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Das ging ihm nun mächtig gegen den Strich, mir so 'nen niedlichen Kontrakt schriftlich zu geben. »Den letzten Blutstropfen kannst du ja aus mir ausquetschen, Mann«, sagte er, »wenn ich dir das schwarz auf weiß gäbe.«

Aber ich sag ihm: »Randal, wenn mir die Sache auf der Ranch schief geht, dann kann ich mit dem Kontrakt auch nicht viel anfangen. Wen interessiert's schon, was in dem Kontrakt steht – nur deinen Großvater, und der einzige, der dafür sorgen kann, daß dein Großvater Respekt vor dir hat und dir sein Geld vermacht, ist sowieso meine Wenigkeit.«

»Alter Junge«, sagt er, »an dir ist doch auch kein gutes Haar mehr, muß ich schon sagen, du bist genau so abgebrüht wie ich.«

»Randal«, sage ich, »Mann, du schmeichelst mir, aber ist das Ding gemacht?«

»Na und ob es gemacht ist«, sagt er. »Ich setz alles auf den einen Wurf. Soll mich der Teufel holen! Einen anderen Trumpf hab ich nicht mehr im Sack, also ab dafür!«

Er fummelt in der Tasche rum und bringt einen alten Briefumschlag heraus, reißt ihn auf, klappt ihn auseinander und schreibt das Ding fein säuberlich nieder – 'ne richtige ordentliche Kaufmannshand hat er gehabt. Dann schiebt er's mir rüber mit seiner Unterschrift.

Natürlich hat er gedacht, er dreht mir 'ne Nase, das Ding war mit »wenn« und »aber« gespickt, wie ein Igel mit Stacheln. Aber was konnt's ihm nützen? Ich nehm mir ihn vor, und er muß alles wieder ausstreichen, bis sich das Ding so glatt und sauber liest, als hätt' ich's selbst gemacht. Wie ich's schön sauber gefaltet in meiner Brieftasche hab, frag ich ihn, was jetzt das Nächste ist auf dem Programm. Er sagt, wir wollen so rasch wie möglich auf die Ranch hinaus.

Randal dachte sich, ich soll machen, daß ich irgendwo billig einen Koffer erwische und dies oder jenes hineinstopfe, er hatte einen Kutschierwagen da und wollte gleich mit mir hinausfahren. Ich sage, es ist mir recht. Er hatte noch etwas zu besorgen in der Stadt, also sage ich, ich geh derweil, das Zeug kaufen, das ich brauch. Sage ich: »Wie hast du dir denn das mit dem Geld gedacht?«

Ich denke mich rührt der Donner, langt mir der Kerl einen ganzen Pack Banknoten rüber und sagt: »Wenn das alle ist, wird sich mehr finden.« Wie ich's nachher zähl, sind's fünfhundert Dollar!

Ich denk, gehst ins Mexikanerviertel! Denn so war das da draußen. Just am Wasser hörte die richtige Stadt auf, alles, was noch auf dem Nordufer saß, waren Mexikaner, »Greaser«, wie wir sagen. Ich dachte, wirst mal sehn, ob die haben, was du brauchst. Denn das wußt ich, wenn ich ins Mexikanerviertel geh, find ich's leichter und billiger, und kein Mensch sieht und hört davon. Was bei den Greasern vorgeht, findet nicht den Weg zu den Weißen, und ich wollt nicht, daß einer womöglich sieht, wie ich mich ausstaffier, und die Jungs auf der Ranch draußen erfahren davon.

Die Seite von Sauerstadt, wo die Weißen saßen, die war tipptopp, alle Achtung, von dem Pflaster hätt' man essen können, aber übern Bach drüben, du meine Güte! Da lag der Staub auf der Straße knöcheltief, und wenn so'n richtiger Windstoß daherkam, sah's aus wie ein Sandsturm in der Sahara. Wenn ein Pferd galoppierte, konnte man auf der Straße nicht mehr die Hand vor Augen sehen, und die Wolken stiegen bis über die Hausdächer. Alles war dreckig und verschlampt und gemütlich. Vor den Türen saßen schmierige alte Weiber und manschten den Teig für die Tortillas, die sie abends backen wollten, und dann gab's Kinder und Schweine. Die Schweine, die prügelten sich quietschend um die Pfützen, in denen sie sich sielen wollten, und die Kinder hüpften herum ohne viel Kleidung. Wenn sie was anhatten, dann war's höchstens ein Hemd oder ein Paar Hosen, auf keinen Fall aber etwa ein Hemd und ein Paar Hosen zugleich. Aber alle strahlten sie übers ganze Gesicht, und alle sahen so aus, als ob der viele Dreck unbedingt zu ihnen gehörte.

Ich schau mich um und richtig ist da ein großmächtiger Laden, wo sie alles hatten, was ein Menschenkind brauchen und wünschen kann, neu oder aus zweiter Hand. Die ganze Vorderfront lang auf der Veranda waren Pflöcke und Nägel eingeschlagen, da hingen alte Sättel und Geschirre und Steigbügelriemen und Satteldecken und Satteltaschen und Packsättel und Karbatschen und Reitpeitschen und lange Peitschen für Viergespanne und ein ganzes Museum von den hunderterlei mexikanischen Gebissen, mit denen man ein gutes Pferd zu Tode quälen kann, und Sporen, von denen kein Paar vollständig war. Das war so der richtige Laden, wo sich ein junger Dachs hinstellen kann und dies oder jenes wünschen und wird nicht fertig bis an sein Lebensende.

Und richtig steht da so ein junger Dachs, so ein richtiger hochgeschossener Lausejunge zwischen vierzehn und fünfzehn. Seine Stimme hatte er noch nicht gewechselt, die war hoch und dünn, es war noch kein Bruch drin, eine richtige Weiberstimme, mächtig verlumpt sah er aus, aber immerhin waren es genug Lumpen, um ihn zuzudecken. Da stand er in Holzschuhen und einen schwarzen Filzhut auf den Schädel gerammt. Aber, weiß Gott, einen Hut hätt' er nicht gebraucht, ein Haar hatte der, dick wie ein Strohdach, aber schwarz.

