Theodor Birt
Römische Charakterköpfe
Theodor Birt

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Cäsar

Neben Pompejus Magnus steht Gaius Julius Cäsar im Buch der Geschichte, neben dem glanzvollen ersten Diener des Staats der geniale Herrenmensch, der den Staat schließlich geknechtet hat. In dem Augenblick, wo Cäsar den Pompejus besiegt, ist auf einmal das römische Kaisertum da. Das »Kaisertum«, auch unser deutsches Kaisertum hat seinen Namen von ihm. Denn nicht »Cäsar«, sondern »Kaisar« sprach sich sein Name aus. Sein Eigenname wurde zum Titel. Das Wort »König«, rex, war mißliebig; denn man verstand darunter den Tyrannen, den Superbus, wie ihn die Sage im Tarquinius Superbus vorführte; und was das Wort imperator (empereur) betrifft, so bedeutete es nur das oberste Kommando über das Heer, und dies Wort genügte also wiederum nicht zum Vollausdruck der monarchischen Würde. Daher hat sich Augustus und nach ihm alle nachfolgenden Herrscher des Reichs, Tiberius, Vespasian, Trajan, Aurelian, auch diejenigen, die von der Julischen Familie gar nicht mehr abstammten, Cäsar betitelt. Der Titel pflanzte sich weiter nach dem Untergang Roms im byzantinischen Reiche fort und gelangte so schließlich zu den Germanen hinüber und zu Karl dem Großen. Es hat also noch ein ganz besonderes Interesse für uns, klarzustellen, wie jener erste der Cäsaren dazu kam, Alleinherrscher zu werden.

Was hat Julius Cäsar gewollt? Hat er von vornherein die Monarchie angestrebt und alle Menschen seinen frühgefaßten Plänen unterworfen? oder ist er erst später und wie zufällig auf die Idee gebracht worden? Bei vielen gilt Cäsar in der Tat als der wunderbar kluge Rechenmeister, der von Anfang an, sein Ziel klar vor Augen, mit den Parteien und allen Zeitgenossen, auch den größten, wie mit Schachfiguren spielt. Die zweite Ansicht entspricht aber weit mehr der Wirklichkeit. Cäsar ist wie jeder andere natürliche Mensch durch die Umstände getragen worden. Die Umstände führten ihn zuerst zur Schaffung des Triumvirats, der Dreimännerherrschaft, die seinem Ehrgeiz zunächst durchaus genügte. Der Tod der beiden anderen 141 führenden Männer machte ihn zum alleinigen Befehlshaber der Legionen und Inhaber der Macht. Aber er hatte den Tod des Crassus und Pompejus nicht gewollt.

Cäsar steht ganz in derselben sittlichen Sphäre wie Pompejus; d. h. er empfindet Abscheu vor den Greueln und Metzeleien des Sulla und meidet wie Pompejus alles überflüssige Blutvergießen. Das ist schön und denkwürdig; es ist der Geist Scipios, der in ihm lebt. Der griechische Geist, der in Ciceros Schriften heute noch zu uns redet, war der Geist jenes Zeitalters. Sonst aber ist Cäsar echter Römer, Räuber und Verschwender zugleich, ein glänzendes Raubtier; durch das skrupelloseste Ausplündern der Provinzen wurde er reich; er besaß keinen Pfennig, den er, was wir so nennen, ehrlich erworben hatte. Das unterscheidet ihn von Pompejus.

Während ferner Pompejus von seiner Knabenzeit an Soldat und nichts als Soldat war, stand es mit Cäsar ganz anders; er war regelrechter Großstädter, Zivilmensch, Politiker, Demagog, der sich ohne Waffen auf den Marktplätzen, im Senatssaal, in den Klubs umtreibt; Cäsar hat seine militärischen Talente erst spät entwickelt, als Pompejus sich schon müde gekämpft hatte. Er war ohne Zweifel eines der vielseitigsten Genies und entdeckte sich selbst erst allmählich.

Geboren war er i. J. 100, und zwar im Monat Juli. Der Monat Julius hat seinen Namen von ihm (wie der Monat August von seinem Nachfolger). Seine Mutter Aurelia, die er hoch verehrte, gab ihm die sorglichste Erziehung. Antonius Gnipho hieß der geniale Hausgelehrte, der ihn in der Literatur unterrichtete; und da regte sich gleich die Keckheit in ihm. Griechischen Geistes voll, ersann Cäsar schon als junger Mensch die Legende, daß seine julische Familie sich von Troja, vom alten Helden Äneas herleite. Des Äneas Sohn hieß nämlich Julus; von ihm behauptete er herzustammen. Nun war aber Äneas selbst Sohn der Venus, und Cäsar stammte also von Venus ab: göttliche Herkunft! Halbgöttertum! Derartiges zu erfinden 142 wurde damals Mode. Es lag ein reklamehafter Anspruch darin, der Vornehmste unter dem alttrojanischen Blaublut in Rom zu sein. Aber es erinnert zugleich bedenklich an Sulla: Sulla hatte sich den Günstling der Venus genannt, Cäsar war jetzt ihr Enkel.

Seine politische Stellung war ihm durch die Tradition gegeben. Denn Cäsar war Neffe des Marius, des Teutonenbesiegers, des großen Feldherrn der Volkspartei. Des Marius Witwe, Julia, Cäsars Tante, lebte noch lange. Man könnte also sagen: es ist Marius, der in Cäsar weiterlebt. Doch das hat sich nicht bewahrheitet.

Schon als ganz junger Fant bekannte sich Cäsar als Marianer. Sulla lebte noch und bedroht ihn; Cäsar hatte damals eine Cornelia, die Tochter eines Marianers, geheiratet. Sulla fordert, daß er sich von ihr scheiden läßt. Cäsar trotzt, gehorcht nicht, und muß sich in Sicherheit bringen: die Verfolger hinter ihm her, auf einsamen Wegen – es war eine Hetze, eine Flucht ähnlich wie die berühmte Flucht des Marius –, bis er selbst sich nach Kleinasien rettet. Er war 17–18 Jahre alt. Da trieb er griechische Studien und ein bißchen Soldatentum und ließ sich in den Umgang mit dem König Nikomedes von Bithynien ein. Von diesem Umgang her blieb ein Schmutzfleck, der Vorwurf unmännlichen Jugendlasters, an ihm haften: Cicero hat ihm das später ins Gesicht gesagt.

Julius Cäsar

Julius Cäsar

Kolossalkopf. Neapel, Museo nazionale. Nach Photographie.

Wie verschieden sind nicht die Männer, von denen ich handle! Mit wem unter den vielen sollen wir Cäsar vergleichen? Er gleicht, so echt römisch er ist, in seiner reichen Begabung doch keinem anderen seines Volkes. Schilderungen seiner Person erhalten wir nur aus der Zeit, wo er schon älterer Mann ist, und so erkennen wir ihn auch in seinen Statuen wieder: hochgewachsen, die Glieder hager, das Gesicht etwas voll; schwarze, funkelnde, rasch bewegliche Augen im blassen Gesicht; der Körper zäh und sehnig, die Seele wach und voll Spannkraft; dabei sehr peinlich in Dingen der Toilette, Rasieren, Frisieren; 143 früh kahl und das Haar nach vorn über die Glatze gekämmt. Er ärgerte sich über diese Kahlheit und freute sich, wenn er auf der Straße den Lorbeerkranz tragen durfte, um sie zu decken (einen Hut trug man nur auf Reisen). Übrigens war sein Hausstand elegant, ja üppig bis zur Verschwendung. Ein unbehaglicher Mensch; aber zugleich für Frauenherzen gefährlich; man kann sagen, er war Ehebrecher von Beruf. Er wechselte gern. Auch des Pompejus Frau kam an die Reihe; und als der Parteimann Clodius sich mit Cäsars eigener Frau auf das Frechste einließ (Clodius verkleidete sich selbst als Dame, um in ein nächtliches Frauenfest einzudringen), da hat Cäsar auf der Durchführung der gerichtlichen Verfolgung dieses Clodius nicht bestanden. Seine Entrüstung schien nicht grenzenlos. Es ist charakteristisch, daß Cäsar plante, durch Gesetze die Vielweiberei in Rom zwecks Kindererzeugung zu legitimieren. Die Göttin Venus Genetrix war eben seine Ahnfrau. Vor allem stand er mit Servilia, einer der politisierenden Frauen, die einen großen Kreis von Männern um sich sammelte, in intimster Verbindung. Von einer wundervollen, riesigen Perle wird erzählt, die er ihr schenkte; wer weiß, ob sie nicht gestohlen war? Cäsar schwärmte überhaupt für Perlen. Diese Servilia aber war die Mutter des Brutus, der Cäsar ermordete.

