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Walfischfang in der Südsee.

Baleine en avant!« rief die Vormarswache der »Adelaide«, eines französischen Dreimasters von 400 Tonnen, welcher auf den Walfischfang in der Nähe von »Off Shore Ground«, der allen Jägern dieser Art wohlbekannten Fangstelle in der Südsee, 5° 5' S. Br., vor leichter Brise die eben nicht hoch auswallenden Wogen durchschnitt. Die Sonne war erst vor einer halben Stunde aufgegangen und warf ihr blendendes Licht auf die sanft bewegten Fluthen, welche der mächtige Rumpf des Schiffes rauschend zertheilte; an den Masten, Raaen und Stangen blähte sich die weiße Leinwand, von den straff angezogenen Stricken gehalten.

Der lange entbehrte, um so mehr ersehnte und willkommene Ruf brachte die ganze Besatzung, welche aus einigen 60 Mann bestand, in Alarm. Endlich, nach so langem, vergeblichem Warten, sah man sich, wenn auch noch nicht am Ziel der Wünsche, so doch vor dem Beginn einer ebenso imposanten, als schwierigen Jagd, von deren Erfolg die Ehre des Schiffs und seiner Besatzung, wie der Gewinn des Rheders abhängt. Das leicht angeregte französische Blut befand sich in den lebhaftesten Wallungen, denn die Gefahr ist es gerade und das dazu nöthige Geschick, welches der Jagd auf Wale den Reiz verleiht, den sie für Denjenigen hat, der nur einmal an derselben Theil genommen.

Kapitän Dijon, der Commandeur der Adelaide, ein Mann im mittleren Lebensalter, kühn, entschlossen, der See und ihrer Gefahren kundig, nicht weniger vertraut mit der alle Sinne in Anspruch nehmenden Jagd auf die Ungeheuer der Tiefe, eilte auf das Vorderdeck und blickte durch sein gutes Fernrohr nach der bezeichneten Stelle, während die Auslugwache im Mastkorbe noch zwei Male ihren Ruf mit jauchzender Stimme wiederholte. Ein mächtiger Wasserstrahl, der fontainenartig von der Fläche des Meeres aufstieg und funkelnd im Sonnenlichte der Tropen in einer Entfernung von ungefähr zwei Seemeilen seine Tropfen umherstreute, bewies, daß die Wache sich nicht getäuscht habe. Der Fisch nahm seinen Kurs gerade dem Schiffe entgegen – nichts war erwünschter.

»Alle Mann auf Deck! – Die Bote in See!« hallte das Sprachrohr des Kapitäns, und rüstig gingen die Matrosen daran, den Befehl ihres Commandeurs zu vollziehen. Die Adelaide führte sechs leichte, eigens für den Walfischfang gebaute Boote, welche schnell wie ein Pfeil über die See gleiten und zu kurzen, raschen Wendungen vermittelst des einundzwanzig Fuß langen Steuerruders geeignet sind. Ein jedes hat eine Länge von vierundzwanzig und in der Mitte eine Breite von fast fünf Fuß. Dagegen war es unter den Sitzbänken nur zehn Zoll tief und lag gleichfalls nicht tief im Wasser. Außer dem Commandirenden des Bootes, der das Steuer führte, ward es mit einem Harpunirer und fünf Matrosen bemannt, welche jeder ein achtzehn Fuß langes, aus festem Holze gearbeitetes Ruder regierten. Der Harpunier führte zwanzig Harpunen, eiserne Pfeile, deren Spitze in einem stumpf gebogenen Winkel ausläuft. Diese Werkzeuge, die mit einem hölzernen Stiele versehen und aus elastischem Metall gearbeitet sind, damit sie bei jeder Krümmung mit wenigen Hammerschlägen wieder gerade gemacht werden können, sollen, wenn sie im Rücken des Walfisches haften, denselben am Entrinnen hindern. Zu diesem Zwecke sind sie an einer feinen, aber starken Leine befestigt, welche um eine Rolle im Boote aufgewunden ist. Das einzelne Boot hat sechs solcher Taue, von denen jedes viertausend Fuß lang ist. Außerdem waren dem Harpunier sechs Lanzen, zwei scharfe Schaufeln, mehrere breite Messer, eine Hacke und eine Menge hölzerner Stiele zur Hand, sammt einem Vorrath kürzerer Stricke.