Kaum sieht er mich, da legt er schon den Kopf auf die Seite und streckt mir winselnd die Hand hin. »Eine Kleinigkeit für die arme Waise, die keinen Vater und keine Mutter hat, bloß, daß es für ein Stückchen Brot reicht«, sagt er, »und er wird's«, sagt er, »mit Tränen der Dankbarkeit befeuchten und den Segen des Himmels auf den gütigen Spender herabflehen«, sagte er. Sage ich: »Keinen Cent hast du bei dir, Goldkind?«

»Ah, Señor, o weh, Señor! Mir ist Milde und Barmherzigkeit heute versagt geblieben.«

Ich nicht faul, bück mich, faß ihn um die Fußknöchel und heb ihn hoch. Was soll ich Ihnen sagen, ich brauch ihn nur ein bißchen zu schütteln, da regnet's Münzen, nicht bloß Kupfer, es war auch Silber dabei. Das prasselt nur so auf die Veranda und hüpft die Stiegen hinunter in den Staub, und ein paar von den Dingern rollten herum und verkrochen sich schließlich in den Spalten von dem Bretterboden. Ein nettes Bürschchen! Ich geb ihm einen ordentlichen Schwung und laß ihn los, daß er durch die Luft wirbelt. Ich denk, er bumbst noch mit dem Kopf auf, aber weit gefehlt, der war geschmeidig wie 'ne Katze. Wie er noch rotiert, kommt er schon ins Gleichgewicht und landet ganz ordentlich auf Händen und Füßen.

Den hätten Sie sehen sollen! Den kleinen Mistkäfer! Der hatte noch Überraschungen in petto. Ich denk, er wird jetzt losbrüllen, weil er all das viele Geld losgeworden ist. Daß dich –! Der schmeißt mir ein paar spanische Flüche an den Kopf – der Donner –, die hatten Format – das waren ausgewachsene Männerflüche! Plötzlich sagt einer hinter mir: »Springen, Señor!«

Ich nahm mir gar nicht erst die Zeit, zu fragen, warum. Ich machte einen Sprung, rückwärts durch die Ladentür und seh einen Blitz daherpfeifen, just wo ich gestanden hatte, und ein Messer steckt zitternd im Türpfosten und summt wie 'ne mächtige Hornisse.

»Das ist die richtige Teufelsbrut, dieser Pepillo, was?« sagt der Ladenbesitzer.

Sage ich: »Sagt's ruhig spanisch. Ich versteh mich auf Euer Geschnatter.«

»Er wird hängen – bald!« sagt der Kaufmann auf spanisch.

Aber trotz der Geschichte mit dem Messer nahm er anscheinend das Gewürm nicht besonders ernst. Soviel sah ich. Er steht ohne weiteres in der Tür und grinst hinaus, wo Pepillo herumschleicht und die Münzen zusammensucht.

Das war 'ne Sache! Ihr meint, wenn er die Münzen sucht, hat er sich nicht mit mir abgeben können? Weit gefehlt! Das kleine Aas – mit dem einen Aug guckt's in die Spalten von den Brettern, mit dem anderen nach mir. Nicht einen Augenblick hat er mich ausgelassen. Und ein Mundwerk – du lieber Himmel! Und nicht bloß das Mundwerk – mit den Händen redete er auch noch. Bloß damit ihr einen Begriff davon bekommt, was das Goldkind leisten konnte: – (die Glanzstellen gerade muß ich leider weglassen, um kein Ärgernis zu erregen) – Sagt er: »Du Hund«, sagt er: »Du Hund von einem Gringo, nachts nimm dich nur in acht! Wenn du schläfst, kriegst du mal ein Messer zwischen die Rippen. Was willst du?« sagt er, »soll ich dir deinen Wanst aufschlitzen, du Sohn eines Diebs? Komm heran, wenn du dich traust, feiger Hund!« sagt er. »Ich hab noch ein Messer für dich! Meinst du, ich hätt' Angst vor dir? Komm doch heran, wenn du dich traust, Saukerl!«

Ich zieh das Messer aus dem Türpfosten und werf's ihm auf die Straße hinaus. Eine Staubwolke stieg auf.

Sag ich: »Du kleine Otter! Wenn das deine Mama wüßte!«

»Meine Mama, du Hund, ist im Himmel«, sagt das kleine Aas, »aber du, weißt du, wo du hinkommst? Du fährst zur Hölle wie alle Gringohunde! Dich braten die Teufel auf kleinem Feuer zehntausend Jahre lang! Die stecken dich an den Spieß und braten dich wie einen Hammel!«

Der Kaufmann hinter mir gluckste nur so vor Lachen. Was konnt ich tun? Herausgeplatzt bin ich. Was für ein Gift steckte in dem kleinen Wurm! Donnerwetter! Und wie der loszog! An Courage fehlte es ihm bei Gott nicht.

Er langt mit der Hand aus und erwischt das Messer, das ihm beinah vor die Füße gefallen war. Ich recke mich hoch und hol mit der Hand aus, dachte, ich erschreck ihn, – er konnte meinen Schatten sehen. Der Donner, wie das Wurm Bescheid wußte! Er machte einen Schritt zur Seite, den Rücken gegen mich gekehrt, der drehte sich gar nicht erst um, denke ich, und schon saust mir das Messer zwei Finger breit am Kopf vorbei, nicht viel hat gefehlt, dann hätt' ich's im Auge gehabt, und es war aus gewesen mit Gelbschädel Kitchin und dem Garn, das ich hier spinne.

Reineweg wild war ich – oder hatt' ich Angst? – Ihr könnt mich lang fragen! War das ein Aas, Mann, war das ein Aas! Es prickelte mich ordentlich – und hübsch war der Bengel obendrein –, da soll doch gleich das Wetter – Sie hätten's nicht geglaubt, wie hübsch das Aas war! Dabei war sein Stimmchen so süß, was soll ich Ihnen sagen, wie so ein kleines Piepvögelchen, das von seinem Ast herunterzetert. Was – es prickelte mich ordentlich! So etwas hatte ich noch nie gesehen! Eh ich selber weiß, wie ich dran bin, zieh ich einen Dollar aus dem Sack und schmeiß ihm den an den Kopf – an den Kopf? Jawohl! – da kannst du lang warten! Der fährt mit seiner kleinen Tatze aus und hascht den silbernen Blitz aus der Luft, und dann steht er da und starrt und starrt, was er denn in der Hand hat. Das Gesicht, was er machte, – ich braucht ihn mir nur anzusehen, da wußt ich, der hat noch nie mehr als einen Vierteldollar in seinem Leben gesehen –, und wie er dasteht und sagt so vor sich hin: »Dios! Dios! Dios!« Du lieber Himmel – Ihr hättet geglaubt, ich hab ihm ein Billett fürs Paradies geschenkt!

