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Die Entführung.

 

Nichts half ihr Ach und Weh,
Sie mußte fürbaß reiten.

Bürger.

 

Das Fräulein verlor von Alberts Rede kein Wort. Kaum verschwand die Bande hinter dem nächsten Gebüsch, so trat sie zu Gertrud heraus.

»Habt Ihr gehört, was dieser schlechte Pfaff vom Ritter erzählte?« rief die Zofe. »Was mag dies nur für ein Ritter sein? Jedenfalls ist's ein zuverlässiger, starker Herr, sonst würde Euer Vater ihn nicht geschickt haben.«

»Daß mein Vater nicht selber kam – sonderbar!« erwiederte Margareth, bedenklich niedersehend.

»Freilich hätte er selber kommen sollen,« bestätigte Gertrud; »aber Ihr wißt ja, – man kann ihn nicht wegbringen, wenn er beim Bruder ist. Jetzt eilt, – laßt uns den Herrn aufsuchen, sonst reitet er nach Germersheim zurück und bringt Euren Vater in Todesängste durch die Kunde, er hätte Euch nicht gefunden.«

Beide eilten den Hügel vollständig hinab, durchschritten das schmale Wiesenthälchen und hatten bereits eine gute Strecke des Klosterberges erstiegen. Plötzlich blieb die Zofe mit einem Ausrufe des Schreckens stehen, indem sie gegen die Ebene hindeutete, welche gerade hinter dem Berge hervortrat.

»Himmlischer Vater!« rief sie aus. »Dort seht!«

Den Reiter aber, welcher ihnen vom Kloster her entgegenkam und bei ihrem Anblicke sogleich umkehrte, sah weder sie noch das Fräulein.

Gertruds Schrecken erweckte eine bewaffnete Schaar, welche unmittelbar vor der Mündung des Thales hielt. Die wallenden Helmbüsche, der hohe Wald langschaftiger Lanzen und das Blitzen der Rüstungen, verriethen sogleich die adeligen Krieger. Eine ziemliche Strecke von diesen entfernt, hielt eine ähnliche Schaar, vor deren Reihen der Anführer hin- und hersprengte. Gerade als die Frauen beide Haufen erblickten, wurde das Zeichen zum Treffen gegeben, worauf beide Theile fast zu gleicher Zeit sich in Bewegung setzten. Im stürmischen Galopp rannten sie gegen einander los, der zwischen liegende Raum wurde flüchtig kleiner, als würfen ihn die weit ausholenden Pferde hinter sich, die Speere sanken und es folgte ein fürchterliches Krachen, das brausend an den waldigen Bergen wiederhallte. Dicht aufwirbelnder Staub ließ nur unbestimmte Umrisse des weitern Verlaufes des Kampfes erkennen. Nichtsdestoweniger sah Margareth unverwandt in das dunkle Gewühl des Treffens, ungewiß, welche der beiden Parteien des Klosters Sache vertrete; denn eine von ihnen mußte Marienthal als Retter erschienen sein, dieß war ihr klar. Die Alte hatte ihren Rosenkranz hervorgezogen und betete davon einige Körner für die armen Seelen, die in Folge jenes Kampfes vor ihrem ewigen Richter erscheinen mußten.

Der vorige Reiter zeigte sich abermals auf der Höhe und zwar in Begleitung mehrerer Anderer, die schnell den beiden Zuschauerinnen des Kampfes nahten. An der Spitze des kleinen Haufens ritt ein vollständig Geharnischter; die Uebrigen waren reisige Knechte. Das Visir des Gewappneten war herabgelassen, dennoch verrieth der Drache auf dem Helme Hans von Drachenfels. Vertrauensvoll ging Margareth dem Ritter entgegen, den vom Vater gesandten Schirmer in ihm vermuthend. Einige Schritte von ihr entfernt, sprang Drachenfels vom Pferde und nahte sich in Demuth, wie es die alte, jetzt wenig mehr beachtete Sitte vorschrieb.

»Ueber zwei Stunden suchen wir Euch schon, edles Fräulein!« begann der Edelmann mit dumpfer, in der Wölbung des Helmes erstickter Stimme. »Im Auftrage Eures Vaters sollen wir Euch von diesem Orte in Sicherheit bringen, der so unversehens der Schauplatz blutiger Fehde geworden. Habt darum die Gewogenheit, Euren Zelter zu besteigen, den wir aus dem Kloster hieher brachten. Ich schätze mich glücklich,« setzte er schmeichelnd hinzu, »der schönsten Maid den Steigbügel halten zu dürfen.«

Wirklich kniete Huttens Geselle des Frevels nieder, während das Pferd seine Herrin durch munteres Wiehern und Schnauben begrüßte.

Das Fräulein machte jedoch keine Anstalten, den Zelter zu besteigen, oder das Reisekleid anzulegen, – ein weiter dunkelfarbiger Ueberwurf, – den man von Marienthal nebst anderem Gepäck mitgebracht hatte.

»Ich bin zwar bereit, dem Willen meines Vaters zu gehorchen,« sprach sie; »doch möchte ich die Person kennen lernen, der ich meinen Schutz verdanke.«

Drachenfels erhob sich, murmelte etwas in den Helm und hatte allerlei an der Rüstung zu ordnen, wozu er zuletzt die Stahlhandschuhe auszog, was Alles zum Oeffnen des Visirs nicht gehörte. Dieses Benehmen erregte Margareths Verdacht, den sie jedoch nach dem Rufe der Person nicht weiter begründen konnte, als Drachenfels den Helmsturz aufhob; denn ein völlig unbekanntes Gesicht, so weit die Eisenhülle es sehen ließ, hielt ihr gegenüber.

