Harriett Beecher Stowe
Onkel Toms Hütte
Harriett Beecher Stowe

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

7. Kapitel

Ein würdiges Trio

Elisas verzweifelte Flucht über den Fluß fiel gerade in die Abenddämmerung. Der graue Abendnebel stieg langsam aus dem Strom empor und hüllte sie ein, während sie auf dem anderen Ufer verschwand, und der angeschwollene Strom und die großen Eisschollen zogen eine unüberwindliche Schranke zwischen ihr und ihrem Verfolger. Haley ging deshalb langsam und mißvergnügt nach der Schenke zurück, um weiter über das zu Tuende nachzudenken. Die Frau wies ihn in ein kleines Zimmer, wo ein Tisch mit sehr glänzender schwarzer Wachsleinwand überzogen, verschiedene hohe hölzerne Stühle mit schmaler Lehne und einige grell angemalte Gipsbüsten auf dem Kaminsims über einem sehr bescheiden rauchenden Herd standen; eine lange harte Bank streckte sich ungemütlich neben dem Kamin hin, und hier nahm Haley Platz, um über die Unsicherheit menschlicher Hoffnungen und menschlichen Glücks allgemein nachzudenken.

»Daß ich mich von dem Grasaff so habe anführen lassen!« brummte Haley vor sich hin und erleichterte sich das Herz mit einer nicht sehr gewählten Reihe von Verwünschungen seiner selbst.

Die laute und mißtönende Stimme eines Mannes, der vor der Türe abstieg, weckte ihn aus seinem Brüten. Er eilte ans Fenster.

»Zum Teufel! Wenn das nicht dem am nächsten kommt, was die Leute Vorsehung nennen!« sagte Haley. »Ist das nicht wirklich Tom Loker?«

Haley eilte hinaus.

In der Ecke des Zimmers vor dem Schenktische stand ein gelbbrauner kräftiger Mann von sechs Fuß Länge und verhältnismäßiger Breite. Er trug einen Rock von Büffelhaut, den Pelz auswärts gekehrt, was ihm ein zottiges und wildes Aussehen ganz in Übereinstimmung mit seiner Physiognomie gab. Kopf und Gesicht zeigten jedes Organ und jeden Zug brutaler und rücksichtsloser Gewalttätigkeit in höchster Entwicklung. Wer sich einen zum Menschen gewordenen Bulldogg, der in Hut und Rock einhergeht, denken könnte, würde den besten Begriff von dem Charakter und dem allgemeinen Eindruck seines Äußern haben. Ein Reisegefährte war mit ihm, der in vieler Hinsicht sein vollständiger Gegensatz war. Er war klein und schmal, gewandt und katzenartig in seinen Bewegungen, und mit dem lauernden Blick seiner lebhaften schwarzen Augen schien jeder Zug seines Gesichts sich gleichgestimmt zuzuspitzen; seine dünne lange Nase verlängerte sich, als wäre sie begierig, in das Wesen der Dinge im allgemeinen einzudringen; sein glattes dünnes Haar war nach vorn gebürstet, und alle seine Bewegungen zeigten von vorsichtiger Verschlagenheit. Der große starke Mann schenkte ein großes Glas halb voll Branntwein ein und goß es, ohne ein Wort zu sprechen, hinunter. Der kleine Mann stand auf den Zehen, legte den Kopf erst auf die eine, dann auf die andere Seite, schnüffelte bedächtig nach den verschiedenen Flaschen hin und bestellte zuletzt mit einer dünnen und zitternden Stimme und mit einer Miene großer Umsicht ein Glas Sodawasser. Als es ihm eingeschenkt war, nahm er es und sah es mit einer schlauen selbstzufriedenen Miene an, wie ein Mann, der das Richtige getan und den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben glaubt, und trank es wohlüberlegt und langsam nippend aus.

»Ha, so ein Glück hätte ich mir doch nicht zugetraut! Loker, wie geht's denn?« sagte Haley und bot dem großen Manne seine Hand.

»Zum Teufel!« war die höfliche Antwort. »Was bringt Euch hierher, Haley?«

Der lauernde Mann, der Marks hieß, hörte gleich auf, sein Glas zu nippen, reckte den Kopf vor und sah schlau den neuen Ankömmling an, wie manchmal eine Katze nach einem raschelnden dürren Blatt oder einem andern verfolgbaren Gegenstande schielt.