*

Sag ich zu dem Mann im Laden: »Wie heißt Ihr eigentlich, Herr Nachbar?«

»Gregorio«, sagt er. »Ich bin Gregorio, Sohn des Pedro Onate ...«

»Haltet die Luft an, Gregorio«, sag ich. »Meinen Sie, ich wollt 'ne Ballade schreiben? Ich wollte just wissen, wie man Sie nennt, Gregorio ist genug für mich.«

»Ah well, Señor«, sagt er.

Sag ich: »Ihr habt wohl auch Sättel hier?«

Wirft er sich in die Brust und zeigt großartig auf die Wand, hing ja alles voll davon.

»Señor!« sagt er.

»Na ja«, sag ich. »Gesäßleder hängen da genug, aber ich frage, Mann, ob Ihr vielleicht 'nen Sattel für mich habt?«

Er schaut mich an, wie einer, der Bescheid weiß. Sättel? Die Mexikaner sind versessen drauf. Für so einen recht schmucken Sattel gibt ein Mexikaner das halbe Leben.

Sagt er: »Señor! Ich bin ein Gentleman – Sie sind ein Gentleman –, also will ich Ihnen einen Sattel zeigen, da kann jeder Caballero stolz sein, der den sein eigen nennt.«

Er kriecht in seinen Laden hinter, und es dauert nicht lange, da kommt er mit einem prima Markensattel an, der strotzt nur so von allerlei silbernem Schnickschnack. Ich werfe ein Auge drauf, die Sache leuchtet mir ein. So sollte das sein! Wenn ich auf die Ranch kam, dann mußt ich 'nen anständigen Sattel haben und ein anständiges Schießeisen, damit die Leute wußten, mit wem sie's zu tun hatten! Die sollten gleich merken, daß einer ankam, der schon mal hinter den Herden geritten war. Der Sattel war tipptopp. Da war getriebenes Silber dran, das funkelte, daß einem beinahe die Augen weh taten. Sage ich: »Was soll er kosten?«

Drückt mein Gregorio die Augen zu: »Ah!« sagt er. »Wenn der Caballero wüßte, was der Sattel mich gekostet hat! Aber nein, nie werd' ich das dafür kriegen, was er mich gekostet hat. Señor«, sagt er, »Sie haben mir auf den ersten Blick gefallen. Ich kann einem Freund nichts abschlagen, was spielt mir da Geld für eine Rolle! Weil's Sie sind, Señor, gebe ich Ihnen den Sattel so gut wie geschenkt – vierhundert Dollar.«

Ich fahr zusammen. Das war denn doch ein mächtiger Happen Geld, bloß für 'nen Sattel. Doch wie ich ihn mir so näher betrachte und ihn so richtig zwischen den Fingern habe, da sage ich mir, den Sattel oder keinen. Denn das wußt ich, wenn ich mit einem solchen Sattel anrück, dann wissen die Burschen auf der Ranch, was es geschlagen hat.

Just in diesem Augenblick piepst ein Stimmchen neben mir:

»Mas sabe el loco en su casa, que el cuerda en la ajena.« Nämlich, was die Spanier sind, die haben für alles ein Sprichwort bei der Hand, das den Nagel auf den Kopf trifft – und das hier hieß – falls Sie nicht Spanisch können –, »daß ein Narr in seinen eigenen vier Wänden mehr weiß, als ein weiser Mann in der Fremde.«

Ich dreh mich um und wer steht da? Natürlich Pepillo. Er war aus seinen Holzschuhen geschlüpft und hatte sich barfuß so leise hereingedrückt, daß keiner von uns ihn bemerkte.

Als er noch auf der Straße war, sah's so aus, als hätte Gregorio für den Jungen was übrig. Jetzt wo er im Laden stand, schien's auf einmal anders.

»Du Diebsbrut, du Sohn eines Langfingers!« kreischt mein Gregorio. »Hab ich dir nicht schon einmal gesagt, wenn ich dich in meinem Laden finde, dann –«

Er stützte sich auf den Ladentisch, als wollte er jeden Moment darüber setzen und das kleine Aas zu Hackfleisch machen. Was meint ihr, was tut mein Pepillo? Nicht mit der Wimper zuckt er! Steht da und kratzt sich mit dem rechten Fuß am linken Schienbein. Die Füße hätten Sie sehen sollen. So zart und klein, die richtigen Babyfüße! Da sah man erst, wie jung er war. Aber er reckt das Kinn gegen Gregorio und schneidet ihm eine Grimasse.

»Blöder, alter Narr«, sagt er. »Denkst du, ich hab Angst vor dir, wo ich einen Freund gefunden habe, wie hier den Caballero?«

Sagt's und schiebt kühl wie eine Hundsschnauze seine Hand in meinen Arm. Well, ich wußt nicht, was ich sagen sollte. Es prickelte mich nur so. Mir wurde richtig warm dabei. Dabei wußt ich doch ganz genau, daß es alles Bluff war, und daß die kleine Kröte mich bloß benutzen wollt, um Gregorio zu imponieren. Was der Gregorio ist, dem steht beinahe der Schaum vorm Mund, er glotzt uns beide an, einen nach dem andern und sagt: »Gehen Sie ihm ja nicht auf den Leim, Señor! Vierzehn Tage ist das kleine Biest jetzt hier in der Stadt und macht sich jeden Tag einen Freund und schafft ihn sich vom Hals, wenn er ihn genügend ausgenutzt hat. Die Diebsbrut die! Es ist, als hätt' er ein Zaubermittel. Er lacht die Leute an und zieht ihnen dabei die Uhr aus der Tasche.«

Seh ich auf Pepillo hinunter, sage: »Sag mal, Pepillo, stiehlst du?«

Well, schmeißt er den Kopf in den Nacken und schaut mich an, so reineweg lieb und treu, aus seinen großen braunen Augen – oder waren sie schwarz? Ich hab's heute noch nicht raus. Sagt er:

»Si, Señor!«

»Was?« brüll ich ihn an. »Du bist ein Dieb?«

»Si, Señor«, sagt er, kühl wie eine Wasserrose. »Und was ich stehle, verkaufe ich diesem Gregorio hier.«

Gregorio knallte mit ganzen Salven von Flüchen los und langte nach einer Karbatsche aus, aber sein Gesicht war mächtig rot, und ich denk mir, etwas Wahres muß doch dran sein.