So ausgerüstet und bemannt stießen die Boote vom Schiffe ab und wurden in zwei parallelen Linien geordnet. Zwei, von denen das eine der Kapitän selbst, das andere der Obersteuermann commandirte, eröffneten, auf jeder Seite eines, den Zug, und nahmen sogleich einen weiten Vorsprung vor den übrigen, die langsamer den voraneilenden folgten. Die Augen Aller waren auf den mächtigen Fisch gerichtet, der brausend durch die Wogen heranstürmte, von Zeit zu Zeit einen glänzenden Wasserstrahl aus seinen Naslöchern entsendend. Seinem gewaltigen Rachen entquoll der ausgestoßene Athem, der sich, aus der Ferne gesehen, wie Rauch ausnahm, welcher aus dem Meere aufstieg. Ueber den Wogen ragte ein Theil seines Kopfes und ein noch größerer seines Rumpfes hervor, gleich einem gekenterten Schiffsrumpf von außerordentlicher Größe.

Aber so groß dieser Meerkoloß auch ist und so gewaltig seine Kraft zur Verteidigung, die sich besonders durch die Bewegungen seines Schwanzes kundgibt, dessen er sich zugleich als Steuerruder bedient, so furchtsam ist das riesige Thier. Sein Gefühl ist ungeachtet seiner dicken Haut sehr fein; er empfindet es, wenn sich ein Vogel auf seinem Rücken niederläßt, und wird dadurch schon sehr beunruhigt. Sein Gehör in Bezug auf das, was außerhalb des Wassers vorgeht, ist stumpf, für jedes Geräusch in der Luft, selbst in unmittelbarer Nähe, scheint er unempfindlich; dagegen bemerkt er bei stiller See auch das leiseste Plätschern im Wasser, und dieses erschreckt ihn, ängstlich weicht er zur Seite oder verschwindet scheu in der Tiefe. Ebenso ist sein Auge dazu eingerichtet, unter dem Wasser scharf und weit zu sehen, in großer Entfernung nimmt er, wenn das Wasser ungetrübt ist, einen Andern seines Gleichen wahr, während sein Auge über die Wellen hin nur wenig zu sehen vermag.

Mit einer Geschwindigkeit von etwa drei Meilen die Stunde schwamm der Walfisch den Booten entgegen. Vier bis fünfmal hinter einander in der kurzen Frist einer Minute stieß er einen Wasserstrahl aus den Spritzlöchern seines Kopfes, dann schwamm er wieder eine Zeit lang ruhig weiter. Bisweilen tauchte er unter und entschwand ganz den Augen seiner Verfolger, dann fuhr er wieder mit solcher Heftigkeit gegen die Oberfläche des Wassers, daß beinahe sein ganzer plumper Körper über dieselbe hervorragte. Er that's wie vor lauter Lust und Behagen. Dann stieß er den Kopf in die Fluthen, gleich den Tauchervögeln, wenn sie nach Beute schnappen, hob seinen furchtbaren Schwanz hoch empor und peitschte das Wasser mit solcher Gewalt, daß es ringsumher zu einem Meer von Schaum wurde und ein staubartiger Dunst weithin die Luft erfüllte. Das Getöse war so heftig, daß es klang wie das dumpfe Rollen eines nicht allzu fernen Gewitters, welches von einem ungestüm herabprasselnden Platzregen begleitet ist. Obgleich er noch fast eine halbe Seemeile von den ihm nächsten Booten entfernt schwamm, so wurden doch diese von den durch die ungestümen Bewegungen des Fisches im Wasser verursachten Kreisen erreicht und in den Wirbel der Fluth hineingezogen.

Mit jedem Augenblicke näherte sich nun das mächtige Ungeheuer den Booten, die ihm ehrerbietig, aber auch, um es desto besser angreifen zu können, Platz machten, indem sie zur Seite wichen. Die größte Spannung malte sich auf den Gesichtern der Seemänner, von denen einige zum ersten Male Zeugen dieses großartigen Schauspiels waren.