»Das nenne ich mir doch ein Glück, sage ich, Tom. Ich bin in einer verteufelten Patsche, und Ihr müßt mir heraushelfen.«

»Hm! Ha! Glaub' ich wohl!« grunzte sein gefälliger Freund. »Das kann man von vornherein glauben, wenn Ihr Euch freut, jemanden zu sehen; wenn die Leute zu etwas zu gebrauchen sind. Was gibt's denn jetzt?«

»Ihr habt einen Freund mitgebracht«, sagte Haley und sah argwöhnisch Marks an, »vielleicht ein Kompagnon?«

»Jawohl! Hier Marks, das ist der Bursch', der in Natchez mein Kompagnon war.«

»Freut mich sehr, seine Bekanntschaft zu machen«, sagte Marks und bot ihm eine lange schmale Hand wie die Klaue eines Raben dar. »Mr. Haley, glaube ich?«

»Derselbe, Sir«, sagte Haley. »Und jetzt, Ihr Herrn, da wir uns so glücklich getroffen haben, will ich Euch hier was zum besten geben. Ihr da, alter Waschbär«, sagte er zu dem Manne hinter dem Schanktisch, »gebt uns heißes Wasser und Zucker und Zigarren und Überfluß vom Echten, und wir wollen einmal fidel sein!«

Bald sind die Kerzen angezündet, das Feuer lodert munter in dem Kamin, und unsere drei Freunde sitzen um einen Tisch, der mit allen eben genannten Beförderungsmitteln der Gemütlichkeit reichlich besetzt ist. Haley begann eine pathetische Erzählung seiner widrigen Schicksale. Loker schwieg und hörte ihn mit mürrischer Aufmerksamkeit an. Marks, der mit großer Sorgfalt und vielen Umständen sich ein Glas Punsch nach seinem eigenen Geschmack bereitete, blickte von Zeit zu Zeit von seiner Beschäftigung auf, schob seine spitze Nase und sein Kinn fast Haley ins Gesicht und schenkte der ganzen Erzählung die vollste Aufmerksamkeit. Der Schluß schien ihn über die Maßen zu ergötzen, denn der ganze Körper wackelte ihm vor lautlosem Lachen, und er spitzte die dünnen Lippen mit einer Miene des höchsten innerlichen Genusses.

»Also regulär geprellt seid Ihr? He! He! He! 's ist aber hübsch gemacht.«

»Mit diesen Rangen hat man schreckliche Not im Geschäft«, sagte Haley kläglich.

»Wenn wir nur eine Sorte Mädchen kriegen könnten, die sich um ihre Kleinen nicht kümmerten«, sagte Marks, »ob das nicht einer der größten modernen Fortschritte wäre –«. Und Marks gab seinem Witz mit einem leisen einleitenden Gekicher Nachdruck.

»Ich habe mirs nie erklären können«, sagte Haley. »Die Rangen machen ihnen soviel Not – man sollte meinen, sie müßten froh sein, sie los zu werden; aber sie sind es nicht. Und je mehr Mühe ihnen die Kinder machen und je weniger sie im allgemeinen zu was nütze sind, desto lieber sind sie ihnen.«

»Schiebt mal das warme Wasser her, Haley«, sagte Marks. »Ja, Sir, Ihr sagt da, was ich denke und immer gedacht habe. Ich kaufte einmal ein Weib, als ich noch das Geschäft betrieb – ein kräftiges hübsches Weib und gar nicht dumm – und es hatte ein kränkliches Kind mit einem krummen Rücken oder so etwas, und ich schenkte es einem Manne, der versuchen wollte, es aufzuziehen, da es ihn nichts kostete – dachte nicht daran, daß sich das Weib die Sache so zu Herzen nehmen würde – aber Gott, Ihr hättet sehen sollen, wie sie sich aufführte! Wahrhaftig, war fast, als sei ihr das Kind um so lieber, weil es kränklich und garstig war und sie peinigte; und sie verstellte sich auch nicht etwa – sondern weinte darüber und lief herum, als ob sie den letzten Freund auf Erden verloren hätte. Es war wirklich drollig, daran zu denken. Gott, die Weiber haben solche Ideen im Kopfe.«