Sage ich: »Lassen Sie den Jung in Ruh! Wie ist das nun mit dem Sattel? Sag mal, Pepillo, weißt du was über den Sattel hier?«

Sagt mein Pepillo: »Ich kenn den Mann, der ihn verkauft hat.«

Sagt Gregorio: »Er lügt, er lügt!« Aber grün und gelb wurde er im Gesicht.

»Mächtig krank war er, der Mann, von dem Gregorio den Sattel gekauft hat«, sagt Pepillo. »Alles, was er besaß, hatte er schon verkauft gehabt, bloß den Sattel nicht. Fünfhundert Dollar wollte er dafür und sagt immer, tausend hätte er selbst dafür geben müssen. Aber Gregorio, der meint immer bloß: ›Wer wird den Sattel kaufen, auf dem ein anderer schon gesessen hat?‹ – und dann hat er den Sattel gekauft für achtzig Dollar.«

»Wenn ich auf dem Sterbebett liegen soll ...« fängt mein Gregorio an, und ganz feierlich sah er aus. »Aber hör mal, Gregorio«, fahr ich ihm dazwischen, »wir wollen, denk ich, Geschäfte miteinander machen? Ich denke, wir haben beide nicht viel Zeit. Hundertundfünfzig Dollar geb ich für den Sattel, dann habt Ihr immer noch hundert Prozent verdient. Das langt!«

»Irgendeine Ratte quietscht, und der Caballero hört's und glaubt's«, sagt mein Gregorio. »Dieser Pepillo ist der Sohn des wahrhaftigen Teufels. Die ganze Stadt ist Zeuge. Ich gehe bankrott, wenn ich ...«

»Na schön, dann weg mit dem Sattel«, sag ich. »Da hängt ein Dreißigdollarsattel neben der Tür, der ist mir schon recht ...«

Er packt seinen Sattel auf, aber verdammt langsam ist er dabei. Sagt er schließlich: »Amigo mio! Wenn ich auch Geld daran verlieren soll, es ist ein Fest für meine alten Augen, einen echten Caballero auf diesem Sattel zu sehen. Gibt es denn einen, der würdiger wäre als Ihr, Amigo? Es gibt keinen! So sollt Ihr den Sattel haben – für zweihundert Dollar.«

Well, das Geld war er wert. Er war 'nen Haufen mehr wert. Was der Silberschnickschnack gekostet haben muß, war schon mehr. Also ich stell mich hin und kauf den Sattel, und Pepillo, der tanzt herum und flucht und sagt, ich lasse mich ausplündern. Bei alldem hatte der Junge mir zweihundert Dollar erspart.

Dann geh ich her und kauf mir einen ordentlichen ledernen Reisesack, einen von denen, in die man bequem noch sein Pferd mit hineinstecken kann, und dann kauf ich den anderen Mist, den ich brauche. Der Sack war fast voll und verblüffend billig war alles. Dann geht's an die Revolver. Mein Gregorio geht her und zeigt mir ein ganzes Gestell voll. Ich schau mir einen nach dem anderen an, funkelnagelneu waren sie alle, und da waren welche dabei, die sahen direkt prima aus. Aber das war nicht, was ich wollte. Ich tu so, als probiere ich, wie sie mir in der Hand liegen, sage schließlich, sie paßten mir alle nicht.

Sage ich: »Gregori«, sage ich, »ich habe gesagt, ich brauche einen Revolver. Wenn ich sag, ich brauch einen Revolver, dann brauch ich einen Freund in der Not, versteht Ihr mich, Mann?« Was der Gregorio ist, der Mann war unbezahlbar, der Mann verstand alles. Schaut er mich so ein bißchen schräg an und wartet eine ganze Weile, sagt er schließlich:

»Señor«, sagt er, »Sie sind ein guter Kunde gewesen, hier ist ein kleines Schmuckstück, ich wollt es eigentlich für mich selbst behalten, aber wenn ein guter Freund kommt, wer weiß dann noch von Eigennutz? Das hier sehn Sie sich an! Das Ding hat seine Probe abgelegt. Wenn ich bloß sagen dürfte, in wessen Hand.«

Sagt's und zieht einen Colt aus der Tasche. Das Ding sah mächtig altmodisch aus. Er gibt mir's in die Hand und ich nehm's in Augenschein. Der Donner, der hölzerne Kolben war schwarz vor Alter und vor Schweiß und reineweg poliert von der Abnutzung. Ich seh mir alles genau an. Schließlich, wie ich mir den Lauf von unten betrachte, sind da sieben kleine Kerben in den guten Stahl gefeilt.

Da wußte ich Bescheid! Das Ding, wie es da lag, hatte sieben Menschenleben auf dem Gewissen – und ich kann Ihnen sagen, es sah auch danach aus! Direkt gemein sah das Ding aus! Da hätt' ich noch lange suchen können, ich hätte nichts gefunden, was mir besser paßte. Wenn ich mich schon mit einem Revolver herumschleppte, dann sollten die Burschen draußen auf der Ranch was unter die Augen kriegen, was so recht bissig und drohend aussah. Was hätte ich da Besseres finden können?

Gregorio verlangte vierzig Dollar. Alt, wie das Ding war, war das der reine Straßenraub. Aber fünfundzwanzig hab ich ihm doch hinzählen müssen, bis er's fahren ließ. Und dann hatt' ich's, und das Glück, das dran hing, als Zugabe. »Nämlich«, wisperte Gregorio mir ins Ohr, »der Señor, dem das Schießeisen gehört hat, ist zu guter Letzt doch friedlich in seinem Bett gestorben. Ist das nicht sonderbar?«

Die Sache gefiel mir. Ich verstaute den Revolver in der Tasche und schleppte meinen Sattel und meinen Ledersack auf die Veranda. Gregorio ging mir eine Pferdekarre besorgen, um mich und meinen Kram nach dem Hotel zu bringen. Pepillo blieb bei mir, wie ich auf der Veranda wartete. Ich drück ihm einen Fünfdollarzettel in die Hand, jawohl, und das war noch verdammt wenig, wenn man bedenkt, wieviel ich durch ihn gespart hatte. Er schaut die fünf Dollar an und tut keinen Mucks. Das war ihm wieder ähnlich: was hatte er doch vor kurzem wegen dem einen Dollar angestellt!

