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Mir braucht keiner was zu erzählen – ich weiß Bescheid!

Wär' ich draußen auf dem Land geblieben und hätte mich bei Leuten meines Schlags herumgedrückt, die hätten gewußt, was mit mir los ist: daß es mir gerade ganz absonderlich fidel zumute war und daß ich's nötig hatte, ein bißchen Dampf abzublasen, damit der Kessel nicht springt. Aber lass' sich einer mit dem Gesindel in der Stadt ein! Das Volk hat nicht einen Funken Humor, und was andere über sie denken, das ist ihnen schon ganz und gar egal! Die einzige Straße, an der sie ein bißchen Interesse haben, ist die, wo sie selbst drin leben, und das einzige Haus, das ihnen für fünf Cent was wert ist, ist das, in dem sie selber hausen – die gewöhnliche Sorte Städter natürlich bloß – Sie nicht! Aber Sie werden doch wohl selbst zugeben, daß die Pflastertreter im allgemeinen gewöhnliches Pack sind? Nicht wahr? Übrigens will ich aufpassen, daß ich nicht vom Hundertsten ins Tausendste komme. Ich muß jetzt bei der Stange bleiben!

Der ganze Rummel begann damit, daß ich hinten in den Champion Mountains auf eine goldhaltige Schicht geriet – die war Klasse! Erst denk ich, Gott, da ist so ein bißchen Gold hingekrümelt und morgen hört's, Gott verdamm mich, auf. Es fing zu gut an! – Aber nichts da, je weiter ich grub, desto mehr war da von dem Zeug. Ich schuftete wie ein Wilder, die ganze Maschinerie, die ich hatte, war nicht besser als eine Kaffeemühle. Und eh die Ader verschwand, hatte ich einen Fischzug gemacht wie nie in meinem Leben.

Es war schon ein bißchen zu viel. Bei uns draußen hocken oder in einer von unseren langweiligen kleinen Städten sich herumtreiben, mit so einem Sack voll Geld – einfach ausgeschlossen! Das verstehen Sie doch – was? Der Zirkus, wo meines Vaters Sohn seine Moneten springen ließ, mußte etwas mehr Klasse sein. Was tu ich also? Ich geh in die Großstadt!

Wie ich in die Stadt komme, ist das erste, ich verschaff' mir was Ordentliches anzuziehen. Kann nicht sagen, daß es just das Diskreteste gewesen ist. Die ganze Aufmachung mußte doch zu dem passen, wie's bei mir innen drin aussah – 'n bißchen rosenrot! Was? Können Sie mitfühlen! Ich hab nichts ausgelassen, der ganze Klimbim mußte ran, Glacéhandschuhe und so weiter, auch 'ne pikfeine Weste hatt' ich, die strahlte wie ein Galafeuerwerk. Einen ordentlichen Tröster hab ich mir auch gekauft, was die feinen Leute einen Spazierstock nennen, und Gamaschen, mit denen war's nichts Rechtes; ein verdammtes Gefühl, die Füße so in 'nem Tuchfutteral zu haben!

Jedenfalls müssen Sie wissen, wenn ich wo reinkam, das war wie wenn die Musik losgeht, bum trara, die Leute drehten alle die Köpfe – einen Jux hab ich gehabt! Ich etablier mich in einem Hotel, wo sie einem fünf Dollar für eine Mahlzeit abverlangen, ohne mit der Wimper zu zucken – einen Liftjungen hatten sie, der hat mindestens einen Universitätspräsidenten zum Papa gehabt. Es dauerte nicht lange, da hatt' ich auch Freunde, die brachten mir erst den richtigen Dreh bei, wie man sein Geld los wird.

Was sage ich? Einmal wach ich morgens auf und denke, siehst mal, wieviel Geld du noch hast – prosit Mahlzeit! –, drei Hundertdollarscheine, das war das ganze Vergnügen. Ich denk, mir hat einer eins über den Kopf gegeben. Mit der Ranch war's jetzt Essig. Ich denke mir, pfefferst das bißchen Dreck nun auch noch dahin, wo das andere hingegangen ist. Ich geh also ans Telephon, läute ein paar fixe Jungs an, und wir ziehn los. An dem Tag hab ich wieder 'nen Bombenfehler gemacht. Was soll ich Ihnen sagen? Ich laß den Revolver zu Haus im Schreibtisch. Es war mir ein bißchen kitzlig zumut, ich denk also: Willst niemand auf die Hühneraugen treten und laß das Ding liegen. Warten Sie noch 'nen Augenblick, dann wird Ihnen gleich klar werden, was das für ein besoffener Einfall war.

Wie's nun so geht, segeln wir 'n bißchen in der Stadt rum und landen schließlich so gegen Mitternacht in irgend'ner Spelunke, wo gespielt wird. Es dauert nicht lang, und ich laß meinen letzten Zwanziger auf dem grünen Tuch. Interessanter Augenblick das! Nämlich der Croupier, der konnt ein mächtig lustiges Kunststück. Ich greif zu, erwisch ihn bei der Hand, und was denken Sie, was geschieht? – Kleinigkeit – es fallen ihm zwei Asse aus dem Ärmel. Sie verstehen doch!

So krumm hab ich das eigentlich gar nicht genommen. Ich hatt' mir sowieso vorgenommen, das ganze Geld sollte flöten gehn – wie – das war mir schon wurscht – aber wie ich den Kerl so habe, fällt mir ein, jetzt wär eine Chance, mal richtig Leben in die Bude zu bringen. Was tu ich? Ich pell mir den Rock runter und pflanz mich auf den Tisch und sag der werten Gemeinde mal so recht frisch von der Leber weg, was ich über sie im besonderen und im allgemeinen und von ihrem ganzen Betrieb mir denke. Der Boß, der da den ganzen Laden schmeißt, macht sich mit 'nem Schießgewehr mausig, ich runter vom Tisch und ran an die Bande. Ich denk – einer muß doch mal anfangen!

Aber sie ließen sich auf nichts Reelles ein. Die legen sich still auf den Boden, als hätt' sie einer mit dem Nudelholz ausgewalzt. Es war nischt zu machen, ich muß ihnen auf den Bäuchen rumtrampeln, wenn ich der andern Bande, die weiter hinten stand, an den Hals wollte. Von da ab begann's brenzlig zu werden.