Als der Kopf des Fisches fast in gleicher Linie mit dem Boote war, welches der Kapitän befehligte und in welchem er aufgerichtet stand, die Rechte auf das hinten weit hinausreichende Steuerruder gelehnt, gab er den Matrosen Befehl, mit ihren Rudern den Lauf des Fahrzeugs zu hemmen. Dann winkte er dem Harpunier, und sausend flog das im Sonnenlichte blitzende Geschoß dem Ungethüm in die Weichen, in welchen es tief hineindringend verschwand. Mit reißender Geschwindigkeit stürzte das verwundete Thier in die Tiefe; wo es hinabgetaucht war, schossen hoch aufwirbelnd die Wogen zusammen. So hastig rollte die Leine von der Winde, daß diese rauchte und unablässig mit Wasser begossen werden mußte, um nicht in Brand zu gerathen. Nach Verlauf einer Minute stockte das Tau, der Fisch war auf dem Grunde des Meeres angekommen, von woher er nun bald, um Athem zu schöpfen, wieder herauftauchen mußte. Dies war der Augenblick der gespanntesten Erwartung, denn Niemand konnte wissen, an welcher Stelle der Oberfläche der Walfisch wieder erscheinen würde, und jedes Boot war verloren, wenn es einen Zusammenstoß mit dem furchtbaren Thiere erleiden sollte. Die Stelle, wo es hinabgefahren, bezeichnete eine dunkle Blutlache, die grell gegen die grünlichhelle Meeresfarbe abstach.

Das Boot, an welchem die geschleuderte Harpune befestigt war, ruderte nun rasch zur Seite, um aus dem Bereich des verwundeten Fisches herauszukommen. Das gegenüber vom Obersteuermanne geführte hielt dagegen mehr seinen Kurs, an ihm war jetzt die Reihe, das Ungethüm zum zweiten Male zu harpuniren, sobald es wieder auftauchte. Die übrigen Boote waren schon vorher entfernt zur Seite gewichen, theils um der eigenen Sicherheit willen, theils aber auch, um den beiden, zum Kampfe ausersehenen, denen sie nur zur Reserve dienen sollten, nicht im Wege zu sein und den Ruhm des erhofften Sieges zu schmälern.

Es vergingen etwa zehn Minuten, da borst mit lautem Krachen das Meer aus einander, der riesige Leib des Walfisches zeigte sich an der Oberfläche, aus der Nase fuhr ein mit Blut untermischter Wasserstrahl, mit dem breiten Schweife peitschte das von Schmerz gepeinigte Thier die Wogen, so daß diese in haushohen Schaumcascaden emporspritzten. Diesen Augenblick benutzte der Harpunier im Boote des Obersteuermanns, unweit von dem der Fisch schwamm. Er schwang das scharf geschliffene Geschoß, sausend entfuhr es seiner Hand, abermals saß der zweite Stahl tief im Fleisch des Walfisches, der nun wieder pfeilgeschwind in den Abgrund schoß, an der brausend abrollenden Leine die leichte Barke hinter sich herschleppend. Das wild bewegte Meer schloß sich über dem in seinem Schooß verschwundenen Fisch, und mehr noch als vorher war es jetzt von seinem Blute geröthet. Ungestüm wallten die aus ihrer Ruhe aufgestörten Wogen, auf denen die beiden an ihrer Beute fest geketteten Boote dahinschaukelten.

Jetzt fragte es sich, ob die dem Ungethüm beigebrachten Wunden tief genug waren, um seinen Tod herbeizuführen, ob überhaupt die Harpunen die empfindlichsten Stellen seines Leibes getroffen hatten und es nicht nöthig sein würde, ihm noch eine dritte anzuheften, wenn es wieder auftauchte. In jedem Boote machte man sich bereit, ein neues Geschoß ihm zuzuwerfen, aber auch mit den Lanzen und Schaufeln ihn anzugreifen, im Fall die Harpunen fest genug in seinem Specke sitzen sollten, so daß es nicht entrinnen konnte. Kein Laut kam über die Lippen der Männer, stumm harrten sie des entscheidenden Augenblickes, an welchem ihr Leben nicht minder, als das des verfolgten Wildes hing. Dieses machte ihnen fast die Zeit lang, denn mehr als zehn Minuten verflossen, ehe es aufs Neue seinen Riesenleib über den Wellen zeigte, die es mit entsetzlichen Schwanzschlägen aufwühlte.

Doch war es hinreichend verwundet, um nicht lange mehr leben zu können, und die Harpunen staken so tief in seinem breiten Rumpf, daß die gekrümmte Spitze hinlänglich festhielt und das Entfliehen unmöglich machte. Nachdem es mehrere Male rasch hinter einander einen Strahl dunklen Blutes ausgespritzt und den Schweif heftig bewegt hatte, lag es, wie sich besinnend, rings vom zischenden Schaum umwallt, eine Zeit lang stille.

