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Shorty, der gab keine Antwort, er versetzt mir so einen richtigen düsteren Blick – es war seine Unabhängigkeitserklärung, möcht ich sagen – und verduftete durch die Tür. Aber er machte sie hübsch sachte zu. Damit war ich schon zufrieden. In solchen Zeiten bedeutet ja, wie einer was tut, einen ganzen Haufen mehr als Worte. Das ist klar.

Wie er draußen ist, sag ich zu Pepillo:

»Küken, laß die Vorhänge herunter!«

Aber dem braucht ich's nicht erst zu sagen. Der war schon dabei. Er huschte rund ums Zimmer und machte nicht mehr Lärm dabei wie eine Feder, die in der Zugluft dahersegelt. Da standen wir nun und waren endlich hübsch unter uns.

Sag ich zu Pepillo: »War's richtig so?«

Das Küken, das nimmt sich Zeit und überlegt sich das eine Minute. Und dann zuckt er die Achseln. Vielsagend, kann ich Ihnen verraten! So ein richtiges französisches Achselzucken.

Sagt Pepillo: »Oh«, sagt er, »es war ganz leidlich, aber wenn Ihr wieder eine Rede halten wollt, Señor, dann wollen wir sie zusammen erst mal schriftlich ausarbeiten. Ja doch, es war soweit 'ne ganz gute Rede, aber Ihr hättet dem Kerl ruhig etwas kräftiger aufs Fell knien können. Der hätte noch 'ne Masse mehr vertragen als das, was Ihr ihm versetzt habt.«

Den Punkt, den hätt' ich nun mit Pepillo gern ein bißchen ausführlicher behandelt, denn das stimmte nicht. Aber was geschieht? Die Tür geht auf und Randal taucht auf. Eine große Zigarre hatte er im Schnabel, und erheblich nachdenklich sah er drein. So kommt er heran und schaut mich an. Sagt er:

»Well«, sagt er, »ich will verdammt sein, wenn ich mich auskenne. Was kannst du nun besser, boxen oder bluffen?«

Das war nun so eine Art zu reden, die ging mir ganz verdammt gegen den Strich. Was? Das waren noch keine fünf Minuten her, da hatte der Kerl sich vor Angst gewunden. Aber im Augenblick hatte ich keine rechte Lust, mich mit ihm herumzuzanken. Mir war so schlaff und behaglich zumute. Ich mache gar nichts weiter, ich gönn ihm so eine Art von Lächeln. Den hätten Sie sehen sollen! Er fletscht förmlich die Zähne, und dann fängt er an und läuft im Zimmer hin und her. Man hätte meinen können, ich hätt' ihm irgend was zuleid getan, wo ich doch die wilde Bande gezähmt hatte, die er sich auf den Hals geladen hat.

Wie ich so im Stuhl sitze, stellt sich Pepillo hinter mich. Die Arme, die legt er oben auf die Stuhllehne, es kam ganz von selbst, daß seine Lippen dicht an meinem Ohr waren. Flüstert er mir zu:

»Dieses Schwein ist so verblüfft, deshalb ist er aufsässig. Manche Schweine sind nun mal so, Señor.«

Sage ich: »Pepillo«, sage ich, »wie alt bist du eigentlich?«

Sagt er: »Ich bin vierzehn, Señor.«

Sage ich: »Wenn man dich reden hört, könnt man meinen, du bist vierzig.«

Sagt er: »Ah, Señor«, sagt er, »meinen Sie, ich hätte vierzehn Jahre lang in einem Ei gesessen und wäre eben erst ausgeschlüpft? Jetzt passen Sie auf, der Schweinkerl rafft sich auf. Er will Fragen stellen.«

Richtig, mein Randal, der dreht sich herum und stellt sich breitbeinig hin. Da steht er und kaut an seiner Zigarre, und die Stirn hat er krausgezogen und schaut mich streng an wie so ein Yankeekaufmann.

Sagt er: »Bubi«, sagt er, »wie du den Fuß hier ins Haus gesetzt hast, da warst du erschrocken. Auf den Tod erschrocken warst du da.«

Sag ich: »Meinst du?« sag ich.

Sagt Randal: »Mann«, sagt er, »versuch doch nicht, dich rauszulügen. Jetzt schick mal diesen Teufelsbraten da raus, ich habe mit dir zu reden.«

Auf ein Haar hätt' ich ihm nachgegeben und hätte Pepillo rausgeschickt, aber der gibt mir einen Stoß mit dem Ellbogen und flüstert mir zu:

»Nein!«

So sage ich: »Mein Küken hier, der ist verschwiegen wie das Grab. Da brauchst du keine Angst zu haben, der quatscht nichts aus, und außerdem bin ich dran gewöhnt, daß er immer um mich ist.«

»So?« sagt Randal. Sagt er: »Immer um dich? Bloß nicht, wenn du im Kittchen sitzt?«

Der Donner, was für eine schwefelgelbe Niedertracht der Kerl doch am Leibe hatte!

Sage ich zu ihm: »Was redest du für blödes Zeug daher? Willst du dich an mir reiben?«

Der Kerl, der hört es nicht einmal. Das, was ihn plagte, das drängt ihm so auf die Zunge. Er muß einfach weiterreden. Sagt er:

»Ich kann's nicht zusammenbringen. Hierherein bist du gekommen, geradezu schlotternd vor Angst – und kaum zehn Minuten sind vorbei, da kommst du aus deinem Zimmer wie eine Dampfwalze, haust Stücker drei oder vier von den Kerls in Klump, schmeißt Shorty die Treppe hinunter und schlägst. Rusty zu Brei. Großer Gott, daß das möglich wär, ich hätt' mir's nicht träumen lassen. Was ist bloß mit dir vorgegangen, Mann, in der Zwischenzeit? Wenn ich das bloß herausfinden könnte!«

Das war nun so eine Frage, an die hatte ich selber nicht gedacht. Aber jetzt, da komm ich nun selber dazu und denke zurück. Was war wirklich im Spiel gewesen in der Zwischenzeit? Da war bloß eins im Spiel gewesen: mein Blauhäher. Jawohl: Pepillo! Der hatte mich dazu gebracht, zu kämpfen wie ein Berserker, statt bei Nacht und Nebel davonzulaufen. Aber wie hätte ich Randal das beibringen können, daß das Küken hinter allem steckte?

Sag ich: »Was soll ich sagen?« sag ich. Wenn ich dir auseinandersetze, daß ich mir bloß die Sache mal erst richtig überlegt habe, nachdem ich das Haus betreten hatte, dann willst du es doch nicht verstehen. Aber so war das. In dem Augenblick, wo ich mir einen vernünftigen Aktionsplan ausgeheckt hatte, hab ich losgelegt und hab's geschafft.«

»Bockmist!« sagt Randal. »Der reine Bockmist! Da machst du mir nichts vor. Auf alle Fälle krieg ich's jetzt nicht raus. Aber früher oder später werd' ich mir schon was zusammenreimen können. Da steckt irgendein Geheimnis dahinter. Ich brauch bloß den Lausejungen da anzusehen, wie er grinst, dann seh ich das schon. Einstweilen ist die große Frage: Was willst du nun morgen früh tun?«

»Was ich tun will?« sag ich. »Ich warte erst mal ab, ob die Jungs morgen früh im Sattel sitzen und die Herden abreiten. Wie sie von Rechts wegen sollten. Und wenn es so weit ist, werd' ich weiter sehn. Ich denke, das nächste Kapitel sind dann die Viehräuber. Was weißt du über diese Rustler?«

Randal, der fährt mit beiden Händen in die Luft. Sagt er:

»Was ich weiß? Mann, ich weiß viel zuviel. Einen ganzen Teil davon hat mir Onkel Stephen noch erzählt, und es war kein Kunststück, das übrige dann selber noch herauszubringen. Ich hab mich drum gekümmert, denn ich hatte mir eingebildet, sie zum Tempel hinauszuschmeißen. Ich dachte, wenn ich erst richtig raushabe, wer und was sie eigentlich sind, dann läßt sich das bewerkstelligen. Aber je mehr ich von den Kerlen erfahren habe, desto deutlicher war's, daß ich mir da eine ganz hoffnungslose Sache vorgenommen hatte.«

Also er packt die ganze Geschichte aus und – was kann ich tun? – Ich muß es Ihnen hier wiederholen, Mann. Damit Ihnen die Sache klar wird. Nicht so, wie er's erzählte, das würde ein bißchen zu lange dauern. Bloß die wichtigsten Tatsachen. Und verdammt wichtig und verdammt seltsam kam mir das Ganze vor.