»'s ist mir auch so gegangen«, sagte Haley. »Vorigen Sommer wurde mir unten am Red River ein Mädchen aufgeschwindelt mit einem ganz hübsch aussehenden Kinde, dessen Augen so hell waren wie Eure; aber wie man es näher besah, war es stockblind. Faktum – stockblind. Nun dachte ich mir, 's ist nichts Schlechtes, wenn du das Kind wieder aus der Hand gibst und nichts weiter sagst, und ich tauschte es daher gegen ein Fäßchen Whisky um; aber als ich's dem Mädchen nehmen wollte, wurde das wie eine Tigerin. Es war, ehe wir aufbrachen, und ich hatte meine Leute noch nicht gefesselt, und was tut sie? Sie klettert wie eine Katze einen Baumwollballen hinan, reißt einem von den Matrosen ein Messer aus der Hand und macht ein Gesicht, daß wir alle scheu zurücktreten. Und wie sie nun sah, daß es doch nichts nützte, so drehte sie sich um und stürzte sich kopfüber mit dem Kinde in den Fluß – sank unter und kam nie wieder zum Vorschein.«

»Bah!« sagte Tom Loker, der diesen Erzählungen mit schlecht verhehlter Verachtung zugehört hatte. »Ihr seid beide nicht gescheit! Meine Mädchen spielen mir keine solchen Streiche, das sage ich euch!«

»Wirklich! Wie fangt Ihr's denn an?« forschte Marks rasch.

»Wie ich's anfange? Ich kaufe eine Dirne, und wenn sie ein Kleines hat, das ich verkaufen will, so trete ich vor sie hin und halte ihr die Faust vor's Gesicht und sage: ›Höre mal, wenn du auch nur ein Wort hören läßt, so zerschmeiße ich dir's Gesicht – ich will kein Wort hören – keine Silbe.‹ Ich sage zu ihnen: ›Das Kleine da ist mein und nicht dein, und du hast ganz und gar nichts damit zu tun. Ich verkaufe das Kind bei der ersten Gelegenheit; hütet Euch wohl, mir mit Eurem Lärm darüber zu kommen, oder Ihr sollt mir wünschen, Ihr wäret nie geboren worden.‹ Ich sage Euch, sie sehen, daß ich nicht mit mir spaßen lasse. Sie bleiben so stumm wie die Fische, und wenn ja eine anfängt, dann –« und Mr. Loker schlug die Faust mit einer Kraft auf den Tisch, welche die Lücke vollständig ergänzte.

»Das nenne ich mir Energie«, sagte Marks, indem er Haley in die Seite stieß und beifällig kicherte. »Ist nicht Tom ein Hauptkerl! He, he, he! Ich sage, Tom, ich rate, Ihr macht's ihnen begreiflich; denn die Niggerköpfe sind alle wollig. Sie bleiben nie unklar über das, was Ihr meint, Tom. Wenn Ihr nicht der Teufel seid, Tom, so seid Ihr sein Zwillingsbruder, behaupte ich.«

Tom nahm das Kompliment mit schicklicher Bescheidenheit an und machte ein so leutseliges Gesicht, als sich mit seiner grämlichen Natur vertrug.

Haley, der sehr reichlich von dem Getränk des Abends genossen hatte, fing jetzt an, eine beträchtliche Erregung und Erhöhung seines sittlichen Gefühls zu empfinden – ein Phänomen, das bei Leuten von frommem und nachdenklichem Charakter unter ähnlichen Umständen nicht selten ist.

»Ihr seid wirklich zu schlecht, Tom, wie ich Euch immer gesagt habe. Ihr wißt, Tom, wir beide haben diese Sachen unten in Natchez oft besprochen, und ich bewies damals stets, daß wir ebensoviel verdienten und uns ebensogut in dieser Welt befänden, wenn wir sie gut behandelten, außer daß wir eine bessere Aussicht behalten, da oben im Himmel einen Platz zu finden, wenn das Schlimmste kommt und nichts mehr zu holen ist.«

»Bah!« sagte Tom. »Weiß ich das nicht – macht mich mit solchem Gerede nicht krank – mein Magen ist ohnedies ein bißchen angegriffen«, und Tom schüttete ein halbes Glas reinen Branntwein hinunter.

