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XXI

Buchschmuck Es ist die Stunde der größten Hitze, man ruht in verdunkelten Gemächern.

Die Hohe an Würde, erhaben wie das Firmament, verborgen hinter Vorhängen, die wie die Sonne strahlen, Herrin eines ruhmreichen Palastes, umschleiert mit Keuschheit, die am höchsten verehrte von den Herrinnen des Zeitalters, die Fürstin des Reichs, die Besitzerin des Diadems, die Erwählte unter dem Volk der Welt, die geehrteste unter den Leibeserben des Hauptes der Rechtgläubigen, Dschehanara Begum, hat sich wie immer nach dem Mittagsgebet zurückgezogen. Fragst du ihre Eunuchen, sie werden sagen: zur frommen Meditation. Aber vielleicht sagen sie es lächelnd.

Der Raum, in dem die Begum-Sahib weilt, ist umgittert von kunstreich durchbrochenen Marmorwänden; nur ein letztes Verschimmern des grellen Lichts dringt milchig durch den perlfarbigen Steinschleier. Eiskaltes Wasser murmelt und plätschert; das Ruhelager steht auf einem vergoldeten Gitter, unter dem ein klarer Bach fließt.

Auf einem silbernen, mit milchigen Mondsteinen bedeckten Ständer hinter dem Ruhebett sitzt ein großer schneeweißer und rosenroter Papagei; die silberne Kette, die ihn fesselt, ist mit einem Diamantring an seinem Fuß befestigt.

Ein großer Fächer, von unsichtbaren Händen bewegt, schaukelt an der Decke des Raumes auf und nieder.

Auf einem niederen Tischchen, dessen Platte aus Türkisstückchen zusammengefügt ist, steht Sorbet bereit und Schnee von Kaschmir in einem Kübel und jener köstliche Feuertrank, den die Begum selbst, erfahren in solchen Werken, zu destillieren pflegt, aus Weinen, Rosenwasser und elferlei Gewürz.

Ein leichter Vorhang über einem offenen Türbogen ist zurückgeschlagen; man sieht in einem Nebengemach auf einer steinernen Estrade eine große getriebene und versilberte Kupferwanne, unter der wohlriechendes Holz bereit liegt, das Bad der Begum zu heizen. Die Wände dieses Zimmers sind seltsam gewölbt und bestehen ganz aus kleinen blinkenden Glasspiegeln in vielen Farben.

Dschehanara Begum ruht ausgestreckt in den Kissen, und ihre schwerberingte Hand streicht über die Locken Duleras, der vor ihr sitzt und seinen Kopf in ihren Schoß gelegt hat. Sie ist eine Frau von dreißig Jahren, ernst und schön. Die Stirn unter dem Bogen der schwarzen Haare ist hoch, die dunklen Augen sind groß, obwohl mandelförmig, die Nase ist gerade, groß und energisch, sie hat Schah Dschehans sinnliche Lippen. Sie ist ganz weiß und eher zart. Jetzt spielt und scherzt sie mit ihrem kleinen Liebhaber, dennoch ist ihr Wesen gemessen und fürstlich.

Sie ist geschmückt wie ein Götterbild. Auf dem Kopf hat sie eine Haube aus Goldgewebe, die die Stirn umsäumt und nur einen schmalen Haarsträhn freiläßt. Auf dem Goldgewebe ist ein Zierat aus Edelsteinen, eine Rose darstellend; ein Perlentropfen quillt davon nieder, bis zur Mitte der Stirn, und eine dreifache schwarze und weiße Reiheraigrette, am Rande mit Perlen durchwirkt, steht in die Höhe. Das Kleid Dschehanaras ist aus dem dünnsten rosenroten und silbernen Musselin, man sieht darunter den Schimmer ihrer Haut. Sie trägt um die Schultern einen Schal von Kaschmir, in matten Farben gestickt und so fein, daß man ihn durch den kleinsten ihrer vielen Ringe ziehen könnte. Sie ist ganz mit kostbarem Schmuck bedeckt; von ihrem Kopfputz hängen breite Perlenbänder über ihre Schläfen hinab; in ihren Ohren sind lange Gehänge aus Rubinen und Perlen; um den Hals trägt sie eine Schnur aus großen Perlen, und eine Art Schärpe aus Perlen und durchbohrten Rubinen geht von Schulter zu Schulter. Ihr goldener Gürtel ist mit Steinen besetzt; um den Oberarm über dem Ellenbogen trägt sie ein Armband, zwei Spannen breit, mit Perlen und roten Juwelen. Perlenschnüre, zwölfmal gewunden, umzirkeln die Pulse der Hände und die Fußgelenke.

