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Siebenter Abend.
Der Argonautenzug.

Voller Freude über das glücklich bestandene Abenteuer überließ sich Jason nun im Lager mit seinen Freunden dem Weine und der Lust, und die Bratspieße drehten sich schnell über der Glut des Feuers und lieferten reichlichen Vorrat zum leckeren Schmause. So erwartete man den Einbruch der Nacht, um dann noch das letzte zu vollführen und darauf aus diesem Lande zu scheiden.

Nicht so leichten Herzens brachte Medeia den Rest dieses Tages zu. Ihr Vater hatte schon Verdacht auf sie geworfen, und in seinen dunkeln, drohenden Blicken las sie einen neuen barbarischen Racheplan. Sie verbarg sich ängstlich bei ihrer Schwester Chalkiope, und als es finster geworden war, nahm sie ihren kleinen Bruder Apsyrtos bei der Hand und schlich mit ihm zu dem Lager der Argonauten hin. Hier rief sie mit halbleiser Stimme ihren Freund Argos zu sich, entdeckte ihm ihre Angst und des Vaters Argwohn, beschwor ihn die Freunde zur schnellen Flucht zu ermuntern und erbot sich das Vlies in größter Eile herbei zu schaffen. Sogleich erschien auch Jason, und bekümmert darüber, sie in Thränen zu sehen, erneuerte er ihr seine Schwüre, Dann ging er mit ihr zu der heiligen Eiche, besprengte den lauernden Drachen mit dem schlafbringenden Wasser und setzte sich ohne Mühe in den Besitz des goldenen Vlieses.

So war auch die letzte der Proben bestanden, und nun nahm die Argo, die unterdessen segelfertig gemacht worden war, die beiden Verlobten mit den übrigen Gefährten auf. Alle fünfzig Ruderer hatten ihre Sitze bestiegen und führen heitern Mutes im Mondenscheine den Fluß hinab. Um die Zeit der Morgendämmerung erreichten sie das offene Meer. Alle waren fröhlich, nur Medeia nicht. Sie kannte ihren Vater; sie wußte, daß er eine ganze Flotte bemannen könne und gewiß bemannen werde, um sie zu verfolgen; und erreichte er sie wie denn die Kolchier tüchtige Schiffer waren so war ihr und aller Argonauten Untergang gewiß.

Am ersten Tage sah man noch nichts, auch der zweite ging glücklich vorüber; aber Medeia konnte ihre ängstliche Sorge noch nicht beschwichtigen. Und wirklich war ihre Ahnung begründet, denn am dritten Morgen erblickte man am fernsten Horizonte eine Reihe von Segeln, die Medeia sogleich für kolchische erkannte. Die Argonauten hatten jetzt beinahe die ganze Länge des schwarzen Meeres zurückgelegt und, anstatt wieder durch den Bosporus und die Propontis nach Hause zu schiffen, sich dem Rate eines Orakels zufolge hinüber nach der Mündung des Ister oder der heutigen Donau gewandt. Eben als sie hier in einen Arm des Flusses einlaufen wollten, war Äëtes ihnen ganz nahe gekommen. Jetzt hielt sich Medeia für verloren, wenn sie nicht noch ein einziges Mittel versuchte, das freilich so furchtbar war, daß wir uns schaudernd von der Unthat wenden. Medeia wußte, wie zärtlich ihr Vater ihren kleinen Bruder Apsyrtos liebte. Diese Liebe sollte ihr jetzt auf eine fürchterliche Art zu statten kommen. Sie tötete den Knaben mit einem raschen Streich, zerstückelte seinen Körper in unzählige Teile und streute diese hierin und dorthin. Ihr Zweck ward erreicht. Der Vater, der zuerst das Haupt seines Kindes erkannte und die übrigen Glieder umherschwimmen sah, ließ erschüttert ab von der Verfolgung, bis er erst die geliebten Überreste vollständig gesammelt hatte. Auch das Verbrennen und die feierliche Bestattung der Leiche, nachdem man sie wirklich zusammen gefunden, nahm noch einen ganzen Tag hin. Dann kehrte der König mit der Asche seines Sohnes traurig nach Hause zurück.