Das müssen Sie doch selbst einsehn, hätt' ich meinen Colt mitgehabt, es wär so unschuldig hergegangen wie im Paradies. Mit Revolvern, da passiert nichts, die richten keinen Schaden an, bloß Radau machen sie. Es gibt Leute, die amüsieren sich mit Feuerwerk am Unabhängigkeitstag. Bei uns draußen im Westen, da hat man mehr Geschmack an Colts. Wenn Sie da ein bißchen in Hitze geraten, holen Sie ruhig Ihren Colt heraus und pfeffern los. Treffen tun Sie doch nicht. Dafür sind Revolver nicht gedacht! Wenn je einer das Ziel getroffen hat, ist es purer Zufall. Höchstens gehn ein oder zwei Spiegel in Scherben, vielleicht auch ein Fenster. Es kann auch sein, daß so 'ne Knallerbse 'ne Schramme in den Boden pflügt oder ein Loch in die Decke macht. Alles brüllt wie am Spieß und hüpft herum und geht hoch, kurzum, alle Welt hat einen Mordsjux, und der ganze Schaden ist nicht mehr, als ein ordentlicher Handwerker in einem halben Arbeitstag wieder in Ordnung bringen kann.

Klein bin ich gerade nicht. So ein richtiger goldhaltiger Boden ist hart wie Stein; wenn Sie den allein durch den Steinbrecher drehn müssen – das hat's in sich. Kleiner bin ich nicht davon geworden. Ich geh just so 'n bißchen hin, mitten in die Blase hinein und tipp zwei von den Burschen bißchen auf die Schulter. Was soll ich Ihnen sagen? Die knickten zusammen, als wären ihre Knochen aus Gummi. Wenn's bloß das wär! Aber fangen die Kerls auch noch an und brüllen: »Der ist verrückt geworden! Polizei! Polizei!« Direkt mau konnt's einem davon werden! So 'nen Alarm zu schlagen, bloß weil ich mir ein bißchen Bewegung mache! Der eine, der regte sich so auf, daß er mir mit dem Stuhl über den Kopf haut. Ich denke, eine Faust tut's jetzt nicht mehr, gibst ihnen beide zu kosten. Also ich wate durch den ganzen Menschensalat bis an die andere Wand, dann dreh ich mich um und komm der ganzen Länge nach zurück. 'ne richtige Furche hab ich gezogen. Wie ich zur Tür wieder zurückkomm, find ich ein paar Blaue.

Was mir das schon ausmacht! Ich nehm sie mir vor, knalle sie ein bißchen mit den Köpfen aneinander, schöpfe einen Mundvoll Luft an der Schwelle – draußen war sie besser – und denke mir: Gehst zurück und machst das Rührei drinnen fertig. Kaum dreh ich mich um, rappelt sich der eine Polyp wieder hoch und packt sein Schießeisen aus. Was soll ich tun? Ich muß es ihm doch wegnehmen! Drauf fängt sein Herzbruder an, mit seinem Gummiknüppel herumzufuchteln und knallt mir damit über den Schädel. Es bleibt mir nichts übrig, ich muß ihn hochnehmen und aus dem Fenster schmeißen. Das Glas und den Rahmen hat er gleich mitgenommen.

Dann geht plötzlich das Licht aus, und kaum ist's dunkel, glitsch ich auf was aus, fall hin und hau mir den Kopf an. Wie ich wieder zu mir komm, lieg ich auf einem Wagen, und zwei von den Burschen in ihrer blauen Uniform mit den schönen Messingknöpfen haben sich auf meinem Brustkasten und auf meinem Magen breitgemacht. Ich frage ganz höflich, ob es was ausmachen täte, wenn sie ein bißchen von meinem Magen herunterrückten. Sagt einer von ihnen: »Er wacht auf! Ich hab doch gesagt, er wird wieder zu sich kommen.«

»Na, gewiß«, sagt ein anderer. »Meinst du denn, du kannst so 'nen Schweden umbringen, wenn du ihn auf den Kopp haust?! Am Kopp – sind die nicht empfindlich.« Sage ich: »Meine geehrten Herrschaften, wenn Se da von einem Schweden reden, meinen Se wohl gewissermaßen meine Wenigkeit?«

Was die sind, die geben 's rundheraus zu. Jetzt ist mir aber doch die Galle gestiegen. Es ist ein bißchen eng in so 'nem Polizeiauto, aber wenn man alles in Betracht zieht, hat sich 's doch so einrichten lassen, daß ich 'ne vergnügte Viertelstunde hatte. Wie wir bei der Wache vorfahren, sind die fünf Polypen ein bißchen lädiert. Nun rücken die Reserven ran, Stücker zwölf mochten's sein, und richtig erwischen sie mich schließlich.

»Gebt ihm eins mit dem Revolvergriff auf den Kopp!« sagte der Sergeant von unten rauf – nämlich er lag auf dem Boden und hielt sich mit beiden Händen den Bauch. »Mit Gummiknüppeln ist bei dem nichts auszurichten, für den sind das die reinen Zahnstocher.«

Es waren Leute, die sich zu helfen wußten, die Polypen. Sie ließen sich 's nicht zweimal sagen und probierten gründlich aus, wieviel mit dem Revolverkolben mein Kopf wohl aushält. Wie ich wieder zu mir komme, bin ich in einer Zelle. Mein Kopf, der war doppelt so groß wie vorher und ganz verbandagiert. Die Kleider waren Lumpen, einfach in Fetzen. Mit dem Kopf, das ging noch, aber das mit den Kleidern, das hat mich denn doch gewurmt. Was? Wie ich ausstaffiert war! Wenn ich hinaus zu uns gekommen wär, die Jungs bei mir zu Hause hätten Entree gezahlt, um bloß 'nen Blick auf mich zu werfen.

Bei alldem mußt ich am andern Tag einen Besuch beim Richter machen. Er guckt mich von oben bis unten an. Fragt, ob ich Widerstand geleistet hätte. Sagt der Sergeant, es wären fünfzehn Mann zur Stelle, die könnten jeden Eid drauf leisten, und da wären noch fünf andere, bei denen legte er mächtigen Wert drauf, daß sie vor Gericht aussagen, bloß hätte der Doktor gesagt, das Bett täte ihnen noch 'ne Weile not.