Bis zu seinem 40. Lebensjahre ist Cäsar nichts als Demagoge und bewegt sich zumeist auf dem Straßenpflaster Roms. Gleich nach Sullas Tod im J. 78 ist er, 22jährig, wieder in Rom und beginnt kühn als Ankläger von Senatoren wegen Erpressungen aufzutreten. Dann widerfährt ihm ein Abenteuer. Als er sich nach der schönen Insel Rhodos begibt, um dort noch Unterricht als Redner zu nehmen (26jährig im J. 74), wird er von Seeräubern gefangen und verschleppt. Es war damals die Blütezeit des Piratentums, und nur gegen gewaltiges Lösegeld wurde solch ein eingefangener Römer wieder freigegeben. Köstlich, ja königlich überlegen ist die Keckheit, mit der sich Cäsar da 38 Tage lang als Gefangener der Piraten benahm. Er selbst 144 hat offenbar dafür gesorgt, daß das bekannt wurde. Sie forderten nur 20 Talente (60 000 Mark) Lösegeld; er lachte sie aus und sagte; ich bin mehr wert! ihr bekommt 50 Talente (150 000 Mark). Das imponierte den Banditen so, daß sie ihn wie einen Fürsten behandelten; wenn er schlief, durften sie sich nicht räuspern, und er trieb noch sonst seinen Ulk mit ihnen, schrieb griechische Verse, und wenn sie seine Verse lobten, schimpfte er sie aus als ungebildetes Pack, und drohte ihnen: »ich laß euch noch alle hängen.« Kaum war er frei und das Lösegeld gezahlt, so verschaffte er sich Schiffe, griff die Räuber auf und brachte sie zu Tode. Sie wurden sämtlich gekreuzigt. Das Kreuz ist der Galgen des Altertums. Auch sein Lösegeld hatte er wieder. Aber das Kreuzigen ist sehr schmerzhaft, und da die Räuber den Cäsar so gut behandelt hatten, so belohnte er sie damit, daß er sie erst töten ließ und dann erst ans Kreuz heften. Das war so ein geniales Jugendstückchen Julius Cäsars.

Kaum wieder in Rom, stürzt sich Cäsar in das politische Getriebe. Von rascher Entschlossenheit, ruhelos tätig, kühl und blendend wie ein Reptil, extravagant, herausfordernd und unverfroren, aber dabei von feinstem Schliff und von vornehmster Haltung, ein Plauderer und Redner wie kein Zweiter: so war Cäsar; seine Gestikulation feurig, seine Stimme hoch und hell, mit Tenorklang; dabei von fabelhafter Nüchternheit: überall der einzige Nüchterne bei den Gelagen. Der strenge Cato, der gern sein Glas Wein trank, hatte deshalb Angst vor ihm. Aber von staatsmännischen Plänen ist vorläufig nichts zu merken. Der Umstand, daß Pompejus im J. 70 der Volksversammlung und den Volkstribunen die alte Gewalt wieder zurückgab, war Wasser auf die Mühle Cäsars. Während sich Pompejus aber in seiner großzügigen Art über alle Staatsämter hinweggesetzt hatte, macht Cäsar die Ämterfolge, wie es die Regel forderte, durch; und zwar im Kampfe mit dem Senat. So wurde er auch Pontifex maximus (im J. 63). Es muß auffallen, daß er, bei seiner soldatischen Begabung, sich 145 nicht früh dem Kriegshandwerk hingab. Als Offizier im Heere des Pompejus hätte er diesen vielleicht rasch überholt, wie Sulla den Marius. Aber er blickte noch nicht so weit, und sein politisches Genie war noch ganz in den städtischen Interessen verfangen.

Das römische Gassenvolk kennen wir schon zur Genüge. Es war ungefähr das verlumpteste, faulste, verworfenste, das die Sonne beschien, und nicht entfernt mit den Arbeiterbataillonen zu vergleichen, die bei uns zur Wahlurne ziehen. Eine wirkliche Liebe zu solchem Volk konnte Cäsar nicht hegen.Vgl. hierzu E. G. Sihler, C. Julius Caesar, Leipzig 1912, S. 177. Warum hielt er also dauernd zur Popularpartei? Er wollte sich offenbar – wie Pompejus – die Gunst dieses souveränen Volks warm halten für den Fall, daß er sie einmal brauchen konnte, um irgend etwas über den Willen des Senates hinweg zu erreichen. Denn die Abstimmung in den Comitien gab die Amtsgewalten, und durch sie ließ sich auch die Verfassung ändern. Eben daher war Cäsar den Konservativen stets verdächtig. Aber ein Ziel sah er nicht vor Augen und verbrauchte seine Kräfte, wie es ging. Er leistete für das Volk im Grunde nichts. Er bestach die Massen, indem er Millionen über Millionen verschleuderte, als Ädil die glänzendsten Feste gab, und dabei erstickte er in Schulden. Er tat es, um durch das Volk den Senat zu bedrängen. Aber es kam doch dabei nichts heraus.

Wenn er einmal in einer Rede den Marius zu verherrlichen wagte (im J. 68, als des Marius Witwe starb), wenn er gar im J. 65 auf dem Kapitol die von Sulla niedergeworfenen Siegesdenkmäler des Marius über Nacht wieder aufrichten ließ, so waren das Demonstrationen; es machte das für den Augenblick gewaltigen Rumor. Aber auch weiter nichts. Es hatte keine Folgen. Gelegentlich hat Cäsar ein Ackergesetz eingebracht oder begünstigt (im J. 63 und 59), aber die Gesetze erwiesen sich als unausführbar oder verliefen doch im Sande. Italiens Bodenkultur und Industrie stand just damals im glänzenden Aufschwung, und es brachte nur Verwirrung, 146 wenn jetzt einigen Tausend trägen Stadtrömern oder den Veteranen des Heeres italisches Ackerland angewiesen werden sollte, damit sie lernten, sich selbst zu ernähren. Denn fast alles Land war in festen Händen.

Ein erster Fortschritt läßt sich bemerken, als Cäsar im J. 61 (nach seiner Prätur) Spanien verwaltete. Das erweiterte seinen Horizont. Da hat er sich die Wichtigkeit einer geordneten Provinzialverwaltung durch Eigenschau klar gemacht und gleich selbst auf das nützlichste dazu Hand angelegt – auch bald hernach als Konsul im J. 59 Gesetze zur Regulierung der Provinzialverwaltungen votieren lassen. Auf diesem Gebiete liegen Cäsars größte Verdienste. Aber die Geldgier der Steuerpächter, der Ritter, begünstigte er gleichwohl, und Cäsar selbst hat sich in Spanien im Verlaufe des einen Verwaltungsjahres unerhört bereichert.Das Abgehen in die Provinz ist in jener Zeit immer ein Beutezug nach Geld, plena res nummorum: Cicero ad Quint. fr. II 7, 2. Er konnte gleich hernach in Rom alle seine Schulden tilgen. Crassus, sein großer Gläubiger, war natürlich froh. Aber die Dichter, wie Catull, schrien hinter dem Beutemacher her: »Haltet den Dieb!« Catull war der zündendste Dichter jener Tage. Aber er haßte Cäsar aus Instinkt; denn in seiner erregbaren Jünglingsseele lebte das Ideal der reinen Frauenliebe, von der Cäsar nichts wußte.

Neben Cäsar wirkten in der Stadt zwei andere namhafte Politiker, Cicero und Cato. Wenn man diese beiden vergleicht, so spürt man Cäsars Überlegenheit. Cato, der Stoiker, der beste der Menschen, war gleichsam das Gewissen Roms, und die spätere Zeit hat ihn wie Sokrates um seines sittlichen Adels willen verherrlicht. Wenn er aber im römischen Senat von Tugend und Unbestechlichkeit sprach, so lachten alle vornehmen Gauner, Cäsar voran, über den NarrenEr verhielt sich so, als lebe er in Platos Idealstaat: ad Attic. 2, 9, 1.; um so mehr, da er in altmodischer Tracht herumlief, um den braven Altrömer zu markieren.Ascon. in Saur. p. 20 u. 30. Cato wollte die herkömmliche Senatsherrschaft retten; dies sollte geschehen durch eine Versittlichung der Gesellschaft: einen Senat von lauter Stoikern, von lauter rechtschaffenen Leuten, den mußte es geben; dann wäre der Staat 147 gerettet; dann würden vor allem die Provinzen nicht mehr ausgeraubt werden und der Senat das Werk, das später der Monarchie zufiel, auf sich nehmen, den unterjochten Völkern ein friedliches Gedeihen zu sichern. Denn die Monarchie wurde nicht im Interesse der Hauptstadt, sondern der Provinzen schließlich zur Notwendigkeit. Daher nun also suchte Cato eine Gemeinde der Guten zu bilden und kämpfte trotzig gegen jeden unrechtlichen Übergriff. Das schien grillenhaft, und es war utopisch, ein Schattenspiel der Tugend; aber auch in Cato war Größe, echte Größe des Römertums; denn als Cato sein Ideal zerbrochen sah, warf er sich ins Schwert: ein Märtyrer seines politischen Glaubens. Schon als 14jähriger Knabe hatte er im Tyrannenhaß einst Sulla erstechen wollen.

