Otto Julius Bierbaum
Studenten-Beichten
Otto Julius Bierbaum

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Waschermadlhistorie

Des Juristen Colline sehr weltliche Briefe an den Gottesgelahrsamkeitsbeflissenen Marcel

 

1.

Oh Du Rauhbein!

Ich glaube, es war zur Zeit, als ich meine Pandekten noch nicht vergessen hatte, da ich Deinen letzten Brief erhielt. Was soll denn das heißen? Höre 'mal, Du . . . aber ich will nicht schimpfen. Ich bin ja so vergnügt, so rasend glücklich!

Ach !!!!!!!!!!!!!!!!!!

Bitte, sieh Dir mal das Ach mit seiner Ausrufezeichenbrigade an. Das sind keine gewöhnlichen Ausrufezeichen, Verehrtester, das sind Liebesverzücktheits-Ausrufezeichen, dick, stramm, grundstrichmuskelkräftig. Sieh' sie genau an! Es sind Symbole der Waden meiner JeanetteDie Offizin besaß leider keine Ausrufezeichen von der symbolischen Wucht derer, die Herr Colline in der Handschrift mit viel Ausdruck gemalt hat. – Anm. des Setzers..

Hallih und Halloh! (Grinse nicht so niederträchtig! Sumpfhuhn!)

Also: ich bin fabelhaft glücklich.

Woso? Höre:

Was ist mein Schatz? – Eine Plättmamsell,
Wo wohnt sie? – Unten am Gries,
Wo die Isar rauscht, wo die Brücke steht,
Wo die Wiese von flatternden Hemden weht;
Da liegt mein Paradies,

Im allerkleinsten Hause drin,
Mit den Fensterläden grün,
Da steht mein Schatz am Bügelbrett, –
Hoiho! wie sie hurtig den Bügelstahl dreht!
Gott! wie die Wangen glühn.

Im weißen Röckchen steht sie da,
Ihre Blouse ist blumig bunt;
Kein Mieder schnürt, was drunter sich regt,
Sich wellenwohlig weich bewegt:
Der Brüste knospendes Rund.

Vorüber gehe ich allmorgens früh,
Schau tief ihr ins Auge hinein,
Da liegt meine Lust, meine Liebe, mein Glück,
Die lachende Kunde: Komm' abends zurück, –
Das Waschermadl ist Dein!

Kapierst Du, alter Junge? Merkst Du was? Na freilich, so obenhin mußt Du schon was riechen. Aber das sag' ich Dir gleich: einen richtigen Begriff kannst Du Dir nicht machen. Das geht über Theologenbegriffe.

Wie's geschah, daß ich sie kennen lernte? Zum Teil steht's in diesem herzverrückten Hurrahliede; was fehlt, ergänze Dir aus dem folgenden, das ich, seiner blümeranten Handwerksburschenlied-Klangfarbe wegen nenne:

                    Im alten Ton:

Der Frühling kam, die Knospen sprangen,
Da bin ich auf die Wiese,
Ja Wiese,
Alleine hinausgegangen.
Ich ging allein
Und kam zu Zwein:
Mit einem holden Kinde;
Das hab' ich geküßt auf den roten Mund
Wohl unter der grünenden Linde,
Dem hab' ich den Blick in die Augen gesenkt,
Das hat mir seine Liebe geschenkt,
Und hat mir gelacht
Zum Lohn bei der Nacht,
Zur Seite geschmiegt mir im Bette:
Ein Waschermadl ist mein Schatz,
Mein brauner, mein wilder, mein lustiger Schatz
Und heißt: Jeanette! –

Ich denke, das genügt.

Ja, unter einer grünenden Linde war's. Bisher habe ich geglaubt, grünende Linden, Fliederlauben, Jasminbüsche und dergleichen seien bloß lyrische Requisiten, die man Reims halber und weil sich dabei so was Liebes riechen und ahnen läßt, zwischen die Verse streut wie Rosinen in den Stollenteig, aber jetzt, mein frumbes Gemüte, jetzt weiß ich's besser.

In der That: es existieren wirklich und wahrhaftig gute, liebesgnädige Dinge auf der Welt, und nicht weit von Oberföhring steht, (dös woaß i!) eine ganz reale Linde, von der ich es beschwören kann mit einem leiblichen Eide, daß unter ihr Zweie saßen, (a bißl kalt war noch der Boden vonwegen der Frühlingsfeuchte) die sich abgeküßt haben und gepreßt, als ob sie zu nichts weiter da wären auf dieser schnöden Welt. Und doch war es des einen lederne Pflicht, der beiden Rechte mannigfache Materien zu traktieren, und die andere (ich bitte Dich! daß es eine Die war, hast Du bemerkt?) und die andere hatte mindestens noch sechs Dutzend Oberhemden zu bügeln.

Oh Du leichtsinnige Jugend!

Was waren uns sämtliche corpora juris mit samt allen Oberhemden der Welt! Schnuppe waren sie uns, mein Holder, wurscht und schnuppe. Nichts interessierte uns, rein gar nichts, als unser warmes Beieinander, das Beinanbein und Brustanbrust und Mundanmund und Auginaug. Nein Du: so ein Glück! So ein dummes, holdseliges Glück.

»Geh, moagst mi wirkli?« sagt Jeanette.

»Ja, freili, Mauserl,« sag' ich, – und so was ist einem lieber als sämtliche Dialoge in sämtlichen Dichtern.

Mit welchem Axiom ich verbleibe
Dein

Colline.

 


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