Fragt der Richter: »Und was ist mit dem Gefangenen los? Der sieht ja aus, als wäre er unters Mühlrad geraten.«

Ich sage: mit mir wär alles in Ordnung, es täte mir bloß leid, daß ich ein paar von seinen Jungs ein bißchen zermanscht hätte.

»Sind Sie Ringer von Beruf?« fragt der Richter.

»Im allgemeinen hau ich mich bloß mit dem Stoßbohrer herum«, sag ich.

Grinst er mich an und fragt: »Sie kommen wohl von draußen herein?«

Sage ich: »Mein erstes und letztes Auftreten hier, da können Sie Gift drauf nehmen!«

Sagt der Richter: »All right! Wenn ich mir meine Polizisten ansehe, kann ich auch nur sagen, für Sie wär's besser, Sie bleiben da, wo Sie hergekommen sind. Dreißig Tage!«

Kaum komm ich raus, fängt die Polizistenbande an: »Was? Dreißig Tage bloß? Dreißig Jahre hätten nicht gereicht! Das ist ein Waschlappen, der Richter! Der ist reif fürs Altersheim!«

Wenn wir hier so miteinander plaudern, klingt das nicht nach viel – dreißig Tage – so kam mir's auch damals vor! Mensch, was hab ich mich da geirrt! Wie die erste Woche herum war und die Beulen auf meinem Kopf waren beinah weg, da war ich schon fertig. Und einen Fraß tischen sie einem auf im Gefängnis! Es ist viel verlangt, wenn man damit zweihundertzwanzig Pfund Fleisch und Knochen im Gang halten soll. Was soll ich Ihnen sagen? In der neunten Nacht denke ich: Probierst's mal mit dem Gitter! Richtig, wenn man ein bißchen Armschmalz dranwendete, gab das Zeug an einer Stelle eine Kleinigkeit nach. Es dauert nicht lang, da hab ich einen Gitterstab herausgewirtschaftet. Es ging mir mächtig über die Hände, die waren ganz voll Blut, aber dann war's auch, als hätt' ich einen Büchsenöffner, mit dem ich das ganze Gefängnis aufkriegen konnte. Ich habe niemals was Handlicheres gesehen wie das Stück Eisen, um eine Tür aufzusprengen. Es wirkte wie ein Zauberstab. Im Nu war ich draußen, Sie können sich's nicht bequemer wünschen!

Ich war schon auf der Straße, da fällt mir ein, daß es mit meinem Anzug hapert. Ich geh zurück, binde einen Aufseher recht sauber und ordentlich und zieh mir seine Kleider an. Im Büro hing ein Hut am Ständer, den hab ich mir geliehn. Im Richterzimmer lag eine Handvoll Glimmstengel auf dem Schreibtisch, die kamen mir auch nicht ungelegen. Dann schob ich wieder los.

Ich war schon elf Straßenblocks weiter und denk, das Ding geht glatt. Ich biege um die Ecke – was geschieht? Bums, renne ich geradeswegs in die Nachtpatrouille hinein. Die Leute hatten gar keinen vernünftigen Grund, gegen mich Verdacht zu haben. Ich kam ganz nüchtern und anständig meines Wegs daher. Aber trotzdem fragten sie mich, was ich so spät in der Nacht noch da zu suchen hätte. Ich fang an und will erzählen, ich bin ein Milchfuhrmann und geh zu meinem Dienst. Muß doch einer von den Kerls meine Stimme erkennen! Und die ganze Bande fällt über mich her und brüllt: »Der Schwede!«

Meine Hände waren noch ganz wund von der Sache von vor acht Tagen, aber ich schnitt trotzdem ganz gut ab, bis einer von den Latschern mir richtig mit einem 4.5-Kaliber-Böhnchen ein Loch in den rechten Schenkel machte. Sie schleppten mich zurück und hielten mich für den Richter bereit. Diesmal war's 'ne mächtig faule Sache. Das erstemal hieß es bloß: »Gewalttätigkeit und Widerstand gegen die Staatsgewalt«, diesmal war's »Flucht aus dem Gefängnis, tätlicher Angriff auf einen Beamten, Einbruchsdiebstahl« – wegen dem Hut! – und »Widerstand gegen die Staatsgewalt« bloß als Zugabe.

Sagt der Richter: »Ein Jahr!«

Gott, was soll ich noch lang erzählen? Ich versuchte wieder loszukommen, und das Ende vom Liede war, daß ich schließlich zwei Jahre staatliches Zuchthaus in Fulsom auf dem Buckel hatte.

Ich weiß nicht, wie's jetzt ist, aber damals saßen in Fulsom die ganz Hartgesottenen beieinander. Ich war gerade kein sanftes Lamm, wie ich hinkam, aber ich war kaum sechs Monate dort, da war ich ein ganz Ausgekochter – ich sage Ihnen, hart wie Stein war ich da! Wir mußten kräftig arbeiten, es genügte grade, daß ich körperlich in guter Verfassung blieb. Richtigen Appetit bekam man auf den Gefängnisfraß, und jeden Tag wurde ich ein bißchen gemeiner und härter.

Ich hatte noch nicht ein Jahr abgesessen, da war's schon, als hätten sie mir einen Zettel aufgeklebt: »Unverbesserlich!« Aber just wie's am schlimmsten war, geriet ich an unsern Pfarrer. Ein feiner alter Knabe mit 'nem weißen Schopf und gelassenen blauen Augen. Der nannte sich Maxim. Ich und er kamen großartig miteinander aus. Im Gefängnis gab's Wettspiele jeden Monat und auch Schauboxen. Was unser Pfarrer war, der machte den Schiedsrichter. Klettere ich eines Tages in den Ring und dresche einem großmächtigen Finnen gerade die Rippen ein – der Kerl muß seine zweihundertfünfzig Pfund gehabt haben –, kommt der Pfarrer dazwischen, wie wir gerade dicht aneinander sind, und sagt: »Kitchin«, sagt er, »da kriegen Sie nichts extra bezahlt für!« Also wie er das so sagt, muß ich reinweg losprusten. Rein unmöglich, dem Finnen noch einen richtigen Schlag beizubringen! Grad, daß ich ihm noch im letzten Gang die Nase eingetrieben habe! Aber unser Pfarrer und ich, wir wurden Freunde. Er fängt an und redet mit mir jeden geschlagenen Tag, und es dauert nicht lang, so verschafft er mir ein hübsches, bequemes Pöstchen in seinem Büro. Auf einmal wurde ich zu den »Verläßlichsten« gerechnet. Die Sache ließ sich mächtig gut an, auch für ihn: Passen Sie auf – nehmen Sie an, er hatte sich irgendeinen besonders üblen Burschen vorzuknöpfen – was meinen Sie, wie fix so ein Bruder sich dazu verstand, die Religion ernst zu nehmen, wenn ich in ganzer Länge im Hintergrund figurierte; denn richtig hübsch bin ich ja eigentlich nie gewesen, und daß sie mir im Gefängnis den Schädel geschoren haben, war keine Verschönerung. Meine Ohren standen ab – Sie können sich keine Vorstellung davon machen.