Cicero

Cicero

Büste. Rom, Vatikan. Nach Photographie Anderson.

Anders Cicero. Cicero war im Grunde genommen nur Prozeßredner und Literat, weiter nichts; Schöpfer der lateinischen Schriftsprache, die eigentlich erst durch ihn lesbar wurde: quecksilbern beflissen in allen Dingen, triefend von Witz und guten Einfällen, betäubender Dauerredner, ein literarisches Genie, das ich auf das offenste bewundere und dem auch Cäsar in aufrichtiger Bewunderung gehuldigt hat. Aber politisch drückte sich Cicero durch, so gut es eben ging; denn er war aus geringer Familie, auch kein Militär, und für ihn war es schon viel, ebenbürtig als Mitglied im römischen Senat zu sitzen und für ein Jahr Konsul zu werden. Im Notfall verschob er etwas die Parteistellung; das tat ja auch Pompejus; warum sollte er es nicht tun?, und suchte mit den großen Männern gute, ja herzliche Beziehungen zu bewahren. Er begeisterte sich rasch bis zur Entzückung, konnte aber auch, wenn er getreten wurde, furchtbar schimpfen, und solche Schimpfrede Ciceros war wirksamer und gefürchteter als aller schmutzige Anwurf und politische Geifer, den wir heute nur zu oft in unseren Zeitungen finden. Daß Cicero übrigens auch ein bestimmtes Staatsideal im Herzen trug, werden wir später sehen; ja, auch das Ideal einer richtigen Verwaltung der Provinzen, wie sie später vom 148 Kaisertum durchgeführt worden ist, hat er schon entworfen; wir besitzen esad Quintum fratrem I 1, 25 (aus dem J. 60).; aber er schrieb eben nur, er schrieb und schrieb. Was vermochten damals die hundert geschwollenen Bücher Ciceros und alle papierne Weisheit gegen ein einziges Machtwort derer, die zu herrschen verstanden? Man kann den Stoiker Cato mit einem engen Landsee vergleichen, der stagniert, keinen Abfluß hat und schließlich vertrocknet; Cicero glich der Fontäne, die gewaltig hochspringt und in allen Farben glitzert, aber doch schließlich in Nichts zusammenfällt, als hätte sie all ihre Kraft verschwendet; Cäsar war der Gebirgsbach, der ziellos vorwärts stürzt, bis er sein Bett tief gräbt, zum Strom wird und stark genug ist, die schwersten Lasten zu tragen.

Im J. 63 tritt uns der Unterschied der drei Staatsmänner stark entgegen. Es ward ruchbar, daß eine Verschwörung bankerotter römischer Adliger und Glücksritter von gewaltiger Ausdehnung die Gesellschaft unterminierte: die catilinarische Verschwörung. Angst, Todesschreck, die unheimlichste Stimmung griff um sich; man sah schon Rom in Flammen an allen Enden, Niedermetzelung, Ausplünderung der Reichen. Catilina, das Vorbild aller dekadenten Verbrecher, der gräßliche Catilina, stand an der Spitze. Es scheint, daß auch Julius Cäsar davon wußte; aber Cäsar schwieg; er ließ die Sache laufen. Ein bißchen Chaos in Rom schadete nichts. Cicero war nun eben damals Konsul, und Cicero war es, der das gefährliche Geheimnis aufdeckte. Die wichtigsten Mitverschworenen wurden rechtzeitig ergriffen, und es fragte sich nun: was sollte mit diesen Leuten geschehen? Hinrichtung? Cäsar erhob sich im Senat voll Ruhe und riet, man solle die Folgen einer so großen Gewalttätigkeit scheuen und auf bloßes Gefängnis erkennen; so verlangte es die Klugheit. Cato dagegen forderte pathetisch sofortige Hinrichtung; Cicero sprach als Präsident in gleichem Sinne schmetternde Worte. Und so kam es, daß Cicero die Verbrecher persönlich durch die Volksmassen hindurch über die Straße in den Kerker führte, wo sie sofort durch den 149 Henker erwürgt wurden. Am Abend große Illumination, Frauen auf den Dächern. Es war Ciceros größter Jubeltag. Aber er und Cato haben bald für diese Übereilung schwer büßen müssen. Cicero handelte in Angst und Wut, Cato aus moralischem Fanatismus, Cäsar als nüchterner Realpolitiker.

Trotz allem: Cäsar bedeutete in Rom bisher nicht viel mehr als der gute Cicero. Da kam die Wendung. Pompejus, der große Sieger, war aus dem Orient zurück. Im J. 60 erwarb sich Cäsar des Pompejus Vertrauen und intime Freundschaft, gewann ihn für seine Wünsche und Pläne. Erst durch die Hilfe, durch das Schwergewicht des großen Pompejus gelang es Cäsar endlich, sicher zu stehen und selbst handelnd weit auszugreifen: wie ein Adler, der aus dem Käfig der Sonne zufliegt und nach Beute sucht. Er war endlich er selber. Die beiden Männer schlossen mit dem reichen Crassus als drittem im J. 60 einen Dreibund von durchaus diskreter Beschaffenheit; es war nichts amtlich Gültiges. Aber die Welt empfand den Druck sofort. Der kühnste der Demagogen hatte sich mit der Hochfinanz und dem größten Militär verständigt: jeder andere Wille war jetzt lahm gelegt; der Senat knickte zusammen.

Mit dem Jahr 60 beginnt also eigentlich schon die Monarchie, aber eine dreiköpfige. Da ist es hochbedeutsam, daß kurz darauf Cicero seine Schrift De republica, die für alle Folgezeit grundlegende Schrift von der besten Staatsform, begann und bald auch ins Publikum warf, in der dieser Wortführer seiner Zeit die altrepublikane Freiheit als vergangene Größe verherrlicht, für die Gegenwart aber erkennt, daß ihr ein führender Mann von überragender Autorität – führend auf Grund übermächtiger Klientel oder Anhängerschaft unter den Bürgern – nötig ist, und demgemäß im Rückblick auf die Scipionen die Bedingungen eines annehmbaren Fürstentums in Rom festlegt. Durch diese Ciceroschrift ist dem Kaisertum damals der Boden bereitet worden. Cicero, der Senator, scheut sich vor ihm nicht. Er ist nicht nur ein Kenner seiner Zeit, sondern er will sie auch 150 lenken; der Fürst aber, dem er Raum gibt, soll natürlich nicht als Despot herrschen, sondern unter freier Mitwirkung des hohen Senats und der herkömmlichen Volksversammlungen auf dem Campus. Das war das Programm der Zukunft, das Ideal des konstitutionellen Principats. Es fragte sich nur, welcher der drei Männer dieses Programm verwirklichen wollte.