Die Argonauten machten hierauf eine wundersame Fahrt, wie sie ihnen schwerlich jemand nachmachen wird. Sie schifften nämlich aus der Donau in das adriatische Meer an die Küste von Illyrien, und aus diesem in den Eridanus (den heutigen Po), aus dem Eridanus aber in den Rhodanus (jetzt Rhone), und aus dem Rhodanus endlich auf weiten Irrwegen durch das Land der Kelten in das Mittelmeer, wo sie die Kirke und den Alkinoos, die Skylla und Charybdis, die Sirenen und die Phäaken, kurz alle die Örter und Personen kennen lernten, die siebzig Jahre später Odysseus besuchte. Denn auf diesem Wege kannte nun einmal der spätere Dichter keinen andern Führer als den Homer, und aus eigner Phantasie neue Länder und Naturwunder zu schaffen mochte er nicht wagen.

»Aber wie kann man aus der Donau in das adriatische Meer kommen?« fragte Anton.

»Das ist eben der geographische Fehler«, antwortete der Lehrer; »und deswegen sagte ich vorhin, es würde niemand den Argonauten diese Schiffahrt nachmachen. Rhone und Donau also kannte der Dichter, wenigstens deren Mündungen ins Meer. Nun aber glaubte er, beide Flüsse seien durch einen dritten verbunden, den er Eridanus nennt, und den er wahrscheinlich in unser Vaterland versetzte. So hielt er es für möglich, seine Heldenschar gleichsam hinten herum glücklich durchzubringen; und da seinen Landsleuten und Zeitgenossen das Innere von Deutschland und Frankreich ungefähr ebenso bekannt war, wie uns das Innere von Afrika, so konnte sein Irrtum eben keinen Anstoß erregen.«

»Wie?« rief Julius aus, »so unbekannt waren wir den Griechen?« »Allerdings«, versetzte der Lehrer. »Aber als späterhin die Römer, nicht lange vor Christi Geburt, Herren des Mittelmeeres und aller umgrenzenden Länder geworden waren, drangen ihre großen Heere erobernd und entdeckend in das Innere von Deutschland und Frankreich; ebenso etwa wie in neuern Zeiten die Spanier, Engländer und andere Völker Seefahrer ausgesandt haben, um in den neuen Weltteilen Eroberungen und Entdeckungen zu machen. Die römischen Heere fanden auch in Deutschland ungefähr das nämliche, was die Spanier in Amerika gefunden haben, unangebaute Wüsten und tapfere, aber ungebildete Völker.«

»Doch«, unterbrach der Lehrer sich selbst, »es ist hohe Zeit, daß wir die Argonauten glücklich nach Hause bringen.« Von Scheria segelten sie weiter nach der Küste des Peloponnes, und schon waren sie derselben ganz nahe, als sie ein gewaltiger Sturm ergreift und an die afrikanische Küste verschlägt, wo sie zwölf Tage und zwölf Nächte hindurch ihr Schiff tragen müssen, ehe sie wieder an das offene Meer gelangen. In Kreta hatten sie das letzte Abenteuer zu bestehen. Hier herrschte Minos, der Vater der Ariadne. Ihm diente der Riese Talos, eine Gestalt ganz aus Erz und von gewaltiger Stärke. Dieses eiserne Ungeheuer hatte eine einzige Ader in seinem Innern, die vom Wirbel bis zur Ferse hinabging und oben mit einem Nagel wie mit einem Stöpsel verschlossen war, und das Amt desselben bestand darin, die Insel zu bewachen. Deshalb ward denn der Strand von ihm ohne Rast in eiligem Laufe umkreist, und zwar täglich dreimal. Daneben mußte Talos alle fremden Schiffe vom Lande abhalten, wozu er sich, wie der Kyklop, großer Steine und Felsstücke bediente. Auch pflegte er, sobald er Fremde bemerkte, ins Feuer zu springen und sich glühend zu machen, und dann die Ankommenden in seiner eisernen, feurigen Umarmung zu zermalmen und zu ersticken. Als derselbe jetzt unserer Reisenden ansichtig wurde, schleuderte er ihnen zuerst große Felstrümmer entgegen. Aber vergeblich; denn die meisten derselben fielen ins Wasser, und als das Schiff nahe genug kam, stimmte der Sänger Orpheus so schöne Liederweisen an, daß der eiserne Mann ganz Ohr ward und seiner Pflicht vergaß. Als man aber vollends erst gelandet war, da benetzte ihn Medeia unvermerkt mit jenem Zauberwasser, das denn auch seine einschläfernde Kraft sogleich bewahrte. Die Augen des Riesen schlossen sich, und kaum war er zum Schlummer niedergesunken, so öffnete ihm Medeia die bekannte Ader, indem sie den schließenden Nagel herauszog, und Blut und Leben verließen alsbald den ungeschlachten Körper.