Was der Pfarrer ist, der kriegte mich dran, ich mußte Bücher lesen. Regulär rund abgeschliffen hat er mich mit all seiner Erziehung; deshalb, müssen Sie wissen, kann ich auch über alles so gut schreiben, was mir zugestoßen ist.

Wie es so weit war, daß ich bald raus mußte, ich sage Ihnen, es hat mir beinah leid getan. Vorher hatt' ich mir ausgedacht, ich verabred mich mit ein paar andern faulen Burschen, und wir machen so 'nen kleinen Jagdzug durch die Hinterwäldlerstädte. Aber was unser Pfarrer ist, der hat mir das ganz und gar ausgeredet. Er sagt, in den Viehdistrikt draußen, wo ich herkomme, da gehöre ich auch wieder hin – und was tu ich? Sofort fahr ich zurück in den Viehdistrikt.

Kann nicht sagen, daß ich die Nase hoch in der Luft trug. Da draußen sind sie nicht gerade erpicht auf entlassene Galgenvögel, und weil ich so ein großmächtiger Kerl war und ritt wie ein Teufel, kannte mich dort ein jeder. Schau ich mir also die Karte an und such mir einen Winkel von den Bergen aus, wo ich früher nie hingekommen war. Die Stadt hieß Sour City, Sauerstadt. Das war so ein verrückter Name, er hat mich direkt gereizt. Drei Tage später war ich richtig dort. Ich streckte mich ein bißchen – es ist kein schönes Fahren auf dem Gestäng unter dem Waggon – und dann sagte ich mir: »Schmeißt mal einen Blick auf dein neues Heimatland.«

Es war wirklich eine ganz famose kleine Stadt. Sie hatten sie hingepflanzt, wo der Sauerbach in den Großen Dreckfluß mündet. Nette kleine Stadt, von »sauer« war nicht die Rede! Ein blitzsauberes kleines Nest! Sie hatten sogar Straßenlaternen und ein Stück reguläres Pflaster, und die Läden waren recht ordentlich. Was soll ich Ihnen sagen, ein Hotel war direkt aus Ziegeln gebaut! Es gab auch noch zwei andere, die waren allerdings aus Brettern zusammengeschlagen. Jedenfalls gab's dort beinah alles zu kaufen, was man brauchte. Ringsum lagen Höhenzüge, dahinter kam ein ordentlicher Brocken extra prima Weideland, und dann kamen erst so die reelleren Berge – ordentliche Zacken machten die am Himmel –, die meisten waren blauschwarz, das machten die Tannen, dazwischen blitzte es hier und da weiß und strahlend, denn es gibt ein paar Gipfel dort, auf denen schmilzt der Schnee nie.

Alles in allem machte das Nest einen guten Eindruck. Ich sprach bei einem Grobschmied vor, ob er Arbeit für mich hätte. Es war nichts zu machen, es war voll besetzt. So sagten sie wenigstens. Sie guckten bloß immer von der Seite auf meinen geschorenen Schädel. Also, was bleibt mir übrig, ich stiefle wieder hinaus aus der Schmiede, und – was sagen Sie – gegen wen muß ich anrennen? Doch weiß Gott gegen meinen Sergeanten – Sie müssen wissen: den, wo ich damals auf dem Wagen so gründlich vertobackt hatte.

*

Was soll man da tun? Da habe ich mir vorgenommen, ich fange von Grund auf ein neues Leben an, unter einem neuen Namen (den hatte unser Pfarrer für mich ausgetüftelt) – und muß ich doch ausgerechnet gleich auf diesen Unglücksraben von Sergeanten stoßen! Es war mir nicht grad zum Lachen, wie ich seine Fresse wieder vor mir sah. Aber ihn hätten Sie sehen sollen! Dagegen war ich noch einer, der im Paradies lebt.

Er glotzt mich groß an und macht einen Schritt zur Seite. Da stand er im Rinnstein. Ich will vorbei, aber dann überleg ich's mir. Ich dreh mich um und geh wieder hin, wo er steht und mir nachschaut. Er machte eine Bewegung. Er dachte, ich hau ihn.

Sagt er: »Kitchin, ich warne Sie, ich hab 'nen Revolver da. Lassen Sie sich ja nicht hinreißen! Ich hab 'ne Waffe und laß mir nichts bieten!«

»Sergeant«, sag ich, »Sergeant, was Sie meinen, ist nicht.«

Fährt er mit der Hand hoch. »Nix mehr Sergeant, das ist vorbei«, sagt er. »Ich hab hier 'ne Ranch, Gelbschädel. Laß die Vergangenheit in Ruh, das ist dir zu nichts gut.«

Ich hatt' ihn schon damals nicht leiden können, in der Stadt. Der Kerl hat mir das so gemein angekreidet, wie ich's ihm damals im Polizeiwagen besorgt habe. Aber jetzt sah ich's klar, der Kerl war noch viel übler, als ich dachte.

Well, im großen und ganzen sind die Polypen alle anständige Kerls mit harten Fäusten. Aber es gibt natürlich auch Ausnahmen. Was der Sergeant ist, dem hatte ich damals eine Rippe eingetrieben. Auseinander war sie nicht, aber 'ne Idee angesplittert, unter Männern war's nicht der Rede wert. Aber er machte immer einen gewaltigen Sums darum und kam immer ins Gefängnis und redete mir vor, wenn ich mal rauskomme, dann geht er her und hat mich so rasch wieder drin im Gefängnis, daß es mir blau vor den Augen werden soll.