Diesen Augenblick benützten seine Verfolger. Der Obersteuermann ließ sein Boot in die Nähe des Rumpfes des Ungeheuers rudern und schlug eine der Schaufeln dem Thiere in den Rücken, gerade dort, wo der Schweif in den Leib übergeht und große Blutgefäße liegen. Der Schlag war so richtig und kräftig geführt, daß ein starker Blutstrom der Wunde entquoll und die Bewegungen des Schweifes, mit welchem der Fisch sich vertheidigen zu wollen schien, sichtlich ermatteten. In demselben Augenblicke hatte der Kapitän das von ihm befehligte Boot der Brust des Walfisches genähert, und mit gewandtem Wurf schleuderte er ihm eine seiner vierschneidigen Lanzen in die Lungen.

Beide Verwundungen geschahen auf einen Wink zu gleicher Zeit; im Nu schossen beide Boote, von kräftigen Ruderschlägen getrieben, wieder seitwärts von dem Fische fort. Es war ein grausiges Schauspiel, was jetzt folgte. Das tödtlich verwundete Ungethüm strengte seine letzten Kräfte an, mit den brennenden Wunden ins kühle Meer zu tauchen. Vergebens! Kaum war sein riesenhafter Leib von den Wellen bedeckt, so erhob er sich schon wieder über diese. Ohnmächtig peitschte der Schweif die Fluthen, zwar noch immer stark genug, um eins der Boote, wenn er es getroffen hätte, in tausend Stücke zu zermalmen, aber doch war eine bedeutende Abnahme seiner Kräfte bemerklich. Hoch ragte der Schaft des Speers aus seinem Haupte, rings in weitem Umkreise war das immer noch sehr aufgeregte Meer von Blut gefärbt, der mächtige Leib rollte wie taumelnd hin und her; umsonst bemühte sich das sterbende Thier, mit seinen Flossen sich fortzutreiben, um aus dem Bereich seiner Mörder zu entkommen, die indeß mit triumphirenden Mienen seinen letzten Kampf beobachteten.

Die Reserveboote hatten sich nun den beiden Booten, welche den Angriff gemacht hatten, wieder genähert. Man rief sich gegenseitig bereits Glückwünsche zu. In zwei Reihen zu beiden Seiten begleiteten die Fahrzeuge das langsam hingleitende Ungeheuer. Dieses raffte noch einmal, ehe es sein Leben verhauchte, seine letzten Kräfte zusammen. Drohend erhob es den furchtbaren Schweif und ließ ihn dann mit so großer Heftigkeit auf das Wasser zurücksinken, daß die Wogen sich haushoch aufthürmten und für kurze Zeit Alles in Schaum und Gischt einhüllten. Die Boote waren wie verschwunden, die ungestüm wallenden Fluthen schlugen über ihren Bord. Erst als das Meer sich wieder beruhigte, kamen sie zum Vorschein, sie waren unversehrt geblieben.

Und nun war der Kampf beendet. Lauter Siegesjubel erfüllte die Luft, der von den an Bord der Adelaide zurückgebliebenen Matrosen, welche aus der Ferne dem Kampfe zugesehen hatten, lebhaft erwidert wurde. Das Meerungeheuer trieb im letzten Todesschmerze erstarrt auf den Wogen. Das Boot des Kapitäns näherte sich dem Todten, der Commandeur selbst sprang auf den leblosen Körper und pflanzte eine Flagge auf seinem Rücken auf; ein Gleiches geschah auf den Booten, die nun sämmtlich so nahe als möglich zu dem Leichnam heranruderten.

Es begann jetzt eine zwar ungefährliche, aber desto mühsamere Arbeit, der Transport des erlegten Kolosses, die dadurch noch lästiger wurde, daß inzwischen die Tropensonne dem Mittagskreise sich näherte und senkrecht ihre Strahlen auf das Meer und auf die von Schweiß triefenden Matrosen herabsandte.

Dennoch durfte die Arbeit nicht aufgeschoben werden, um so weniger, als die Sonnengluth die Fäulniß des getödteten Fisches beschleunigte. Man stieß daher sogleich noch mehrere Harpunen in den Rücken des Thiers, so daß nun jedes Boot mit einer derselben an dem Walfisch befestigt lag. Dann ordneten sich die Fahrzeuge in zwei Reihen, die Matrosen hoben die Ruder auf, und als das Kommando erschallte, ließen sie diese zu gleicher Zeit wieder sinken, und so, in regelmäßigem Tacte fortrudernd, schleppten sie die kostbare Beute an die Steuerbordseite der Adelaide.