Cicero hat nur an Pompejus gedacht. Es läßt sich zeigen, daß er sein Werk »vom Staat« geradezu für Pompejus bestimmt hatte, ja, daß er ihm dies selbst auch deutlich zu verstehen gab. An Cäsar dachte er nicht entfernt. Roms ganzes zukünftiges Glück schien an Pompejus zu hängen.Pompejus hatte, als er im Jahre 61 aus Asien als der große Sieger zurückkehrte, ein Manifest erlassen, indem er erklärte, daß er jetzt in Muße (otium), d. h. amtlos leben wolle. Darauf schrieb ihm Cicero (ad famil. V, 7), daß er Kenntnis davon genommen habe (spem otii ostendisti), gleichwohl solle in Zukunft Pompejus in Rom ein neuer Scipio Africanus, er, Cicero selbst, wolle dazu der Laelius sein. Diese eigentümliche Äußerung erhält erst Sinn und Bedeutung, wenn man beachtet, daß Cicero ebendamals in seiner Programmschrift De republica just den Scipio und Laelius zu den Hauptfiguren der Gespräche über Freistaat und Monarchie machte, die sie enthält. Es ist also klar, Pompejus hat die geplante Schrift so auffassen sollen, daß er darin der Scipio, auf den alles hoffte, Cicero der Laelius sei, und sie war also ganz besonders im Hinblick auf ihn geschrieben. In der Tat steckte die Idee zur Schrift De republica dem Cicero schon im J. 60 fertig im Kopf, wie der Brief ad Qu. fratrem I 1, 29 zeigt. Daher die Ausdrucksweise in Ciceros Brief ad Att. V 5, wo er im J. 51 den Pompejus in Tarent trifft: cum Pompeio διαλόγους de re pulica habuimus. Der Dialog De re publica wird da in Tarent gleichsam fortgesetzt. – Daß Pompejus sich wirklich schon im Jahre 57 einer monarchischen Stellung näherte, ist S. 132 in der Anmerkung "Schon im Jahre 57, als Pompejus..." des vorigen Kapitels gesagt. Von sonstigen Äußerungen Ciceros über den Pompejus hebe ich die aus dem J. 56 hervor, pro Balbo 14 ff.: es finde sich bei ihm die höchste Kenntnis des Völkerrechts; er sei die Quelle desselben, und was er dafür aus Büchern nicht gelernt habe, lehrte ihn die Erfahrung. Im Jahre 51 hatte Cicero, wie erwähnt, mit ihm Gespräche über Staatsverfassung, die mehrere Tage sich hinzogen, und Cicero hat einen starken Eindruck davon (ad fam. II 8, 2). Im Jahre 54 nennt er den Pompejus princeps und wendet auf ihn den Satz Platos an, daß die principes im Staate auf den Charakter der übrigen Bürger den größten Einfluß haben (ad fam. I 9, 11 f.). Ja, Pompejus ist schon damals der Allmächtige (cum unus ille omnia possit, ad fam. III 4, 2) und Cicero zeigt sich damit völlig ausgesöhnt (unum omnia posse, ad Att. IV, 18, 2). Um das Jahr 50 aber steigert sich noch Ciceros Verehrung: für Pompejus könnte er sein Leben lassen (ad fam. II 15, 3), und er nennt ihn jetzt omnium saeculorum et gentium princeps (III 11, 3). Nachher, im Jahre 46, tut Cicero freilich so, als würde Pompejus als dauernder Herrscher ein Tyrann geworden sein (IV 9, 3; ähnlich IV 14, 2); das sagt er nur, um seine damalige Annäherung an Cäsar zu beschönigen. Später, im Jahre 45, schätzt er den Pompejus wieder hoch (VI 4, 4).

Verfehlt ist die abweichende Darlegung von R. Heinze im Hermes Bd. 59. Seine Argumente richten sich nur gegen Ausführungen anderer Gelehrter, nicht gegen die meinen, und das, was ich hier vorgetragen, bleibt davon unberührt. So kommt es, daß ich von seinem Aufsatz leider keinen Gewinn habe, er erweist sich vielmehr schon dadurch, daß er die oben gegebenen Nachweise nicht benutzt, als ungenügend. Diese Nachweise zeigen zunächst sonnenklar, daß Ciceros Schrift speziell für Pompejus geschrieben ist, was auch Heinze (S. 90) selbst schließlich herausgefühlt hat. Aber es ergibt sich aus ihnen auch noch, daß es des Pompejus Ansichten sind oder doch nach des Cicero Wunsch sein sollen, die er da vorträgt; denn, wie wir oben sahen, soll sich Pompejus mit dem Scipio des Dialogs identisch wissen. Bestätigend ist, daß Pompejus selbst sich gel. mit diesem Scipio Aemilianus verglich; er hatte Scheu, denselben Tod wie er zu erleiden (Cic. ad Quint. fr. II 3, 3). Es ergibt sich ferner, was Heinze, wie viele mit ihm, verkennen, daß Cicero den Plan zur Schrift De re publica viel früher gefaßt hat, als es ihm möglich war zur Abfassung zu schreiten (s. oben). Vor allem bestreitet Heinze nun aber mit Unrecht, daß Cicero in ihr die Leitung des Staates durch einen einzelnen hervorragenden Mann oder princeps empfohlen habe. Er hat die entscheidende Stelle aus dem 5. Buch, die lautet: ut enim gubernatori cursus secundus, medico salus, imperatori victoria, sic huic moderatori rei publicae beata civium vita proposita est, nicht verstanden und seltsam mißdeutet. H. behauptet, das Wort moderator könne auch kollektiv als eine Anzahl oder Auswahl von leitenden Männern verstanden werden, so wie Cicero gel. unter orator die Redner versteht. Aber Cicero vergleicht den moderator des Staats hier doch mit dem Steuermann und mit dem Arzt, der seinen Patienten behandelt. So gewiß das Schiff nur einem Steuermann gehorcht, so gewiß ist hier auch nur ein einziger Staatslenker gemeint, oder der Vergleich wäre sinnlos. So lange man nicht nachweist, daß am Steuerruder im Altertum gleichzeitig mehrere Steuerleute funktionierten, so lange ist der Sinn der Stelle: »wie der Steuermann für den sicheren Kurs seines Schiffes zu sorgen hat, so der Staatsleiter als einziger am Ruder für das Glück der Bürger«. Der erstere ist Monarch auf seinem Schiff, Monarch ist also auch der Staatsmann, der in Zukunft hier helfen soll, und dieser ist also in Ciceros 5. Buch als bestimmte Einzelperson gedacht. Ganz ausgeschlossen wäre es natürlich, unter dem moderator in Ciceros Worten an das Konsulat zu denken, wennschon auch von einem der Konsuln, ja, gel. auch von den iudices in Rom das gubernaculum tenere ausgesagt wird (z. B. pro Murena 74 u. 83); denn hier, wo der Autor systematisch über Verfassungswesen handelt, oft der Vergleich mit dem Arzt, dem Schiffslenker und Schlachtenlenker, der die Einheit betont, genau zu nehmen. Das ist klar genug; aber dazu kommt nun noch, daß Cicero denselben Vergleich mit dem Arzt und dem Steuermann auch schon im 1. Buch § 62 bringt: ut omittam similitudines, uni gubernatori, uni medico, si digni modo sint iis artibus, rectius esse alteri navem committere, aegrum alteri quam multis, wo gerade die Monarchie gepriesen wird und wo es heißt, daß auf die Vertreibung der Könige die insolentia libertatis folgt. Der Vergleich dient dort, er dient also auch im 5. Buch zur Empfehlung der Monarchie, und eine Stelle erklärt die andere. Dort war die Form der omissio für den Vergleich gewählt; er sollte eben später für den gleichen Zweck noch einmal dienen. Daher handelte das 5. Buch denn auch, wie der § 5 zeigt, ausführlicher von der Erziehung und geistigen Vorbildung des »noster hic rector« was wiederum nur Sinn hatte, wenn es sich um eine herrschende Stellung von Dauer, um einen Lebensberuf der betr. Persönlichkeit handelte. Bei der Stelle 5, 9 (aus Augustinus, Civ. dei 5, 13) de instituendo principe civitatis brauche ich hiernach nicht mehr zu verweilen. Heinze (S. 78) befremdet der Umstand, daß hier das Streben nach Ruhm als wertvoll gilt, dagegen im 6. Buch § 25 f. seine Nichtigkeit gepredigt wird. Es ist aber nicht zu verkennen, daß Cicero an der späteren Stelle bewußt und vom höheren Standpunkt aus das früher Gesagte berichtigen will, und es ist nicht Zufall, daß im 6. Buch eine andere Person als im 5. spricht; im Schlußbuch, dem Somnium, spricht (nach bekannter stoischer Vorlage) der Geist eines gestorbenen Helden, der zu den Sternen erhöht ist und die Vergänglichkeit alles Irdischen begriffen hat, im 5. Buch dagegen ein Sterblicher, der noch mitten im Erdenleben steht und an den herkömmlichen Idealen hängt. Daß nun Cicero bei dem geforderten rector des Staates an Pompejus dachte, der ja im Jahre 52 wirklich die Rolle eines consul sine collega übernahm, läßt sich nach den anfangs gegebenen Belegen nicht bezweifeln. Dabei darf man freilich nicht vergessen, daß in der Schrift vom Staat nicht Cicero, sondern Scipio Aemilianus das Wort führt; aber auch dieser, der nach Ciceros Zeugnis (pro Murena 58 u. 75) selbst die ganze auctoritas populi Romani in sich beschloß, der auch seinerseits den Staat als »Diktator« neu konstituieren sollte (De re publ. 6, 12), konnte sich sehr wohl schon eben dahin, daß in den Nöten und Wirren der Gracchenzeit ein einziger moderator nötig sei, aussprechen. Daher der Vergleich mit dem Arzt; der moderator rei publicae soll für die Genesung des schwer erkrankten Staates sorgen. Dieselben heillosen Staatswirren waren denn auch der Beweggrund, den Pompejus in dem genannten Jahr mit allen Vollmachten als Helfer zu berufen. Dies geschah, wie unsere Schrift beweist, in Ciceros Sinn, und dasselbe ist es, was Augustus hernach zum Dauerzustand erhoben hat. Cicero war offenbar zu seiner Forderung eines moderator rei publicae durch die Entsittlichung aller Besseren im Staat gelangt (so auch Heinze S. 91); ganz so sagt aber auch Seneca De benef. II 20 in bezug auf Augustus: »Da die alten Sitten verloren waren, war es sinnlos den alten Freistaat wieder herstellen zu wollen«, eine Motivierung des Prinzipats, die sich also wie bei Seneca gewiß auch schon in Ciceros Schrift vom Staat gefunden hat. Ob Cicero dabei für den Staatslenker den Ausdruck princeps oder rector rei publicae bevorzugt hat, ist von geringerer Wichtigkeit. So wie Jupiter bei ihm 6, 13 ille princeps deus heißt, qui omnem mundum regit, so ließ sich das Wort princeps gewiß auch schon damals von der führenden Person im Staate gebrauchen. Zu diesem ganzen Gegenstand sei endlich auch noch auf das Kapitel »Augustus« dieses Buchs S. 201 Anm. "Die hier vorgetragene Auffassung..." verwiesen. Übrigens wiederhole ich, was schon im Vorwort angedeutet ist, daß ich die praktisch politische Bedeutung der Ciceroschrift im Hinblick auf die Schöpfung des augusteischen Prinzipats schon vor Reitzenstein und Ed. Meyer und unabhängig von ihnen hervorgehoben habe. Ich habe das in diesem Buche nur in aller Kürze tun können; aber es wäre vielleicht nicht nötig gewesen, meine Ausführungen darum als nicht vorhanden zu betrachten.