Die nächste Station war hierauf die Insel Ägina im Saronischen Meerbusen, an der Küste von Argolis gelegen. Dort nahm man frisches Wasser ein und segelte dann um das Vorgebirge Sunion an der südlichsten Spitze von Attika herum, zwischen der Insel Euböa und dem griechischen Festlande hin bis in den Busen von Jolkos. Hier fand jedoch Jason die erwartete freudige Aufnahme keinesweges, vielmehr meldete ihm die erste Kunde, die er vernahm, eine empörende Handlung. Sein Oheim Pelias, um sich vor dem noch immer gefürchteten Anhange seines Bruders Äson Sicherheit zu verschaffen, hatte den Äson ermordet, indem er ihn Ochsenblut zu trinken gezwungen; aber, damit nicht begnügt, hatte er selbst dessen jüngsten Sohn, Promachos, hinrichten lassen, worauf sich auch dessen Mutter, Äsons Gemahlin, in der Verzweiflung erhängte. Den Jason hatte er vermutlich für längst tot gehalten und von dessen Rückkehr nichts mehr gefürchtet. Doch war er mächtig genug, die Argonauten insgesamt aus seinem Lande zu jagen, und die letzteren selber erkannten dies sehr wohl. Ungeachtet ihrer Lust an Abenteuern blieben sie daher weit entfernt, den Jason etwa zu einer Handlung der Rache zu ermuntern.

Jason überreichte dem Pelias das goldene Vlies, ohne seine Ansprüche mit einem Worte zu erwähnen; vielmehr schiffte er mit seinen Reisegenossen und seiner jungen Gemahlin auf der Argo wieder zurück nach dem sogenannten Isthmos oder der korinthischen Landenge, wo Kreon, der König von Korinth, ihm eine freundschaftliche Aufnahme bereitete.

»Blieb denn Jason nun mit Medeia für immer in Korinth?« fragte Julius.

»Ja«, antwortete der Lehrer. »Auch sein Schiff, welches er dem Poseidon widmete, stellte er zum ewigen Gedächtnis in dessen Tempel auf.«

Indem nun die Argonauten noch eine Zeitlang auf dem Isthmos versammelt blieben und sich mit Jagd, Schmausereien und allerlei Spielen vergnügten, fand sich auch ihr ehemaliger Gefährte Herakles bei ihnen ein, der nach manchem anderen glücklich bestandenen Abenteuer sich jetzt eben anschickte ein Gelübde zu erfüllen, welches er seinem Vater Zeus unlängst gethan hatte. Er bewog die übrigen Freunde leicht ihm darin beizustehen, und so zog er mit ihnen nach der Landschaft Elis im Peloponnes und erbauete in einer der schönsten Ebenen daselbst dem olympischen Zeus einen Tempel, der in der Folge der berühmteste in ganz Griechenland geworden ist. Mit dieser Stiftung verband er eine andere, die von großem Einflusse auf die Bildung und auf die Verbindung der kleinen, damals noch ziemlich abgesonderten griechischen Staaten gewesen ist. Er ließ nämlich durch Boten in ganz Griechenland bekannt machen, daß in der Nähe dieses Tempels bei Olympia glänzende Festspiele gehalten werden sollten, und es fand sich dazu eine überaus große Menge von Zuschauern ein. Herakles selber und die Argonauten bewährten ihre Geschicklichkeit in allen Arten von Wettkämpfen, und nachdem das fröhliche Fest zu aller Zufriedenheit geendigt war, verpflichtete der erstere seine sämtlichen Freunde, dasselbe von je vier zu vier Jahren zu wiederholen, außerdem aber auch ein Schutz- und Trutzbündnis miteinander zu schließen, um dadurch Frieden und Eintracht unter allen Griechen zu erhalten und im Notfalle mit vereinter Kraft auch eines mächtigen Feindes Herr werden zu können. Dies Beispiel fand bald Nachahmung, und in der Folge wurden noch drei solcher großen Volksfeste in andern Gegenden Griechenlands angeordnet. Es waren dies die pythischen, isthmischen und nemeischen Wettspiele.