»Mit Verlaub, edles Fräulein!« sprach er, »wenn ich gegen Brauch und Sitte verstieß. Die fortwährenden Kämpfe gewöhnten mich daran, diese Stahlscheibe für mein eigentliches Gesicht zu halten, – für Bolzen und Pfeile nicht so empfänglich, wie das von Fleisch und Blut. Uebrigens,« – setzte er mit einem rauhen Lächeln hinzu: »möchte kein Visir gegen die Pfeile Eurer Augen schützen, die Jeden verwunden müssen, der Euch anschaut.«

Diese Schmeichelei bewirkte keine mädchenhafte verschämte Ziererei in Margareths Benehmen, sondern das gerade Gegentheil. Ihr forschender Blick traf mit Würde und Ernst den Krieger, als sie sprach:

»Das Wort eines Edelmannes macht zwar alle weiteren Versicherungen überflüssig; – seid Ihr aber nicht im Besitze näherer Beglaubigungen wegen Eures Auftrages?«

Hans that verletzt und wußte gekränkte Ehre ganz vortrefflich in seine Mienen zu künsteln.

»Leider nicht!« sprach er. »Die ausführlichsten Beglaubigungen sollten mir jedoch nicht mangeln, hätte ich das Mißgeschick geahnt, in Euren Augen so gering angeschlagen zu werden. – Euer Vater wollte eigentlich selber kommen, da trafen gleichzeitig mit Marienthals Befehdung Eilboten vom Pfalzgrafen ein. Euer Oheim wurde zum schleunigen Zuge nach Speyer aufgeboten. Die Verwirrung in der Hofburg war über diese Botschaft sehr groß. Euer Vater mußte der dringenden Bitte des Bruders nachgeben, wenigstens eine Stunde seine Abreise hinauszuschieben, bis er einen Theil von den tausend Dingen getragen, die alle sollten in kürzester Zeit abgefertigt werden. Unter solchen Umständen pries ich mich glücklich, Eurem Vater meine Dienste anbieten, Euch seinem Willen gemäß den Händen der Klosterplünderer zu entreißen und auf meine Burg bringen zu dürfen.«

»Und wer sind diese schändlichen Buben?« rief Gertrud entrüstet. »Wer sind diese ehrlosen Strauchdiebe, die gleich Räubern und Mördern wehrlose Frauen überfallen?«

»Der Ritterbund ist's, gute Frau, der sich zu Landau in Anwesenheit der abgefallenen nichtswürdigen Pfaffen von Wittemberg gebildet hat.«

Diese Verurtheilung der Reformatoren erwarb Drachenfels das Vertrauen Gertruds, die bisher mit strengem Auge den Krieger gemustert, jetzt aber entschieden auf dessen Seite trat.

»Wir sind diesem Herrn recht viel Dank schuldig,« sprach sie. »Nehmt mir's nicht übel Herr Ritter, Mißtrauen in Euch gesetzt zu haben. Das bringt so die Zeit mit sich, – nämlich das Mißtrauen; denn seit der Antichrist von Wittemberg geboren ist, kann man hinter jeder Hecke einen Buschteufel finden. Ja ich glaube, alle Teufel sind aus der Hölle gelaufen und treiben sich in Gestalt von abtrünnigen, falschen Pfaffen auf Erden herum.«

»Wie heißt denn Eure Burg und wie weit ist sie entlegen?« fragte Margareth, die nicht mit der schnellen Bereitwilligkeit ihrer Amme aller Zweifel gegen den Fremden sich entschlug.

Drachenfels fürchtete, bei Angabe seines Namens zugleich seinen schlechten Leumund zu enthüllen; denn hievon hatte wohl das Fräulein mehr Kenntniß, als von seinem Gesichte. Diesen Fall voraussehend, hatte er vorgesorgt und konnte darum schnell entgegnen:

»Starkenfels heißt mein Schloß, edles Fräulein! Nach dreistündigem Ritte in's Gebirg liegt es vor uns.«

Weiter blieb nun keine Zeit zum Fragen und Forschen; denn Marienthals Beschützer waren aus dem Felde geschlagen und feindliche Reiter jagten das Thal herein. Margareth griff schnell nach Reisemantel und Barett mit den weißen, wallenden Federn. Ihr Fuß stand bereits im Bügel, als sie denselben wieder zurückzog und nach ihrer Base, der Aebtissin fragte.

»Die ist wohl versorgt!« entgegnete Drachenfels. »Der Landvogt ließ sie in aller Eile auf die Wolfsburg bringen.«

»Gut – dann reiten auch wir dorthin,« sagte Margareth.

»Um Gotteswillen sitzt auf! Nach Wolfsburg können wir heute unmöglich, – seht ihr nicht, der Feind versperrte uns heute den Weg!« deutete Hans hinab in's Thal und nöthigte sie mit sanfter Gewalt eilig das Pferd zu besteigen.

Da für Gertrud kein eigener Klepper vorhanden war, mußte sie sich bequemen, hinter einem Reisigen Platz zu nehmen, an dessen Rücken sie sich anklammerte, wie Jemand, welcher, dem Ertrinken nahe, noch einen Rettungsbalken erfaßt. Schnell ritten sie den Berg hinab dem waldigen Thale entgegen, das in einiger Entfernung sich düster öffnete.

Kaum war der Fuß des Berges erreicht, als schon mehrere feindliche Reiter um das nächste Eck sprengten. Drachenfels trieb zur größten Eile an, und die schöne Fleckensteinerin bewies den beschwerlichen Weg hinauf solche Gewandtheit im Reiten, daß sie manchen Herrn würde beschämt haben. Die Zofe klammerte sich noch fester an ihren Vormann und stellte ihr Rufen und Klagen nicht eher ein, bis ihr die Sinne vergingen, über diesem wilden Ritte. Da die gefürchteten Klosterstürmer schon sehr nahe waren, hätte es ihnen gelingen mögen, den fliehenden Trupp zu erreichen, allein sie nahmen von ihm durchaus keine Kenntniß, sondern sprengten den Klosterberg hinauf.