Aber Pompejus war müde und trat grundsätzlich persönlich mit keinem Machtanspruch hervor, bis man ihn drängte.

Was war Cäsars Plan? Nachweislich damals nur ein militärisches Kommando. Pompejus selbst wendet ihm die Verwaltung Galliens, die Aufgabe der Eroberung Galliens zu. Pompejus legte das Reichsschwert aus der Hand und gab es Cäsar. Er wollte auf seinen dreißigjährigen Kriegserfolgen ausruhen und meinte: der Jüngere voran!

Man verstand damals unter Gallien nicht nur das heutige Frankreich, sondern auch die reiche Ebene Norditaliens mit Mailand und dem Comer See. Dies Norditalien und ein Strich von Südfrankreich, die Provence, waren längst in Roms Händen; von den übrigen freien gallischen Völkern aber fühlte Italien sich immer bedroht. Der weitschauende Mithridates hatte sich mit diesen Galliern verbündet, sie gegen Rom aufgestachelt. Es galt Italien endlich gegen Norden sicher zu stellen. Der gallische Krieg war also eine Fortsetzung oder Folgeerscheinung des mithridatischen. Viele hofften, Cäsar werde dabei umkommen. Denn man dachte sich, die freien Gallier mit den langen, unbeschnittenen Haarmähnen seien immer noch so wilde Teufel wie die Gallier, die einst unter Brennus Rom erobert hatten.

In Cäsar aber erwachte auf einmal der große Feldherr. Er hatte nicht umsonst die Siegesdenkmäler des Marius wieder 151 aufgerichtet. Marius hatte dereinst in Südfrankreich die Teutonen vernichtet; damit war Cäsar die Bahn gewiesen. Das Hauptmotiv aber war, daß er auf unermeßliche Beute hoffte. Gold, Gold! Frankreich war schon damals ein überaus reiches Land. Ganz Rom hoffte mit ihm auf riesenhafte Plünderung und Raub. Man brauchte nur zuzugreifen.Über die Bereicherung in Gallien Cic. ad fam. VII 13 und 16, 3; 17, 2.

Es war das Jahr 58, Cäsar 41 Jahre alt. Er stand zunächst in Genf, mischte sich geschickt in die politischen Wirren der gallischen Landschaften ein, in der Rolle des Protektors, und eroberte und besetzte das in sich uneinige und daher ziemlich wehrlose Land rasch bis Belgien, Bretagne, Normandie. Zum Glück waren auch die schrecklichen Germanen damals über den Rhein gekommen, der herrlich-trotzige König Ariovist. Es ist das zweite Mal, daß der Römer dem Germanen begegnet. Dadurch, daß Cäsar diese Hünen hinter den Rhein zurückwirft, erweist er sich als Schirm und Schutz der Gallier, die er unterjocht hat. Im Jahre 55 ist eigentlich schon alles fertig. In Rom gab es schon im Jahre 56 ein zwanzigtägiges religiöses Dankfest: Galliens Eroberung schien erledigt.Solches Dankfest (supplicatio) geschah nach jedem größeren Kriegserfolg. vgl. Cicero ad fam. III 9. 4; V 10a.

Cäsar versuchte sich zu überbieten. Er setzte bei Bonn kühn über den Rhein und ging sogar nach England hinüber; in England hoffte er echte Perlen zu finden, die er so liebte. Aber er mußte wieder zurück. Diese Unternehmungen blieben ohne Ergebnis. Aber sie waren denkwürdig; denn Cäsar zeigte der Welt, daß der mächtige Rhein sich doch überbrücken ließ (wozu er natürlich seine griechischen Techniker verwendete), und durch die Erschließung Britanniens erweiterte er den Horizont der Geographen; er vergrößerte gleichsam Europa. Dann aber folgten erst die gefährlichsten Kämpfe, vor allem in der Auvergne. Ganz Gallien erhob sich von neuem, ein Verzweiflungskampf; Vercingetorix hieß Cäsars großer Gegner, ein junger, zwanzigjähriger Freiheitsheld. Es waren die Jahre 54–51. Aber Cäsar siegte endgültig (bewundernswert vor allem die Kämpfe um die hohe Bergfeste Gergovia bei Clermont und 152 die Einnahme von Alesia bei Dijon), und das Land war für immer geknebelt; es hat nie oder doch nur noch einmal unter ganz anderen Umständen versucht, sich wieder selbständig zu machen. Ja, Gallien wurde auffallend rasch romanisiert und damit einer der wichtigsten Kulturträger. Denn Frankreich ist es, das vornehmlich die römische Kultur über das Mittelalter hinaus zu uns gerettet hat. Daher feiert Frankreich heute noch in Julius Cäsar seinen Ahnherrn und den Begründer seines Wesens.

Cäsars Feldherrnkunst ist von allen Autoritäten bewundert worden. Er hat uns das ermöglicht, da er uns seinen gallischen Krieg selbst beschrieben, und sein klassischer Kriegsbericht wird heute in allen höheren Schulen gelesen. Aber zur Kriegskunst kam sein persönliches Wesen; Entschlossenheit, überraschende Schnelligkeit, physischer Mut. Als Gallier vermummt, schleicht er sich im fremden Lande ganz allein, er, der Oberfeldherr, mitten durch die feindlichen Germanenhaufen. Und seine Rapidmärsche! Beim Reisen überholt er seine eigenen Eilboten. Hundert Meilen in 24 Stunden. Den Schlaf machte er im rollenden Wagen oder in der Sänfte ab, immer den Sekretär neben sich, dem er diktierte (vielfach chiffrierte Briefe); hinten auf saß die Leibwache. Auf dem Marsch aber schritt er, wie Marius, den Truppen selbst zu Fuß voran; kam ein Fluß in die Quere, schwamm er eben hindurch. Flohen die Soldaten, so sprang er ihnen an die Kehle und würgte sie, bis sie ins Gefecht zurückkehrten. Dabei aber war er der Abgott seiner Legionen. Sie opferten sich für ihn. Er redete sie auch nicht etwa »Soldaten«, sondern Kameraden, Kommilitonen an. War der Sieg entschieden, ließ er sie im Quartier auch gern tüchtig schlemmen und streute mit Geld. Als einmal eine Legion revoltierte, schnaubte er sie an mit dem Anruf: »ihr Spießbürger!« »ihr Quiriten!«; da kroch sie schon zu Kreuze.