Darauf endlich zerstreuten sich die Argonauten, und jeder kehrte in seine Heimat zurück. Jason erweiterte seine Niederlassung in Korinth und that auf die Herrschaft von Jolkos Verzicht; doch nicht auf die Rache, die er nach damaligen Begriffen pflichtgemäß an dem Mörder seiner Eltern zu nehmen hatte. Aber da er dem Pelias an Macht nicht gewachsen war, so stand ihm nur der Weg der List offen, und diesen versprach Medeia ihn abermals zu führen. Sie that es nach der Aussage der Dichter auf eine so wunderbar-gräßliche Art, daß ich fast Bedenken trage, euch die phantastische Dichtung zu erzählen.

»O, erzählen Sie's immer!« rief Wilhelm. »Wenn es auch ein Märchen ist, so hören wir's doch gern.«

»Jason«, fuhr der Lehrer fort, »bemannte einen Kahn mit korinthischen Männern, kleidete sich in die Tracht eines Kaufmanns und landete, von keinem Auge gesehen, in der Bucht von Jolkos, Medeia aber, die er mitgenommen hatte, verwandelte sich vermittelst ihrer Zauberkunde in ein runzelvolles, steinaltes Mütterchen. In dieser Maske mußte sie allein, ein Artemisbild im Arme, in den Palast des Pelias gehen und ihre Künste anbieten. Man fragte sie, welche Künste sie verstehe.

Das Alter verjüngen, war ihre Antwort. Kaum hörte Pelias das Wort, als er vor Begierde brannte, an sich selbst dies Wunder erfüllt zu sehen. Da aber seine Töchter Mißtrauen in das Vorgeben der Alten setzten, so sollte diese zuvor eine Probe ihrer Kunst geben. Medeia erbot sich dazu; auf ihr Verlangen wies man ihr ein eigenes Gemach an, das sie sogleich hinter sich verschloß, und aus dem sie nach abgelegter Maske zu aller Erstaunen in ihrer wahren jugendlichen Gestalt hervortrat. Jetzt drangen die Königstöchter selbst in sie, an ihrem Vater die nämliche Verwandlung hervorzubringen. Sie schien einen Augenblick unschlüssig; dann zog sie die Mädchen beiseite und eröffnete ihnen: wenn diese Verjüngung des greisen Vaters von Dauer sein solle, so bedürfe es dazu einer Vorbereitung, welche das höchste Vertrauen und die höchste Geistesstärke erfordere und dem Vater durchaus verschwiegen bleiben müsse.«

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Die Töchter waren begierig, diese Vorrichtungen kennen zu lernen. »Wohlan!« sprach Medeia, »hört mich, ohne allzusehr zu erschrecken. Soll ich den gealterten Leib mit neuer Jugend durchdringen, so ist nötig, daß ich in einem siedenden Bade ihm alle Gebrechen der Jahre hinwegwasche und die Glieder zu frischer Bildsamkeit erweiche. Ihr zweifelt an meiner Wahrheit? Wohlan, gebt mir einen alten Bock und einen Kessel voll Wassers, so will ich vor euren Augen einen Beweis geben, der euch überzeugen wird.«

Sie thaten, was sie verlangte; vorsichtig ward der Versuch bei Nacht gemacht, damit Pelias nichts davon erfahre. Die Zauberin erstach zuerst den Bock, dann schnitt sie ihn in Stücke, kochte ihn die ganze Nacht hindurch, und beim Anbruch des Tages brachte sie auf einmal ein junges Lamm zum Vorschein, das auch nicht eine Spur von dem alten Bocke an sich hatte. Die erstaunten Mädchen zweifelten nun keinen Augenblick länger, daß dieser Unbekannten alles möglich sei, und entschlossen sich wirklich in der Verblendung ihrer Liebe zu der furchtbaren That. Nur Alkeste, die älteste der drei Schwestern, verweigerte jede Teilnahme. Während nun die beiden andern in tiefster nächtlicher Stille das furchtbare Werk vollführten, stieg Medeia unter dem Vorwande, sich durch ein Gebet an die Artemis zu stärken, auf das platte Dach des Hauses hinauf und schwenkte daselbst eine Fackel. Dies Zeichen sollte nach der Verabredung dem im Verborgenen lauernden Jason verkündigen, daß die That geschehen sei. Augenblicklich stürzte er mit seiner Schar herbei, stieß die erwachenden Hausgenossen nieder, entdeckte den unglücklichen Töchtern, was sie gethan, und nahm Medeia gegen ihre Rache in Schutz. Indessen erweckte der nächtliche Überfall bald die schlafenden Nachbarn; hilfebereit kamen sie herbei, auch Akastos erschien, ein Verwandter der Königsfamilie und nachmals Beherrscher von Jolkos, und dieser Übermacht sah sich Jason zu weichen genötigt. Er entfloh samt der Medeia noch in derselben Nacht nach Korinth.