Während Margareth von Fleckenstein den Nachstellungen Huttens und dessen nichtswürdigem Plane zu erliegen drohte, nahm die Auflösung der alten Abtei Marienthal ihren Fortgang. Nichts gleicht der Bestürzung der Klosterfrauen, als Hörner und Trompeten im Hofe, der sich plötzlich mit Bewaffneten anfüllte, laut wurden. Da nämlich der feindliche Haufen von der Nordseite heraufzog, wo der weit in die Ebene hinab sich erstreckende Wald dessen Nahen verbarg, traf die unvorbereiteten und überraschten Nonnen der jähe Schlag mit verstärkter Wucht.

Herr Ulrich von Hutten ritt an Sickingens Seite, heiter wie zu festlichem Gelage, durch den Thorweg des Klosters, welcher noch ein Ueberbleibsel der ehemaligen Burg war und wegen seiner Festigkeit Sickingens augenblickliche Aufmerksamkeit verdiente. Auch Eberhard aus Speyer begleitete im Namen seiner Stadt die Bewaffneten mit dem Auftrage, sämmtlichen Klostermitgliedern aus der speyrer Schatzkammer einen ansehnlichen Lebensunterhalt zu sichern, wogegen natürlich die Güter der Abtei an die Stadt fielen. Diese Säkularisation, wie man die Einziehung von Kirchengütern nennt, wäre somit in aller Ruhe und Ordnung abgelaufen, ohne von roher Mißhandlung der Nonnen begleitet zu sein. Aber Huttens Augen, die in freudiger Bewegung an den Zellen umher spähten, wo an den Fenstern bleiche, erschreckte Gesichter flüchtig erschienen und verschwanden, ließen mehr, als diese stillablaufende Säkularisation erwarten, besonders wenn sein forschender Blick von der Ebene zurückkehrte, die gegen Speyer hinzieht.

Noch ist Aquila zu erwähnen, welcher mit der Miene des tiefsten Abscheues in den Klosterhof ritt. Nach einem langen verächtlichen Blicke auf Kirche und Zellen, stieg er mit den Worten vom Pferde:

»Ein recht satanisches Erzhurenhaus!« – welche Benennung der würdige Mann abermals Luthers Mund entlehnte. A. a. O. f. 200 b.

Indeß ein Theil der Bewaffneten absaß und das Innere des Klosters betrat, versammelten sich die verscheuchten Nonnen im Betsaale um ihre Oberin, gleich einer Schaar junger Hühner unter die schützenden Flügel der Henne beim Nahen des Raubvogels. Die Frauen knieten vor dem Altare und schracken zusammen, als schwere Tritte, rauhe Männerstimmen und Waffenklirren durch den Gang lärmten. Die Aebtissin, eine hochbejahrte ehrwürdige Matrone, stand auf, trat von den Stufen herab und erwartete hier mit Ruhe die Ankommenden.

Franz von Sickingen, der zuerst eintrat, schickte sich an, in kurzgefaßter Erklärung die Aufhebung des Klosters und die künftige Versorgung seiner Bewohner darzulegen. Da er nun vor dem Altare stand, fühlte er beim Anblicke dieser ohnmächtigen, beängstigten Geschöpfe zum ersten Male, es gebe auch einen duldenden Widerstand, der mit Schwert und Keule nicht zu bewältigen sei.

»Wir sind gekommen, ehrwürdige Frau,« – begann er mit einer kleinen Verbeugung, welche die ruhige würdevolle Haltung der Aebtissin unwillkürlich forderte, »um das schwere Amt von Euren Schultern zu nehmen, damit Ihr in Ruhe und Frieden Euere alten Tage verleben könnt. Dieses Kloster muß aufhören zu bestehen; – ohne Sturm und Schrecken verlebte es sein letztes Stündlein, welches Glück manchem Stifte nicht begegnen wird, das in blutiger Fehde muß untergehen. – Zum Troste gereiche Euch die Versicherung, daß keine Nonne hilflos hinausgestoßen wird, jede erhält reichen Unterhalt auf Lebenszeit. Weiter ist Euch erlaubt, an Kleinod mitzunehmen, was Ihr tragen könnt, wovon freilich,« – setzte Franz erläuternd bei, »alle Kostbarkeiten ausgeschlossen sind, die zum Kirchendienst gehören. Solche Dinge müssen umgeschmolzen werden und dürfen dem Aberglauben nicht länger dienen. Wir mahnen Euch darum, aus Herrn Eberhards Hand die Zusicherungsschreiben zu empfangen und sogleich dies Haus zu verlassen.«

Eberhard zog einige viereckige, mit dem Siegel der Reichsstadt Speyer versehene Pergamentstücke hervor, und legte sie auf den Altar nieder.

»Für jede Nonne fünfzig rheinische Gulden jährlich, für die Aebtissin das Doppelte,« sprach er, mit saurer Miene halblaut hinzusetzend: »schmählich ist's, ausgediente Faullenzer zu bezahlen.«

Die Aebtissin erwies sich klug und würdevoll. Sie sprach über die Unritterlichkeit, wehrlose Frauen aus jener Stätte gewaltsam zu vertreiben, in der sie Frieden und Glück gefunden. Auch den Frevel berührte sie, das Gut der Kirche zu rauben.