Nicht der Volksgunst, um die Cäsar als Demagog in den Gassen Roms zwanzig Jahre lang gebuhlt, hat er die königliche Stellung, die er schließlich gewann, verdankt, sondern 153 seinem Heer, das er sich in Gallien in den neun Kriegsjahren herangezogen. Das Heer war wie ein stählerner Degen in seiner Hand, der nicht zerbrach.

Was sollte nun geschehen? Crassus, der Reiche, war im Orient, im Kampfe gegen die Parther, im Jahre 53 kläglich umgekommen. Cäsar sah jetzt nur noch Pompejus neben sich. Hat Cäsar damals nun wirklich nur geplant, Pompejus zu vernichten und über seine Leiche hinweg seinerseits die Weltmonarchie herzustellen? Das ist nicht wahr. Die Sache liegt so. Cäsar wollte für das Jahr 48 Konsul werden. Um sich wählen zu lassen, mußte er persönlich nach Rom kommen. Kam er aber nach Rom, dann war er wehrlos ohne Heer; er wußte, man würde ihn dort in Anklagezustand versetzen, denn man konnte ihm mancherlei ungesetzliche Maßnahmen vorwerfen. Er hatte ohne Befugnis die Zahl seiner Legionen von sechs auf acht, dann auf zehn gebracht, hatte römisches Bürgerrecht eigenmächtig an die cisalpinischen Gallier gegeben. Cäsar beantragte also, in absentia sich um das Konsulat bewerben zu dürfen. Der Senat lehnt dies schroff ab und fordert, Cäsar soll zunächst sein Heer entlassen. Cäsar ist wirklich dazu bereit, er ist durchaus nachgiebig und stellt nur zur Bedingung, daß auch Pompejus seine Legionen entläßt. Das war eine billige Forderung. Cäsar hat sich also mit Pompejus durchaus friedlich einrichten wollen. Pompejus brachte den Konflikt; er weigerte sich seinerseits, seine Truppen, die übrigens ganz verstreut lagen, zu entlassen.

Damit war Cäsar vor die Wahl gestellt, entweder sich zu unterwerfen oder zu kämpfen.

Hätte Pompejus nachgegeben, so wäre es ev. zu einer Zweimännerherrschaft, zu einer Dyarchie, gekommen, wie Rom sie späterhin unter Antonius und Octavianus, unter Vespasian und Titus, Mark Aurel und Verus tatsächlich gesehen hat; insbesondere seit Diocletians Zeit bewährte sich die Teilung der Herrschaft. Cäsar hoffte bestimmt, den Bürgerkrieg zu umgehen.Deutlich zeigt dies Ciceros Brief ad famil. IX 6, 2. Auch dann noch, als der Krieg schon im Gange 154 und Pompejus im Begriffe war, die Entscheidung nach Epirus zu verlegen, hat er ihm nochmals einen Vertrag und Ausgleich angeboten. Aber Pompejus trotzte; es war nicht nur EifersuchtSo Seneca Consol. ad Marciam 14.; es war auch ein prinzipieller Gegensatz; Pompejus war für die Rettung der Selbständigkeit des Senats, den Cäsar knechten wollte.

Cäsar setzte alle Hebel in Bewegung, um in der Welt Stimmung für sich zu machen; vor allem durch kolossale Bestechungen, die in alle Teile des Reiches gingen. Während Pompejus dereinst seine Kriegsbeute aus den asiatischen Kriegen pflichtgemäß an die Staatskasse abgeliefert hatte, brauchte Cäsar seine gallische Beute, die ebenfalls riesig war (denn er hatte alle Tempel und Städte des Landes gierig ausgeplündert), um sich durch Schenkungen, mit denen er um sich warf, Anhänger zu schaffen.Cicero ad famil. VIII 4, 2 (aus d. J. 51): Caesar qui solet infimorum hominum amicitiam sibi qualibet impensa adiungere. Es kam ihm nicht darauf an: die gemeinsten Subjekte, wenn sie nur geschäftsklug und ihm zu Willen waren, überschüttete er mit Geld und Ehrenstellen. Genau besehen, ist kaum ein anständiger Mensch auf Seite Cäsars zu finden; der ehrenwerte Labienus ging damals von ihm zu Pompejus über.

Die Grenze zwischen der gallischen Provinz und Italien bildete der Bach Rubikon. Niemand merkte es, wie Cäsar seine Kohorten bis an diese Grenze vorschob; auf Schleichwegen fand er sich selbst ganz unbemerkt dort ein. Dann machte er Halt. Was Cäsar dort am Rubikon gesonnen – es war schon im Altertum ein beliebtes Aufsatzthema, sich das auszumalen. Seine Leute setzten über den Bach. Da sprach er das Schicksalswort. der Würfel ist gefallen,Das Wort iacta est alea Ist übrigens nicht von Cäsar selbst geprägt worden und vielleicht volkstümliche Redensart: von ihm selbst verlautet m. W. sonst auch nicht, daß er das Würfelspiel liebte, wenn schon Catull ihn mit dem Schimpfwort aleo belegt. Jedenfalls steht das βεβλήοϑω κύβος schon bei Meleager, Anthol. Pal. XII 117. Man hat daher vermutet, daß Cäsars Wort vielmehr lautete: iacta esto alea. zerriß sein Gewand und flehte seine Krieger unter Tränen an, ihm nun auch Treue zu halten.

Kaum hatte er die Grenze überschritten, so zuckte ein panischer Schrecken durchs Land. Rette sich wer kann! In Rom selbst stob alles auseinander. Nicht einmal ihr Geld nahmen die Leute mit. Man wußte nicht, daß Cäsar, dreist wie immer, 155 nur ein paar Hundert Mann vorgeschoben hatte, und glaubte, ein zweiter Sulla sei im Anzug. Und in der Tat: jetzt enthüllte sich der Sulla in Cäsar, da er nach dieses Usurpators Vorbild heranzog, die Hauptstadt für sich zu erobern; Pompejus hatte zeitlebens den Standpunkt des Marius gewahrt, der von jeder Usurpation absah. Und das Chaos begann. Die Welt schien zu taumeln.

Nichts großartiger als die Zielsicherheit Cäsars in dem Weltkriege, der folgte; berühmt die Schilderung, die von den Dichtern ausgemalt wurde: wie er seine zurückgebliebenen Legionen über das Adriatische Meer herbeiholen will. Der Orkan peitscht das offene Meer und die Hafeneinfahrt: allein und unerkannt wirft er sich in den Fischerkahn. Der Schiffer erbebt im Sturm und will umkehren; Cäsar sagt ihm: »habe Mut; du fährst Cäsar und sein Glück.«

Es war das Jahr 48. Als gegen alles Erwarten Pompejus in Ägypten ermordet ist, fand sich Cäsar plötzlich allein auf dem Gipfel der Macht. Die Welt lag plötzlich ihm zu Füßen: ein ungeheures Ergebnis, das ihn ohne Frage überraschte. Aber unbedenklich und mit wachsender Herrschbegier griff er sogleich nach der Krone. Nirgends ein vorgefaßter Plan. Auch alles, was folgt, vollführt er spontan und nach Eingebung.

In Ägypten lebte die junge Königin Kleopatra, die bezauberndste der Frauen; sie war eben 21 Jahre alt, aber durch eine feindliche Partei aus Alexandria und aus ihrem Palast vertrieben. Cäsar nimmt Wohnung in ihrem Palast und läßt dann das königliche Weib heimlich zu sich holen. Kleopatra verkroch sich in einen Bettsack, heißt es, aber er war zu klein; ihr Kopf guckte hervor; sie mußte sich zusammenkrümmen; dann wurde der Sack – wie wir hoffen, nur lose – zugeschnürt, und so wurde sie zu ihm gebracht. Sie blieb bei ihm; Cäsar erlag ihrer Koketterie vollständig und vergaß in ihrer Liebe, unter Festen und Gelagen und märchenhaften Nilfahrten Zeit und Raum, Vergangenheit und Zukunft: ein Wonnetaumel 156 und schwelgerisches Ausruhen nach jahrzehntlangen Kriegsstrapazen, die er überstanden. Der »König« Cäsar hatte seine Königin gefunden.