Die bei dem Fange beschäftigt gewesene Mannschaft der Boote ward nun von der an Bord zurückgebliebenen abgelöst. Die erstere stärkte sich an einer kräftigen Mahlzeit mit doppelten Rationen des allbeliebten Matrosengetränkes, Rum mit Wasser und Zucker; die letztere begann sogleich das Zerlegen des Fisches. An den Spitzen der Raaen wurden Winden angebracht, durch diese Taue gezogen, an deren herabhängendem Ende eine Kette angelegt wurde. Diese Kette schlang Einer der Matrosen, der unterdessen auf den Rücken des Walfisches gestiegen war, um dessen Flossen, und nun bearbeitete eine Anzahl anderer Matrosen diese, indem sie nach der Melodie eines Matrosenliedes tactmäßig mit scharfen Schaufeln um die Flossen herum in den Speck des Thieres hineinhieben und so allmählig ein großes Stück von seinem Rumpfe trennten. Als dies abgelöst war, zog man es mittelst der Winde an Bord, wo es weiter in kleinere Stücke zerlegt ward. Diese unsaubere, aber nothwendige Arbeit beschäftigte viele Hände mehrere Tage hindurch.

Nachdem sämmtlicher Speck vom Rumpfe getrennt war, schritt man zum Ablösen des Kopfes. Dieses erforderte ebensoviel Geschick, um die schneidenden Werkzeuge an die rechte Stelle hineinzutreiben, als Kraft, um die kolossalen Stücke des Kopfes zu regieren. Der Oberkiefer wurde ganz, ohne zerschnitten zu werden, an Bord gebracht, um daraus die werthvollen Barten zu lösen. Zuletzt folgte die unsauberste Arbeit von allen, das Ausschmelzen des Specks zur Gewinnung des Thrans. Die in schmale Streifen zerschnittenen Stücke – eine Arbeit, welche im Zwischendeck geschah – wurden in große Kessel gelegt, die über den neben dem Fockmast eingerichteten Herden, auf denen die Speckgriefen zur Unterhaltung der Flamme verbrannt wurden, gehängt waren. Von dickem Rauch geschwärzt umstanden die damit beschäftigten Matrosen die brodelnden Kessel, der übelriechende Dampf schwärzte ihnen das Gesicht, ihre Kleider troffen vom widerlichen Fett. Der so gewonnene Thran ward endlich in Fässer gefüllt, die in den Raum des Schiffes weggestaut wurden.

Die eben beschriebene Arbeit der Zubereitung des erlegten Walfisches gewährte der Besatzung der Adelaide für die nächsten Tage, um nicht zu sagen Wochen, hinreichende Beschäftigung, zum Theil eine schwere und unangenehme. Allein was wäre dem rechten Seemann zu schwer, und wann darf er, wenn etwas geschehen muß, erwägen, ob es angenehm oder unangenehm sei? Dergleichen kommt ihm auch gar nicht in den Sinn, nur liebt er, je unverdrossener und beharrlicher er bei der Arbeit ist, nach deren Vollendung Ruhe und Erholung. Und selbst dafür ist auf dem weiten Ozean an einer Fangstelle für die Walfischjäger gesorgt. Denn die Schiffe, welche den Walen und ähnlichen Fischen nachstellen, erscheinen hier nicht einzeln und vereinsamt, sondern im Gegentheil außerordentlich zahlreich. Die nordamerikanische Whaler-Flotte zählte 1840 nicht weniger als 675 Schiffe mit einer Besatzung von 15 bis 16.000 Mann, und hat sich seitdem noch um beinahe 100 Fahrzeuge vergrößert. Frankreich sandte in demselben Jahre einige vierzig, England gegen sechzig Schiffe nach der Südsee. Während der Fang in den arktischen Gewässern in den letzten Jahren mehr und mehr abnimmt, ist eine um so größere Anzahl Schiffe von sämmtlichen vorzugsweise Seehandel treibenden Nationen der Erde nach den Meeren der südlichen Polarzone ausgerüstet worden. Hier gleicht daher die See zur Zeit, wann der Fang betrieben wird, einem belebten Jagdrevier, auf welchem sich jagdlustige Männer der nördlichen und südlichen Halbkugel der Erde in ihren Schiffen versammeln, um freilich nicht gemeinschaftlich, aber doch friedlich neben einander, den Bewohnern der Tiefe nachzustellen. Einen lebhafteren Verkehr als hier zwischen Nord- und Süd-Amerikanern und Europäern gibt es nirgends anderswo auf dem Meere, und der Wetteifer der Jäger, die tausend verschiedenen Vorfälle bei dem eigentlichen Fang der Walfische und anderer Seethiere, gewähren den dabei Beschäftigten Abwechselung und Unterhaltung genug. Erfordert es doch sogar eine ausgedehnte und gründliche Kenntniß der Meeresströmungen, der Meerestiefen, der Lebensweise aller derjenigen Medusen, Infusorien und anderer Thiere, welche den Walfischen zur Nahrung dienen, des Eintritts der Jahreszeiten unter den verschiedenen Breitegraden u.s.w., um für jeden Monat des Jahres das günstigste Jagdrevier angeben zu können. Nach den bis jetzt darüber angestellten Beobachtungen, welche größtentheils von dem Commodore Wilkes herrühren, lassen sich für die Südsee vier Fangzonen oder Gürtel annehmen, innerhalb deren es fünfzehn Jagdreviere giebt. Die erste dieser Zonen liegt zwischen dem Aequator und dem nördlichen Wendekreise, und hier werden fast zu jeder Jahreszeit Walfische angetroffen. In der zweiten Zone, zwischen dem Wendekreise des Krebses und dem fünfzigsten Grade Nördl. Breite, finden sie sich während der Monate Mai bis November in den Gewässern zwischen Japan und Nord-Amerika, und ziehen von November bis Januar längs der Küste von Californien. Die dritte Zone reicht vom Aequator bis zum Wendekreise des Steinbocks, wo die Walfische von Süd-Amerika an in der Nähe der Marquesas-, Gesellschafts-, Freundschafts-, Samoa- und Fidschi-Inseln sich aufzuhalten pflegen. Zwischen dem südlichen Wendekreise endlich und dem fünfzigsten Grade Südl. Breite, liegt die vierte Zone, wo man die Fische im März, April und Mai im Osten von Neuseeland, in den übrigen Monaten des Jahres in den von Neuholland östlich gelegenen Gewässern antrifft. Die zu beiden Seiten des dreißigsten Breitegrades, des südlichen sowohl wie des nördlichen, liegenden Meeresstrecken sind das am meisten besuchte Jagdrevier der Walfischjäger.