»Uns ist es nicht erlaubt,« schloß sie, »dieses Haus zu verlassen. Vor Gott legten wir das Gelübde ewiger Zurückgezogenheit und Entsagung ab. Nichts darf uns vermögen, meineidig zu werden.«

»Meineidig zu werden? Wem habt Ihr geschworen – wem?« schrie Aquila, der bisher nur mit aller Anstrengung seinen Eifer beherrschte. »Wem schwurt Ihr, – Gott? Nein, dem Teufel habt Ihr geschworen! Eure Gelübde sind Bündnisse mit dem Teufel, – und Ihr wollt sie vertheidigen beim hellen Tageslicht, in Gegenwart der Verkünder und Beschützer des lautern Evangeliums? Ihr wollt den Klöstern, diesen Erzhurenhäusern des leibhaftigen Satans, das Wort reden? Feuer, Schwefel, Pech muß über diese Sodomsstätten herabregnen!« A. a. O. f. 194 b. 195. Das. 208. a. und der Eifer des würdigen Reformators ging in leidenschaftliches Gepolter über, wobei er mit solcher Meisterschaft Schmähungen über die Klöster ausschüttete, daß selbst Luther ihn schwerlich in seinen derbsten Schmähschriften übertraf.

»Mäßigt Euch, Meister Aquila!« sprach Sickingen. »Trotz aller Anstrengung werdet Ihr keine dieser Frauen bekehren.«

»Natürlich!« zürnte der Reformator. »An groben, tauben, blinden Klötzen ist nichts zu bekehren.«

»Klosterluft übt auf mich schlimmen Einfluß,« that Hutten ungeduldig, als die Nonnen bei ihrem Weigern verharrten. »Vorwärts, – thut nach unserem Willen und greift dort nach Euerem Vortheil.«

»Es steht nicht in unserer Macht, Euerem bösen Ansinnen zu entsprechen,« antwortete Mechtildis mit fester Entschlossenheit. »Niemals werden wir um schnöden Judaslohn den Herrn und Meister verrathen. Bis zum letzten Augenblick bleiben wir den Gelübden treu.«

»Hartnäckiges Weib!« schalt Eberhard. »Zwingt Ihr uns, Gewalt zu brauchen, dann schreibt unglimpfliches Behandeln auf Rechnung Eures Trotzes.«

... Gesellen, greift die störrischen Weiber ...

»He – Gesellen, greift die störrischen Weiber und setzt sie vor die Klosterpforte,« schrie Ulrich. – Sofort traten mehrere Knechte heran.

»Noch ein Wort!« bat die Aebtissin und ihre Stimme gewann einen strengen, feierlichen Ausdruck. »Bevor wir der Gewalt weichen müssen, erkläre ich hier vor dem allgegenwärtigen Gott, daß wider unseren Willen und Zuthun Gottes Heiligthum so schnöde überfallen, und seine ihm geweihten Bräute gegen alles Recht und Gewissen fortgeschleppt werden.«

»Überflüssiges Geplauder – vorwärts!« befahl Hutten.

Schon lagen die rohen Fäuste der Kriegsknechte auf den Schultern der zitternden Nonnen, als im Klosterhof ein gewaltiger Lärm entstand. Der Ruf zu den Waffen erscholl, kriegerisch schmetterten die Feldzeichen vom Thale herauf, in den Gängen des Hauses wurde stürmisches Rennen und Lärmen laut.

»Was ist das?« sprach Sickingen und Alle horchten erstaunt auf.

»Der Feind – der Feind!« rief der eben hereinstürzende Ritter. »Wenigstens sechstausend Lanzen ziehen von Speyer heran.«

»Hab' mir doch gedacht, der Bischof und sein fürstlicher Bruder werden uns einen Besuch machen!« sprach Sickingen gleichgiltig, indem er mit den Bewaffneten das Oratorium verließ. Eberhard und einige Magistratspersonen aus Speyer blieben zurück. Die Nonnen lagen auf ihren Knieen und dankten Gott für die unverhoffte Rettung aus den Händen ihrer Bedränger.

Im Klosterhofe angelangt, sah der kundige Feldhauptmann den Feind in drei starken Abtheilungen heranziehen und die am Fuße des Berges lagernden Truppen, im köstlichen Schmause aus Marienthals Keller und Küche gestört, nicht ohne Verwirrung zu den Waffen greifen. Herr Ulrich sang ein lustiges Reiterlied, als er an Sickingens Seite den Berg hinabsprengte und konnte nicht unterlassen, einige beißende Witze über des Bischofs Soldaten zu machen, die so dumm wären, mit dem Kern der Ritterschaft einen Kampf einzugehen. Sickingen verachtete grundsätzlich keinen Feind, so lange dieser unbesiegt ihm gegenüber stand, und da jener in drei Haufen heranrückte, theilte er schnell die Seinen in ebenso viele Theile. Am Fuße des Berges ließ er eine kleine Hut zurück, um zu verhindern, daß einzelne feindliche Theile das Kloster erreichten.

Den mittleren Haufen führte er selbst, den rechten übergab er dem ungestümen Schauenberger, welcher vor Ungeduld brannte, in die feindlichen Reihen einzuhauen. Den linken Flügel vertraute Sickingen dem Grafen von Solms.

Als eben das Zeichen zum Angriffe gegeben wurde, zerfiel plötzlich die rechte feindliche Abtheilung, Solms gegenüber, in mehrere kleine Theile leichter Reiter, die mit ungemeiner Schnelligkeit, wie eine ausgegossene Masse Quecksilber, über die Ebene sich ergossen.

»Donnerwetter, – das ist ein verfluchter Streich!« rief Sickingen. »Die Reihen stehen tiefer, als man sehen kann und jene Bremsen fliegen am Ende gar auf den Berg. He – Ulrich, halte dich an jene Kerle dort! Die Lanzen eingelegt, – St. Georg!«

Das Loosungswort brauste die Reihen entlang, die Trompeten schmetterten und im Sturme sprengten die Ritter gegen den Feind.