»Ich gestehe es«, sagte Haley, indem er sich in seinem Stuhl zurücklehnte und mit Nachdruck gestikulierte, »ich gestehe es, ich habe immer mein Geschäft betrieben, um Geld dabei zu verdienen; das war das Erste bei mir, wie bei jedem andern Menschen; aber das Geschäft ist nicht alles, und Geld ist nicht alles, weil wir Seelen haben. Mir ist es ganz gleich, wer es hört – und ich glaube, ich habe verdammt viel darüber nachgedacht; deshalb kann ich es auch offen heraussagen. Ich glaube an Religion, und mit der Zeit, wenn ich alles eingerichtet und in Ordnung habe, so rechne ich, mich um meine Seele und alle diese Sachen zu bekümmern: Und was nützt es daher, mehr Böses zu tun, als gerade notwendig ist? – Das scheint mir gar nicht klug zu sein.«

»Ihr wollt Euch um Eure Seele bekümmern«, erwiderte Tom verächtlich, »guckt Euch nur recht ordentlich um, ob Ihr eine Seele in Euch findet – braucht Euch keine Mühe zu geben. Und wenn Euch der Teufel durch ein Haarsieb siebt, so findet er keine.«

»Ihr seid böse, Tom«, sagte Haley, »warum nehmt Ihr es nicht gut auf, wenn jemand nur zu Eurem Besten spricht?«

»Laßt das Geplapper sein«, sagte Tom barsch. »Ich kann Euch alles reden hören, nur nicht solch frommes Geschwätz – das macht mich gleich tot. Was ist denn im Grunde der Unterschied zwischen mir und Euch? Nicht etwa, daß Ihr mehr schont oder ein bißchen mehr Gefühl hättet – es ist reine hündische Niederträchtigkeit, die den Teufel betrügen und sich die eigne Haut retten will; als ob ich das nicht sähe; und Euer ›Religion haben‹, wie Ihr's nennt, ist doch im Grunde gar zu gemein für einen Menschen; sein ganzes Leben lang eine Rechnung beim Teufel auflaufen lassen, und dann sich wegzuschwindeln, wenn der Zahlungstermin kommt! Pfui!«

»Na, ich will Euch was sagen, Ihr Herren, das ist kein Geschäft«, sagte Marks. »Man kann alle Sachen auf verschiedene Weise ansehen, das wißt Ihr ja. Mr. Haley ist gewiß ein sehr hübscher Mann und hat sein eigenes Gewissen, und Ihr, Tom, habt Eure Art und noch dazu eine sehr gute Art; aber zanken und streiten ist zu nichts nütze, das wißt Ihr. Laßt uns ans Geschäft gehen. Nun, wie ist die Sache, Mr. Haley? Wir sollen Euch das Mädchen fangen?«

»Das Mädchen geht mich nichts an – das gehört Shelby, nur der Knabe. Ich war ein Narr, den Affen zu kaufen.«

»Ihr seid immer ein Narr!« sagte Tom barsch.

»Na, Loker, nicht so grob«, sagte Marks und leckte sich die Lippen; »Ihr seht ja, Mr. Haley will uns zu einem guten Geschäft verhelfen. Seid einmal still, solche Anordnungen sind gerade meine Stärke. Also die Dirne, Mr. Haley, was ist mir ihr? Wie ist sie?«

»Sie ist weiß und schön – gut erzogen. Ich hätte Shelby 800 oder 1ooo für sie gegeben und noch ein gutes Geschäft mit ihr gemacht.«

»Weiß und schön – und gut erzogen!« sagte Marks, und seine Augen, Nase und Mund belebten sich von Unternehmungslust. »Seht da, Loker, ein schöner Anfang. Wir wollen hier ein Geschäft auf unsere eigene Rechnung machen. Wir besorgen das Fangen; den Jungen bekommt natürlich Haley – wir nehmen das Mädchen nach Orleans auf Spekulation. Ist das nicht vortrefflich?«

Tom, dessen großer plumper Mund während dieser Worte weit offen gestanden hatte, ließ ihn jetzt plötzlich zufallen wie ein großer Hund, der auf ein Stück Fleisch beißt, und schien den Vorschlag in Muße zu verdauen.