Dschehanaras Hände und die nackten Füße sind mit Henna rot gefärbt und stark parfümiert. Ihr geflochtenes Haar duftet nach destillierten Ölen. Dschehanara trägt die leiseste Andeutung eines leichten Schleiers, aber er läßt das Gesicht vollkommen frei und bedeckt nur den Haaransatz im Nacken, den einem Mann zu zeigen besonders unkeusch wäre.

Sie lehnt lächelnd, ein wenig hochmütig da; ihre rechte Hand mit den vielen Ringen wühlt in Duleras Locken; ihre linke Hand führt sie nahe an ihre Augen. Sie hat diese Bewegung der Hände zum Gesicht von ihrem Vater geerbt; den Vorwand bilden ihre großen Daumenringe an beiden Händen, in deren Kasten zwischen kleinen Diamantsplittern runde Spiegelgläser eingelassen sind.

Dulera liegt mit geschlossenen Augen da, ein heißer schöner Jüngling, sehr schlank, mit etwas zu schmaler Stirn, braun wie eine Nuß. Er ist ganz weiß gekleidet, mit einem runden gestickten Käppchen auf dem Kopf und mit großen Ohrgehängen von Perlen. Er hat eine Laute neben sich liegen, aber er spielt nicht. Er spricht sanfte Worte, ganz leise und langsam, wie im Traum. Er sagt: »Wie schön Dschehanara ist! Mit Safran gefärbt und schimmernd schreitet sie stolz einher, gleich einem Bergfasan, silbern und rosig und von Mandelduft umhaucht. Es scheint, als wäre sie aus Feuer erschaffen und aus Kristall gebildet. Sie gleicht dem aufgehenden Vollmond in der Nacht seiner Rundung, sie ist eine Sonne, ein biegsames Reis; einer Perle ist sie sehr ähnlich, doch weißer als eine Perle, und auch in den Gärten der Ewigkeit ist niemand ihr gleich; sie beschämt den Mond und die Sonne. Ihr Antlitz strahlt hell, als stiege der Tag aus der Blässe ihrer Stirn und das Dunkel der Nacht aus ihren Locken.«

Dschehanara hört zu, den Spiegelring vor den Augen; ganz gravitätisch und ein bißchen spöttisch scheint sie die lange Liste seiner Liebesworte nachzuprüfen. Jetzt sagt er:

»Wenn ich fern von dir bin und deiner gedenke, werde ich Herz vom Scheitel bis zur Sohle.«

Da richtet sie sich ein wenig auf, sieht ihn gründlich von oben an und mißt es, dieses Herz vom Scheitel bis zur Sohle. Es ist gebieterische Zärtlichkeit in dem Blick, aber auch ein klein wenig Verachtung. Nicht viel anders streichelt sie ihren großen weißen Lieblingspapagei, der sehr weise ist und herrlich zu sprechen versteht. Schah Dschehan hat ihn zum Emir über alle Papageien ernannt, und er trägt Diamantringe um seine Klauen. Dulera wieder zieht mit dem Gefolge eines Heerführers über Fünftausend durch die Stadt.