Also, all dieses Zeug kommt mir wieder in den Kopf, wie ich ihn da oben in Sauerstadt vor mir sehe. Ich seh gleich, der Kerl, der mag's nicht, wenn die Leute hier wissen, daß er jemals Polizeisergeant war. Der meint, er ist jetzt viel höher gestiegen – und ich kann nur sagen, wie ich das raus hatte, da konnt ich ihn noch viel weniger ausstehn. Das müssen Sie doch selbst sagen, es gibt doch nichts Schlimmeres, als wenn ein Mann hergeht und will nichts mehr von dem wissen, was er in der Vergangenheit gewesen ist.

Sag ich: »Randal«, sag ich, »wenn du willst, daß ich vergessen soll, daß du mal Polizeisergeant gewesen bist ...«

»Just so«, sagt er, »just so, das will ich«, sagt er, direkt wild sagt er das daher. »Übrigens ...« meint er dann noch, »wirst du wohl nicht lang hier in Sauerstadt herumwimmeln, was?«

Die Minute, wo mein Auge auf ihn fiel, hatte ich mir gesagt: Mit dem nächsten Güterzug, der hier geht, dampfst du wieder ab! Aber wie der Kerl so daherredet, denk ich mir: »Mir scheint, ich bleib lieber, wo ich bin!« Es sah aus, als ob mir irgendwo hier eine Chance blühen sollte. Ich denke, red' es grad heraus. Was unser Pfarrer ist, dem war's richtig gelungen, mich zu überzeugen, daß nichts dabei herauskommt, wenn man so hintenherum redet. Sage ich:

»Randal, da braucht's nicht viel Grütze, um zu sehen, daß du mich gern wieder von hier los sein möchtest!«

»Aber wo!« sagt er und wedelt mit der Hand.

Aber ich sag Ihnen, er wurde grün und gelb im Gesicht, bloß wie er dran dachte, daß ich bleiben könnte. Es muß ihm wie ein Zentner auf der Brust gelegen haben. Sag ich:

»Randal«, sag ich, »da bist du also hergegangen und hast dich so weit rausgerappelt, daß du für 'nen Rancher gelten kannst, so einen, wo sich echt silberne Sporen leisten kann, wie mir scheint, und Maßstiefel und den ganzen andern Kram. Und soweit ich sehen kann, bist du gar nicht entzückt von der Idee, daß die Leute hier herum wissen könnten, daß du mal mit dem Polizeiknüppel spazierengegangen bist.«

»Wenn du Lust hast, kannst du's so auffassen«, sagte er, »red nur frei von der Leber weg, ich hab nichts dagegen.«

»Red man nicht«, sag ich, »aber ob du willst oder nicht, du kriegst doch zu hören, was ich dir zu sagen hab. Ich kann dich nicht ausstehn, Randal, und das war schon immer so. Du warst hundsgemein und stinkig mit mir, Randal, und wenn's was gibt auf der Welt, was mir guttun würde, dann wär's, daß ich dir wieder mal einen ordentlichen zwischen die Rippen versetzte. Nun paß mal auf, Randal, wenn du meinst, ich will hier herumlumpen wie in der Stadt unten, das is nicht. Ich bin ein ruhiger, friedfertiger Arbeiter, der nach 'ner Arbeitsstelle sucht, verstehste mich? Was nun die Leute hierherum sind, die sind nicht übermäßig versessen darauf, einen einzustellen, der im Kasten gesessen hat, das weißt du auch. Wenn einer mich hier los sein will, braucht er bloß ein Wort zu sagen, daß ich ein Entlassener bin. Aber das kann ich dir sagen: wenn ich bloß ein Wort höre von so was, dann weiß ich, wer das Maul nicht hat halten können! Dann kannst du sicher sein, daß ich dir expreß einen Besuch abstatten werde! Wenn ich dich dann unter die Augen kriege, Mensch, ich sage dir heute schon, dann ist mir alles egal, dann ist mir selbst Fulsom wurscht. Wenn sie mich hier am Kragen packen und schieben mich ab, von wegen, weil du das Maul nicht halten konntest, dann seh ich rot, dann mach ich Hackfleisch aus dir, da kannst du Gift drauf nehmen!«

Er war so ein Kerl mit einer langen, dünnen Visage, und die Augen hatt' er ganz hinten im Kopf. Wie ich ihm so in die Augen seh, seh ich, wie ihm was Neues dämmert. Was soll ich Ihnen sagen, er wischt mit der Brieftasche heraus, fummelt drin herum – mächtig viele Scheine hatte er – und langt mir ein paar Banknoten hin.

Sagt er: »Hier hast du fünfundsiebzig Dollar.«

Sag ich: »Und dafür, meinst du, soll ich abdampfen und brav das Maul halten. Was? Den Teufel werd ich tun. Ich ... auf dein Geld!«

Das war nur so 'ne Art zu reden, die war nicht ohne. Es gibt Gegenden bei uns draußen, wenn ich da so 'ne Lippe riskiert hätte, der andere hätte mir eine Kugel zwischen die Rippen gejagt, eh ich Muh sagen konnte. Aber es scheint, wir war'n hier nicht in so 'ner Gegend. Was denken Sie, was der Randal tut? Angrinsen tut er mich.

Sagt er: »Mensch«, sagt er, »sei doch nicht so blöd! Soll ich dir was sagen, Goldkind? Wenn du brav bist, dann geh mal hier in den Laden und laß dir 'nen properen Anzug von der Stange herunterlangen. Sie haben eine ganz anständige Auswahl da, ich denk, du wirst was Passendes finden. Hemden gibt's da auch und Hüte und Halsbinden. Die Welt kannst du nicht kaufen mit dem Geld, das du hast, aber es langt, daß du dich ein bißchen ordentlich ausstaffierst. Well, Gelbschädel, jetzt geh mal hin und tu, was ich dir sage, und wenn du so weit bist, komm nach dem Hotel rüber. Ich warte auf dich. Bis dahin ist Essenszeit, und ich denk, wir machen zusammen ein paar ordentlichen Koteletts den Garaus, oder was dir sonst auf dem Speisezettel einleuchtet. Also tu, was ich dir sage, und stell dich nicht lang hin und stell Fragen, solange wir nicht soweit sind.«