Wie mir scheint, hat früher, in den vierziger und fünfziger Jahren – ich weiß auch nicht mehr genau – in der Zeit, wo der mexikanische Krieg ausbrach –, die ganze Gegend hierherum zu dem schäbigen alten Mexiko gehört, und das Tal von dem Sauerbach und das Land drumherum, das gehörte auf Grund einer Schenkung aus den Zeiten der spanischen Könige einer Familie namens Mauricio.

Was soll ich Ihnen sagen? Nach dem mexikanischen Krieg, da erschienen wir Amerikaner auf der Bildfläche, und natürlich, das ist klar, wir pfiffen auf all den mexikanischen Kram im allgemeinen und auf königliche Schenkungen aus der spanischen Zeit noch im besonderen. Wir nahmen uns einen Fetzen Land rechts und einen Fetzen Land links, und wenn's was gab, was uns interessierte, dann war's, daß wir reich wurden und verdammt schnell reich wurden. Die Mauricios, die machten sich, scheint mir, auch nicht viel Umstände. Wie sie ohne weiteres aus dem Tal vertrieben wurden, da zogen sie bloß ein Haus weiter und gingen in die Berge. Ich habe Ihnen schon gesagt, Mann, da war ein solches Labyrinth von Cañons und Schluchten, da konnte ein Mensch sein ganzes Leben lang drin rumirren und kannte sich doch nicht aus. Die Mauricios, die lebten da herrlich und in Freuden von dem, was wir Amerikaner im Tal draußen großzogen. Sie lebten wie die richtigen Großgrundbesitzer. Der einzige Unterschied war, sie erhoben ihre Pachten mit dem Revolver in der Faust. Natürlich versuchten die Leute im Tal, die Diebswinkel da hinten in den Bergen auszuräuchern, aber sie hatten kein Glück. Mann, in den Gängen und Schlupflöchern, da konnte man hunderttausend Ochsen verschwinden lassen wie ein Taschentuch. Nach einer Weile, da hatte man sich an das Ding gewöhnt. Es kümmerte sich keiner mehr so recht darum. Die Mauricios blieben in ihren Bergen sitzen und lebten – was soll ich Ihnen sagen? – wie die Lords. Ein richtiges, wohlgeordnetes System hatten sie daraus gemacht. Jedem Viehzüchter nahmen sie ein gewisses Teil von seinen Herden weg, und niemand verlor mehr ein Wort darüber. Man kam doch nicht dagegen an. Direkt großartig hatten sie das alles eingerichtet, die Mauricios. Sie nahmen nie den Leuten mehr weg, als die ertragen konnten. Und sie ließen nie zu, daß andere Rustler auf ihren Jagdgründen wilderten. Was soll ich Ihnen sagen, Mann, es war beinah, als hätten sie ein legitimes Recht bekommen, auf den Weidegründen, die ihnen früher, nach den Buchstaben des Gesetzes, gehört hatten, Vieh zu stehlen.

Das dauerte so lang, bis Stephen Randal hier in der Gegend auftauchte. Der gab einen Pfifferling auf Tradition. Außer auf solche, die er selbst eingeführt hatte. Das erste, was er tut, ist, die Mündungen von all den Cañons abzuriegeln, die auf den Sauerbach hinausgingen. Es war kein leichtes Stück, aber er tat, was er konnte. Und bloß für diese Sache nahm er so rund hundert Leute in Dienst. Was Stephen Randal war, der gab dafür das Geld in Scheffeln aus, aber es reute ihn nicht. Und der Zufall kam ihm zu Hilfe.

Die Familie Mauricio, die war damals durch zwei Brüder vertreten. Valentin und Gaspar hießen die zwei. Valentin, der hatte mehr Grütze im Kopf, was Gaspar war, der konnte besser mit dem Revolver umgehen. Was soll ich Ihnen sagen? Eines schönen Tages geraten eben dieser Gaspar und Stephen Randal einander in die Haare, und Stephen schießt den Mexikaner über den Haufen. Dem Valentin Mauricio fuhr die kleine Episode ein mächtiges bißchen in die Glieder. Er hätte weiter wildern können, solang er wollte, trotz der hundert Mann, die Stephen Randal eingestellt hatte, aber er hatte nicht die richtige Lust und das Vergnügen dran, dem großmächtigen Stephen Randal auf die Hühneraugen zu treten.

So verzieht er sich denn sachte nach dem Süden hinunter, nach Mexiko, und seine Nichte Leonor (was die Tochter war von dem erschossenen Gaspar), die nimmt er mit. Drunten in Mexiko versuchte er sich im Silbergeschäft – er plünderte die Maultierzüge, die von den Silberminen oben in den Gebirgen herunterkommen, und er schnitt dabei recht günstig ab. Aber der Weidedistrikt hier oben, nach dem hatte er immer so eine stille Sehnsucht. Sie müssen wissen – nicht wahr – es war der Wohnsitz seiner Väter gewesen! Und so trug er sich mit dem Gedanken, in die Gegend am Sauerbach zurückzukommen. Aber er hatte sich ausgedacht, um mit Stephen Randal fertig zu werden, braucht er einen Bundesgenossen, der ihm das Geschäft abnimmt. Und das Schicksal wollte, daß er den richtigen Mann auch fand.

Seine Nichte Leonor, die wuchs allmählich heran, und ein mächtig hübsches Frauenzimmer versprach sie zu werden, wie die Leute erzählen. Was soll ich Ihnen sagen, sie verdrehte einem Kerl den Kopf, der als der hübscheste, wildeste und nichtsnutzigste Bursche von ganz Mexiko bekannt war. Sie wissen doch, wen ich meine? Pablo Almadares!

Ich denke mir, Mann, Sie müssen doch von Pablo Almadares gehört haben. Die Leute, die redeten über ihn wie über so eine Figur in einem Geschichtenbuch. Und, Mann, das war auch so. Der war wie so ein Kerl aus einem Geschichtenbuch. Also, mein Almadares, der verliebt sich sterblich in das Mädchen. Sagt der alte Knabe, der Valentin Mauricio, zu ihm: »Ich gebe Euch die Hand meiner Nichte, aber vorher müßt Ihr für mich da oben im Sauerbachtal ein bißchen mit Hand anlegen helfen.«

Gesagt, getan, wie es im Buche heißt. Almadares und er setzten sich in den Sattel, und sie landeten hier in der Gegend, kurz bevor Stephen Randal starb. Mann, das war verdammt blöd. Darüber waren sich die Leute hierherum alle einig. Daß die beiden keinen Tanz miteinander haben sollten, der Stephen Randal und der Almadares, das war jammerschade, darüber konnte man weinen. Natürlich hätte Almadares schließlich die Oberhand behalten. Das war so ein Kerl, der behielt immer die Oberhand. Wie es das Schicksal fügte, kam's aber nicht dazu, und Stephen Randal starb friedlich in seinem Bett. Er war noch nicht kalt, sozusagen, da machte Almadares einen großen Raubzug und sackte eine ganz unmäßige Masse von Ochsen und Kühen ein. Von der Randalranch und von anderen.

Danach wurde es plötzlich wieder still, scheint mir, der Almadares hatte nun richtig geheiratet und eine kleine Hochzeitsreise nach Mexiko gemacht. Bloß vor kurzem, da war der Rummel von neuem losgegangen, und jetzt war's auf der Ranch schon so, als würden die Herden an der Sonne schmelzen.