Diese stellen nicht blos dem gemeinen Walfisch, right-whale, wie ihn die Engländer und Amerikaner nennen, nach, der zur Gattung der Barten-Walfische gehört und in früheren Jahrhunderten, als er noch zahlreicher und weniger scheu war, allein gefangen wurde, sondern auch die Gattung der zur Zahn-Walfische gehörenden, der Sperm-Walfisch und der Kaschelott oder Pottfisch, welcher letztere den Wallrath und das Ambra liefert, werden jetzt gefangen. Der südländische Walfisch ist kleiner als der grönländische, auch scheint er klüger und vorsichtiger zu sein als dieser. Am schwierigsten ist der Fang des Narwal, dessen einer Eckzahn seines Oberkiefers sich bis zu einem zehn Fuß langen, spiralförmig gefurchten Stoßzahn entwickelt, – da sich dieser Fisch mit großer Geschwindigkeit fortbewegt.

Mehrere Wochen und Monate, welche dem erzählten Ereigniß folgten, brachten der Besatzung der Adelaide wiederholt ähnliche Arbeit, aber auch manch glücklichen Fang. Kapitän Dijon war vollkommen mit dem Ertrag seiner Jagden zufrieden, nicht minder mit dem Betragen seiner, bei den größten Anstrengungen stets aufgeräumten und munteren Matrosen, die sich sämmtlich einer guten Gesundheit erfreuten. Und schon rüstete man Alles an Bord zur Abfahrt, als eine unvermuthete Begebenheit dazwischen trat, welche außer aller Berechnung gelegen war und leider selbst die geringsten Hoffnungen auf eine glückliche Heimkehr vernichtete.

Es war am 16. Juli, als man bald nach Tagesanbruch eines Walfisches ansichtig wurde, und obwohl bereits manche der zu seiner Verfolgung nöthigen Werkzeuge verpackt waren, so war doch die Versuchung zu groß, die Aussicht auf Erbeutung zu lockend, als daß Kapitän Dijon nicht noch einmal die Jagd hätte unternehmen sollen. Im ungünstigsten Falle – so meinte er wenigstens – koste es ihm höchstens eine Verzögerung seiner Abreise um einen Tag, und im günstigeren – nun dann war auch in den viereckigen Wasserkisten von Eisenblech noch Raum genug, um den gewonnenen Thran zu bergen, da alle hölzernen Fässer, die sich an Bord befanden, schon gefüllt waren. Sogleich gab er deshalb Befehl, die nöthigen Vorkehrungen zu treffen, und nach Verlauf von einer halben Stunde befand er sich bereits mit zwei Booten in See; das eine führte er selbst, das andere sein Steuermann. Das Wetter war der Jagd günstig, und die beherzten Männer gelangten auch bald in eine solche Nähe des sorglos die Fluthen theilenden Fisches, daß der Harpunier im Boot des Steuermanns sein Geschoß auswerfen konnte. Es blieb an einer nicht sehr empfindlichen Stelle des Rückens hängen und fesselte so zwar das Thier, ohne es jedoch erheblich zu verwunden. Statt daher unterzutauchen, schwamm dieses noch eine Strecke weit fort, während das Seil, an welchem die Harpune hing, ihm nachrollte. Plötzlich aber wandte der Fisch sich um, schoß mit furchtbarer Schnelligkeit auf das Boot zu, packte dies zwischen seine ungeheuren Kinnbacken und zermalmte es zu Atomen. Die Trümmer trieben zerstreut auf den Wellen.