Dulera hat jetzt die Augen aufgeschlagen und sieht sie an und sieht vielleicht in ihrem Blick etwas, was ihn peinigt, denn er hört auf, die Wunder ihrer Schönheit aufzuzählen und schweigt mit gefrorenen Lippen. Sie fragt lässig: »Nun, und sind meine Brauen nicht drohende Bogen, die Pfeile ins Herz schleudern? Schimmern meine Schläfen nicht gleich Halbmonden?« Sie blickt mit einem Lächeln ungemein eifrig in den Spiegelring, um das ernsthaft festzustellen. Dulera schweigt, trotzig. Der Papagei hebt seine rechte Klaue, kratzt sich und krächzt: »Dschehan-ara!«

Dulera steht langsam auf, nähert sich dem Papagei, kratzt ihm das rote Köpfchen mit dem Federschopf. Er liebt dieses seltene Tier, das von den fernen, von Geistern und Riesen bewohnten Inseln des Südmeeres gebracht worden ist, und jetzt behagt es ihm, zu dem Vogel zu sprechen und nicht zu Dschehanara.

»Kakatua,« sagt er, »Vogel, auf dem der Liebesgott Kama, der Pfeilschütze, nach Dschehanabad geritten ist, wir beiden lieben Dschehanara, aber sie liebt uns nicht. Sie ist wie Sarada, die weiseste der Göttinnen, und sie blickt in den Spiegel wie Lakschmi, die schönste der Unsterblichen, aber in ihrem Herzen ist sie grausam wie die blutige Tigerreiterin Kali. Du bist klug, Kakatua, wie der Papagei, dessen weise Reden das Papageienbuch preist, frage die Herrin Dschehanara, warum sie uns nicht mehr liebt!«

»Dschehan–ara!« schreit der Papagei und dann: »Dule–ra!«

»Sprich nicht von dem unglücklichen Dulera«, sagt der Lautenschläger der Begum-Sahib. »Er stirbt vor Sehnsucht, obgleich er bei Dschehanara ist. Sieh, in dem alten Papageienbuch, das den Ruhm deines Geschlechtes verherrlicht, gibt es, o Reitvogel Kamas, keinen wahreren Spruch als diesen.«

Dulera rezitiert die klassischen Sätze ein wenig in der beruflichen Art des ausgebildeten Sängers und Vortragsmeisters.

»Die Weiber tun zuerst freundlich, aber nur so lange, als sie sehen, daß der Mann ihnen noch nicht anhängt; sehen sie den Mann mit der Liebe Banden gefesselt, dann ziehen sie ihn wie einen Fisch, der den Köder verschluckt hat, hinauf an die Luft.«

»Der Sinn der Weiber ist beweglich wie eine Meereswoge; die Zuneigung währt wie die Röte eines Wolkenstreifens in der Abenddämmerung nur einen Augenblick.«

»Was tun nicht alles diese Schönäugigen, wenn sie in das weiche Herz der Männer sich geschlichen haben! Sie betören, berauschen, verspotten, drohen, entzünden und bringen in Verzweiflung.«

Der Papagei blinzelt zu diesen Worten seines berühmten Vorfahren aus dem Papageienbuch und bekennt sich, da er ein Männchen ist, ganz zu ihnen, indem er zustimmend seinen Namen krächzt: »Kaka–tu–a! Kaka–tu–a!«

Die Begum, zu ihrem kleinen, diamantglänzenden Spiegelbild: »Dulera ist dumm. Lieben wir ihn nicht, den Knaben? Haben wir ihm nicht ein Schwert geschenkt und einen Elefanten, und stolze Reiter und Fußvolk, daß er einherziehen kann wie ein Maharadscha Bahadur? Lieben wir ihn nicht, seiner Mutter Tschulohla wegen?«

Dschehanara streift mit spitzen Fingern den Schal von ihrer Brust, und es wird eine große rote Brandnarbe sichtbar, die Spur eines furchtbaren Unfalls. Als Duleras Mutter, die Lieblingstänzerin der Begum, eines Tages vor ihr tanzte, streifte sie mit ihren parfümierten Schleiern, mit ihren von Öl triefenden Haaren eine Fackel und starb in den Flammen. Dschehanara Begum wäre damals fast selbst ums Leben gekommen, da sie den Liebling zu retten und die Flammen zu verlöschen versuchte. Sie hat dann den Sohn der Tänzerin aufziehen lassen.