Obschon Franz und seine kampfgeübten Waffenbrüder, Rohrwölfen gleich, über die bischöflichen und churfürstlichen Truppen herfielen, leisteten diese dennoch mannhaften Widerstand. Die vordere Reihe der Sickinger warf der erste unwiderstehliche Anprall des Feindes auf die zweite Reihe zurück. Da und dort wälzten sich blutende Ritter im Staube unter den Hufen der Pferde. Die Herren griffen zum Schwert und bald entstand ein grauses Gemetzel, indeß die Waffenschläge weithin erdröhnten. Im dichtesten Gewühle winkte des Feldhauptmanns Helmbusch, der mit mächtigem Zuruf die Waffengenossen ermunterte, indeß sein eiserner Streitkolben die Feinde niederschlug.

Melchior von Schauenberg hatte sogleich beim ersten Angriffe den Feind zurückgeworfen, verfolgte aber die Fliehenden keinen Schritt weit; denn wo es galt, auf den Widerstand leistenden Feind einzuhauen, war Niemand thätiger, als Melchior, sollte aber verfolgt werden, so gab es keinen trägeren Krieger, als ihn. Vielleicht lag in der dießmaligen Nachlässigkeit noch ein anderer Grund. Herr Melchior stand nämlich immer knapp in der Kasse und hoffte nun, zu Marienthal deren Leere in Etwas zu verbessern.

»Wir haben unsere Schuldigkeit gethan, – Feind Hasenfuß nimmt Reißaus und wir können uns im Kloster umsehen,« rief er, das Schwert in die Scheide stoßend.

An den Platz zurückgelangt, wo sie vorher im Zechen gestört wurden, thaten sich die Herren aus Fleischkorb und Weinfaß noch gütlich, bevor sie den Berg erstiegen. Schauenberg entledigte sich einiger Waffenstücke, um desto schneller fortzukommen, als eben Sickingen vom Siege zurückkehrte.

»Seid Ihr schon fertig?« rief er den Zechern entgegen. »Aber Melchior, – das war nicht wohlgethan, den Feind keinen Fuß breit zu verfolgen.«

»Hab keine Lust, Hasen zu jagen,« entgegnete Schauenberg. »Sie werden nicht wiederkommen, – denk ich.«

»Und wie schlägt sich Solms?« sprach der Feldhauptmann, gegen Osten hinblickend, wo unablässig Staubwolken emporstiegen. »Er wird doch fertig werden mit ihnen? Geht Melchior, – der Graf könnte Euere Lanzen brauchen! Nicht um die ganze Welt möchte ich den Schimpf erleben, von des Bischofs Meßbuben eine Schlappe erlitten zu haben.«

»Ich meine,« versetzte Schauenberg nach dem Kloster sehnsüchtig emporschauend, »Ihr solltet dem Grafen diesen Gefallen erzeigen, indeß ich einmal da droben Umschau halten will. Denn Ihr wißt, der Mensch lebt nicht allein von Fleisch und Blut, sondern von Allem, was in den Klöstern die Taschen vergoldet.«

In diesem Augenblicke erscholl von der anderen Seite des Klosterberges herüber Getümmel und wildes Geschrei. Zugleich sah man aus der Ferne den zersprengten Feind mit fliegenden Fahnen wieder heranziehen.

»Da haben wir's!« rief Sickingen. »Bei St. Georg, der Feind ist in den Klostermauern. – Hutten hat seine Sache schlecht gemacht! Auf Melchior – flugs hinauf, werft die Schelme wieder hinaus, indeß ich jene dort heimschicke.«

Neuerdings ertönten Feldzeichen. Die unerwartete Wendung des Kampfes verlieh dem Schauenberger wieder alle Thatkraft. An der Spitze seines Haufens sprengte er durch das oben erwähnte Thal, den Gipfel des Klosterberges zu erreichen. Aber die Ritter kamen zu spät. Hutten war zurückgeschlagen und die pfälzischen Lanzenknechte und Armbrustschützen, welche durch den Wald gedeckt heranzogen, hatten bereits vom Kloster vollständigen Besitz genommen. Der starke, runde Thurm der ehemaligen Burg war plötzlich seiner früheren Bestimmung wiedergegeben. Schützen hielten ihn besetzt und begrüßten Schauenberg und dessen Waffenbrüder mit einem Hagel wohlgezielter Bolzen und Pfeile. Das Thor war ebenfalls verschlossen, und die schmale Seite des westlichen Bergabhanges, der allein zur Noth einen Reiterangriff ermöglichte, starrte von Hellebarden kampfesmuthiger Lanzenknechte, welche vortrefflich durch die stückweise hervorspringende Mauer geschützt wurden.

Dies Alles machte Schauenberg und dessen Genossen weder muthlos, noch ärgerlich. Im Gegentheile; ihre streitlustigen Blicke leuchteten durch die Oeffnung ihrer Visire, indem sie zu jener berühmten und allgemein gefürchteten Waffengattung der Lanzenknechte hinübersahen. Die Herren ritten außer Schußweite vom Thore zurück; denn die geübten Armbrustschützen spickten die Fugen der Rüstungen mit Bolzen, so daß man hie und da einen derben Fluch hörte, wenn die Eisenspitze etwas in's Fleisch drang.

»Möchte nur wissen, wo diese Burschen plötzlich herkamen?« sagte Emich von Gundsberg, den Pfeil von dem geharnischten Halse seines Pferdes nehmend, wohin er von seiner Stahlbrust zurückprallte. »Die Kerle schießen, daß es eine Art hat.«

»Und wir halten da vor dem Eulennest, um von den Bauernlümmeln uns verhöhnen zu lassen,« – schimpfte der jugendliche Wilhelm von Seckhendorf. »Absitzen wollen wir und Sturm laufen, – dies Herhalten und sich beschießen lassen ist doch gar zu lächerlich.«

»Nur Geduld, Hitzkopf!« versetzte überlegend Melchior von Schauenberg. »Will mal sehen, ob mit den Schelmen was anzufangen ist.«

Mit diesen Worten ritt er dem Thurme näher und stieß in das Horn; sogleich wurde der Ruf von innen beantwortet.