Kapitän Dijon, vor dessen Augen dies geschah, eilte sogleich zu Hilfe herbei. Die Mannschaft des Bootes, als sie das Heranstürmen des Unthiers bemerkte, das wüthend mit seinem Schweife die Wellen peitschte, hatte noch Zeit und Geistesgegenwart genug, um zur Seite ins Meer zu springen, und es gelang dem Kapitän, sämmtliche acht Mann zu retten. Auch vom Bord der Adelaide hatte man das Unglück wahrgenommen, denn sie lag nur reichlich eine Seemeile entfernt, und sandte sogleich ein Reserveboot ab, um das zertrümmerte zu ersetzen. Sobald dieses an dem Orte des Kampfes anlangte, vertheilte der Kapitän seine Mannschaft, indem er vier Mann an das neu hinzugekommene Boot abgab, und dann, durch das unglückliche Ereigniß nur noch mehr zum Kampf angestachelt, beschloß er, noch einen Angriff auf den Walfisch zu machen.

Die Boote trennten sich in der nöthigen Entfernung von einander und setzten die Verfolgung des Fisches fort. Dieser durchfurchte, wie es schien, sorglos die Wogen. Das Boot, welches der Steuermann führte, war wieder das erste, das sich ihm näherte. Es geschah so behutsam als möglich, und schon wollte der Harpunier zu einem Wurfe ausholen und dem Ungeheuer die zweite Harpune wo möglich glücklicher in den Rumpf schleudern, als das Thier abermals plötzlich sich umwandte, auf das Boot losschoß, es packte und wie das erste zernichtete. Wieder gelang es, die noch zur rechten Zeit ins Meer gestürzte Bemannung aufzufischen und in das Boot des Kapitäns zu retten. Aber dieses war nun überfüllt und zu keiner weiteren Verfolgung im Stande. Der Kapitän befahl daher zu wenden und nach dem Schiffe zurückzurudern.

Kaum machte man dazu Anstalten, als der gereizte Fisch sich zum dritten Male wendete, brausend und zischend auch auf dieses Boot zustürmte und es unfehlbar, gleich den beiden andern, zertrümmert haben würde, wäre es ihm nicht gelungen, ihm auszuweichen. Mit aufgesperrtem Rachen schoß er an dem Fahrzeug vorüber, das nun eilends seinen Rückweg antrat.

Als man von dieser verunglückten Jagd an Bord der Adelaide zurückgekehrt war, ließ Kapitän Dijon die Ruder seiner zerstörten Boote auffischen, die noch auf den Wellen schwammen, und ertheilte Befehl, mit dem Schiffe selbst dem Walfisch zu folgen. Es verging geraume Zeit, ehe dies ins Werk gesetzt werden konnte; schon lange war der Mittag vorüber. Aber die Wache im Mars hatte den Walfisch noch nicht aus den Augen verloren, der in weitem Bogen das Schiff umkreiste, wie um es herauszufordern, noch einmal mit ihm den Kampf zu versuchen. Als die nöthigen Segel beigesetzt und die Raaen vor dem Winde gebraßt waren, steuerte die Adelaide dem Ungeheuer nach.

Bald war es eingeholt; noch trug es die zuerst ihm zugeschleuderte Harpune auf dem Rücken. Der Kapitän stand auf dem Backbordbuge, die wuchtige Lanze in der Hand, als er dem Fische nahe genug war, schleuderte er den Speer fort, er flog, wohlgezielt, dem Ungethüm in den Kopf. Furchtbar peitschte es mit dem Schweife, stürmte in die Tiefe, tauchte bald wieder auf und schoß nun geradenweges auf die Adelaide zu. Diese luvte auf, gierte ab, und rauschend tobte der Walfisch vorüber.