»Ihr müßt wissen«, sagte Marks zu Haley, indem er sich seinen Punsch umrührte, »wir haben auf allen Punkten an der Küste Friedensrichter, die uns kennen und die kleinen Geschäftchen in unserer Branche unter ganz vernünftigen Bedingungen abmachen. Tom besorgt das Herumwürgen und Herumschlagen, und ich übernehme die Anstandsrollen – in lackierten Stiefeln – alles im feinsten Stile, sowie zu schwören ist. Ihr sollt nur sehen«, sagte Marks, vor Künstlerstolz verglühend, »wie ich da auftreten kann. Einmal bin ich Mr. Twickem von Neuorleans; dann bin ich eben von meiner Plantage am Pearlfluß angekommen, wo ich 700 Nigger beschäftige; zum dritten Male stelle ich mich als ein entfernter Verwandter von Henry Clay oder einem andern alten Hauptkerl von der Art dar. Die Anlagen sind verschieden, das wißt Ihr ja. Ich sage Euch, Tom ist ein Blitzkerl, wo es sich um Plackerei oder ums Zuschlagen handelt; aber zum Lügen taugt er nichts, der Tom – es steht ihm nicht; aber wenn es einen Kerl im ganzen Lande gibt, der alles und jedes beschwören kann und alle die Geschichten und Flunkern mit einem längern Gesichte vortragen und das Ganze besser durchführen kann, als ich, so möchte ich ihn sehen! Weiter sage ich nichts! Ich glaube wahrhaftig, ich könnte mich durchschwindeln, wenn es auch die Friedensrichter genauer nähmen, als es der Fall ist. Manchmal wünsche ich wirklich, sie möchten's genauer nehmen; es wäre dann viel interessanter – machte viel mehr Spaß, müßt Ihr wissen.«

Tom Loker, der, wie wir gezeigt haben, ein Mann von langsamen Begriffen und Bewegungen war, unterbrach hier Marks, indem er mit seiner schweren Faust auf den Tisch schlug, so daß alles klapperte, »'s geht!« sagte er.

»Potz Wetter, Tom, zerschmeißt nur nicht die Gläser!« sagte Marks. »Schont Eure Faust für Zeiten der Not.«

»Aber Ihr Herren, soll ich denn nicht auch einen Teil des Profits haben«, sagte Haley.

»Ist's nicht genug, wenn wir Euch den Jungen haschen?« sagte Loker. »Was wollt Ihr sonst noch?«

»Nun wenn wir Euch das Geschäft verschaffen, so ist das doch was wert«, sagte Haley – »will sagen, zehn Prozent vom Profit nach Abzug der Auslagen.«

»Ob ich Euch nicht kenne, Dan Haley!« sagte Loker mit einem fürchterlichen Fluche und schlug mit der schweren Faust auf den Tisch. »Denkt Ihr etwa, Ihr wollt mich leimen! Sich einbilden, Marks und ich hätten uns auf den Negerfang gelegt, bloß um Leuten wie Euch einen Gefallen zu tun, ohne etwas für uns selber zu kriegen? Da seid Ihr falsch gewickelt! Wir wollen die Dirne für uns behalten und Ihr haltet das Maul, oder wir nehmen alle beide – wer soll's uns wehren? Habt Ihr uns nicht das Wild gezeigt? Wir können es so gut verfolgen wie Ihr, hoffe ich. Wenn Ihr oder Shelby uns jagen wollt, so seht nur nach, wo die Rebhühner voriges Jahr waren; wenn Ihr sie oder uns fangt, soll's uns ganz recht sein.«

»Nun ja, so soll's dabei bleiben«, sagte Haley voller Unruhe; »Ihr habt immer ehrlich mit mir gehandelt, Tom, und mir immer Wort gehalten.«