Da erhob sich die Stadt Alexandrien gegen Cäsar. Blutiger Straßenkampf; Cäsar selbst wird im Palast Kleopatras belagert und rettet sich nur mit genauer Not. Die Hafenbauten muß er in Brand stecken. Bei einem Seegefecht springt er, um der Übermacht zu entkommen, ins Meer und schwimmt mit bewundernswerter Ausdauer bis ans Ufer, und zwar schwamm er nur mit der rechten Hand; denn in der linken hielt er Dokumente über Wasser, die er retten wollte.

Dies gefährliche Abenteuer mahnte ihn endlich an seine Pflicht, und er vollendete nun die Unterwerfung des Reichs durch energische Kriege im Pontus, in Afrika, in Spanien, Kriege, die ihn durch drei Weltteile führten. Am leichtesten war der Krieg im Pontus in Kleinasien gegen des Mithridates Sohn Pharnakes: eine militärische Promenade von nur fünf Tagen, woher die berühmte Siegesmeldung: veni vidi vici stammt, die in ihrer Kürze wie ein Telegramm wirkt.Vorbild für dies veni vidi vici war das imus venimus videmus in Terenz' Lustspielen (vgl. Donat zu Ter. Adelph. 474). Am schwersten dagegen war der Kampf in Spanien, wo die beiden wackeren Söhne des Pompejus ihm widerstanden.

Endlich, im Jahre 45, war Friede im Reich nach fünfjährigem Bürgerkrieg. Cäsar läßt sich endlich in Rom nieder. Friede auf Erden! Auf beiden Seiten hatte man jeden Justizmord vermieden; nicht der Mord, nur der ehrliche Soldatentod hatte unter den Bürgern aufgeräumt, und eine Aussöhnung mit der besiegten Partei schien also, wennschon Cäsar mit den Landbesitzungen der umgekommenen Pompejaner seit dem Jahre 48 eine schlimme Wirtschaft triebEr wendete sie seinen Anhängern zu und schätzte die Güter dabei zu viel höherem Werte ein, als sie wirklich hatten; diese Einschätzung hieß aestimatio. In Ciceros Brief ad famil. IX 18 heißt aestimatio auch das eingeschätzte Landgut selbst. Cicero zeigt dort, was davon die Wirkung war. Plünderungen des Privatbesitzes der Gegner im Jahre 46 erwähnt Cicero ad fam. IV 13, 2. Dazu kam die neue Ackerverteilung vom Jahre 45 (Cicero ad fam. XIII 8, 2). Auch von den Zwischenhändlern hören wir, die allerlei Vergünstigungen und Zuwendungen Cäsars gegen Geldzahlung vermittelten (qui Caesaris beneficia vendebant, Cic. ad fam. XIII 36, 1); es handelte sich besonders um die Verleihung des Bürgerrechts., nicht ausgeschlossen. Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen? So war es nicht. Nur fünf Monate hatte Cäsar noch zu leben. Erst gab er für das Volk die üppigsten Triumphalspiele, dabei auch Fechterspiele; er liebte besonders den aufregenden Gladiatorenkampf und besaß selbst große Fechterschulen in Capua. Dann 157 begann er sein Regiment. Aber die gebildeten Kreise sahen ihm mit Befremden zu, und Rom runzelte die Stirn.

Mit wundervoller Geschäftigkeit und Geschäftskenntnis gab er eine Fülle nützlicher Gesetze. Eine Neuerung, die schon in frühere Zeit (in das Jahr 59) fällt, war die Nutzbarmachung der Stenographie; er führte im Senat stenographische Protokolle ein. Auch das Zeitungswesen hat er in Rom geschaffen, und der Römer hatte also seitdem so gut sein Tageblatt wie wir. Das größte war die Einführung des Julischen Kalenders (im Jahre 46), der noch vor kurzem in Rußland galt. Im Kalenderwesen herrschte in Rom zeitweilig die tollste Unordnung, so daß man ganze Monate einschalten mußte. Erst seit Cäsar ist der erste Januar Jahresanfang; früher war es der erste März.Vgl. Censorinus 21,7. Das Jahr 46, das Übergangsjahr, hieß der annus confusionis; es hatte durch Schaltung 445 Tage (Censorinus 20, 8). Übrigens ist der Grieche Sosigenes der eigentliche Rechner und Schöpfer des Julischen Kalenders gewesen (Sueton, Cäsar 40). Die Gesetze, die er weiterhin gab, betrafen die Rechtsprechung, die Provinzialverwaltung, Kolonien; gerade die Provinzen haben seine besondere Fürsorge erfahren, und darin lag der Zweck und der Beruf der neuen MonarchieDaß Cicero schon früher einen Entwurf für eine richtige Provinzialverwaltung machte, wie sie später in der Kaiserzeit durchgeführt ist, wurde oben S. 147 erwähnt.: denn der Senat hatte die Aufgabe der Provinzialverwaltung nicht gelöst. Auch Korinth hat Cäsar wieder aufgebaut.Vgl. oben S. 47. Den arbeitslosen Pöbel Roms suchte er zum Teil in die Kleinstädte abzuführen, im übrigen ihm Arbeitsgelegenheit zu verschaffen. Wie die Folgezeit lehrte, war das vergebliche Liebesmühe. Größer noch als diese ziemlich zusammenhanglosen Verfügungen waren seine Pläne, die unausgeführt blieben: Umbau der Stadt Rom, Entsumpfung der Umgegend, Theater, Bibliotheken. Aber das, worauf alles harrte, geschah nicht: die Aussöhnung mit dem Senat.Über diese Hoffnung Cicero ad fam. IX 17, 2. Sich selbst ließ Cäsar die Tribunengewalt für Lebenszeit verleihen; das war eine Steigerung dessen, was Gracchus gewollt. Auch das Konsulat ließ er sich für mehrere Jahre votieren; das war das Ideal des Marius gewesen. Aber auch die Diktatur nahm er auf Lebenszeit in Anspruch, und darin lag unverhüllt die verantwortungslose Monarchie, das Tyrannentum.Vgl. Putach c. 59. In der Tat war der Senat entmündigt, die Volksversammlung ihrer souveränen Rechte beraubt. Eine 158 annehmbare Staatsverfassung zu geben, daran dachte er nicht. Es wäre jetzt noch Zeit dazu gewesen, daß das geschah. Statt dessen dachte er an neuen Krieg; man sah, daß er schon wieder, und zwar gegen Persien, gegen die Parther rüstete. Und die Enttäuschung, die Entrüstung wuchs.Schon im J. 51 hat man daran gedacht, daß Cäsar den Krieg gegen die Parther führen sollte (Cic. ad fam. VIII 10, 2), ein Beweis dafür, daß man damals an einen ernsten Konflikt Cäsars mit Pompejus nicht geglaubt hat. Daran, daß Hallunken wie Mamurra begünstigt, ein Maultiertreiber und Spediteur Ventidius Bassus zum Senator befördert wurde, an derartiges war man schon gewöhnt.Tadelnd äußerte sich auch Asinius Pollio hierüber (Cic. ad fam. X 33, 2); Cicero selbst: X 18, 3. Vgl. auch Cicero ad fam. VI 12, 2. Schlimmer war, daß Kleopatra nach Rom kam. Die ägyptische Königin entfaltete ihren Prunk in der republikanischen Stadt (man glaubt das Haus aufgefunden zu haben, in dem sie damals residierte), und Cäsar hatte sie gerufen; Cäsar huldigte ihr. Ja, er hatte von ihr einen Sohn, den man »Kaisarion« (den Miniaturkaiser, das kleine Kaiserchen) nannte. Vor dem Tempel der Venus, den Cäsar baute, ließ er ihr vergoldetes Bild aufstellen; ebendort empfing er zeremoniell die Senatoren und stand, als sie kamen, nicht von seinem Thronsessel auf. Das war ägyptischer Königsstil, und man empfand das als Kränkung, als Entehrung, als Schmach.