Nun verstrich wiederum geraume Zeit, ehe man seiner ansichtig wurde. Er mußte tief in den Grund hinuntergegangen sein, denn lange war nichts von ihm zu sehen. Endlich gewahrte man ihn wieder in einer Entfernung von tausend Ellen; wie es schien, steckte neben der Harpune auch noch der Speer in seinem Kopfe. Aber schon neigte sich die Sonne dem Untergange, der Kapitän stand deshalb von einer weiteren Verfolgung ab, nicht ohne aufmerksam die Bewegungen des Fisches zu beobachten. Er ließ den Steuermann die Adelaide in der Richtung führen, in welcher der gehetzte Fisch schwamm.

Plötzlich bemerkte er, wie dieser umkehrte und mit einer Geschwindigkeit von wenigstens fünfzehn Knoten dem Schiff schnurgerade entgegenbrauste. Es war unmöglich, das schwer beladene Fahrzeug rasch zu wenden, mit rasendem Ungestüm stürmte der Walfisch heran, in einer Entfernung von etwa hundert Ellen tauchte er unter und im nächsten Augenblick erlitt das Schiff einen Stoß, daß es vom Vorder- bis zum Hintersteven krachte, als sei es auf einen Korallenfelsen aufgelaufen und berste auseinander.

Kapitän Dijon stürzte in den Raum hinunter. Dort sah er zu seinem Entsetzen, daß der Fisch etwa zwei Fuß oberhalb des Kiels das Schiff getroffen haben mußte. Denn hier war ein großes Loch durch die Kupferbekleidung und die Planken hindurchgestoßen, in welches das Wasser sich brausend in den Raum ergoß. Der Kapitän eilte auf das Verdeck zurück, befahl, Anker und Kabeltaue über Bord zu werfen, um das Schiff zu erleichtern und es dadurch vielleicht noch länger über Wasser zu halten, um dann den Versuch zu machen, den Leck einigermaßen zu verstopfen. Aber es war zu spät. Während die Matrosen den Befehl ihres Kapitäns zu vollstrecken bemüht waren, sank das Schiff mit reißender Schnelligkeit, es war nicht mehr zu retten. Dem Kapitän, der in seine Kajüte eilte, gelang es nur noch, einige seiner Instrumente mitzunehmen, denn schon fand er dort das Wasser beinahe drei Fuß hoch. Er begab sich auf das Verdeck, ließ rasch die Boote ins Wasser bringen, Wasser und Lebensmittel, soviele zur Hand waren, hineinschaffen, und erst nachdem die ganze Mannschaft sich in den Booten befand, stieg auch er hinein – der Letzte, welcher den Bord seines trefflichen, reich beladenen Schiffes verließ.

Dies sank nun zusehends; schon überströmte das Wasser beinahe das Verdeck, als es sich auf die Seite neigte; die Bramsegelraaen berührten die Meeresfläche. Unterdessen waren die Boote mit größter Eile fortgerudert, theils um der gewaltsamen Bewegung des Meeres zu entgehen, wenn es das Schiff verschlänge, theils um dem furchtbaren Walfische auszuweichen, von dem sie vermuthen mußten, daß er noch immer in der Nähe verweile.

Ein wehmüthiger Blick zurück überzeugte die Besatzung, daß sie im Augenblick der höchsten Gefahr die Adelaide verlassen hatten: mit wildem Gebrause schlossen eben die Wogen das feuchte Grab, in das der prächtige Bau sammt der kostbaren Ladung für immer versunken war.

Die Schiffbrüchigen hatten nur wenig Brod, noch dazu vom Seewasser durchnäßtes, und einige Quart Wasser in der Hast, mit der sie genöthigt waren, von Bord zu gehen, in die Boote schaffen können. Mußten sie lange auf dem Meere umhertreiben, gingen sie einem entsetzlichen Schicksal entgegen. Aber schon am folgenden Tage gewahrten sie ein amerikanisches, ebenfalls vom Walfischfange heimkehrendes Schiff. Man sah vom Bord desselben ihre Nothsignale, legte bei und sandte ihnen eine Schaluppe entgegen, mit deren Hilfe sie nach einigen Stunden glücklich den »Erwin« erreichten, der sie in New-York an's Land setzte.

Den Walfisch, der das Unheil angerichtet, hatten sie nicht wieder gesehen; vielleicht war der Stoß, der das Sinken der Adelaide herbeiführte, auch für ihn der Todesstoß gewesen.

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