Doch diese Erinnerung, die sonst Duleras Herz rührt, reizt ihn jetzt nur zu bitterem Zorn. Hat Dschehanara nicht gesagt, sie liebe ihn nur um seiner Mutter willen? Er spricht zu dem Papagei:

»Hörst du die Grausame? Ist sie nicht voll Härte und ganz ohne Erbarmen? Hörst du sie? Sie mahnt mich daran, daß ich trotz meinem Elefanten und meinem Schwert nur der Sohn einer Tanzsklavin bin und eines Gärtners. Kakatua! Die Pisangschenklige verachtet mich wegen meines geringen Standes, und doch kann ich als Brahmane, als Gott wiedergeboren werden.«

Dschehanara lächelt mütterlich. »Kakatua,« spricht sie, »sage dem törichten Knaben, daß er ja ein Schwert hat und einen Elefanten. Muß er denn auf die Wiedergeburt warten? Er möge ausziehen und sich ein großes Königreich erobern.«

Dulera ballt die Fäuste, ein großer Zorn schüttelt ihn.

»Und wenn ich auch ein großer Radschah werden könnte, und einen goldenen Thron erringen, nie würde ich Dschehanara gewinnen. Auch einen Maharadschah könnte sie nicht heiraten, da sie die Tochter des Padischahs ist. Ja, ich könnte sie dann niemals mehr sehen, die Langäugige. Nur weil ich ein im Harem erzogener Sklave bin, duldet sie mich. Sie gab mir den Namen Khanahzad, »der im Hause Geborene«, darum ließ man mich bei ihr wie dich und wie die Angorakatze und den kleinen Affen.«

Dschehanara sagt: »Aber er heißt ja gar nicht mehr Khanahzad. Als er ein großer Junge wurde, gab ich ihm einen neuen Namen, gefällt er ihm nicht mehr? Er heißt jetzt Dulera, »Bräutigam«. Und er ist undankbar wie ein Schakal. Eines Tages wird mich mein Vater in einen schwarzen Kerker sperren, weil ich gegen das Gesetz diesen Knaben in die Mahal einlasse. Denn zwei Dinge können niemals verborgen bleiben: Moschus und Liebe.«

Dulera gibt dem armen Papagei einen kleinen Stoß, daß er empört aufkreischt und die Klaue mit dem Diamantring abwehrend erhebt.

»Es ist nicht wahr, alle wissen es längst, aber man duldet mich in ihrem Gemach, weil ich ein niedrig geborener Sklave bin, der nicht höher an Würde ist als der kleine Affe, und sie liebt den kleinen Affen mehr als mich. Solange ich stillschweige, und es entsteht kein Aufsehen, darf ich mir von ihr den Kopf krauen lassen.«

Es kommt ein boshafter Blick in seine Augen, er sieht aus wie ein böses Kind, das aus Trotz ein Spielzeug zerbrochen hat oder einen ehrwürdigen Büßer am Bart gezupft.

»Aber ich bin nicht still und ich vermeide das Aufsehen nicht. Wisse, o Begum-Sahib, heute habe ich auf der Straße der Silberschmiede den Mir Bakhsch des Reichs verhöhnt, ich, dein Lautenschläger Dulera, ein Jüngling von geringer Kaste. Ich saß auf meinem Elefanten; stieg ich da ab und warf mich in den Staub? Oh, ich habe dem häßlichen Alten den Weg verlegt, meine Banner wehten ihm ins Gesicht, und er mußte umkehren!«

Das spielende Lächeln weicht aus dem Gesicht der Begum, sie wird sehr ernst. »Komm her, Dulera!« Er kommt, gehorsam und heimlich beglückt, möchte wieder seinen Kopf in ihren Schoß legen, aber sie weist ihn zurück, läßt ihn vor sich stehen wie einen Diener, der gescholten werden soll.