*

Das war nun eine nette Bescherung, das. Es war schon ein nettes Bildchen gewesen, was mir Randal unten in Sauerstadt entworfen hatte, aber der Rahmen, den er jetzt dazu lieferte – du lieber Himmel – ich war ganz hilflos. Die Sache war ja so einfach! Ich sollte ja bloß dem Chef von einer Firma zum Ruhestand verhelfen, von einer Firma, die das Viehstehlen betrieben hatte, sozusagen seit der Zeit, wo Noah seine Windeln naßgemacht hatte. Sagt Randal:

»Nun hör mal, Mensch«, sagt er. »Wo wir über die Sache reden, kannst du mir gleich offen heraus sagen, ob bei dir in der Beziehung etwas faul ist im Staate Dänemark. Wie? Denn, Mann, wenn's so ist, dann erzählst du mir es besser gleich. Verstehst du? Eh mir das Herz ganz in die Hosen fällt.«

»Mensch!« sage ich. »Es gibt ehrliche, gute amerikanische Dollarscheine, und es gibt dreckiges mexikanisches Papiergeld. Manchmal brauchst du hundert von den Mexikanern ihren gedruckten Dollars, wenn du hundert anständige amerikanische Cents zusammenkriegen willst. Mensch, mit dem Ruf, den einer hat, das ist manchmal genau so! Da kann einer südlich von Rio Grande schon für eine mächtige Nummer gelten, für einen richtigen Menschenfresser kann er gelten, und wenn er übern Fluß kommt und man besieht sich den Kerl, dann ist er doch nicht mehr als ein dreckiger Bluff. Komm her, alter Junge, nun rück mal mit der Sprache raus und gib selbst zu, daß deine mexikanischen Bösewichte hier noch ein gut Teil mehr mexikanisch als Bösewichte sind. Versteh mich! So recht von Herzen hinterhältig und heimtückisch und übel, aber nichts, was ein richtiger Mann gefährlich nennen ...«

»O du Gringohund!« hör ich da eine Stimme an meinem Ohr, eine richtige Gespensterstimme. »Hör, was ich dir sage! Wenn Pablo Almadares auszieht und sich auf deine Fährte setzt, dann wird dir's nicht im Traum einfallen, dich zum Kampfe zu stellen wie bei Rusty McArdle. Nein! Umdrehn wirst du und davonlaufen wie ein Kojote, der die Peitsche gekostet hat. Aber dann wirst du's erleben, wie rasch und wie leicht er dich zu fassen kriegt und wie er dich abschlachtet, denn du bist ein Gringo! Gringo! Gringo! Und ein Schwein!«

Das war Pepillo. Der hatte sauer reagiert. Ganz vergessen hatte ich, daß er ein Mexikaner war. Du lieber Himmel! Jetzt kam ich mir gewaltig schäbig und gemein vor. Sage ich:

»Pepillo«, sage ich, »verdammter kleiner Blauhäher, ich habe rein vergessen, daß es irgendein Volk gibt, wo du hingehörst. Ganz vergessen hab ich, daß du von den Schmierfinken abstammst. Aber du bist eine Ausnahme. Die ganze übrige Bande, die ist keinen Grashalm wert. Aber du, Pepillo, du bist die strahlende Ausnahme unter der ganzen Rasselbande.«

Ich hatt' mir eingebildet, wenn ich ihm das sage, beruhigt's ihn wieder ein bißchen, aber, Mann, den hatte ich so gallig gemacht, der war richtig auf dem Siedepunkt.

»Gott sei Dank!« sagt er. »Der Herr im Himmel sei gelobt! Wir leben nicht um schmieriger Dollars willen. Wir leben für den Ruhm! Und Mexiko – Mexiko ist eine Nation von Kriegern.«

Mann, das hätten Sie sehen sollen, wie der Kobold dastand, den Kopf in den Nacken geschmissen und beinah verklärt. Mann, man hätte sich einbilden können, man müßte Mitleid haben mit allem und jedem, der nicht Mexikaner ist.

Und dann, dann reißt das Küken die Augen auf und funkelt mich förmlich an:

»Aber ihr – du Yankeeschwein, du Yankeehund! Pfui! Ich hasse euch, ich verachte euch wie den Schmutz unter meinen Füßen!«

Und fährt auf dem Absatz rum und geht auf die Tür los.

Ruf ich: »Hör mal, Pepillo!« ruf ich. »Verdamm mich, es tut mir leid.«

Aber da hilft nichts, er sieht sich nicht um. Wie der Blitz war er durch die Tür und die Treppe hinauf. Ich nach wie eine Schnellzugslokomotive. Bums, schmeißt er mir die Tür von meinem Zimmer vor der Nase zu, und der Schlüssel knirscht im Schloß.

Sage ich: »Pepillo«, sage ich. »Du wirst doch nicht so ein verdammter kleiner Affe sein und mir davonlaufen?«

»Was macht das schon aus?« sagt der von drinnen. »Ich bin ja bloß ein Schmierfink, ich bin ja bloß ein Mexikaner. Was kann Euch mein Tun und Lassen schon ausmachen?«

»Küken«, sag ich, »Küken, wenn du mir anfängst und heulst, dann kann ich nicht anders, dann tret ich die Tür ein.«

Ich kann Ihnen sagen, Mann, da war ich ihm wieder mächtig auf die Zehen getreten, dem Pepillo. Der heulte förmlich vor Wut. Brüllt er:

»Ich denk nicht dran zu weinen!« brüllt er. »Bloß umkommen könnt ich vor Zorn, daß ich's geduldet habe, daß so ein Stück Vieh meiner Ehre zu nahe treten durfte. Mein Messer hätt' ich Euch in den Rücken stoßen sollen. Und ich denk nicht dran zu weinen!«

Und, o Mann, bei alledem flackerte seine Stimme wie nicht gescheit, bald war's beinah ein Stöhnen, bald wollte sie umschlagen, da konnte er sich Mühe geben, soviel er wollte.

Sag ich – und rassel an dem Schloß wie verrückt: »Pepillo«, sag ich, »ich will mich auch entschuldigen. Es tut mir leid. Ich will, daß du mir verzeihst, Pepillo.«

»Ah«, sagt Pepillo hinter der Tür, »ah, was kümmert's mich, ob's Euch leid tut. Weiß Gott, mich kümmert das nicht soo viel! Ich werd' Euch nie wieder unter die Augen kommen.«

Ich steh da und denk nach. Ich seh klar: ich war ganz verrückt mit dem kleinen Teufel, irgendwie hatte er sich mir ins Herz geschlichen. Und dann, Mann, war da noch eins. Ich hatte mir richtig angewöhnt, mich auf ihn in allem zu verlassen. Ich hatt' mich dran gewöhnt, mich an ihn zu wenden, damit er mir das Nachdenken abnimmt. Aber jetzt, da ging mir ein Licht auf. Ich sah, daß ich den Burschen ganz abscheulich verzogen hatte. Ich hatte den so verwöhnt – wenn ich da noch lange stand und machte ein süßes Mündchen und beschwichtigte ihn –, das konnte nicht so weitergehn. Da geriet mir der Junge ja auf die Dauer so außer Rand und Band, daß kein Auskommen mehr mit ihm war.

Also stell ich mich hin und sag: »Nun tu, was du willst. Tut mir mächtig leid, daß ich deinem Vaterland eins ausgewischt hab. Ich haß die Idee, daß du davonlaufen willst. Ich kann dich verdammt gut leiden, Küken. Aber du brauchst dir nicht einzubilden, daß ich dich wie ein Baby behandeln werde. Du kannst abdampfen, wenn du dir's in den Kopf gesetzt hast, aber wenn du mal weg bist, dann kannst du verdammt davon überzeugt sein, daß ich dir nicht nachgelaufen komme und bitte, du sollst zurückkehren.«

Pepillo lacht auf hinter seiner Tür, so recht höhnisch, Mann, das hallte in mir wider, so gespenstisch wie in einem leeren Haus. Und wie ich die Treppen wieder herunterstieg, war mir's erheblich schwermütig ums Herz.