Sagt er: »Ah, well, Señor, jetzt zieh'n Sie demnach ab?«

Sage ich: »Und du, Pepillo?«

»Das weiß der Himmel, Señor«, sagt er. »Aber es wird lange Zeit vergehn, bis ich wieder einen treffe, vor dem ich mich fürchte.«

»Heiii!« sage ich. »Willst du sagen, daß du vor mir Angst gehabt hast?«

»Por Dios!« sagt Pepillo, sagt er: »Meine Fußgelenke brennen noch wie Feuer, wo Ihr sie gepackt habt. Was für großmächtige Fäuste Ihr doch habt, Señor, der Teufel sitzt darin. Muß man Euch nicht fürchten? Ah, Señor, ich habe Sie verflucht, ich habe Messer nach Ihnen geworfen, warum? Weil ich Angst hatte! Daran können Sie erst sehen, wie große Angst ich hatte.«

Das war ein Bürschchen! Über den konnte sich einer lange den Kopf zerbrechen! Ich kann Ihnen sagen, ich fing an, einen ganzen Haufen für ihn übrig zu haben. Wie er da stand und die Augen zu mir aufschlug – so 'nen richtigen kranken Blick schickte er mir –, als ging's ihm mächtig zu Herzen. Just da kommt Gregorio mit dem Karren um die Ecke.

»Gregorio«, brüll ich, und das fährt mir nur so heraus, »gib dem Jung was zum Anziehn und Schuhe und das übrige Zeug, das er braucht. Er ist mein Mozo. Er geht mit!«

*

Well, das schoß mir so heraus, was weiß ich, wie ich's sagen soll, aus 'nem warmen Herzen, sozusagen. Es war mir mächtig großartig zumute. Es kam mir vor, als verschenke ich die ganze Welt. Denke jetzt, ich hab heimlich erwartet, was der Pepillo ist, der knallt sich vor mich hin auf die Knie und dankt mir unter Tränen für das, was ich ihm tun will. Well, er denkt nicht dran. Er macht 'nen Schritt zurück und versetzt mir einen üblen Blick.

Sagt er: »Wer ist Mozo?«

»Na«, sage ich, »du natürlich?«

»Ich?« sagt Pepillo und zieht die Augenbrauen rauf, bald bis auf den Kopf, und mit dem Daumen stupst er sich auf die Brust: »Habt Ihr gesagt Pepillo?«

»Na, was sonst?« sage ich. »Weiß auch nicht, wieso, aber 'nen Narren hab ich an dir gefressen, kleines Biest. Da soll mich sonst was, wenn ich nicht hergeh und einen Kerl aus dir mach. Ich geh her und staffier dich aus, als wärst du ein Millionär, ich geh her und sorg dafür, daß du aussiehst wie ein Gentleman.«

Das Gesicht hättet Ihr sehen sollen! Finster ist kein Wort!

»Ha, ha«, sagt Pepillo, aber es war nichts mit dem Lachen, er erstickte beinah dran. »Das ist ein Witz! Por Dios! Ich lache – wie ich lache! Ihr – Ihr macht einen Gentleman aus mir? Ihr – Ihr wollt – es ist zu faustdick! Und ich bin der Sohn von ...«

Da stoppt er ab. Der Donner! – Die Zähne fuhren ihm mit einem solchen Ruck zusammen, daß es knallte, dabei grinst er noch halb. Das war ein schöner Anblick! Mein Wort darauf, ein streunender junger Wolf sieht liebenswürdiger aus.

Sage ich: »Du bist der Sohn von ...?«

»... von dem, der dein Meister ist, du Gringoschwein!« sagt das Gewürm, und dann knallt's heraus aus ihm wie ein Strom, Flüche, spanische Flüche, daß mir das Haar zu Berge stand. Der hatte richtig ein System dabei! Dem ließ sich nichts nachsagen! Er ließ nichts aus, er fing an, wo es anfängt und nahm sich meinen ganzen Stammbaum vor, Zweig um Zweig – und wie er fertig war, du lieber Himmel – kein Hund hätte mehr ein Stück Brot von mir genommen! Ich will Ihnen was sagen, und Sie können mir's glauben: irgendein anderer Schlingel diesseits vom Fegefeuer hätte nur versuchen sollen, mich mit solchen Redensarten zu traktieren! An den Füßen hätt' ich ihn hochgezogen und lebendig geschunden, bloß erst mal zum Anfang! Und wenn er ausgesehen hätte wie ein Tartarbeefsteak, dann hätte ich mich erst daran gemacht, ihm mal Manieren beizubringen. Aber Pepillo, das war eine ganz andere Sache! Mitten drin in seinem Rasen und Toben und Fluchen war's – ja, was soll ich sagen –, unterhaltend war's, wenn Sie verstehen können, was ich meine. Wenn Sie dabei gewesen wären – und es mit angesehen hätten –, der Junge hatte eine Art an sich, so graziös! – Sie hätten gesagt, er ist wie so ein kleiner Piepvogel, der den Kopf auf die eine Seite legt und dann auf die andere, und singt und singt und singt, als wollte er sein kleines Herz zersprengen.

Sage ich: »Allright, Pepillo, ich bin ein Gringoschwein, solange niemand sonst in der Nähe ist, capisco? Aber den Augenblick, wo ein anderer dabei ist und hört, was für eine Sorte Redensarten du dir gegen mich erlaubst, in dem Moment mach ich einen Schritt, und von dir bleibt nur noch ein nasser Fleck!«

Der Einfall schien ihm zu behagen. Er hört auf, mitten in einem Fluch und fängt an und lacht über mich und über die ganze Idee. Man konnte sehen, es kitzelte ihn richtig.