»Ich hoffe, du prahlst nur, Knabe. Nein? So hast du böse und töricht gehandelt, und wehe, wenn Schah Dschehan es erfährt! Aber es kann nicht Mahabet Khan gewesen sein, du stündest sonst nicht lebend vor mir; wie sollst du auch den Mir Bakhsch kennen, er hätte dich auf der Stelle in Stücke gehauen, und es wäre Gerechtigkeit geschehen. Bei der Kaaba, gepriesen sei ihr Name, solcher Übermut kann nicht ohne Strafe bleiben. Weißt du nicht, daß die Rechtgläubigen mir längst in ihrem Herzen zürnen, um deinetwillen? Ich habe das Geschwätz der Basare verachtet und selbst den Meinungen verehrungswürdiger Ulemas getrotzt, denn ich bin eine Königin aus dem Hause Timurs, und niemand richtet über mich als der Herr des Zeitalters. Aber wenn du, ein spielendes Kind und boshaft wie ein Affe, an Staatsdinge rühren willst, dann befürchte, daß ich die Hand zurückziehe, die dich trägt; wohin fällst du dann? Groß ist die Langmut und Milde Schah Dschehans, aber wenn eines Tages sein Auge dich trifft, bist du zerschmettert!«

Dulera wirft den schönen Kopf voll Trotz zurück. »Mag er mich zerschmettern, da du mich nicht liebst und dich meiner schämst. Immer wußte ich schon, daß mich eines Tages der König töten wird. Kenne ich denn nicht das Sprichwort?«

Er sagt es mit zornbebender Stimme auf, aber trotz seiner Erregung mit der berufsmäßigen Zierlichkeit des geschulten Vortragsmeisters:

»Vertrauen soll man nicht hegen zu Flüssen, Tieren mit Krallen, Tieren mit Hörnern, Leuten, die eine Waffe in der Hand tragen, zu Frauen und zu Königsgeschlechtern.«

»Reinlichkeit bei der Krähe, Ehrlichkeit bei dem Spieler, Milde bei der Schlange, Sättigung des Liebestriebes bei den Frauen, Mut bei den Eunuchen, Denken bei dem Säufer, ein König als Freund, wer hat solches je gesehen oder gehört?«

»Mit einem Panzer versehen, grausam, in Windungen gehend, schwer zu beschleichen: so gleichen die Könige den Schlangen.«

»Durch bloßes Ehrerweisen tötet der Bösewicht; durch bloßes Berühren tötet der Elefant. Durch bloßes Lachen tötet der Fürst.«

»Auch ich bin eine Königin!« sagt Dschehanara.

»Ich weiß es«, sagt Dulera. »Ich habe es noch nie vergessen, wenn ich mit dir sprach; du sorgst ja dafür, und ich weiß auch, daß ich durch dich sterben werde: lieber stürbe ich für dich, o Dschehanara!«

Etwas in dem glühenden Antlitz des Knaben zeugt für seine Wahrheit; und Dschehanara ist auf einmal besänftigt.

»Würdest du für mich sterben, Dulera? Man sagt es leicht, im Frauengemach, unter den Wohlgerüchen. Aber Schwerter sind kalt, und Gift krümmt den schlanksten Leib. Tue nie wieder, was du getan hast, und ich will dir verzeihen, denn ich habe deiner Mutter versprochen, für dich zu sorgen. Nochmals, Schah Dschehan würde dich töten, wenn du ihm mißfielest. Sprich, war es Mahabet Khan?«

Dulera zweifelt. »Er oder ein anderer, ich kenne die grauen Bärte nicht. Aber wisse, daß ich den Tod nicht fürchte. Vielleicht wollte ich mit ihm spielen wie mit einer schönen Schlange. Soll ich immer so weiterleben, von allen verachtet, sogar von dir?«

Er schüttelt den Kopf; eine Locke fällt ihm über die Stirn, mit einer kleinen eitlen Geste schiebt er sie zurück.