Hier lebten beide zehn Jahre in völliger Eintracht. Ihre Kinder wuchsen zu ihrer Freude heran. Aber endlich alterte Medeia, ihre Schönheit welkte dahin, nur ihre heftige Gemütsart blieb. So ward sie dem Gatten unleidlich, zumal da dieser nicht selten von seinen Landsleuten Vorwürfe darüber hören mußte, daß er eine Fremde zum Weibe genommen habe. Uneingedenk des heiligen Schwures, den er der Medeia in jener Nacht zu Kolchis geleistet, wandte Jason sein Herz der schönen und sanften Glauke, der Tochter des Königs Kreon zu. Ja, er Verabredete sogar mit deren Vater die Heirat und erreichte dadurch zugleich die wichtigsten Zwecke. Denn da Kreon keine Söhne hatte, so mußte die Herrschaft nach seinem Tode unstreitig auf Jason fallen. Die Korinther selber sahen diese Heirat gern und schenkten seitdem erst dem Fremdlinge ihr volles Vertrauen. Mit diesen Gründen suchte nun Jason auch die Medeia zu bewegen, daß sie auf ihre Rechte verzichte oder sie doch mit der Glauke teile. Aber vergebens. Er wußte nicht, welches Hasses ein Weib, das so leidenschaftlich geliebt hatte, fähig ist, wenn es verstoßen wird! Den ersten Ausbruch desselben, ihre Thränen und ihre Verwünschungen achtete er nicht und bereitete bald darauf die feierliche Vermählung vor. Er meinte dies um so sicherer thun zu können, als Medeia von Kreon den Befehl erhalten hatte, sein Land völlig zu verlassen. Sie gehorchte, jedoch nicht ohne furchtbare Rache zu nehmen. Denn am Tage der Vermählung sandte sie der jungen Braut ein prächtiges, mit einem Zaubersaft getränktes Hochzeitkleid und einen gleichfalls vergifteten Kranz. Glauke, als sie die verführerischen Geschenke anlegte, sank betäubt zu Boden und bald schlugen Flammen aus den Falten des Gewandes. Gift und Feuer verzehrten die Unglückliche; auch Kreon, der seiner Tochter zu Hilfe eilte, ward vom Brande ergriffen, mit ihm der ganze Palast, so daß es nur dem Jason gelang, sich nach vielen Anstrengungen zu retten.

Ganz Korinth erschrak über den plötzlichen furchtbaren Untergang des geliebten Königshauses, Medeia aber, das Strafgericht der ergrimmten Bewohner fürchtend, war noch in derselben Nacht die Dichter sagen auf einem Drachenwagen durch die Luft nach Athen entflohen. Nur ihre Kinder hatte sie nicht retten können. Diese waren in den Tempel der Here geflüchtet und knieten betend am Altare der Göttin. Hier wurden sie von den wutschnaubenden Korinthern gefunden, und ohne daß die heilige Stätte die Unglücklichen hätte schützen können, schleppte man sie hinaus und steinigte sie. Euripides, ein griechischer Tragödiendichter, hat auch diese Unmenschlichkeit noch der Medeia zugeschrieben und den Seelenkampf zwischen der Liebe zu ihren Kindern und jenen Racheplänen in ergreifender Weise geschildert.

Auch in Athen, erzählten die Dichter weiter, fühlte sich Medeia nicht lange sicher. Sie verließ es und ging nach Kolchis zurück. Dort fand sie ihren Vater verbannt und seinen ungerechten Bruder, Perses, auf dessen Throne. Leicht verzieh ihr der nun selbst unglückliche Vater, zumal sie ihm versprach, mit List den Thronräuber zu ermorden und ihn wieder in sein Reich einzusetzen. Es gelang ihr wirklich; und so schließt mit einem neuen Morde der schauderhafte Lebenslauf dieses rätselhaften Weibes, das im Wahnsinn der Liebe und des Hasses Verbrechen auf Verbrechen häuft.

Von Jason wurde gewöhnlich erzählt, daß ihn ein Teil der Argo, unter welchem er Ruhe suchte, im Herunterfallen erschlagen habe; nach andern nahm er sich selbst das Leben.


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