»Wenn Ihr ächte Lanzenknechte seid,« rief Melchior hinüber, – »dann kommt heraus zum Streit und setzt Euch nicht da drinnen fest hinter Schloß und Riegel, gleich alten Weibern. Ziehen wir den Kürzern, dann möchte Ihr in Gottes Namen das Nest behalten und den Wein selber trinken, den ich mir schon vorgesehen hab! – Kommt heraus, und bei meiner Ehre, Keiner von uns soll das Schloß betreten, bis die Sache mit Schwert und Lanze ritterlich ausgefochten ist.«

»Ihr seid höchst weise, Herr Goliath!« ließ sich aus dem Thurme eine Stimme vernehmen. »Wenn's Euch gar so gewaltig nach dem Faß gelüstet, kommt nur herein, – wir haben schon noch was übrig für Euch, – müßt's aber zuerst holen.«

Es fuhr eine Hand aus der Schießscharte heraus, die einen mächtigen Humpen trug, den Herr Melchior ungefähr mit derselben Miene betrachtete, wie Herr Reinecke die Trauben.

»Auf Euer Wohlergehen, Ihr durstigen Herren!« rief es, worauf die Hand sich zurückzog und aus derselben Oeffnung ein Pfeil an Schauenbergs Helmsturz schlug, daß es rasselte.

»Hol Euch der Teufel, Ihr Schufte! – Narren wollt Ihr mich noch?« fluchte Schauenberg. »Aber ich will's Euch schon eintränken.«

Damit sprang er vom Pferde und machte den schweren Streithammer vom Sattelknopfe los. Mit dieser Waffe, welche auf der andern Seite in einem Beile endigte, begann er, das Thor einzuschlagen. Seckhendorf lief nach dem naheliegenden Balken und rannte mit demselben ebenfalls gegen das Thor. Dieses ächzte und wankte unter den schweren Stößen, bis es aus dem Riegel wich, der für solche Anfälle nicht befestigt gewesen. Mit allem Ungestüm drang Melchior in den Klosterhof, wo ihm festgeschlossene Lanzenreihen entgegenstarrten. Wilhelm riß das Thor weit auf und sogleich hörte man die streitlustigen Ritter anstürmen. Einige Herren kamen mit solchem Ungestüm angerannt, daß sie mit ihren geharnischten Streithengsten in Mitte des feindlichen Haufens hineinsprengten, und mit den langen Schwerten übel zu wirthschaften begannen.

Nach mannhaftem Widerstande wichen die Lanzenknechte zurück. Streitend zogen sie an den östlichen Abhang des Berges, wohin die Reiter ihnen nicht folgen konnten, und hingen hier gleichsam zwischen Himmel und Erde, – von Oben durch die Ritter, von Unten durch die in der Ferne heranziehenden siegreichen Feinde bedroht.

»Ergebt Euch, Gesellen!« rief ihnen Schauenberg zu, dem hie und da aus den Fugen der Rüstung Blutstreifen rannen.

»Aechte Lanzenknechte sterben – sie ergeben sich nicht!« lautete kurz die Antwort.

»So werft die Hunde todt!« schrie Wurtlingen und sogleich begann er, eines der Felsstücke herbeizuwälzen.

»Weg da Paul mit deinem Stein!« schalt Herr Melchior. »Wären die Burschen feige Memmen, hätt' nichts dagegen, – könntest sie todt werfen. Aber die Schufte haben rasend gefochten, – will des Teufels sein, wenn sie mir nicht zwei Schoppen Blut abgezapft haben. He« – rief er wieder den Lanzenknechten zu: »wollt Ihr freien Abzug mit blanker Wehr und Hörnerklang?«

Nach kurzer Berathung wurde dieser ehrenvolle Antrag angenommen. Sie stiegen den Abhang herauf und die eben noch erbitterten Feinde begegneten sich, als wäre zwischen ihnen niemals blutige Fehde geführt worden. Schauenberg drückte sogar Einem und dem Anderen die Hand, – »da er gar männiglich gefochten habe,« wie der Ritter sagte.

Die pfälzischen Krieger verweilten übrigens nur so lange in dem verlorenen Kloster, als nöthig war, die Todten und Verwundeten auf ihre Lanzenschafte zu bringen und davonzutragen. Besonders waren die Armbrustschützen im Thurme hart mitgenommen worden; die adeligen Herren stachen unter ihnen herum, bis sie, des Mordens müde, nur Wenige übrig ließen. Unter kriegerischen Klängen zogen die Lanzenknechte davon und verschwanden bald im nahen Walde.

Schauenberg betrat mit seinen Gefährten das Kloster, daselbst einem Geschäfte obliegend, welches ein wüster Fleck in dem Wappenschilde dieses tapfern Adels war, nämlich dem Freibeuten. Paul von Wurtlingen, Emich von Gundsberg, Seckhendorf und mehrere Andere eilten in das Oratorium, worin von Nonnen und Magistratspersonen nichts mehr zu sehen war. Der breite, zur Hälfte eingemauerte Schrein stand weit offen, ebenso die kleine Thüre oberhalb des Altares, zum Beweise, daß die daselbst aufbewahrten Kelche und andere zum Kirchendienst gehörige Gegenstände bereits abhanden gekommen.

»Was Teufel ging da vor, rief staunend Emich von Gundsberg. »Nonnen fort, – Eberhard mit seinen Cameraden fort, – die Schreine sauber ausgeleert!«

»Gottlob – und Dank!« tönte es als Antwort auf Gundsbergs Rede, begleitet von schwerem Seufzen, aus einem Winkel des Oratoriums. Die Herren schauten verwundert um, und sahen aus dem Beichtstuhle eine Gestalt mühevoll hervorkriechen, welche sie als dem gutmüthigen Pfister aus Ulm angehörig erkannten. Ein allgemeines Gelächter bewillkommte den Schwaben, welcher den Schweiß vom Angesichte abwischte und nach glücklich überstandenem Schrecken durch sein verlegenes Lächeln das sich wiederholende Gelächter steigerte.