Also klar, ich hätt' das Geld nicht nehmen sollen! Wenn ich mir's jetzt überlege, bin ich ein rechtes Rindvieh gewesen, daß ich's genommen hab, und ein Schubiak obendrein! Aber ich geb Ihnen mein Wort drauf, ich hab's nicht deshalb getan, weil ich was umsonst kriegen sollte. Ich war rein verdonnert und fragte mich immer, was da eigentlich dahintersteckt. Denn das kann ich Ihnen sagen, was dieser Exsergeant ist, der war nie einer, der das Geld umsonst zum Fenster rausschmeißt aus purer Menschenfreundlichkeit. Was so ein richtiger Menschenfreund ist, wenn Sie den mal anschaun, wissen Sie, der hat immer so 'ne Art schafsdummen Blick an sich. Probieren Sie bloß mal selber, Sie werden's auch merken. Sehn Sie sich mal Ihre Bekannten an, dann werden Sie schon verstehn, was ich meine! Die Kerle, die wo ihren Geldsack immer hübsch fest verschnürt halten, die machen einen verflixt wachen Eindruck. Die sehn Ihnen an, als wollten sie gleich auf der Stelle rausbekommen, ob es der Mühe wert ist, von Ihnen Notiz zu nehmen oder nicht. Aber wie gesagt, was die Menschenfreunde sind, die habn so 'ne Art dämlichen Blick.

Wenn Sie sich aber den Randal mal richtig anschaun, da war von dämlich nicht die Rede. Scharf wie ein Pintscher war der Kerl! Sag ich mir: Der führt was im Schild! Der will was für sein Geld! Aber ich konnt's auf den Tod nicht herauskriegen, was es sein könnte. Da kam's drauf an, wer pfiffiger ist. Da konnt ich meinen Kopf zum Pfand setzen, daß mein Köpfchen mindestens soviel wert ist wie meine Fäuste, soweit Randal in Betracht kam. Denk ich also: Denn man zu! Geh also in den Laden, und Gott will's auch, daß sie da 'nen richtigen anständigen braunen Anzug hatten, der mir saß. Mit den Schuhen war's nicht so prima, die warn alle zu klein, aber schließlich stöbre ich ein Paar auf, bei denen ging's, wenn man ein bißchen die Zähne zusammenbiß. Und dann segle ich los, mit 'nem pikfeinen Hut auf'm Ohr. Ich kann Ihnen sagen, extra prima Klasse!

Richtig sitzt mein Sergeant im Hotel und wartet. Schielt er an mir herunter und sagt:

»Du hast's los!« sagt er. »Du weißt, was man mit Moneten anfängt!«

Also wir gehn ins Speisezimmer und setzen uns hin und sagen, wollen doch mal sehn, wieviel Futter auf den Tisch geht – und dann sagen wir, wollen doch mal sehn, wie rasch der Tisch wieder leer ist. Also bald sind wir so weit, daß man sich 'ne Zigarre ins Gesicht stecken kann, und richtig holt er so ein mächtiges schwarzes Ding heraus und rammt sich's in die Zähne. Was ich war, ich denke, hältst dir lieber den Kopf ein bißchen klar, rauchst Zigaretten. Also roll ich mir selber Zigaretten.

*

Sagt er: »Na, Junge«, sagt er, »da staunst du wohl? Jetzt möchtest du wohl wissen, wozu ich so mächtig viel Geld abgeladen hab und was ich dafür aus dir herauskriegen möchte? Was? Hab ich recht?«

Sage ich: »Ich weiß auch nicht, was los ist. Vielleicht bist du so ein richtiger Kavalier, der aus gutem Herzen einem Mitmenschen mal unter die Arme greift.«

Nämlich – müssen Sie wissen – ich denke mir, setzt auf einen Schelmen anderthalbe und stellst dich ein bißchen dümmer, als du bist. Aber was er ist, er pustet mir den Rauch ins Gesicht und grinst und sagt:

»Du lügst wie gedruckt!«

Was war zu machen? Ich muß auch grinsen.

»Es wird schon werden«, sag ich, »wir werden uns schon verständigen, sollt ich meinen.«

»Wir werden wohl!« sagt er. »Ich hoffe stark, daß wir werden. Aber das schreib dir mal erst hinter die Ohren, bild dir ja nicht ein, daß ich das von damals vergessen hab, den Denkzettel, den du mir gegeben hast. Da denk ich jeden Abend dran, wenn ich mir mein Hemd auszieh. Bild dir bloß nicht ein, daß ich dein Busenfreund bin, Junge!«

Sage ich: »Randal«, sage ich, »wenn man so bedenkt, was du für ein Schuft bist, bist du eigentlich ein ganz anständiger Kerl. Direkt warm wird einem ums Herz. Nu tu mal die Klappe auf und komm raus mit dem, was du im Schilde führst. Nummer eins: Du willst meinen Skalp. Nummer zwei: Neu ausstaffiert hast du mich. Wann kommst du mit dem Messer raus?«

Der feixt bloß. Das konnt man sehn, das paßte ihm genau so gut wie mir, daß keiner ein Blatt vor den Mund nimmt. Schließlich sagt er:

»Mit dem Skalpieren, das hat Zeit, das kann noch lang dauern. Du bist 'ne harte Nuß, Kitchin, 's wird 'n schönes Stück Arbeit sein, bis man dich geknackt hat. Bis es so weit ist, daß wir abrechnen, das hat noch 'ne ganze Masse Zeit. Einstweilen brauch ich dich. Einstweilen denk ich immer, du kannst mir noch 'nen Gefallen tun.«

»Mach schon«, sag ich. »Je mehr du redest, desto besser gefällt mir's. Wann geht der Tanz denn los?« Sagt er: »Paß auf!« sagt er. »Rattengift ist ein ekliges Zeug, aber wenn du Ratten im Hause hast, dann weißt du auch, wozu Rattengift da ist. So ist das auch mit dir. Ich brauch so 'ne Sorte Rattengift. Hast du zugehört?«

»Ich hör schon, was du sagst, mach weiter!«

Also er legt los und erzählt mir, wie er aus einem guten Haus ist und wie es der ganzen Familie immer recht gut gegangen ist und ihm sein Vater ein prima Geschäft eingerichtet hat, kaum daß er von der Universität zurück war. Aber er gehörte nicht zu den Leuten, die jeden Cent dreimal rumdrehn. Er hatte was übrig für alles, was für Geld zu haben war, aber alles, womit man Geld verdient, sagte ihm nicht recht zu. Also es dauerte nicht lang, da war er futsch.