»Denn also, Señor«, sagte er, »Ihr wollt, daß ich Euer Mozo bin, und was gedenkt Ihr für mich zu tun?«

»Ich?« sage ich. »Ich sorge dafür, daß du anständige Kleider auf dem Leib hast, ich sehe zu, daß du Gelegenheit hast, ein bißchen Schule zu bekommen, auf die Gefahr hin, daß ich dir selbst es beibringen muß.«

Wirft doch mein Pepillo den Kopf in den Nacken und fängt wieder an zu lachen. Der Teufel soll mich holen, es war doch ein queres Gefühl, sich so ohne weiteres auslachen zu lassen und noch dazu von einem kleinen Stinktier von Jungen, wie der da! Aber Pepillo lachte nicht, wie andere lachen. Da war so was Süßes dabei, so was Närrisches. Es war genau, wie wenn er einen beschimpfte – ich war direkt froh darüber, wenn ich's hörte.

»Allright, Señor«, sagt Pepillo, »und was werdet Ihr sonst noch für mich tun?«

Sage ich: »Manieren werd' ich dir beibringen!«

»Wie?« fragt er.

»Auf die Art!« sag ich und fall nach ihm aus. Ich erwischte die Luft, er war just eine Idee schneller als eine Peitschenschnur, die über einem Sechserzug tanzt.

»Ihr würdet mich schlagen?« fragt Pepillo, und dabei legt er den Kopf so ein bißchen auf eine Seite und schaut nachdenklich drein.

»Ich würde dir eine solche Tracht Prügel verabfolgen, wie du sie noch nicht im Traum erlebt hast«, sag ich, »wenn ich dich zu managen hätte, Küken!«

»Soo?« sagt Pepillo. »Also Prügel kriege ich und Manieren beigebracht und in die Schule geschickt werde ich – na schön, und was habt Ihr sonst noch vor?«

Es rührte an was, was ein bißchen tiefer in mir sitzt, und so sage ich: »Schau her, Küken, ich sage dir genau, was ich mit dir anfange. Ich leg mal Hand an und seh, daß du dich änderst. Ich werde dafür sorgen, daß du sauber und anständig angezogen bist, ich werde sehen, daß du genügend zu essen bekommst, ich werde sehen, daß niemand von dir etwas zuviel verlangt, und, abgesehen davon, werde ich sehen, daß du dir ein paar von den faulen Gedanken aus dem Kopf schlägst, die du mit dir rumschleppst. Ich werde sehen, daß du auf die grade Bahn kommst. Du hast das Zeug in dir, Bürschchen, zu einem Taugenichts und zu einem Dieb. Weißt du, was so einem zu guter Letzt passiert?«

»Ah!« sagt Pepillo und macht Augen, so groß wie Teetassen. »Sagt's mir doch!«

Sage ich: »Sie enden mit einem Strick um den Hals!«

»Sooo!« sagt Pepillo und reißt den Mund auf. »Ah, Señor!«

»Du kleiner Teufelsbraten«, sage ich, »du machst dich über mich lustig? Gib's zu! Aber das sage ich dir, was dir not tut, das ist ein Meister, und ich will's für dich sein. Weißt du, ich bin selbst in Teufels Küche gewesen und soweit's an mir liegt, will ich dich davor bewahren, daß du denselben Weg gehst. Hörst du, was ich sage?«

Pepillo lehnte da am Türpfosten von dem Laden und dachte nach. Mächtig dachte er nach. Zwei- oder dreimal guckt er mich an, so mit einem Lächeln in den Augenwinkeln und um den Mund herum, als dächte er daran, was für einen unendlichen Jux das geben würde und wie gründlich er mich an der Nase herumführen wird, dann sagt er:

»Ihr könnt mich schon schlagen, Señor. Die bissigste Peitsche könnt Ihr nehmen, die Ihr findet und könnt mich peitschen, bis mir das Blut aus den Kleidern läuft, aber Señor, das sag ich Euch, wenn Ihr je Hand an mich legen solltet, sitzt Euch mein Messer im Herzen.«

Und wie er dreinschaute, man sah ihm an, es war ihm ernst. Er sah genau so zahm und unterwürfig drein wie ein junger Wolf.

Sage ich: »Allright! Das soll ein Wort sein, aber wenn du mit mir gehst, dann mußt du eins wissen: ich verlange, daß du ein ganzes Jahr lang deinen Kontrakt hältst, ohne mit der Wimper zu zucken. Verstehst du mich? Ich will das Geld für deine Kleider und den übrigen Kram nicht einfach aus dem Fenster werfen.«

»Ich gebe meine Hand drauf«, sagt er.

Aber ich fahr mit der Hand aus und schnell ihm mit dem Zeigefinger an die Kehle und richtig erwisch ich einen seidenen Faden und zieh ihm ein kleines Ebenholzkreuz aus dem Kragen. Es war in Gold gefaßt und sogar mit Edelsteinen besetzt.

Sage ich: »Laß mich mit deinem Händedruck zufrieden. Du bist ein Katholik. Du wirst mir auf das Kreuz schwören, das du da am Hals trägst, Jüngelchen!«

Er hatte rasch das Kreuz mit den Händen bedeckt und wurde weiß und rot. Glattweg hin war er.

»Du Hund, du Sohn einer Hündin – du schweinsköpfiger, großmäuliger, glotzäugiger ...«

»Nur immer los!« sag ich, »wenn du's satt hast und willens bist, wieder zu reden wie ein Mensch, laß mich's wissen.«

Well, ein queres Menschenkind war das. Mit einem Schlag richtet er sich auf und sagt:

»Was soll ich Euch schwören, Señor, und was ist Euer Name?«

Sage ich: »Kitchin ist mein Name und Gelbschädel ist, wie sie meistens mich rufen, mußt du wissen.«

Sagt das Gewürm: »Das ist doch kein Name!«

»Mein richtiger Name ist ein Witz«, sage ich.

