und ich nehm mir ein anderes, und so schleppt er mich zu einem Ritt über die Ranch, und zwar auf der Stelle. Nicht ein Wort sagt er mehr zu Harry und nicht ein Wort zu den anderen Boys.

Jetzt war er auf einmal mächtig aufgeknöpft und sozusagen gemütlich und stellt mir eine Frage nach der anderen. Mann, man hätte denken können, er wäre mein Chef und Harry bloß einer von seinen Angestellten, den der ganze Betrieb im Grund nichts anging.

Wie's Mittag ist, sind wir verdammt weit von zu Hause weg, da stellt sich der alte Kerl hin und sagt:

»Well«, sagt er, »ich denke, wir bauen ein Feuerchen und sorgen für ein bißchen Frühstück. Was habt Ihr an Vorräten mit?«

Ich hole meine Satteltasche vor. Da hatt ich ein bißchen Schiffszwieback und eine Schnitte Räucherspeck und Maismehl und ein bißchen Salz, gedörrte Trauben und ein Päckchen Tee. Ich sehe immer drauf, daß ich einen kleinen Mundvorrat mithabe, man kann nie wissen, wie man's brauchen kann.

Der alte Kerl, der Henry Randal, sieht in die Satteltasche hinein, und er versteift sich darauf, nichts anderes zu sehen als den Räucherspeck.

»Speck?« sagt er, »du lieber Himmel! Speck! Ihr bildet Euch ein, ich kann Speck essen in meinem Alter? Du großer Gott! Speck! Ich will verdammt sein, wenn mir schon je einer sowas zugemutet hat.«

Ich mußt mich mächtig im Zaum halten, daß ich nicht explodiere. Mann, Sie müssen da sich so richtig hineindenken, was für ein niederträchtiger, schnüffelnder, anmaßender, alter Bock das war. Auf einmal ruft er:

»He, Jones, da ist frisches Fleisch für uns! Schießen Sie mir mal das Kaninchen.«

Eh ich den Revolver raus habe und mich im Sattel umdreh, hatte das verdammte Kaninchen schon eine ordentliche Strecke Wegs zwischen sich und uns gelegt, und richtig froh war ich darüber. Die ganze Zeit auf der Ranch hatte ich nicht einen Schuß getan, und ich war entschlossen, mich schwer zu hüten, es je zu versuchen. Denn das wußt ich, den Augenblick, wo ich den Finger an den Abzug bringe, da ist es der ganzen Bande sonnenklar, daß ich, wenn's auf Fixigkeit mit dem Schießeisen ankommt, nicht fünf Cent wert bin.

Und da saß ich nun auf meinem Gaul mit einem Revolver in der Hand. Und weit, weit hinten, schon beinah außer Schußweite, läuft mein Kaninchen. Das arme Tier, das war so erschreckt und sauste immer im Zickzack hin und her. Es rannte, daß die Ohren hinter ihm herflogen. Mann, da kann einer ein Kunstschütze sein, und niemand wird von ihm verlangen, daß er ein Kaninchen mit dem Revolver erlegt, egal auf welche Entfernung. Also denke ich, wenn du da einen Fehlschuß tust, kann dir weiß Gott keiner das zum Vorwurf machen. So mach ich weiter gar keine Umstände, ich denke gar nicht daran, über Visier und Korn zu zielen. Ich halte das Schießeisen in Hüfthöhe, wie ich's aus dem Halfter gezogen habe, und drück so in der ungefähren Richtung von dem Kaninchen los. Well, Mann, das Kaninchen springt 'ne Meile hoch in die Luft, und ich danke Gott im Himmel, daß es sich so gefügt hat und mein Schuß wenigstens nahe genug vorbeigegangen ist, daß das Vieh einen Schreck bekam. Mann, was soll ich Ihnen sagen? Das Kaninchen segelt wieder auf den Boden runter, und da bleibt's liegen und streckt alle viere von sich, flach wie ein Pfannkuchen!

Jawohl, Verehrter! Ich mußte mich sozusagen selbst mit beiden Händen festhalten, so überrascht war ich, aber ich tat mir Zwang an, um meine Überraschung mit keiner Miene zu verraten. Der alte Knabe, der hatte so einen schrägen Blick unter den Augenlidern her, der pflanzte sich einem wie ein Bohrer in das Hirn. Das wollt ich mir ersparen. Also gebe ich meinem Gaul die Sporen und reite hin, um meine Beute aufzulesen, als wär's ganz selbstverständlich. Mann, von allen Schüssen, die ich in meinem Leben getan habe, war das der einzige, von dem ich sagen kann, er wär gut gewesen.

 

* * *

 


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