»Komm her,« sagt Dschehanara, und weist den ersehnten Platz zu ihren Füßen an, »ich verzeihe dir, weil du mein schöner Knabe bist, mein kleiner Bräutigam, und weil du gesagt hast, daß du für mich sterben möchtest.«

Er liegt schon wieder in ihrem Schoß und rezitiert eines seiner Hindu-Sprichwörter:

»Dessen Leben ist nicht glücklich, der es nicht für die Geliebte wagt; das wird Liebe genannt, was höchste Not bringt.«

Sie streichelt ihn. Er schwärmt:

»Ich möchte für dich sterben, nachdem ich für dich ein großes Heer bekämpft hätte, in einem ungeheueren Wald. Ich sehe den Wald, es ist nach dem großen Regen, und die Blüten sind überall. Der Wald ist voll von Sandelbäumen und Astorien, überdeckt von den Zweigen der hohen Fichtenbäume, an einigen Stellen ist er mit Mangos und Dattelpalmen bewachsen und mit Brotfruchtbäumen. Auf der einen Seite blüht der Korallenbaum, dessen Duft den hochaufsteigenden Duft der Sirasas übertrifft; auf der anderen Seite blüht ein Gewölbe von Sindurikas. Der Duft von Kampfer und Nelkenpfeffer streicht durch die Blätter, und der Wind ist wohlduftend von den Früchten der Granatbäume und Bilvas; und kleine Vögel mit Flügeln, die wie bunte Edelsteine sind, streichen um dein Haupt, und trunkene Bienen laben sich an dir; du liegst auf einem Lager von roten Oleanderblüten, und ich mit meinem Schwert stehe vor dir und kämpfe siegreich wie Rama, dann aber sterbe ich, und mein Kopf liegt in deinem Schoß, nicht so wie jetzt, denn du verachtest mich nicht mehr – – –«

Sie sieht Unergründliches in ihrem Spiegelring. Der Papagei schreit: »Kaka-tu-a!« Er wünscht beachtet zu werden, oder vielleicht möchte er auch mit dabei sein, in einem so schönen heimischen Wald. So fliegt er mit einem kleinen Kreischen von seinem Ständer hinab auf Dschehanaras Schulter, die lange, juwelenfunkelnde Silberkette an seinem Bein klirrt hell.

Dschehanara sagt in einem singenden Ton:

»Nein, du stirbst nicht, kleiner Bräutigam, du gewinnst mit deinem schönen neuen Schwert ein gewaltiges Königreich, so groß wie ganz Hindustan, und in deiner Mahal sind siebentausend antilopengleiche Frauen, eine jede schöner als Dschehanara. Und du nimmst Kakatua mit und baust ihm einen Käfig, ganz aus Perlen und Rubinen, so wie er selbst ist, weiß und rosenrot« – –

Und auf einmal fahren sie beide aus ihrem Getändel auf, mit erstarrenden Augen. Ein ungeheueres dunkles Wesen ist plötzlich am Eingang des Gemachs aufgetaucht, ein watschelnder fetter Negermensch mit parallelen Schnittnarben im Gesicht, mit fletschenden Zähnen, einem feuerroten Turban und mit einem riesigen Säbel, der um den aufgetriebenen Bauch geschnallt ist. Dschehanara erkennt ihren Nazir, das Oberhaupt ihrer schwarzen Eunuchen. Er macht eine Geste voll verzweifelter und hilfloser Warnung und verschwindet dann wieder wie ein Bild in einem Spiegel, das ausgelöscht ist.

Und nun hört man auf den Marmorfliesen der Vorhalle die Schritte eines Mannes. Das sind nicht die Schritte eines watschelnden Verschnittenen, so geht nur ein Mann. Nur ein Mann kann zu dieser Stunde so durch die innersten Gemächer der Begum-Sahib schreiten, nur ein Mann kann es wagen, in seinen Schuhen den Palast zu betreten.

Dulera versteht sogleich, was geschieht, und daß er um der geliebten Frau willen hier nicht mit ihr allein gefunden werden darf. Er springt auf, leise wie eine Katze, mit einem Sprung ist er in dem Nebengemach, an dessen Wänden die tausend bunten kleinen Spiegel blitzen, er sieht sich kurz nach einem Versteck um und findet keines als die kupferne Wanne voll Badewasser. So springt er hinein und verschwindet.

Aber er hat keine Zeit gehabt, den Türvorhang zuzuziehen. Wer kann sagen, ob Schah Dschehan, der jetzt langsam eintritt mit einem undurchdringlichen Lächeln, ihn nicht gesehen hat?

Buchschmuck

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