Wie ich ins Zimmer zurückkomm, glotzt mich der Randal an und macht so ein recht verächtliches Gesicht. Sagt er:

»Bist du hingegangen«, sagt er, »und hast dein Baby trockengelegt? Mensch, ich sag dir, wenn so ein Lausejunge mir gegenüber nur halb soviel riskieren würde, ich wollte ihn in zwei Hälften zerreißen und rechts und links an die Türpfosten nageln. Du läßt dich zum Narren machen, Mann.«

Ich konnt mich nicht traun, den Mund auch nur aufzutun. Das machte mich so fuchsteufelswild, daß der Kerl sich hersetzt und mir sagen will, wie ich mit Pepillo umzugehn hätte. Ich wär glattweg explodiert. Mann, ich wäre dem Kerl sofort an den Hals gefahren. Also begnüg ich mich damit und versetz ihm bloß so einen recht niederträchtigen Blick. Es langte hin, um ihn wieder ein bißchen zur Besinnung zu bringen.

Sagt er: »Wollen wir weiterreden, wo wir stehengeblieben sind. Du wolltest von mir wissen, wie das mit den Mexikanern ist, mit denen wir's hier zu tun haben – du wolltest wissen, ob es die richtige Sorte Kerle ist oder so ein aufgeblasener Humbug.«

Sage ich: »Just das wollt ich wissen. Darauf kommt's gewaltig an.«

Sagt Randal: »Well«, sagt er, »ich weiß nicht, wo in den Viehdistrikten du aufgewachsen bist; für meinen Teil jedenfalls weiß ich, daß so ein Mexikaner im Durchschnitt genau so entschlossen und draufgängerisch und zäh und niederträchtig gerissen ist wie der größte Yankee, der je gelebt hat. Da weiß ich Bescheid. Ich habe mit den Leuten mein ganzes Leben lang zu tun gehabt. Aber es kann ja sein, daß du andere Erfahrungen mit ihnen gemacht hast.«

Das stimmte. Die Mexikaner, die hatten immer eine richtige Vorliebe für mich, das heißt eine richtige Vorliebe dafür, mich als Nadelkissen zu benutzen. Bloß die Nadeln, die sie in mich zu pieken versuchten, die waren aus gutem, scharfgeschliffenem Stahl gemacht und zum größten Teil lang genug, um einen ums Leben zu bringen. Selbst mit dem Küken war's keine Ausnahme! Immer, wenn mir ein Großer über den Weg lief, sausten Messer in der Luft herum.

Alles, was ich Randal antwortete, ist: »Die Kerle haben eine Vorliebe für das Messer. Und ich kann dir sagen, ein Mann, der das Messer auf mich zückt, den lösch ich aus.«

»So?« sagt Randal. »Hast du das vielleicht schon mal getan?«

Er sagt das so beiläufig und gar nicht laut; es fiel mir gar nicht besonders auf. Sag ich:

»Bloß deswegen«, sag ich, »hab ich fünfen das Lebenslicht ausgeblasen, und es kommt mir so vor, als wären noch ein paar mehr an der Reihe, eh' ich ...«

Ich brach kurz ab. Mir war just eingefallen, daß ich schon viel zuviel gesagt hatte. Ich steh auf und funkel den Randal an. Aber der war mächtig zufrieden mit sich selbst. Er lehnt sich in seinen Stuhl zurück und reibt so recht zufrieden die Hände aneinander.

»Allright!« sagt Randal. »Ich hab ein Schloß vorm Mund! Du wirst doch nicht denken, daß ich was über dich erzählen werde? Aber es scheint mir, der Richter unten in der Stadt, der hat doch einen ganzen Teil von deiner Lebensgeschichte nicht gekannt! Was? Mir scheint, was du in der Stadt angerichtet hast, das war wohl nur so ein kleiner Urlaubsausflug! Das war wohl nur so eine kleine Ausspannung nach der reellen Arbeit. Du brauchst gar nichts zu sagen, Bubi, brauchst dich nicht zu entschuldigen. Bloß, ganz gut, daß ich's weiß. Jetzt seh ich doch, daß du Grund hast, auf die Greasers giftig zu sein. Nehme an, es gibt unter ihnen auch eine ganze Anzahl, die dich nicht besonders ins Herz geschlossen haben.«

Ja, das mußt ich zugeben: »Mann«, sage ich, »von hier bis Mexiko sind sie alle miteinander giftig auf mich. Mächtig stolz bin ich drauf, Mann, aber das muß ich zugeben, es kostet mich gelegentlich eine schlaflose Viertelstunde. Aber was hast du mir noch über die Kerls da, den Valentin Mauricio und den Pablo Almadares, zu erzählen?«

Sagt Harry Randal: »Valentin«, sagt er, »ist ein mächtig kühler und gelassener Bursche, mit einem pfiffigen Kopf auf seinen Schultern. Er weiß, wie man sich zur Wehr setzt. Aber aggressiv ist er nicht, wenn er keinen bei der Hand hat, der ihm die Arbeit abnimmt. Sein Bruder, der Gaspar, der jetzt erschossen ist, das war so ein richtiger Bluthund, und der führte die Pläne aus, die Valentin für ihn machte. Mit Pablo Almadares ist das was anderes. Das ist ein regulärer Gentleman. Der ist unter die Halunken gegangen, bloß weil's ihm Spaß macht. Man erzählt sich, daß er einen sehr angesehenen Namen und einen noch ansehnlicheren Besitz im alten Mexiko drunten sein eigen nennt. Der Mann, mußt du wissen, der hat einen gut Teil bestes, spanisches Blut in den Adern. Aber wie er da ist, ist er als Unruhstifter geboren. Der liebt den Krakeel. Der ist mehr drauf aus, als du und McArdle zusammengenommen, und ich kann nicht sagen, daß es ihm Verlegenheit macht, eine Gelegenheit für seine Talente zu finden. Was die Bundesregierung ist in Mexiko, die hat einen Preis auf seinen Kopf gesetzt, und in einem halben Dutzend von den mexikanischen Staaten zahlt dir der Gouverneur noch eine fette Extravergütung obendrein, wenn du den Almadares angeschleppt bringst. Mußt nicht meinen, daß der Pablo Almadares so etwas schwefelgelb gemein Giftiges an sich hat. Aber gefährlich ist der Mann! Gefährlich, da reicht kein Wort ran! Ich will dir sagen, wie ich erst raus hatte, wer das ist, der Almadares, da hab ich den Boys hier auf meiner Ranch derart die Zügel freigegeben. Ich dachte, es ist noch immer besser, sie nehmen sich was mit mir heraus, als daß der Almadares kommt und nimmt sich das ganze verdammte Loch samt den Kühen, die drauf weiden.«

So war das auch, wie ich dasaß und dem Randal zuhörte.

Der Randal, das war ein Kerl, dem war das Aufschneiden zur zweiten Natur geworden. Aber was er da über Almadares erzählte – Mensch, ich kannte mich aus –, das klang echt wie Gold. Jawohl, Verehrter, von dem Augenblick an wußt ich, wenn ich mit dem Almadares zusammengeriet, dann flogen die Fetzen meilenweit.

*

Nun, Mann, Sie werden schon selbst gemerkt haben, die ganze Zeit, wie wir da redeten, hatte mein Randal es gut verstanden, seine Freude über den Tanz mit Rusty McArdle bei sich zu behalten. Aber ich nahm ihm das nicht weiter übel. Man kann von einem Litermaß nicht verlangen, daß ein ganzes Faß hineingeht. Mann, es war in dem ganzen Kerl, dem Randal, eben überhaupt kein Platz für irgendein anständiges und nobles Gefühl, das ihn dazu gebracht hätte, mir ein bißchen Lob zuteil werden zu lassen. Der stellte sich so an, als wollte er mir bedeuten, ich hätte den ersten Teil meiner Arbeit ganz leidlich hinter mich gebracht, aber ich hätte noch ein ganz verdammtes Ende mehr zu erledigen.

Sobald ich die Tür hinter mir zumachte, hatte ich den ganzen Kerl glattweg vergessen. Ich hatte eine ganze Weile länger unten bleiben müssen, als ich wollte, und just in diesem Augenblick stand's so mit mir, ich hätte lieber meine Hoffnung auf die Ranch aufgegeben, die ich bekommen sollte, als mich von dem Küken zu trennen, soviel bedeutete das kleine Aas für mich.