»Das wißt Ihr«, sagte Tom; »ich spiele gewiß nicht den Frommen, aber selbst in meinen Rechnungen mit dem Teufel werde ich nicht lügen. Wenn ich sage, ich tue es, so tue ich's; das wißt Ihr, Dan Haley.«

»Gewiß, gewiß, das habe ich auch gesagt, Tom«, sagte Haley; »und wenn Ihr mir nur versprechen wollt, mir den Knaben nach spätestens acht Tagen an irgendeinen beliebigen Ort zu stellen, so bin ich zufrieden.«

»Aber ich ganz und gar nicht«, sagte Tom. »Ihr bildet Euch doch nicht ein, ich wäre unten in Natchez umsonst Euer Kompagnon gewesen, Haley? Ich habe gelernt, einen Aal festzuhalten, wenn ich ihn einmal gefangen habe. Ihr habt 50 Dollar bar auf den Tisch zu legen, oder ich gehe keinen Schritt in der Sache. Ich kenne Euch.«

»Was, wenn Ihr ein Geschäft kriegt, das Euch einen reinen Gewinn von 1000 oder 1600 Dollar einbringen kann? Tom, Ihr macht unvernünftige Forderungen!« sagte Haley.

»Haben wir aber nicht Geschäfte auf fünf Wochen im Buche – fast mehr als wir verrichten können? Und gesetzt, wir lassen alles liegen und laufen Eurem Jungen nach und fangen die Dirne zuletzt doch nicht – und Dirnen sind immer teufelsmäßig schwer zu fangen – was haben wir dann? Bezahlt Ihr uns dann nur einen Cent – he? Ich sehe schon, wie Ihr ihn vorholt – ha, ha! Nein, nein; heraus mit den fünfzig. Macht sich das Geschäft und wir verdienen was dabei, so zahlen wir das Geld zurück; ist's nicht der Fall, so behalten wir's für unsere Mühe – ist das nicht billig, Marks?«

»Gewiß, gewiß«, sagte Marks in versöhnlichem Tone, »'s ist nur ein Draufgeld, ha, ha, ha! Na, wir müssen alles in Gutem abmachen – als gute Freunde, müßt Ihr wissen. Tom bringt Euch den Jungen, wo Ihr ihn hinhaben wollt; nicht wahr, Tom?«

»Wenn ich den Jungen fange, bringe ich ihn nach Cincinnati und lasse ihn bei Granny Belcher an der Landungsbrücke«, sagte Loker.

Marks hatte eine schmierige Brieftasche hervorgezogen, nahm einen langen Zettel heraus, setzte sich hin, sah ihn mit seinen kleinen schwarzen Augen durch und fing an, halblaut den Inhalt abzulesen: »Barnes – Shelby County – Knabe Jim – 300 Dollar tot oder lebendig. Edwards – Dick und Luzy – Mann und Frau, 600 Dollar für sie oder ihren Kopf. – Ich gehe eben unsere Geschäfte durch, um zu sehen, ob wir das dabei bequem mit abmachen können, Loker«, sagte er nach einigem Nachdenken, »die Sachen müssen wir Adams und Springer überlassen; sie stehen schon längst im Buche.«

»Die berechnen nur zu viel«, sagte Tom.

»Das will ich schon einrichten, sie sind Anfänger im Geschäft und müssen billig sein«, sagte Marks, während er fortfuhr zu lesen, »'s sind drei leichte Fälle, wenn weiter nichts zu tun ist, als sie niederzuschießen oder zu schwören, daß sie erschossen sind; dafür können sie natürlich nicht viel ansetzen; die andern Fälle lassen sich noch ein Weilchen aufschieben«, sagte er und legte den Zettel wieder zusammen. »Jetzt aber müssen wir die Sache näher besprechen. Also, Mr. Haley, Ihr saht, wie das Mädchen das Ufer erreichte?«

»Gewiß – so deutlich, als ich Euch sehe.«

»Und ein Mann half ihr zum Ufer herauf!« sagte Loker.

»Gewiß sah ich das.«

»Wahrscheinlich haben sie die Dirne wo aufgenommen«, sagte Marks; »aber wo? Das ist die Frage. Was meint Ihr, Tom?«

»Wir müssen noch heute nacht über den Fluß – das ist keine Frage«, sagte Tom.