Sagt er totenernst: »Ich kann nicht auf einen falschen Namen schwören.«

»Junge«, sage ich. »Wenn die auf der Ranch erfahren, wie ich richtig heiße, dann hab ich meine Zeit hier verloren, aber wenn du durchaus wissen willst, was mein Vorname ist, ich heiße Percival. Faule Sache. Was?«

Sagt er: »Und was soll ich Euch schwören, Don Percival?«

»Daß du's ein Jahr lang bei mir aushältst und daß du die ganze Zeit über tust, was dir gesagt wird.«

»Und Ihr, Señor?«

»Ich gebe dir mein Wort darauf, daß ich dich ordentlich und anständig behandeln will.«

»Ihr wollt also nicht schwören?«

»Kein Gedanke, Goldkind«, sage ich. »Habe noch nie das Bedürfnis gespürt, den alten Herrgott übermäßig mit meinem Lebenswandel zu belästigen.«

Pepillo nickte. »Ihr Wort genügt mir, Señor«, sagt er. Und dann mit einem todernsten Gesicht: »Señor, ich bin wirklich ein übler Bursche, ich habe schon manches ausgefressen, seit ich auf der Welt bin, aber wenn Ihr einen anständigen Kerl aus mir macht ...«

Er war ganz todernst, aber wie er das dahersagt, es muß was drin gewesen sein, daß er glattweg herausplatzt und lacht. Wie er wieder zu sich kommt, erwischt er sein Kreuz und richtet die Augen auf den Himmel und steht da und sagt ganz zart und zitterig:

»Ich will arbeiten für Euch, Herr, und Euch dienen in allem, was Ihr fordert, so wahr Gott mir helfe!«

Und dann senkt er den Kopf und starrt auf die Erde und steht da und denkt nach, lange.

Sag ich: »He, Pepillo, lach ein bißchen, willst du?«

Sagt er: »Ah, Señor Kitchin, das ist eine ernste Sache, das ist ein Jahr von meinem Leben, aber ich leg's Euch in die Hände, denn ich weiß, Ihr werdet Euch um mich kümmern.«

Er ging in den Laden hinein, damit Gregorio ihm sein Zeug gab, und ich blieb draußen und spintisierte, ob er mir lieber war, wenn er so ernst war wie jetzt, oder wenn er sein ungewaschenes Mundwerk laufen ließ! Aber ich konnt's nicht rausbringen – bloß das wußte ich, wenn er so ernst war, dann hatte er was an sich, da hatte ich direkt Angst davor.

Gleich drauf aber hört ich ihn im Laden drin, wie er herumzwitscherte, lustig wie je, und sich mit Gregorio herumschlug, um die Preise zu drücken und ihm Flüche an den Kopf warf. Direkt eine Erlösung war's, das zu hören, das kann ich Ihnen sagen!

*

Das waren damals noch nicht die Zeiten, wo man sich von seinem Arbeitslohn einen Ford kaufte und darin herumkutschierte. Automobile, von denen träumte man, aber zu sehen kriegte man sie nicht. Wie ich ins Viertel der Weißen zurückkam, vor das Hotel, wo wir gegessen hatten, seh ich Randal hoch auf dem Bock, die Zügel von einem Paar pikfeinen Pferden in der Faust, und er redete ihnen sanft und freundlich zu, denn das waren Pferde von der Sorte, die es dringend nötig hatten, daß man ihnen beruhigend zuredet.

Man brauchte bloß einen Blick auf die Gäule zu werfen, dann wußte man schon, was mit Randal los war. Weiß Gott, der hatte nicht das Zeug zu einem sparsam wirtschaftenden Rancher im Leibe, der Mann. Das waren ein paar Paradegäule, die waren gut für die Rennbahn, aber nicht dazu, um mit den Rancharbeitern und ihren Schlafdecken herumzugondeln und Proviantkisten aus der Stadt zu holen.

Ich warf mein Gepäck in den Wagen und kletterte auf den Bock neben Randal. Leute, ich kann euch sagen, das war ein Kunststück. Die Pferde hatten den Teufel im Leib. Bald zogen sie an, bald drückten sie zurück, bald bäumten sie sich ein bißchen. Sie tanzten, sie stiegen, sie schnaubten und sahen mächtig hübsch und wenig brauchbar aus. Aber wie ich glücklich auf meinem Platze saß, sprang mein Wurm hinten auf den Wagen, als wär's gar nichts.

Sagt Randal: »Was ist da los?«

Sage ich: »Das ist mein Mozo.«

»Allright«, sagt Randal. »Ich wünsch dir Glück, aber eins kann ich dir sagen, ich glaub nicht, daß du bei meinen Kerls auf der Ranch viel Gegenliebe finden wirst, wenn du dir 'nen Diener mitbringst. Das ist ein besonderer Schlag, die haben für so was nicht viel übrig.«

Sage ich: »Für Pepillo werden sie was übrig haben. Wenn nicht, soll sie der Teufel holen. Ich werd' mir den Kopf darüber nicht zerbrechen.«

Wir fuhren einen Weg, der gleich hinter der Stadt mächtig steil anstieg, und es dauert nicht lang, da kommen wir auf 'ne Höhe, oben auf den Bergen, wo der Weg wieder anfängt zu sinken, und mein Randal hält die Pferde an und nickt mir zu. Ich wußte, was er meinte, und so beseh ich mir die Gegend, denn ich denk mir, hierherum ist also die Ranch. Wie ich mich so umschau, seh ich rundherum mächtige Berge, der Westen, der Süden, der Osten, alles waren hohe Gebirgszüge, und gegen Norden hin sah man die Buckel von niedrigeren Bergen, wo der Sourcreek durchbrach und ins äußere Tal herausströmte. Aber zwischen den hohen Gebirgen und den Hügeln im Vordergrund, da war das schönste Tal, das sich einer träumen kann. Überall blitzten kleine Bäche, die in den Sourcreek hinabströmten, und an den Bächen gab's Bäume, nicht nur da, auch über das Weideland waren überall nette kleine Gehölze verstreut. Das ist gut fürs Vieh, das findet da Unterstand, wenn ihm mittags die Sonne zu heiß wird oder wenn ein Gewitter kommt, und außerdem war's eine richtige Erquickung fürs Auge.

Die Ranch hättet ihr sehen sollen! Das Herz mußte einem im Leib lachen, wenn man da drüber hinritt und sagte, »das ist mein«. Und mittendrin – der weiße Weg war wie ein Finger, der draufzeigte – lag ein Haus, halb unter den Bäumen versteckt. Ich brauchte nicht erst zu fragen, um zu wissen, daß es das Ranchhaus war.

Ich brachte nicht viel heraus, ich sage bloß:

»Und das ganze Ding ist eine einzige Ranch?«

Denn es war ein mächtiges Stück Land.

Randal der grinst mich von der Seite her an, es war so seine Art, und nickt.