Ich probier an der Tür. Sie war noch immer verschlossen, und ich sah auch kein Licht durch den Türspalt schimmern. Das sah böse aus. Ich geh runter und ums Haus rum, und wie ich grade unter meinem Fenster vorbeigeh, stoß ich mit dem Fuß an ein Ding, das klirrt. Ich bück mich und heb's auf und seh, es ist der Schlüssel von meinem Zimmer. Das war 'ne Entdeckung, die machte mir übler zumut als alles andere. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, daß das Küken aus dem Fenster gestiegen und an der Dachrinne heruntergerutscht war. Für so einen flinken, kleinen Affen war das kein besonderes Kunststück, und dann hatte er den Schlüssel weggeschmissen und war abgedampft.

Ich besinn mich nicht lang, ich klettre zu dem Rohr hinauf. Das war ein weitaus einfacheres Verfahren, als erst ums Haus herumzulaufen und die Treppe hinaufzugehen. Wie ich oben bin, schieb ich den Kopf durchs Fenster und war angenehm überrascht. Es war nicht viel Mondschein den Abend – grad so eine dünne Sichel, und hoch stand er auch nicht – aber es war genug Licht, um sehen zu können, daß Pepillo auf dem Bett lag, bäuchlings.

Wie er mich zu Gesicht kriegt, saust er hoch und krakeelt los.

»Ich wünsche«, brüllt er, »dies Zimmer zu verlassen, Señor, ich – ich habe den Schlüssel verloren – und – und ich hab mich nicht getraut, außen am Haus herunterzuklettern. Ah – sonst hättet Ihr mich nicht wieder zu Gesicht gekriegt, Gringoteufel!«

Es war hübsch dunkel im Zimmer, und er sah nicht, wie ich grinsen mußte, und ich war recht froh darüber. Denn wenn er gemerkt hätte, ich hab ihn durchschaut, dann wär's gewiß für immer und ewig zwischen uns zu Ende gewesen. Auf alle Fälle, es war verdammt leicht festzustellen, was vorgegangen war. Es war ihm doch mächtig schwer angekommen, das Haus und mich hinter sich zu lassen, und da hatte er sich den Kniff ausgedacht, um dableiben zu können. Er hatte den Schlüssel aus dem Fenster geworfen, um zu behaupten, er hätte ihn verloren und er traute sich nicht, aus dem Fenster zu klettern.

Das fuhr mir sofort durch den Kopf. Aber ich sah auch ganz deutlich, wenn ich das Küken ein für allemal los sein wollte, da braucht ich ihn nur sehen zu lassen, wie gut ich es durchschaut hatte. Und da können Sie Gift drauf nehmen, ich war gar nicht drauf aus, ihn loszuwerden.

Also sag ich weiter nichts als: »Allright, Sonny, allright, Sonny. Aber hast du nicht eine Ahnung, was du mit dem Schlüssel angestellt haben kannst?«

»Señor«, sagt Pepillo, »wenn ich das wüßte, hätt' ich ihn dann nicht auch finden können, so daß ich Euch und allen anderen Hunden von Gringos, die ich hasse, nicht mehr hätte unter die Augen zu kommen brauchen?«

»Das ist ordentlich gemein gesprochen, Pepillo«, sag ich, »aber ich möchte, du vergißt, was ich vorhin gesagt habe«, sage ich, und setze mich so nah zu ihm hin, wie ich mich traue. »Ich will dir was sagen, Pepillo, jeder hat seine eigne Art, wie er sich zu den Leuten stellt. Was so ein richtig nobler Gent mit einer Erziehung ist, der sein halbes Leben in der Welt herumgereist ist – der hat so eine leichte weltmännische Art, wie er sich zu Fremden stellt. Das läßt ihn ganz kalt, ob einer verrücktes Zeug schwätzt oder wie ein Narr angezogen geht und mit dem Gabelstiel ißt, statt mit den Zinken. Verstehst du mich? Aber wenn du hergehst und nimmst so einen richtigen gewöhnlichen alltäglichen Burschen, der nicht viel auf Reisen gekommen ist, der ist für Absonderlichkeiten nicht zu haben, der will seine Bohnen mit Speck bis auf den I-Punkt genau so wie er's gewohnt ist, sonst hungert er sich lieber zu Tod, und wenn's ihm zustößt und er trifft mit einem Kerl zusammen, der andere Kleider auf dem Rücken hat als er, und redet eine andre Sprache als er, und setzt seine Füße anders als er – Gottes Donner – so einen Kerl, den kann er einfach nicht ausstehn, und wenn er ihm nicht ins Gesicht lacht –, auf alle Fälle hat er Lust, ihm am liebsten den Hals umzudrehn. Well«, sage ich, »Pepillo, das mußt du wissen, so einer bin ich. So ein richtiges, gewöhnliches, unerzogenes Menschenkind, das keine Bildung nicht hat. Das siehst du doch! Denke, im großen und ganzen hab ich gar keine so große Galle auf die Greasers – die Mexikaner, wollt ich sagen. Aber sie haben so eine Art am Leib, mit ihren Messern herumzuhantieren – das wirst du doch zugeben –, und wenn an einem schon so herumtranchiert worden ist, wie an mir, weißt du ...«

»Ah«, sagt mein Pepillo, »ah. Einer von meinen Landsleuten hat Euch einen Stich versetzt?«

»Ob einer von deinen Landsleuten mir einen Stich versetzt hat?« sage ich. »Stell mir her, wen du willst«, sage ich, »und ich kann ihm erzählen, wie mir einer von deinen Landsleuten einen Stich versetzt hat. Paß auf, ich zeig dir's.«

Ich steck die Lampe an, und wie sie richtig brennt, dreh ich mich nach Pepillo herum. Er hält sich möglichst hinten im Schatten. Ich seh gleich, er möchte auf keinen Fall zu nahe an mich rankommen. Und ich muß sagen, ich wundere mich darüber erheblich. Was soll ich Ihnen sagen – zuerst zeigte ich ihm eine Stelle innen in meiner linken Hand. Da war eine große weiße Narbe, die kam daher, daß ich einem Greaser sein Messer hatte festhalten müssen, während er gerade auf meiner Brust kniete.

»Well«, sagt Pepillo, mächtig kratzbürstig, »Ihr habt wohl so eine Gewohnheit, die Messer von fremden Leuten in die Hand zu nehmen.«

Sage ich: »Der Gent«, sage ich, »wo das Messer hatte, der saß auf meiner Brust, und einer von seinen Vettern, der hatte sich auf meinen zwei Füßen niedergelassen, und ein entfernter Verwandter von den beiden, der lief um uns herum und suchte nach einem Revolver, der auf den Boden gefallen war, weil er dachte, auf die Art kriegt er mich am bequemsten zu Tode.«

»Por Dios!« sagt Pepillo, richtig atemlos.

Und mit dem kommt er ins Licht, damit er mich richtig anschaun kann, mich und die Narbe in meiner Hand. Und in dem Augenblick, wie das Lampenlicht auf ihn fällt, da wußt ich, warum dieses Küken sich so vorsichtig im Schatten gehalten hatte. Nämlich, was seine Augen waren, die hatten ganz rote Ränder, und ich sehe gleich, die ganze Zeit, wo ich unten war, da mußte der droben gelegen und geschluchzt haben, und dann hatte er sich in den Schlaf geweint. Der Donner, wir beide, ich und er, wir hatten den Tag über zusammen was durchgemacht!

»Aber wie seid Ihr davongekommen?« rief Pepillo. »Ah, ich weiß, Ihr hattet Freunde in der Nähe, die halfen Euch heraus.«

»Nein«, sage ich, »nein, wir vier waren ganz unter uns. Es war auch noch ein fünfter da, aber der zählte nicht mehr mit, denn den hatt' ich gleich zu Anfang an der richtigen Stelle getroffen.«

»Aber mit drei Mann gegen Euch – und Ihr auf dem Boden – und das gezückte Messer über Euch, nun, Señor Kitchin?«

Und soll mich der Blitz auf der Stelle erschlagen, preßt er doch die Hände zusammen und ringt sie, als wär das Messer drauf und dran, ihn zu treffen. Ein närrischer Kerl war das, mein Blauhäher. Ich hatte noch nie einen Mann oder einen Buben gesehen, der so war wie er.