Ungefähr um dieselbe Zeit geht's seinem Vater genau so. Der alte Herr nahm sich das so zu Herzen, er hat's nicht überlebt. Randal, wie er sieht, daß es nichts zu erben gibt, sieht sich nach einem Posten um. Sie stellen ihn bei der Polizei ein. Seine Familie wußte nichts davon. Vielleicht haben sie bei der Polizei da richtig den Bock zum Gärtner gemacht. Aber wie es auch war, Randal hat ganz gut abgeschnitten. Er war schon zum Sergeant befördert, und es ging ihm ganz anständig, da hört er, daß sein Onkel gestorben sei, was der Bruder von seinem Vater war. Kinder hat der alte Mann nicht gehabt, also hinterläßt er sein Geld dem Bruder und der Schwester von meinem Randal und die Ranch meinem Freund Randal selbst.

Mein Harry fährt auch richtig hin und sieht sich die Sache an und sieht, es ist eine gute Ranch und wirft einen ordentlichen Brocken Geld ab, und er denkt, er ist fein raus. Wie er einen Monat draußen ist, wer kommt ihn besuchen? Sein Großvater, Henry Randal.

Erzählt mir also der Sergeant: »Weißt du, mein Großvater, das ist einer von den alten Füchsen, die wohl die Zähne verlieren, wenn sie alt werden, aber nicht den Grips. In bar und Grundstücken hat er so ziemlich seine drei Millionen, und wie er zu mir kommt, redet er ganz offen mit mir, zeigt mir sein Bankkonto und die Aufstellung über den Viehbestand und was er an Geld ausgeliehen hatte. Das war eine Liste, kann ich dir sagen, so lang wie mein Arm. Sagt der alte Knabe zu mir: ›Harry‹, sagt er, ›du hast immer 'nen hellen Kopf gehabt, aber was du bei der Arbeit wert bist, das weiß ich nicht. Die Ranch hier, auf der du jetzt sitzt, hat immer ein anständiges Stück Geld abgeworfen, aber dein Onkel hat sich verflucht abschinden müssen, bis das Geld auch wirklich da war. Deinem Onkel ist es hier gut gegangen, weil er zwanzig Stunden am Tag geschuftet hat. Das Gras ist gut hier, und es ist auch genug Wasser da, wenn bloß die Ranch nicht gerade hier an den Bergen läg, wo der Herrgott den Viehdieben ein Loch zum Durchschlüpfen gelassen hat. Es ist nicht leicht, die Kerle dran zu hindern, daß sie dir jedes Jahr, das Gott werden läßt, die besten Kälber wegtreiben. Dein Onkel, Stephen Randal, war einer von den ganz Hartgesottenen, soviel weißt du vielleicht auch. Da ging die Sache leidlich. Die Kerle hatten eine heilige Scheu vor ihm. Das halt dir mal vor Augen. Ob dir's so gut gelingen wird, lieber Harry, das scheint mir noch eine Frage. Hell bist du im Kopf, aber es sieht mir nicht so aus, als ob du geneigt wärst, jeden geschlagenen Tag zwanzig Stunden zu schuften. Es fehlt dir auch nicht an Courage, aber es ist noch lange die Frage, ob du den Viehdieben schlaflose Nächte verursachen wirst. Also du siehst, ich bin nicht ungerecht, ich weiß, daß dir noch manches Unangenehme bevorsteht. Nun hör gut zu, Harry, ich habe dir mein Besitztum gezeigt, und du weißt jetzt, daß es drei Millionen wert ist. Jetzt will ich dir noch was sagen: Für deinen Bruder, für den hab ich gar nichts übrig, der hat sich da ein Pöstchen bei der Bank besorgt drunten in der Großstadt, und ich kann die Stadt nicht leiden und die Städter erst recht nicht. Was deine Schwester ist, die mußte unbedingt einen Hohlkopf heiraten, der nicht genug Grütze hat, um den Schirm aufzuspannen, wenn's regnet. Und das kann ich dir sagen, die beiden erben von mir keinen roten Heller! Demnach wärst du mein Erbe. Aber schreib dir das hinter die Ohren, ich habe so meine Gedanken über dich. So manches an dir kommt mir zweifelhaft vor. Wenn du meine Zweifel verscheuchen willst, gibt es nur einen Weg. Faß hier Wurzel und sieh, daß die Ranch rentabel wird. Das ist meine Bedingung. Alle Vierteljahr schicke ich einen vertrauenswürdigen Revisor her, der die Nase in deine Bücher steckt, und wenn nicht das Richtige auf der Habenseite steht, lieber Junge, dann kannst du die Erbschaft in den Schornstein schreiben. Aber Harry, wenn's anders ausgeht und du hältst die Sache hier so in Schwung, daß ich mit dir zufrieden bin, dann sollst du jeden Cent erben, über den ich verfüge. Hast du mich verstanden? Mit meinem Herzen ist nicht mehr viel los. Ein Jahr oder zwei wird's noch tun, dann ist sicher Schluß. Ich mach mir darüber keine Illusionen mehr. In zwölf Monaten oder wenn's hoch kommt in zwei Jahren bin ich tot, und ich will, daß mein Geld in die Hände eines Mannes kommt, von dem ich weiß, daß er was damit anfangen kann. Laß dir das mal alles durch den Kopf gehen, mein Junge, und dann setz dich dahinter und arbeite, daß die Schwarten krachen. Du brauchst hier Courage, Geduld und Grütze im Kopf und Zähigkeit, wenn du die Partie zu guter Letzt gewinnen willst. Was für moralische Qualitäten du hast, das weiß ich nicht, und ich gebe keinen Pfifferling darauf – ich bin auch kein Heiliger –, aber wenn du die Ranch hier so managst, daß sie was abwirft, dann bist du ein Kerl, der wert ist, in Stephens Schuhen zu stehen, und dein Onkel Stephen, Harry, mußt du wissen, war mein Lieblingssohn.‹