»Die Grenzzäune«, sagte er, »die Grenzzäune hierherum sind oben auf den Bergen, die Wasserscheiden entlang. Onkel Stephen suchte sich das Plätzchen zu einer Zeit aus – Mann, das waren noch Zeiten! Das untere Tal, wo jetzt Sauerstadt liegt, hätte er auch für sich einzäunen können. Es wär keiner gekommen, der's ihm streitig macht. Aber er war der Ansicht, daß das, was er hatte, genug war, um einen Mann voll in Anspruch zu nehmen, so hatte er sich denn hier niedergelassen, der alte Narr. Wenn er sich damals ein bißchen mehr ausgebreitet hätte, hätte er jetzt Grundbesitz, der zehn Millionen wert wär.«

Ich seh mich um, und ich sag kein Wort weiter, aber ich dachte, wie der alte Stephen dachte und nicht wie sein Neffe. Denn das längliche, großmächtige Tal, das da vor unseren Füßen lag, das war ein Prachtstück. Es war genug, daß einem der Schädel brummte, wenn man nachts den Kopf aufs Kissen legte und mit geschlossenen Augen an all seine Winkel und Ecken und Landmarken zu denken versuchte. Es war genug für die Augen und genug auch sonst, um alle Hände voll zu tun zu haben. Ich wunderte mich nicht mehr, daß Onkel Stephen hier jedes Jahr fünfzigtausend Dollar herausgeschlagen hatte. Wenn ich mich über etwas wunderte, so war's, daß er nicht zweimalhunderttausend herausgeschlagen hat und vielleicht noch was darüber.

Aber das war nur so ein Gedanke! Damals hatte ich mir die Gebirge im Süden noch nicht genau angesehen. Wie ich sie von der Nähe sah, da verstand ich, was los war. So aus der Ferne sahen sie ganz natürlich und nett und harmlos aus, und hier und da liefen so weiße Streifen an den Berghängen hinunter. Aber wenn man näher kam, da sah man erst, was es war. Da sah man, daß sich ein ganzes Netz von solchen Streifen über die Oberfläche der Berge zog, und wenn man dann noch näher kam und jede Verästelung und jeden größeren Spalt verfolgen konnte, da wußte man Bescheid. Da hatte das Wasser seit Millionen Jahren durch den weichen Kalkstein gefressen wie eine Säge, und was man von der Ferne als weiße Striche sah, das waren die weißen Wände all der Cañons, die es in das Gebirge hineingeschnitten hatte, ein wahres Labyrinth von tiefen Schluchten mit senkrechten Wänden, mit tausend Gängen, die blind endeten, und mit tausend Schlupflöchern, die durchaus nicht blind endeten, sondern ineinander mündeten und in andere übergingen, bis man dachte, hier kennst du dich dein Lebtag nicht aus.

Nun kamen wir allmählich in die Nähe vom Haus, und je näher wir kommen, desto nervöser wird mein Randal.

Sagt er: »Übermütig siehst du grade nicht aus!«

Sage ich: »Well, ich habe die Leute oft von Diebesparadiesen reden hören, aber jetzt seh ich ein: Eh' man wissen kann, was das heißt, muß man diese Cañons hier gesehen haben. Jetzt versteh ich erst, Mann! Möchtest du mir jetzt erst mal sagen, was für eine Sorte von einem Mannsbild das war, dein Onkel Stephen?«

Sagt Randal: »Wart mal noch einen Augenblick, gleich werd' ich dir's zeigen.«

So rund 'ne Meile fahrn wir noch das Tal lang, und es dauert nicht lang, da hält er die Pferde an und zeigt mit der Peitsche auf den Zaun. Der ganze Zaun, das waren drei Reihen Stacheldraht, und just da, wo mein Randal hinzeigt, sind die drei Drähte zerrissen und hängen herunter, und der Rost frißt sie auf.

Sagt Randal: »Hier ist mein Onkel geritten zwei Tage, bevor er starb, und denkt, willst mal sehn, ob dein Auge noch was taugt, reißt seinen Colt heraus und pfeffert los. Drei Schüsse bloß, aber schnell wie der Blitz. Wie er fertig ist, hängen die drei Drähte da, wie sie jetzt hängen. Die Boys ritten mit ihm damals und sahen's mit an, und wie Onkel Stephen stirbt, tun sie einen Schwur, daß keiner 'ne Hand rühren soll, um den Zaun zu flicken, und den Schwur haben sie gehalten. Das sind fünfzig Acres Weide, die jetzt unbenutzt liegen, alles wegen dem Schwur, aber die Tradition spielt auf der Ranch eine große Rolle, dagegen ist nichts zu machen. Das Loch hier im Zaun, das ist eine Art Denkmal für Onkel Stephen. Diese Burschen lassen einfach nicht zu, daß dran gerührt wird. Ich habe gleich gedacht, ich muß dir das Ding zeigen, damit du einen Begriff bekommst, aus welchem Stoff der Mann gemacht war.«

Es war genug. Ich seh mir die drei Drähte an, und ich weiß Bescheid.

Sag ich also zu Randal: »Also das ist der ganze Kram! Also alles, was ich zu tun habe, ist, mich nach dem Beispiel zu richten, das der alte Knabe, dein Onkel, gegeben hat! Was? Alles, was ich zu tun habe, ist, ganz einfach bloß in seine Fußtapfen zu treten. Nicht wahr?«

Randal nickte. Sagt er: »Denke, es wird der einzige Weg sein, auf dem du mit dem Ding zu Rande kommst. Onkel Stephen war so 'ne Art von Held bei den Leuten hierherum. Sie reden noch alle von ihm. Die ziehn beinah den Hut ab, bloß wenn sie an ihn denken, und das sind Leute, Mann, für die gibt's nichts auf der Welt, vor dem sie sonst den Hut abziehn.« Da war rein gar nichts mehr, worüber ich noch im unklaren war.

So sage ich: »Well, Randal, ich will dir nur gleich jetzt sagen, das ist 'ne verdammt eklige Aufgabe, die du da mir angehängt hast. Da ist eine Chance gegen neunundneunzig, daß ich nicht einfach aus dem Sattel fliege. Aber ich will tun, was ich kann. Mann«, sage ich, »ich stell mich jetzt gleich her und fang an und studier deinen Onkel Stephen.«

 

* * *

 


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