Otto Julius Bierbaum
Studenten-Beichten
Otto Julius Bierbaum

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4.

Aber so was! Wie falsch hast Du, mich wieder verstanden: Nein: so dumm ist Jeanette nicht, daß sie ans Heiraten denkt. Diese Münchner Madln sind gescheiter, als ihr euch in eurer norddeutschen Schulweisheit träumen laßt. Das sind geborene Realistinnen. Jeanette weiß, wie's kommt und kommen muß. Nur die Trennung, natürlich, weiß sie, wird schwer sein. Aber im übrigen giebt's da keinen blauen Dunst. Wir leben und sind glücklich: basta!

Im Freien sind wir am glücklichsten. Sonntags auf die Bahn, ins Schiff, an den Starnberger See und zwar dorthin, wo's Dampfschiff nicht hält. Am liebsten ist uns da Sankt Heinrich, ganz hinten, mitten im Walde, bloß die Kirchturmspitze guckt über die Buchen- und Birken-Wipfel.

Ich bin bekannt dort, bummelte einmal zwei Monate lang da herum, nährte mich schlecht und recht von Kalbsbraten und Rindfleisch in absolut sicherer Abwechselung und war stets glücklich, außer wenn von Seeshaupt oder Ambach Fremde vorüber kamen. Innerhalb 6 Wochen war ich damals so ganz und gar verbauert, daß ich mich wunderte, wenn mich jemand »Sie« nannte. – Jetzt kannst Du Dir hoffentlich denken, wie kolossal nett's dort ist.

Vorigen Sonntag war ich mit Jeanette dort. Bis Seeshaupt zu Schiffe, natürlich 1. Klasse. Jeanette sprach hochdeutsch und war riesig stolz darauf. Sie »hatte an ihr weißes Kleid, in dem so hold mein süßer Schatz mir schien.« Woher das Citat, alter Bibelheiduk? Na wart', später kriegst Du das ganze Gedicht. Bin noch nicht fertig. – Also bis Seeshaupt. Gottvoll da oben auf dem Verdeck, mit ein paar Engländern zusammen. Jeanette benahm sich vollendet wie eine kleine Prinzessin. Durchaus duldete sie nicht, daß ich ihr die Hand drückte.

In Skt. Heinrich erregte unser Kommen Sensation. Meinem alten Wirt stellte ich Jeanette als meine Frau vor. Der Gute sah unsere Hände an und lächelte.

»Trauringe versetzt!« sagte ich.

»Woaß scho, woaß scho!« grunzte er.

Mein Freund Sepp, der Knecht, von dem ich damals mähen und dreschen gelernt hatte, brüllte sein grandiosestes Lachen aus der Ecke.

»A grüß Gott Sepp!« rief ich, »immer noch alleweil besoffen?«

Worauf er sehr treffend antwortete:

»I hoab die Ehr, den Herrn zu begrüßen.«

In dieser Umgebung legte Jeanette jede Spur von Hochdeutsch ab. –

Nachdem wir den ortsüblichen Kalbsbraten hinter uns hatten, schlugen wir uns in die Büsche, die dort liegen, wo der Weg nach Beuerberg führt.


Es war sehr schön . . . . . . . Jeanette im weißen Kleid zwischen dem fidelen Frühlingsgrün: superb! Wenn sie nicht anderweitig beschäftigt war, aß sie Brombeeren, d. h. wir aßen sie zusammen. Sie steckte die Hälfte in den Mund und die andere Hälfte biß ich ab. Das ist eine alte, allen Verliebten erbeigentümliche Angewohnheit. Römer, Chinesen, Tungusen, Hebräer: alle machen's so. Ich bin überzeugt, daß es auch irgendwo in der Bibel vorkommt. Willst Du nicht so gut sein und mal nachseh'n? –

Als wir uns genug ausgestrolcht hatten, bummelten wir wieder zurück. (Es kann nicht verschwiegen werden, daß Jeanette allerlei blaue, rote und grüne Flecken an ihrem Kleide hatte. Da sie aber vom Fach ist betreffs der Fleckenbeseitigung, so hat dies wenig zu sagen.)

Auch sonst sahen wir etwas verwildert aus, so daß uns der hereindunkelnde Abend sehr willkommen war.

Folgendermaßen nahm sich unser Heimgang, d. h. der Gang zum Dampfschiffe nach Seeshaupt aus:

                  Sternsuchen

Der Tag war schön, die Liebe war heiß
Im Heu, im Heu, auf dem Moos, auf dem Moos.
Nun ist die Nacht gekommen,
Das Dunkel still und groß.

Nun gehn wir beide Arm in Arm
Nach Hause, nach Haus, durch die Nacht, durch die Nacht,
Nun ist sie furchtsam geworden,
Die hell in die Sonne gelacht.

»Koa Licht, koa Haus, i fiercht' mi so!«
– Aber Maus! Aber Maus! Sei gescheit, sei gescheit!
Geh', mumm' Dich in meinen Mantel!
Mein Mantel ist warm und weit.

In einem Mantel nun beide versteckt,
So schreiten wir enge, so schreiten wir warm,
Da steigt herauf am Himmel
Der Sterne schimmernder Schwarm.

Jeanette sieht die Venus:
»Geh' sag', wie hoast der Stern?«
– Der Stern, Schatz, heißt Jeanette,
Den hab' ich sakrisch gern.

Jeanette guckt zum Himmel:
»I woaß jetz', was i thu,
I such' an recht'n wüasten,
Der wüaste der bist Du!«

Und sucht und sucht und find't nicht.
Geh', laß das Suchen sein,
Die goldenen Sterne am Himmel
Sind alle gleich schön und rein.

Doch wenn Du lange noch hinsiehst,
Werden alle vor Neid sie bleich,
Denn Deinen Augen ist keiner
An schimmernder Schöne gleich.

Nur Deine Sterne such' ich,
Die sind so licht und klar,
Weg'n meiner mag sich trollen
Die ganze Glitzerschar.

Das hat ihr wohl gefallen.
Bald war'n wir am Halteplatz.
Kein Mensch auf der ganzen Erde
Hat so einen herzigen Schatz!

Ich hoffe, daß Du geschmackvoll genug sein wirst, dies Gedicht nicht zu kritisieren. Mir hat's unsinnig viel Spaß gemacht.

Gehab' Dich wohl!

Dein Colline.

 


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