»Nun, wie das Messer herunterfuhr«, fing ich wieder an, »da packte ich's und bog's zur Seite. Dem Kerl, der auf meinen Füßen saß, dem gab ich einen Fußtritt, daß er beinah mit dem Kopf durch die Wand fuhr, so hatt' ich einen Augenblick Muße, mit dem Kerl abzurechnen, der auf meiner Brust saß. Der mußte auch mit der Wand Bekanntschaft machen, und schließlich gab ich dem Mexikaner Nummer drei was in die Fresse. So hatte ich Zeit, einen Sprung durchs Fenster zu machen und auszurücken. Ich zerriß mein Hemd und verband meine Hand damit, aber der Doktor wohnte fünf Meilen weg, ich war bald ausgeblutet, bis ich hinkam – und nun bist du soweit bedient, Küken, und nun hast du einen Grund, warum ich für Mexikaner nichts übrig hab.«

Seine Augen waren geschlossen. Es schüttelte ihn beinah.

Sagt er, sagt mein Blauhäher: »Ah, ah! Ich fange an zu begreifen!«

Sag ich und knöpf mein Hemd auf: »Und hier kann ich dir noch was anderes zeigen.« Und zeig ihm die Stelle an meinem Brustkasten und rechts über den Rippen, wo ein Buschmesser entlang gefahren war. Pepillo, der machte Augen wie Teetassen.

»Das traf ans Leben!« ruft er. »Wieviel Leben besitzt Ihr eigentlich, Amigo?«

»Nun ja, es war eins von meinen neun«, geb ich ihm zu. »Das will ich dir gern erzählen.«

Aber Pepillo, der streckte beide Hände aus und kniff die Augen zu und schüttelt den Kopf.

»Genug, Señor«, sagt er, »genug. Das viele Gerede von Blut, das geht mir ein bißchen auf die Nerven. Ich mag kein Blut. Ich haß das alles. Ich will keine von Euern Narben mehr sehen. Aber, Señor Kitchin, oft seid Ihr um Haaresbreite am Tod vorbeigekommen!«

»Das muß ich zugeben«, sag ich.

Pepillo, der wurde mächtig ernst.

»Señor«, sagt er, »Ihr müßt wissen, in Mexiko gibt's zweierlei Blut. Es gibt echtes spanisches Blut und es gibt indianisches Blut. Ach, das spanische Blut ist nicht so häufig, wie wir wünschen möchten.«

»Sage, Pepillo«, sage ich, »hast du indianisches Blut?«

»Nicht einen Tropfen!« sagt das Küken, und ich glaubte es ihm. Seine Haut, obwohl olivenfarben, war wundervoll klar. Sagt er:

»Das Leid, das meine Landsleute Euch zugefügt haben, Señor Kitchin ... ich bin traurig darüber.«

Sage ich: »Küken, was sie mir auch zugefügt haben, es wird bei weitem aufgewogen durch das Gute, das du mir getan hast. Gib mir die Hand darauf.«

Und so schüttelten wir uns die Hand, und, Mann, es war doch eine große Sache, daß wir beide, das Küken und ich, wieder Freunde waren.

*

Wenn der Pepillo sich etwas in den Kopf setzte, dann brachte er mehr Dinge zuwege, als Sie sich hätten träumen lassen. Mein Gesicht war schauderhaft zugerichtet, es war entweder purpurn oder blau oder gelb und grün und furchtbar aufgeschwollen, wo McArdles Fäuste eingeschlagen hatten. Und hinten im Kopf, da hatt' ich noch so ein komisches, zittriges Gefühl, wie eine Erinnerung dran, daß er mich leicht hätte auf den Boden legen können zu guter Letzt, wenn er noch einigermaßen auf den Füßen gestanden hätte. Pepillo, der ließ mich sich hinlegen, und dann machte er sich mit kalten Umschlägen an meinem Gesicht zu schaffen, die taten richtig Wunder. Der Schmerz ließ nach, und die Geschwulst ging zurück. Wie er's soweit gebracht hatte, zog er ein Fläschchen mit irgendeinem Einreibemittel aus der Tasche, das Zeug war so scharf, ich sauste nur so in die Höhe, wie ich's auf die Haut bekam. Aber wie er mir's richtig in die Poren gerieben hatte, da fühlte ich mich so wohl und so müde, ich war grad noch fähig, die Kleider herunterzureißen und ins Bett zu plumpsen. Aber Pepillo, der wollte sich nicht hinlegen. Das Bett war, wie ich Ihnen schon gesagt habe, so breit und groß wie der Atlantische Ozean, aber er wollte einfach nicht. Er sagt, er hat so lange im Freien übernachtet, daß er Betten nicht ausstehen kann, und so nimmt er sich das Schaffell, das da als Bettvorleger hingelegt war, auf dem rollt er sich zusammen. Das war wieder so richtig nach seiner Art. Immer mußte er alles anders haben wie andere Leute.

Ich dreh mich eben grade auf die andere Seite und mach die Augen richtig zu, da klopft einer an die Tür und ich hör, wie einer von den Niggers sagt:

»Frühstück in zwanzig Minuten, Sir.«

Sage ich: »Du verdammter schwarzer Schuft«, sag ich, »das soll nun ein Jux sein, mitten in der Nacht einen Mann aus dem Schlaf zu stören – und ...«

»Señor«, sagt Pepillo, »macht die Augen auf.«

Was sollt ich tun? Ich mach sie auf, und ich will erschlagen sein, wenn es nicht hellichter Tag war. Der Himmel im Osten war über und über rosig, und es hing eine Wolke über der Stelle, wo gleich die Sonne herauskommen mußte, die war so hell und strahlte so golden, Sie hätten's nicht geglaubt. Pepillo, der sah aus, als wäre er schon eine Stunde auf den Beinen. Er war frisch wie ein Gänseblümchen. Wenn Sie ihn gesehen hätten, es wär Ihnen nicht im Traum eingefallen, daß wir beide den Tag vorher ein Endchen Hölle auf dem Hals gehabt hätten. Er sagt, er will runtergehn und sich die Gegend ansehn und ich könnte inzwischen aufstehn und mich waschen.

Ich bin grade fertig rasiert und will in den Rock schlüpfen, da hör ich ein großes Gebrüll und dann ein Quietschen, und das Quietschen, dacht ich mir gleich, das muß doch Pepillo sein.

Mit einem Schritt war ich draußen an der Treppe, mit dem zweiten unten, beim dritten steh ich draußen vor dem Haus, und da lümmelt ein Dutzend von den hartgesottenen Kerlen herum und will sich ausschütten vor Lachen. Shorty aber, der schafft sich grade vor mir an einem Baum in die Höhe. Das ging wie der Blitz. Der Kerl hatte solche niederträchtigen Gorillaarme, und keine Armlänge vor ihm sauste das Küken den Stamm hoch, so rasch er nur kann. Ein richtiges Wettrennen war's. Und im Klettern schreit er um Hilfe, als ob er am Spieß steckte:

»Señor, Señor Kitchin, er bringt mich um!«

Wie er mich sieht, hält er sich einen Augenblick fest und macht so eine flehende Bewegung mit der Hand. Auch Shorty, der stutzt einen Moment, just so lange, um einen recht bösartigen Blick nach mir hinunterzuwerfen. Ich seh mir die Cowboys an, die da herumstehn. Die betrachteten mich so lauernd und pfiffig, wie eine Herde Füchse, die zerbrachen sich nun den Kopf, ob und was ich unternehmen werde, um dem Küken zu helfen. Denn das hatten sie schon raus, daß das mein Liebling war.

Ruf ihm hinauf: »Pepillo«, ruf ich, »hier bei mir ist Aufnahmestellung. Wenn du hier zu mir kommst, dann bist du in Sicherheit. Komm du nur her und Shorty wird dich schon in Ruhe lassen. Aber solang du frei herumläufst, da ist nichts zu machen, da muß ich ihm seine Chance lassen, und wenn er dich erwischt, dann ist es deine Schuld.«

Das Ding ging den Burschen um mich herum mächtig gut ein. Sie heulten vor Vergnügen, wie ein Rudel Wölfe.