»Aber es ist kein Boot da«, sagte Marks, »'s ist ein fürchterlicher Eisgang, Tom; ist's nicht zu gefährlich?«

»Davon verstehe ich nichts, ich weiß nur, daß es geschehen muß«, sagte Tom mit Bestimmtheit.

»Mein Gott«, sagte Marks voll Unruhe – »ich meine«, sagte er und trat ans Fenster, »'s ist so finster wie in einem Wolfsrachen, und Tom –«

»Das Lange und das Kurze von der Geschichte ist – Ihr fürchtet Euch, Marks; aber ich kann Euch nicht helfen, Ihr müßt fort. Ihr dürft doch nicht etwa einen oder zwei Tage still liegen, bis sie die Dirne unten auf den Talweg nach Sandusky oder sonst wohin gebracht haben.«

»O nein; ich fürchte mich gar nicht«, sagte Marks, »aber –«

»Aber was«, sagte Tom.

»Nun, das Boot. Ihr seht ja, es ist kein Boot da.«

»Ich höre die Wirtsfrau sagen, es käme noch eins diesen Abend und ein Mann wollte darin übersetzen. Und wenn's um den Hals geht, wir müssen mit ihm hinüber«, sagte Tom.

»Ihr habt doch wohl gute Hunde!« sagte Haley.

»Ausgezeichnete«, sagte Marks. »Aber die nützen uns gar nichts. Ihr habt ja nichts von ihren Sachen, um sie auf die Spur zu bringen.«

»Ei doch«, sagte Haley triumphierend. »Hier ist ihr Tuch, das sie in der Eile hat auf dem Bett liegenlassen, und auch ihr Hut ist da.«

»Das ist gut«, sagte Loker, »nur her damit.«

»Aber die Hunde könnten der Dirne Schaden tun, wenn sie plötzlich über sie herfallen«, sagte Haley.

»Das ist zu bedenken«, sagte Marks. »Unsere Hunde haben unten in Mobile mal einen Kerl in Stücke zerrissen, ehe wir sie losbringen konnten.«

»Das ginge nun freilich nicht bei Niggern, die wegen ihres Aussehens gekauft werden sollen«, sagte Haley.

»Das ist wohl wahr«, bemerkte Marks. »Außerdem nützt es nicht einmal, wenn sie jemand zu sich genommen hat. Hunde helfen einem gar nichts hier in den obern Staaten, wo sie die Nigger zu Wagen fortschaffen; natürlich findet man ihre Spur nicht. Sie helfen bloß was unten in den Plantagen, wo die Nigger, wenn sie fortlaufen, sich auf ihre eigenen Beine verlassen müssen und keine Hilfe kriegen.«

»Na«, sagte Loker, der draußen bei der Wirtin gewesen war, um sich zu erkundigen, »ich höre eben, der Mann mit dem Boote ist da; also Marks –«

Dieser Würdige warf einen bekümmerten Blick auf das bequeme Quartier, das er verlassen sollte, stand aber langsam auf, um zu gehorchen. Nach einigen Worten zu weiterer Verabredung reichte Haley mit sichtbarem Sträuben Tom die fünfzig Dollar hin, und das würdige Trio trennte sich für die Nacht.


Während dieser Auftritt in der Schenke stattfand, verfolgten Sam und Andy in einem Zustand höchster Fröhlichkeit ihren Rückweg und gelangten gegen 11 Uhr zu Hause an.

Mrs. Shelby flog an das Geländer.

»Bist du es, Sam? Wo sind sie?«

»Master Haley ruht in der Schenke aus; er ist schrecklich müde.«

»Und Elisa, Sam?«

»Die ist drüben über dem Jordan. Wie man sagen könnte, im Lande Canaan.«

»Was meinst du damit, Sam?« sagte Mrs. Shelby außer Atem und fast in Ohnmacht sinkend bei dem Gedanken an die mögliche Bedeutung dieser Worte.

»Nun, der Herr schützt die Seinen, Missis. Lizzy ist über den Fluß hinüber nach Ohio, so wunderbar, als ob der Herr sie mit einem feurigen Wagen und zwei Pferden hinüber geholt hätte.«

Sams Frömmigkeit trat in seiner Herrin Anwesenheit immer ganz besonders stark zutage, und er machte von biblischen Redensarten und Bildern sehr häufige Anwendung.