»Ihr seid mir ein feiner Kauz – ha, ha!« lachte Emich. »In diesen Armensünderkasten zu kriechen; eher hätt' ich mich doch in ein Weinfaß gesteckt!«

»Das hätt' ich auch,« keuchte Pfister; »aber schaut nur her, – bin ich nit in meiner eigenen Flüssigkeit beinahe ersoffen? Meiner Treue, in allem Ernst, – fast hätt' ich in meinem Lebtag keinen Wein mehr getrunken.«

»Aber wie kommt Ihr dazu, Euren dicken Bauch in diese Bretter da hinein zu zwängen?« fragte Seckhendorf mit lachendem Munde. »Ihr müßt arg in der Hetze gewesen sein – nicht?«

»Unchristlich wär's, ein wildes Schwein zu hetzen, wie sie mich gehetzt haben! Das soll mir und Kinds Kindern gedenken. – Brr – brrh!« rief er sich schüttelnd. »Vom Kopf bis zu Fuß läuft mir die Gänshaut, wenn ich d'ran denke, wie sie dem Eberhard die Hände zusammenschnürten, – blau und roth wurden sie. Und mir wär's nit besser ergangen, hätt' ich mich nit in diesen Beichtstuhl, wie in eine feste Burg zurückgezogen. 'nen Schwur thu ich d'rauf – mein Lebtag über keinen Beichtstuhl mehr zu schelten.«

»Was haben sie denn mit Eberhard und den Anderen von Speyer angefangen?« fragte Seckhendorf.

»Kann's nit sagen, ob sie dieselben gespießt oder gehängt haben, – weiß nit. Unter gehörigen Püffen und Stößen wurden die armen Schelme von den Lanzenmännern hinausgeschafft, jedenfalls um sie draußen umzubringen.«

»Und wo kamen die Nonnen hin?« forschte Paul von Wurtlingen.

Herr Pfister gerieth bei dieser Frage in heftige Bewegung.

»Nach diesen verteufelten Hexen fragt Ihr?«

»Hexen – was? Mit Ausnahme der alten, eingeschrumpften Frauen, sind die übrigen ganz liebe Täublein – ganz zum Kirren geschaffen,« sprach Wurtlingen.

»Was – Täublein? Katzen sind's, verstohlene, mausige Katzen,« schalt Pfister. »Hättet nur sehen sollen, wie sie dort aus jenem Schrein die Kelche und Meßgewänder mit güldnen Borten herauslangten, – und dazu gerade mir vor der Nase vorbei! O 's ischt zum närrisch werden! Hätt' besser nit durch die Ritze geguckt und war schon d'ran – »halt!« zu rufen; – aber zum Glück behielt die Furcht vor den Lanzenmännern die Oberhand, sonst hätten sie auch mich unschuldigen Mann todt geschlagen. Die güld'nen Borten waren ihre hundert rheinischen Gulden werth, – will mein Lebtag nimmer abschätzen, wenn's sie's nit werth waren. Und vor meinen Augen weg, – o es ischt zum toll werden! Eine Kappe war dabei, woran zum wenigschten zwei Pfund Gold hingen, – ja zwei Pfund Gold, Ihr Herren! Wär's ein Wunder, wenn ich da – »halt« gerufen hätt', sollten sie mich auch gleich todt gestochen haben?«

»Ja – aber die Nonnen – die Nonnen? Wo haben sie die Nonnen?« rief Paul.

»Laß ihn doch,« wehrte Seckhendorf, »sein Geplauder gefällt mir besser, denn alle Nonnen im Reiche. – Da wäret Ihr freilich beinahe ein reicher Mann geworden, Herr Pfister, was jedenfalls zunehmend auf Euren hinfälligen Körper würde gewirkt haben.«

»Zehn Pfund schwerer wog ich diesen Morgen; denn meine Hoffnung war grün,« versicherte Pfister, – »jetzt aber ist sie dürr und mit ihr ist auch mein abgelaufener Körper eingeschrumpft. Eine wahrhafte Freude für's Auge waren diese Stolen und Kappen mit ihren schweren Quasten, mit ihren Goldborten, mit ihren reichen Fransen.«

»Zum Henker mit Euren Quasten und Goldborten!« rief Paul unwillig. »Wo sie die Nonnen hingebracht haben – hört Ihr, die Nonnen, – nicht die Quasten und Fransen, die Nonnen, wo kamen die hin?«

»Was liegt mir an den Nonnen,« murrte Pfister. »Doch wenn Ihr's wissen wollt, – Einer aus Speyer, jedenfalls war er vom Schtift; denn er ließ lateinische Brocken fallen, – der sagte, die ehrwürdigen Schwestern sollten auf Befehl des Bischofs das Kloster verlassen und mit den güld'nen Sachen sogleich nach Speyer kommen.«

»Hat er das gesagt – ›mit den güldnen Sachen?‹« fragte Seckhendorf.

»Nun ja, – wenn er's auch nit gesagt hat, sag' ich's jetzt,« trotzte Pfister, endlich müde, die Neugierde der losen Frager zu befriedigen.

»Ei, mußt nicht brummig werden, Dickbäuchlein!« begütigte Seckhendorf. »Komm nur, es wird schon für Dich von Quasten, Borten, Fransen und Troddeln noch etwas zu stibitzen geben. Zuerst wollen wir uns aus Keller und Speisekammer gehörig auftischen lassen, dann sollst Du Alles haben, was von Gold und Silber übrig geblieben.«

»Was übrig geblieben, – meint Ihr?« und Pfister entwand dem Ritter seinen Arm, der ihn bereits zwischen den harten Panzer und den Stahlarm gepreßt hatte. »Schönen Dank, – mein Magen kann's schon noch aushalten. He – Jörg! Faulenzer, Tagdieb, – wo steckst Du! Der Schuft sitzt gewiß drunten und frißt und sauft, daß ihm die Brühe über den Bart läuft,« ärgerte sich Herr Pfister und verließ mit den Uebrigen das Oratorium, seine Entdeckungsreise durch's Kloster nach Schätzen und Kleinodien anzutreten.