Pepillo aber, der brüllte noch lauter als die andern:

»Ich bin verraten! Ah, Señor, habt Mitleid! Er bringt mich um!«

Und ich muß schon sagen, ich hatte beinah auch Angst. Shorty, der hatte sein ganzes Leben nicht viel Chance als Kandidat auf einer Schönheitskonkurrenz, aber wie er da am Baum raufsteigt, Mann, ich kann Ihnen sagen, der sah aus wie der Teufel, der einer hungrigen Seele nachgeht, – aus der freien Hand und mit einem groben Bleistift gezeichnet. Wenn der das Küken in seine fürchterlichen Pranken kriegte, dann zerbrach er ihm die Knochen. Und trotzdem war's nun mal so. Früher oder später mußte Pepillo seine Lektion bekommen.

Wie das Bübchen den Baum hinaufturnte, das war reineweg zum Erstaunen, und trotzdem steh ich da und wundere mich immer, daß er es noch fertigbringt, außer Reichweite von Shorty zu bleiben. Es dauert nicht lange, so klettert er droben auf einen großen Ast hinaus, und wie er gar nicht mehr weiter kann und fast am Ende ist, hält er sich mit den Händen fest und läßt sich vom Ast heruntergleiten. Da hängt er nun.

»Shorty«, heult der Kleine, »wenn der Zweig bricht, brechen wir beide den Hals.«

»Was mir das schon ausmacht!« sagt Shorty. »Mir ist alles recht, wenn du bloß vor mir zum Teufel gehst!«

Der Mann meinte es ernst. Denke, er hat die ganze Nacht über zwei Dingen gebrütet. Das eine war, wie ich ihn die Treppe hinuntergefeuert hab, und das zweite, wie er von Pepillo mit dem Handschuh eins rübergekriegt hatte. Und da er sich an mich nicht mehr recht rantraute, wollt er seine Wut an dem Küken auslassen.

»Señor Kitchin«, heult Pepillo zu mir herunter.

Mir stand das Haar zu Berge. Mir wurde direkt übel. Die Sache wurde ernst. Wenn er da herunterfiel, war er tot.

»Shorty«, brüllt da McArdle – er bog grade ums Haus. »Laß den Jung in Ruh! Komm da herunter oder du jagst ihn in den Tod.«

»Kümmer du dich um deine Sachen!« sagt Shorty so ganz still und tückisch.

»Geh da runter oder der Donner soll dich gleich!« brüllt Rusty McArdle. Und verdammt will ich sein, wenn er nicht die Pistole herauszog.

»Hund du! Schieß doch!« brüllt Shorty herunter und schiebt sich immer weiter auf den Zweig hinaus. Da bin ich sicher, McArdle, der hätte geschossen, ohne weiteres – vielleicht hätte er versucht, ihn ins Bein zu treffen –, aber geschossen hätte er. Denn ganz gewiß, es sah aus, als müßte das Küken herunterschlagen und sich den Hals brechen. Aber ich pack ihm den Revolver und sage:

»Rusty«, sage ich, »Rusty, es ist brav von dir, daß du dich für den Jung ins Mittel legst. Was ich bin, mir ist das Küken noch mehr ans Herz gewachsen wie dir, aber er ist noch ein Junge, und er muß die Suppe auslöffeln, die er sich eingebrockt hat.«

Sagt er, sagt Rusty: »Allright, Chef«, und steckt die Pistole wieder weg. Sagt er: »Kalkuliere, im großen und ganzen wird es für uns beide nicht mehr so schwer sein, uns zu verstehn.«

Ich hätt's nicht für möglich gehalten, Mann, daß es ein Küken geben könnte, das soviel Bravour im Leibe hat. Aber Pepillo, der hatte Bravour! Der Donner, der wollte lieber sterben, als Shorty in die Hände fallen! Er ließ den Zweig los, an dem er sich gehalten hatte – und, Mann, das war kein Bäumchen, wo er dran hing, das war ein richtiger, alter Riese – und läßt sich fallen. Ich denke, er ist so gut wie tot.

Aber da war viel gefehlt. Er langt nach einem Ast aus, der ein Stückchen tiefer herausstand. Mitten im Fallen hascht er danach, und der Ast, der bricht glatt ab, aber die Wucht des Falles, die war gebrochen, und er glitt auf den Boden herunter und landet sicher wie eine Katze. Shorty, der war noch immer hinter ihm her, der rutschte von Zweig zu Zweig nach wie ein Affe. Aber bis er auf den Boden kam, war das Küken schon beinah, wo ich stand. Shorty schnellte sich ihm nach, wie so ein gieriger Hecht, der aus dem Wasser springt, aber Pepillo, der kam dahergesaust, wie ein Vogel mit ausgebreiteten Flügeln dahersegelt. Mann, der Junge hatte nur zur Hälfte Angst, zur Hälfte war's ein grandioser Jux für ihn.

Wie er ankommt, packt er mich am Gurt und hält sich da fest, und dabei tanzt er vor Angst und vor Vergnügen, und macht Shorty eine lange Nase.

Shorty, der stand da und schnaufte. Das Blut stieg ihm zu Kopf, und die Augen traten ihm heraus. Er tastet nach dem Gürtel, und einen Augenblick lang denke ich, es wird Zeit, daß ich nach meinem Revolver gehe. Mann, wenn das so gekommen wäre, mit meinem Dasein auf der Ranch hätt's ein Ende gehabt.

Mann, wer, denken Sie, hätt mir aus der Klemme geholfen? Der Donner, und wenn Sie tausend Jahre dranwenden, Sie kriegen's nicht von selbst heraus, wenn ich's Ihnen nicht schwarz auf weiß erzähle, daß es Rusty McArdle war. Der stellt sich hin und sagt:

»Mach keinen Mist, alter Knabe! Greif dir mal an die Nuß und denk mal ein bißchen nach. Der Gelbschädel, der hat sich nicht eingemischt und hat dir deine Chance mit Pepillo gelassen. Nun laß du Pepillo auch seine Chance.«

Shorty, Mann, der braucht 'ne ganze Weile, bis er allen Dampf abgelassen hatte. Mann, das war so ein Kerl, der war so versessen auf Streit, wenn der mal so richtig auf Touren gekommen war, da konnt er so leicht nicht abbremsen. Der Kerl schwoll förmlich auf vor Kampfzorn. Und dann fängt er an und zittert an allen Gliedern und fliegt nur so und torkelt hin und her, und seine Augen verdrehen sich, es war kein schöner Anblick, da können Sie Gift draufnehmen. Schließlich, da wirft er mit einem Auge einen Blick nach den andern Kerlen hin, als wollte er hören, wie sie zu der Sache stehn. Aber die waren alle derselben Meinung.

»Du hast deine Chance gehabt, Shorty«, sagten sie, »Mann, nun sei ein anständiger Kerl und laß das Küken in Ruhe, nicht wahr?«

Shorty, der steht da und trocknet sich die Stirn. Dann kommt er ran und stellt sich dicht vor mich hin.

»Gelbschädel«, sagt er, weiß der Teufel, wo die Kerle den Namen schon her hatten, »Gelbschädel, ich habe den andern ausgerichtet, was Ihr mir aufgetragen habt, und gestern nacht, da haben wir uns zusammengesetzt und waren uns darüber einig, wir wollten eher dafür sorgen, daß Euch der Teufel holt, als uns in dieser Art den Stuhl vor die Tür setzen lassen. Wir haben gesagt, der Teufel soll uns holen, wenn wir hier noch eine Hand zur Arbeit rühren und gewiß nicht für Euch. Well, just jetzt weiß ich nicht, wie die andre Bande über den Fall denkt. Aber soweit 's auf meine Rechnung kommt, so kann ich nur sagen, es ist ein mächtig feiner Zug an Euch, daß Ihr auf Gerechtigkeit gehalten habt zwischen mir und dem Küken da. Mann, das hat mir's mordsmäßig angetan. Gelbschädel«, sagt er, »Gelbschädel, was ich bin, ich weiß, was ich tue, ich bleib auf der Ranch und arbeit für Euch, und meinetwegen können die andern alle zusammen machen, was ihnen Spaß macht. Ich pfeif drauf! Für mich ist das Schlafhaus bei weitem gut genug.«

Das war nun so eine kleine Rede, für die hätt' ich Shorty segnen mögen. Hätte ganz gut sein können, daß unter den Kerlen einer oder der andre war, der sich zu gut vorkam, von mir Weisungen entgegenzunehmen, aber jetzt, wo der Shorty herging und ihnen das Beispiel gab, da war das ein Entschluß, der keinem mehr so schwerfallen konnte.