»Komm herauf, Sam«, sagte Mr. Shelby, der jetzt ebenfalls unter die Veranda trat, »und erzähle deiner Herrin, was sie wissen will. Komm, Emilie«, sagte er und umschlang sie mit dem Arm. »Du bist ganz kalt und zitterst vor Frost; du nimmst es dir gar zu sehr zu Herzen.«

»Zu sehr zu Herzen! Bin ich nicht ein Weib – eine Mutter? Sind wir nicht beide Gott verantwortlich für dieses arme Mädchen? Möge Gott diese Sünde nicht uns zur Last legen!«

»Was für eine Sünde, Emilie? Du siehst ja selbst ein, daß wir nur getan haben, was wir tun mußten.«

»Aber dennoch ist es mir immer, als ob es schrecklich sündhaft wäre«, sagte Mrs. Shelby. »Ich kann das Gefühl nicht loswerden.«

»Hier, Andy, du Nigger, mach schnell!« rief Sam unter der Veranda. »Führe die Pferde in den Stall; hörst du nicht, daß Master ruft?« Und Sam erschien bald darauf, den Palmenhut in der Hand, in der Tür des Wohnzimmers.

»Nun, Sam, erzähle uns ordentlich, wie die Sache war«, sagte Mr. Shelby. »Wo ist Elisa, wenn du's weißt?«

»Ich habe sie mit eigenen Augen über die Eisschollen springen sehen, Master, 's war ganz merkwürdig; 's war ein reines Wunder; und ich sah, wie ein Mann ihr an der Ohioseite heraufhalf, und dann verschwand sie in der Abenddämmerung.«

»Sam, das Wunder kommt mir etwas apokryphisch vor. Über die Eisschollen springen ist keine leichte Sache«, sagte Mr. Shelby.

»Leicht! Kein Mensch hätte es tun können ohne den Herrn. Ich will's Ihnen nur erzählen, wie's zuging«, sagte Sam. »Master Haley und ich und Andy erreichten die kleine Schenke am Flusse, und ich reite ein paar Schritte voran – (ich war so eifrig, Lizzy zu fangen, daß ich mich nicht halten konnte – gar nicht) – und als ich an dem Fenster der Schenke vorbeireite; da steht sie da, gerade vor meinen Augen, und die andern kommen hinter mir hergeritten. Auf einmal verliere ich meinen Hut und schreie so laut, daß die Toten hätten davon erwachen können. Natürlich hört's Lizzy, und sie tritt zurück, als Master Haley vorbei nach der Haustür reitet; und dann sprang sie zur Seitentür hinaus und hinunter nach dem Fluß; Master Haley aber sah sie und schrie laut, und er und ich und Andy liefen ihr nach. Sie erreichte das Ufer, und das Wasser war noch zehn Fuß breit frei, und auf der andern Seite schwanken und dämmen sich die Eisschollen, als wäre es eine große Insel. Wir kommen dicht hinter ihr her, und ich dachte schon bei meiner Seele, wir hätten sie fest – da tut sie einen Schrei, wie ich ihn nie gehört habe – und auf einmal stand sie auf der andern Seite des Wassers auf dem Eise, und nun ging's weiter, schreiend und springend, und das Eis ging krach, und plump und platsch, und sie sprang darüber wie ein Rehbock! Gott, die Feder, die die Dirne im Leib haben muß, kann nicht klein sein, meine ich.«

Mrs. Shelby saß stumm und bleich vor Aufregung da, während Sam seine Geschichte erzählte.

»Gott sei gepriesen, sie lebt noch! Aber wo mag jetzt das arme Kind sein.«

»Der Herr wird dafür sorgen«, sagte Sam und verdrehte fromm die Augen.

»Du kannst jetzt gehen und Tante Chloe sagen, sie soll dir von dem kalten Schinken geben, der heut mittag übriggeblieben ist. Du und Andy, ihr müßt Hunger haben.«

»Missis ist viel zu gut für uns«, sagte Sam, verbeugte sich eilig und verschwand.


 << zurück weiter >>