Und das war alles. Noch nicht mal zum Essen wollt er bleiben. Mitsamt seinem Herzknax und den achtzig Jahren, die er auf dem Buckel hat, steigt er wieder aufs Pferd und reitet nach Hause zurück – fünfundzwanzig Meilen. Da hast du nun den ganzen Kram, Kitchin. Du kennst mich. Du meinst, ich bin ein Halunke. Kann sein, daß ich's bin. Ich kenne dich. Ich weiß, daß du ein Halunke bist. Die Haare sind dir noch nicht gewachsen, seit du aus dem Kittchen gekommen bist. Außerdem haßt du mich, weil ich dir im Gefängnis das Leben unangenehm gemacht habe. Ich haß dich auch. Du hast mir eine Rippe gebrochen, und meiner Selbstachtung hast du auch einen Knax versetzt. Schön und gut. Wollen wir mal die Kehrseite der Medaille betrachten:

Du sitzt auf dem Trockenen. Du brauchst einen Unterschlupf. Du kennst den Viehdistrikt und weißt, wie man mit Pferden umgeht. Im Gefängnis hast du darüber geredet, und ich hab manches davon gehört. Auf der andern Seite bin ich in der Klemme. Meine Ranch ist ein großmächtiger Brocken, und meine Cowboys sind eine Schwefelbande. Ich hab mir alles auf den Hals geladen, was es an krakeelendem, schießlustigem Gesindel gab, die Sorte von Kerlen, die immer gleich zwei Revolver mit herumschleppen. Die Burschen haben einen Ruf – ein Gerichtssaal-Reporter hätte acht Tage lang daran zu tun! Ich dachte, auf die Art halt ich mir die Viehdiebe vom Leib – das verstehst du doch? Aber wie sie erst mal eine Zeitlang da waren, da kommt's raus, daß sie Hand und Handschuh mit den Viehrustlern sind. Wenigstens sieht's ganz so aus. Ich hab direkt Angst, wenn ich ans nächste Eintreiben denke. Wenn die Herden gezählt werden, wird's herauskommen, daß mindestens ein paar hundert Stück Vieh fehlen. Dann kann ich mir den Mund wischen. Meine drei Millionen sind dann futsch.

Well, ich will dir sagen, was ich brauche. Einen richtigen Draufgänger mit zwei gesunden Fäusten, der die Bande an die Kandare nimmt und ihnen beibringt, wie man arbeitet. Ich bin gewillt, was zu riskieren und zu sehen, was du ausrichten kannst. Wie du mich da siehst, bin ich zum Äußersten entschlossen! Kerl, wenn ich deine bösartige Fresse vor mir seh, es tut mir richtig gut – so wie es jetzt mit mir steht. Was sagst du nun, Bubi? Wie stellst du dich zu meinem Antrag?«

Das war nun so ein Vorschlag! Ich dreh das Ding hin, ich dreh das Ding her, es klang ganz gut, es klang aber auch übel. Ich hatte meine zwei Fäuste, und ein Paar solide Fäuste! Was? Bei dem Leben, das ich geführt hatte, und bei der strammen Arbeit im Gefängnis (und obendrein hatte ich noch jede Woche geboxt) war ich fest geworden wie Granit. Zweihundertzwanzig Pfund und fest wie Granit! Nein, weiß Gott, ich brauchte mir keine Gedanken zu machen, eine solide Holzerei, wo es Keile hagelte und drunter und drüber ging, machte mir gar nichts aus. Die Sache war bloß: Was wurde aus mir, wenn's mit den Schießeisen losging? Ich hab mit Revolvern nie was Richtiges anfangen können. Wenn da unter Randals Lämmchen so ein richtiger ekliger Kunstschütze auftauchte, einen Revolver in jeder Hand, wo war ich dann? Beim Teufel natürlich! Aber trotzdem, wenn man so eine richtige harte Sache in Aussicht hat, dann weiß man erst, was man für ein Kerl ist. Was sich so nicht ausrichten ließ, da konnte man sich vielleicht durchschwindeln. Also sage ich zu Randal:

»Well, und was habe ich von dem ganzen Kram? Blaue Bohnen soll ich fressen, herumschlagen soll ich mich und mich grün und gelb ärgern, und dann?«

»Ich freu mich über dich, Sonny«, sagt Randal. »Du bist so ein richtiger praktisch veranlagter Mensch, der auch ein bißchen an die Zukunft denkt. – Also richtig freuen muß ich mich darüber! Jetzt weiß man doch erst, daß wir tadellos miteinander auskommen werden. Und nun sag mal, was hast du dir denn eigentlich gedacht, was dabei herausschauen soll?«

Ich überleg mir die Sache. Ich sage: »Scheint mir, daß alles, was du auf dich nimmst, Randal, ist, daß du den Enkel spielst, und das bißchen, was dann noch zu tun ist, überläßt du mir! Well, Randal, du bist mir ein bißchen zu zäh. Ich will nicht lang mit dir handeln. Ich denke, ich will nicht mehr verlangen, als daß wir teilen.«

Was Randal ist, der feixt. Sagt er ganz süß: »Du kriegst die eine Hälfte von den drei Millionen und ich die andere?«

»So ungefähr dacht ich mir's.«

Er schüttelte den Kopf. »Sag's noch mal! Weißt du, ich mach dir einen Vorschlag. Einen geradezu glänzenden Vorschlag. Die Ranch, auf der ich sitze, ist eine verflucht feine Sache, wenn der richtige Mensch sie in die Hände kriegt. Onkel Stephan hat in den letzten zehn Jahren jedes Jahr seine guten fünfzigtausend herausgeschlagen. Nun will ich dir was sagen, alter Freund: Wenn du's zuwege bringst, daß mir die Ranch was einbringt, dann kannst du's auch zuwege bringen, daß sie dir was einbringt, und wenn wir das Ding so schieben können, wie wir's uns gedacht haben, so krieg ich natürlich die drei Millionen und du kriegst die Ranch. Gib dir keine Mühe weiter, dabei bleib ich, nicht einen Cent geh ich höher.«

Das sagt er so, ich seh gleich, es ist ihm ernst damit. Ich lehn mich in den Stuhl zurück und tu einen Seufzer. Sag ich:

»Allright! Aber schriftlich muß ich's haben, und jetzt könntest du mir 'ne Zigarre herüberlangen.«

 

* * *

 


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