Aber der Shorty, der war noch nicht zu Ende. »Was ich zu sagen hab, Gelbschädel«, sagt er, »das ist: das Küken, das hat noch bei mir 'ne Rechnung anstehn, und wenn ich ihn allein erwische, kriegt er's besorgt. Ist's nun glatt zwischen uns?«

»Shorty«, sage ich, »nun hast du schon einmal gesehn, wie ich zu dem Ding stehe und da hat sich nichts geändert. Das ist klar wie der Tag, daß das Küken von dir noch was zu erwarten hat.«

Pepillo, der schneidet Gesichter und fängt an zu schnattern wie ein Affe. Aber was Rusty ist, der sagt:

»Die Klappe zu, Pepillo! Von Rechts wegen müßte man eine Reitpeitsche nehmen und dir damit den Rücken zu Fetzen bläuen.«

Und zu mir sagt er:

»Gelbschädel«, sagt er, »gestern abend da dacht ich, das einzige Mal, wo ich noch ertrage, dein Gesicht zu sehn, wird sein, wenn ich's über'n Pistolenlauf anvisiere. Well«, sagt er, »Sonny«, sagt er, »ich weiß nicht recht warum, aber jetzt ist mir ganz anders ums Herz. Vergangene Nacht, da hast du mir eine ordentliche Tracht versetzt. Ich dachte gestern, ein bißchen Glück wär auch dabei gewesen, dachte, wenn ich mich ein bißchen geschont hätte und wär nicht so drauflosgegangen, ich hätt' dich schließlich stillgemacht. Aber das ist vorbei. Ich hab's eben nicht getan. Nun will ich dir was sagen, Gelbschädel«, sagt er, »bei Licht besehn, bin ich nicht viel wert auf einer Ranch, ich kann nicht mit dem Lasso umgehn, und im Triftreiten bin ich auch keine große Nummer, aber«, sagt er, »mag sein«, sagt er, »daß du doch eine Verwendung für mich hast, wo ich was leisten kann, und wenn's so ist, will ich gern hierbleiben, wie die andern.«

Mann, einen richtigen Schreck kriegt ich, wie ich ihn so reden hör. Denke bei mir, was hättest du an seiner Stelle getan? Mann, ich hätte bei Nacht und Nebel meine Decken zusammengerollt und wär auf und davon. Und wenn ich den Mut gehabt hätte zu bleiben, dann hätt' ich's bloß getan, um den ganzen Kampf noch einmal zu probieren, aber Rusty McArdle war von einer anderen Sorte. Dem hatten sie im Boxring beigebracht, daß man auch mal Dresche kriegen kann und sie hinnimmt wie ein Mann. Der Donner, von dem Augenblick an stieg Rusty ein mächtiges Stück in meiner Achtung. Ich schüttel ihm die Hand. Sage ich:

»Rusty«, sage ich, »kann nur sagen, es ist mir nie einer unter die Augen gekommen, den ich lieber unter meinen Leuten gehabt hätte als dich. In meinem Leben nicht! Die Sorte Kühe, mit denen du zu tun haben wirst, die haben keine Hörner und fressen kein Gras. Denke, Mann, du weißt, was ich meine! Kann dich verdammt gut hier brauchen. Mann, von mir abgesehen, wird's hier auf der Ranch nur einen geben, der dir was zu sagen haben wird, ahnst du, wen ich meine? Das ist einer, mit dem du schon lange dick bist – Shorty! Nämlich, was Shorty ist, der wird mein Assistent.«

Mann, Sie werden sagen, ich bin ein bißchen hastig gewesen und hab mir einen sonderbaren Vorarbeiter ausgesucht, aber sehn Sie, da irren Sie sich wieder mal. Ich hatte mir das gründlich durch den Kopf gehen lassen. Kann sein, Shorty verstand nicht so viel vom Vieh, wie einer vielleicht verstehen kann, aber das machte mir keine Kopfschmerzen. Sie werden's nicht glauben, aber wie die Ranch war, da hätt' ich mir Rusty McArdle selbst zum Vormann gewünscht. Aber es ging nicht. Er war so grün in dem Handwerk, es hätt' just wie ein fauler Witz gewirkt. Und, Mann, ich legte mächtigen Wert darauf, daß die Jungs sich zunächst mal einbilden sollten, das wichtigste wär, die Herden in Ordnung zu halten, und daß alles andere erst in zweiter Reihe käme, selbst das Raubzeug niederzuhalten, dem der ganze Nachwuchs an Kälbern zum Opfer fiel – egal, ob's Menschen warn oder Wölfe. Wenn also McArdle nicht in Betracht kam, so lag's auf der Hand, daß Shorty in meiner Meute der gegebene Leithund war. Demnach war Shorty mein Mann. Der Donner, der war über das Ding am meisten überrascht von der ganzen Bande. Aber das war klar, ich hatte mit dem Ding den Boys allen zusammen einen mächtigen Gefallen getan, und ich hatte vor allem Rusty einen mächtigen Gefallen getan. Der dachte, wenn sein alter Kamerad im Sattel sitzt, dann hat Rusty McArdle einen mächtig gemütlichen Posten. Das war mir klar. Aber ich denke, läßt dir keine grauen Haare drüber wachsen. Was ich wollte, war, daß in meiner Bande Eintracht herrscht, und daß sie, wenn's drauf ankam, mit mir loszogen.

Sagt McArdle: »Gelbschädel«, sagt er, »das Ding leuchtet mir ein, ich bin dein Mann.«

Nun müssen Sie wissen, wir hatten uns doch eben die Hand geschüttelt, und er hatte meine Hand noch in den Fingern. Wie er nun sagt, »ich bin dein Mann«, was tut der Kerl, – er quetscht mir die Finger aus Leibeskräften zusammen. –

Das war ein blödes Stück von ihm, verdammt blöd, kann ich nur sagen. Ein mächtiger Kerl war er ja, aber seine Stärke, die lag in seinem Gewicht und seiner Fixigkeit zusammengenommen. –

Ich ließ ihn machen und zuck nicht mit der Wimper, und dann geb ich ihm auch einen ordentlichen Händedruck ...

Ich mach's noch bescheiden. Wenn ich gewollt hätt', ich hätt' es ihm besorgen können, daß er auf die Knie gefallen wär und hätte um Erbarmen gefleht. Aber wie die Fingerknöchel gegeneinander knackten, ließ ich die Hand rasch los. Sage ich:

»Allright, Rusty«, sage ich.

Sagt er: »Allright, Gelbschädel!«

Und das Wunderschöne daran, das war, daß keiner von der ganzen Bande, die um uns rumstand, 'ne Idee von einer Ahnung hatte, was eigentlich vorging. Nämlich das Ganze, das dauerte bloß fünf Sekunden.

Aber ich hatte in McArdles Augen genau gesehn, wie scheußlich es ihm weh tat und wie er klein beigab. Jetzt wußt ich, nachdem ich ihn zum zweitenmal geschlagen habe, wird er mir gegenüber keine große Unternehmungslust mehr haben, um es noch ein drittes Mal zu versuchen, selbst mit Waffen, die mehr nach seinem Geschmack waren. Ich hatte ihn zum zweitenmal geschlagen und zum zweitenmal hatte ich ihm das Äußerste erspart und ihn vor den anderen nicht blamiert. Ich denke mir, dafür wird er mir Dank wissen. Ich denke mir, von innen besehn, da wird der Kerl doch propper und anständig genug sein, daß er's jetzt aufgibt, mir was heimzuzahlen.

 

* * *

 


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