Cäsar aber fühlte sich vollkommen sicher. Die Anhänger des Pompejus hatte er schließlich alle in Gnaden aufgenommen, ja, zu Ämtern befördert, mit Schenkungen nicht gespart; er hatte die niedergeworfenen Statuen des Pompejus wieder aufgerichtet. Er bildete sich ein, durch andauernde Liebenswürdigkeit die grollenden Männer wirklich versöhnt zu habenCäsar wiederholte übrigens auch das Verbrennen kompromittierender Briefe, durch das Pompejus sich die Gunst seiner bisherigen Gegner erwarb: s. Seneca de ira II 23, 4. Gewisse Männer karessierte er (Cic. ad fam. VI 6, 10). Sein Verhalten zu C. Curtius: ad fam. III 5, 2. Diplomatie gegen frühere Gegner: IV 13, 5. Man fällt ihm zu Füßen: VI 14, 2. Bei seinem Triumphzug wurden Bilder herumgetragen, die seine Siege darstellten; das Bild des Pompejus zu zeigen vermied er; Pompejus war noch zu beliebt; aber der Selbstmord des Cato war da zu sehen, und das Publikum »seufzte« bei dem Anblick (Appian, b. civil. II 101).: als ob dazu Geld und gute Worte genügten. Sein Hirn war im Rausch, seine Menschenkenntnis verließ ihn vollständig. So oft er auf die Gasse trat, hörte er das Juchhe, den unbeschreiblichen Jubel des Janhagels. Das genügte ihm. Er fühlte nur seine eigene Größe. Nichts ist so bezeichnend, als daß er sich jetzt in Rom selbst als Gott verehren, daß er sich Altäre errichten ließ; auch das hatte er in Ägypten gelernt. Kein Römer hatte das vor ihm getan. Er hatte den Maßstab für sich und die Menschen verloren.

Das Jahr 44 war da. Da bot ihm beim Luperkalienfest im 159 Februar sein junger Verehrer Mark Anton vor allem Volk die Königskrone an. Es war eine verabredete Komödie; auch für Klaque war gesorgt. Die Krone bestand aus einer weißen, mit Laub durchflochtenen Binde. Die Klaque rief Beifall, aber das Volk schwieg; man wartete: das Volk schwieg immer noch und blieb stumm. Da verzichtete Cäsar; er lehnte die Krone ab. Die Wirkung aber war nicht günstig.

Schon vor etwa fünfzehn Jahren, als Pompejus in Macht war, gab es in Rom Verschwörung; man wollte damals Pompejus in der Senatssitzung erstechen.Vgl. Cicero in Vatin. 24; ad Att. II 24. Jetzt bildete sich eine Verschwörung gegen Cäsar, und sie war ernsthafter und gefährlicher. Es waren mehr als sechzig Senatoren, Männer von zum Teil edelster Herkunft und hervorragender Geistesbildung, darunter auch Brutus, der Philosoph, der junge Freund Ciceros, der Neffe Catos, Brutus, der Sohn jener klugen Servilia, deren intimer Hausfreund Cäsar gewesen. Brutus war Prätor; sein Amtsstuhl stand in der Gerichtshalle; eines Tages fand er an seinem Stuhl die Aufschrift: »Brutus, schläfst du?«

Die Tat war auf die Iden des März angesetzt, den 15. des Monats. Allerlei böse Vorzeichen warnten den Herrscher. Aber er verachtete sie. Cäsar trug seine Verachtung allen Aberglaubens stets zur Schau. Seine einzige Schwäche war, daß er, wenn er reiste und den Wagen bestieg, dabei einen Zauberspruch dreimal aufsagte. Das kam daher, weil er einmal mit einem Wagen zusammengebrochen war.Plin. 28, 21. Jetzt geschah es, daß. am Tage vor dem 15. März ein kleiner Vogel, den man den »kleinen König« oder Zaunkönig nannte, in den Senatssaal flog und da von anderen Vögeln totgebissen wurde. Welche Vorbedeutung! Schlimmer noch, daß Calpurnia, seiner Gattin, in der letzten Nacht träumte, daß Cäsar in ihrem Schoße starb.

Am Morgen fühlte Cäsar sich unpäßlich (er kränkelte jetzt öfter) und zauderte auf Andringen Calpurnias ernstlich in die Senatssitzung, die er selbst anberaumt hatte, zu gehen. Der Senat war schon versammelt; die Mörder warteten lange 160 auf ihn, umsonst. Ein bleicher Schreck befiel sie. Gelang die Tat heute nicht, so mußte alles ruchbar werden. Es war etwa 11 Uhr vormittags; das Warten war unerträglich. Einer der Senatoren wurde abgeschickt, Cäsar zu holen. Da entschloß sich Cäsar; er kam wirklich. In seiner Hand trug er einen eben eingetroffenen Brief, der ihm den ganzen Mordplan enthüllen sollte. Aber er verschob es, ihn aufzumachen. Unterwegs bemerkte Cäsar einen Wahrsager (Haruspex), der ihn kürzlich vor den Iden des März gewarnt hatte. Cäsar rief ihn lachend an: »Heute sind ja die Iden, und ich lebe noch!« Der andere erwiderte ernst. »Die Iden sind da, aber noch nicht vorüber.«

Vor dem Sitzungssaal fand Cäsar die Opferdiener, die schon Tiere geschlachtet hatten; er wollte vor der Sitzung erst opfern. Aber es war schon zu spät geworden; er unterließ es und betrat sogleich den Saal, der mit des Pompejus gewaltigem Standbild geschmückt war. Alles erhob sich. Cäsar setzte sich, die Senatoren aber blieben stehen, vor ihm, hinter ihm. Einer, mit Namen Tillius Timber, wirft sich auf die Knie und bittet Cäsar in ungestümem Ton für seinen Bruder, der im Exil, um Rückkehr und Straferlaß. Cäsar weigert und beginnt zu schelten. Da zerrt Timber mit beiden Händen an seiner Toga. Das war für den Mord das verabredete Signal. Casca stößt nach Cäsars Hals. »Verrückter Mensch, was tust du?« ruft Cäsar und wehrt sich mit seinem Metallgriffel. Es hatte nur eine leichte Wunde gegeben. Da entblößten alle die Waffen. Umsonst versucht er, sich vom Sessel zu erheben. Dolche zucken, wohin er blickt, die ihn überall, auch ins Gesicht, in die Augen treffen. Brutus stieß ihm die Waffe in die Schamgegend. Cäsar seufzte nur und verhüllte sein Haupt; kein Wort weiter (das Wort »auch du, mein Sohn Brutus« ist unecht); aber um die Füße ordnete er noch sterbend sein Gewand, damit er nicht unschön daliege. Alles stob auseinander. Einsam lag der Gewaltige im leeren Saal zu des Pompejus Füßen, von dreiundzwanzig Wunden bedeckt. Aber nur eine Wunde, ein Stich in die Brust war tödlich gewesen.Ob solche Schilderungen, wie die gegebene, in allem zuverlässig? Nicht selten regen sich Zweifel. Insbesondere was hier von Brutus gesagt ist, dürfte von demselben Erfinder herrühren, der das »auch du, mein Sohn Brutus« aufbrachte.

161 Als das Geschrei: »Cäsar tot« durch die Stadt gellte, erkannte man erst, was geschehen. Die tolle Wut des Volks war grenzenlos, grenzenlos die Ratlosigkeit der Mörder. Die Leiche selbst, auf dem Forum von Mark Anton aufgebahrt, schien nach Rache zu schreien. Mark Anton fühlte sich gleich als Erbe, als Rächer des Cäsar.

Cäsar selbst hatte nichts vorgesehen, und die geniale Planlosigkeit des siegreichen Mannes zeigte sich auch noch nach seinem Tode. Setzen wir den Fall, er wäre damals natürlichen Todes gestorben, ein Herzschlag hätte ihn hinweggenommen, dasselbe entsetzliche Chaos wäre alsdann entstanden, das nun entstand. Denn auch dann hätte niemand gewußt, wo nunmehr die regierende Gewalt zu suchen sei. Das Lehrreichste ist Ciceros Verhalten, der sich alsbald auf die Seite der Cäsarmörder stellte. Cicero, der doch in seiner Schrift De republica eine monarchische Staatsform empfohlen hatte, billigte Cäsars Beseitigung, er verwarf Julius Cäsar. Das heißt: er und die Einsichtigen im Senat wollten zwar im Notstand der Gegenwart einen monarchischen Staat, aber mit Gleichgewicht der drei Gewalten: regierender Präsident, Oberhaus und Volksversammlung, und so, daß der Präsident mehr durch Würde als durch Gewalt der Erste sei. Das war anscheinend schon das Ideal der Scipionen gewesen, und nicht Cäsar, Pompejus hatte das im Jahre 52 für kurze Zeit verwirklicht. Alle Hoffnungen der Senatspartei hatten deshalb im Bürgerkrieg an Pompejus gehangen. Jetzt drohte Mark Anton. Es fragte sich, ob der gewaltige Mark Anton Sieger blieb oder ob noch ein anderer kommen würde, dem es gelang, ein definitives Kaisertum zu gründen, durch das alle Parteien ausgesöhnt wurden. 162

 


 


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