Während das Kloster mit einer Genauigkeit untersucht wurde, wie es ihm bei keiner kanonischen Visitation begegnet sein mochte, ritt Herr Ulrich von Hutten in Begleitung mehrerer Knechte in den Klosterhof. Er stieg ab und trat mit seinem Vertrauten, einem schon ältlichen Menschen mit harten, boshaften Zügen bei Seite. Zu gleicher Zeit gewahrte man den Famulus des Astrologen Faust, wie einen Fuchs zum Klosterthore herein schleichen. Fortwährend behielt er Hutten im Auge, und da er den Edelmann im Gespräche mit dem Reisigen begriffen sah, kehrte er schnell um und kroch auf dem Bauche hinter der Umfassungsmauer des Klosters hin, bis er einige Schritte von Beiden entfernt auf dem Boden liegen blieb.

»Du hast doch deutlich gesehen, Simon?« fuhr Hutten fort.

»Wie ich Euch vor mir sehe,« antwortete der Knecht. »Drachenfels führte den Streich vortrefflich aus, – brauchte keinen gewaltthätigen Finger an das Fräulein zu legen. Wie ein Lämmlein folgte sie ihm; – Euer Schäflein ist im Trocknen, Herr!«

Huttens trunkenes Auge ruhte einige Augenblicke sinnend am Boden, indeß sein gewöhnliches rachesüchtiges Lächeln immer deutlicher seine schmalen Lippen umschwebte.

»Jetzt höre, Simon!« fuhr er fort. »Von der Wegnahme des Fräuleins durch meinen Hans hältst Du vor Allem reinen Mund, – es bleibt unter uns. Nimm dies einstweilen,« und er reichte ihm einige Geldstücke hin.

»O Herr, schweigen kann ich, wie das Grab!«

»Heute noch brichst Du auf gegen Hohenburg,« sprach Ulrich weiter. »Der alte Fleckensteiner sitzt dort in ritterlicher Haft. Berichte ihm, der Rothe vom Scharfeneck habe seine Tochter aufgehoben und auf sein Nest geführt.«

»Der Rothe von Scharfeneck – Herr? Diese Kunde wird dem Alten das Leben kosten; denn was der Rothe mit den Weiblein anstellt, die in seine Krallen fallen, ist bekannt.«

»Meinst Du, er wird sich todt härmen, der gute alte Niklas?« lachte Hutten mit hämischer Bosheit. »Ha – laß ihn sich abhärmen bis die Haut über sein altes Gerippe gezogen ist, – laß ihn die blöden Augen ausheulen, – dies Alles stillt meinen Rachedurst nicht.«

»Herr, Ihr sollt gerächt werden,« versicherte der Knecht. »Euch so schmählich abweisen, – die Stiege hinabwerfen, Donnerwetter! Ich will dem Alten Gift einträufeln, davon er zum Todtengerippe auszehren soll. Sogleich will ich aufsitzen.«

»Nach Deinem Wunsche. Führe den Streich mit Deiner erprobten Schlauheit aus und Du sollst Hände voll Geld haben.«

Der Knecht versicherte pünktliche Vollziehung des Auftrags. Gleich darauf sah man ihn das Pferd besteigen und davonreiten.

Der Famulus erhob sich vom Boden und eilte dem Eingange des Klosters zu. Er trat in ein geräumiges Zimmer, dessen Wände mit Büchern bedeckt waren. Doktor Faust stand mitten unter einem Haufen Folianten und durchblätterte sie mit einem an Heißhunger grenzenden Eifer. Viele, welche der Gelehrte für sich ausgewählt, lagen bereits bei Seite aufgeschichtet.

»Herrlich – göttlich!« freute sich der Doktor. »Die adeligen Narren laufen nach Goldschimmer und Trödel, – lassen hier die kostbarsten Schätze bei Seite liegen. In diesen gelehrten Werken kann ich zehn Winter hindurch schwelgen! – Und mit welcher Sauberkeit und Kunstfertigkeit sind die Schriften ausgeführt! Welche herrlichen Glossen am Rande – ha! Wirklich naiv!« lachte er freudig auf, eine der Glossen lesend.

Der Eintritt des Famulus störte des Astrologen Selbstgespräch.

»Herr,« begann dieser, »Hutten ließ wirklich die schöne Greth entführen,« – und er berichtete das Gespräch Ulrichs mit seinem Knecht.

»Durch wen ließ er sie entführen und wohin?« horchte Faust.

»Davon konnte ich nichts hören!«

»Schlimm – nur halbe Nachricht!« that Faust ärgerlich. »Um keinen Preis möchte ich dem Hutten das Gelingen seines süßesten Wunsches gönnen. – Wie trefflich er sich zu rächen versteht, hm, – ich will's noch besser verstehen,« brummte er in den Bart. – »Umschleiche mir den Junker,« fuhr der Doktor nach einigem Nachsinnen fort. »Jedenfalls hat er Mitwisser seines Geheimnisses; belausche seine Selbstgespräche, ich weiß, er spricht mit der leeren Luft, kann er's mit Menschen nicht. Erst die Kunde vom Aufenthalte der Entführten macht meine Rache sicher, und diese Kunde soll Dir einen vollen Beutel eintragen.«

Der Famulus verbeugte sich und ging. Der Doktor fuhr fort, die Büchersammlung zu durchstöbern.


 


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