Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Erster Teil

Vom Sonnwendfeuer zum Osterlicht

Erzählung aus märkischer Urzeit.

Sie waren Baumvergött'rer, Waldanbeter,
Seeschwärmer, die Germanen, unsre Väter.
Tief schmerzte sie die Sommersonnenwende:
die Ahnung, daß die Lichtzeit schwinde, scheide,
ward den Warmherzigen zum Herzeleide,
sie klagten laut um Baldurs Der Lichtgott. frühes Ende.

Mitten in ries'gen Winters starrem Grauen,
wenn wie ein Eispalast ihr Wald zu schauen,
Windsbraut und Wodan Der Göttervater. über Wolken sausten,
ein jüngster Tag frostschüttelnd brauste, toste,
der erste Lichtblick gleich gereicht zum Troste,
daß alle jauchzten, sich beschenkten, schmausten.

O, welch ein ander Licht ist dir geworden,
blauäugig, blondgelocktes Volk im Norden!
Um deiner Sünden Waldnacht ohn' all Ende
ein Stern aus Morgenland ist aufgegangen;
dein Tannenbaum entbrennt von Gottverlangen,
dein heil' ger Christ ist Wintersonnenwende.

Aegidi.

 

Es war vor beinahe 1200 Jahren. Am Rande eines dichten Tannenwaldes, der sich am linken Ufer des Oderstromes hinzog, stand die Hütte des greisen Fischers Udo, dessen achtzigjähriges Haupt der Schnee des Alters deckte. Aber aus seinen Augen blickte noch Feuer und schier jugendliche Kraft, und aufrecht war sein Gang. Sein Beruf, der ihn bei Wind und Wetter draußen weilen ließ, die Kämpfe mit kriegerischen Nachbarn hatten ihm die Kräfte bis in dieses hohe Alter hinein erhalten. Und was hatte er an schwerer Schickung sein langes Leben hindurch doch ertragen! Frühe starb sein geliebtes Weib, die Mutter seiner sieben Kinder. Ihr folgten im Jünglings- und Mannesalter sechs starke Söhne. Die Gefahren des Berufes und Kämpfe mit den Feinden raubten dem Vater die treuen Stützen seines Alters; endlich ward auch noch der älteste, der letzte aus der kraftvollen Schar, dahingerafft, der dem greisen Vater sein einzig Töchterlein Valeska hinterließ, das auch die Mutter schon bei der Geburt verloren hatte.

Mit der zarten Liebe einer Mutter nahm der greise Udo sich des Kindes an, mit alten Bardenliedern sang er es in den Schlaf, lehrte das heranwachsende Mägdlein die Götter ehren und zog sie in Zucht und Ehren zur Jungfrau auf. Freia, der segenspendenden Göttin selbst, glich die germanische Jungfrau mit ihrem schlanken Wuchs, der Fülle goldblonden Haares, das ihr über Hals und Schultern floß, und den lichtblauen Augen, aus denen die Unschuld einer reinen Seele strahlte. Udo, der Priester der Göttin Freia war, wurde nicht müde, der Enkelin von der Güte und den Tugenden Freias zu erzählen, und voll Begeisterung hing Valeska an den Lippen des Großvaters und mühte sich, dem hohen Vorbilde ähnlicher zu werden. War Udos Wort im Rate der Männer von hoher Bedeutung, so folgten ihrem sinnigen Rate die Jungfrauen und Jünglinge, wenn man sich an lauen Sommerabenden zu froher Zwiesprache zusammenfand.

Jetzt aber hatten des Winters eisige Bande sich auf Wald und Flur gelegt. Starres Eis deckte den Oderstrom, ein wilder Sturmwind trieb Schneemassen vor sich her und ließ die alten Eichen und Tannen des Waldes rauschend aneinanderschlagen, so daß ein wildes Getöse den Wald durchschallte. Durch die aus Horn geschnitzten Fensterscheiben der Fischerhütte aber brach ein trauliches Licht. Drinnen beim wärmenden Scheine des Feuers saßen Udo und Valeska auf dem Lager von weichem Laube, das die erbeuteten Felle der Bären und Wölfe deckten. Wohl war die freudenvolle Feier der zwölf Nächte, der Wintersonnenwende, nahe, aber jetzt lag tiefe Wehmut auf den Gesichtern von Großvater und Enkelin. Der Sturmwind hatte alte Erinnerungen wachgerüttelt, mit tiefem Schmerz gedachten sie der Abgeschiedenen, die im Toben der Elemente einst ihr Leben verloren hatten. Sie waren gelehrt, daß nur die Helden, die im Kampfe ihr Leben dahingaben, einst in Walhalla mit dem Göttervater beim Siegesmahle sitzen würden. Nie würden sie die anderen Wiedersehen, die eines unrühmlichen Todes gestorben. Mit tränenvollen Augen stand Valeska endlich auf, das niedergebrannte Feuer aufs neue zu schüren.

Da erhob sich knurrend der zottige Haushund, der sich breit vor der Türe gelagert hatte. Ein Schlag erdröhnte draußen an der Pforte, und voll Erstaunen ging Udo hinaus, zu sehen, wer bei diesem Unwetter und zu so später Stunde noch Einlaß begehrte. Ein noch junger Mann stand draußen; fremdartig war der Schnitt seines grauen Obergewandes und fremd die grobe Kopfbedeckung, unter der schwarze Locken hervorquollen. Ein dunkler Bart umkräuselte Kinn und Lippen, die jugendlichen Züge sahen ermüdet und überangestrengt aus, und fest stützte sich der Fremde auf einen abgebrochenen Tannenast.

»Ein Fremdling steht vor Euch, ehrwürdiger Greis,« begann er. »Weit her bin ich gewandert und habe mich in euren unendlichen Wäldern verirrt. Da winkte mir durch Nacht und Sturm dein trauliches Licht. Willst du dem Fremden diese Nacht Obdach geben, oder muß ich meinen Stab noch weiter setzen?«

»Wahrlich, von weither mußt du kommen, Jüngling, daß du nicht weißt, wie Gastfreundschaft uns jederzeit heilig ist,« entgegnete Udo. »Tritt ein in den Frieden meiner Hütte; was ich zu geben habe, wird gern dir geboten, vor allem Schutz und Sicherheit gegen Nacht und Unwetter. Willkommen in meinem Hause!«

Er reichte seinem Gaste die Hand und führte ihn in das Wohngemach. Valeska trat ihm mit freundlichem Gruße entgegen und bot dem Ermüdeten einen behaglichen Sitz. Dann ging sie, eilend das Nachtmahl zu rüsten und aufzutragen, das aus geräucherten Fischen, Brot und Milch bestand. Sichtlich erquickt, dankte der Fremde seinen Wirten nach eingenommener Mahlzeit, die er lange entbehrt haben mußte. Dann rüsteten sie ihm neben Udo und der wärmenden Herdstelle ein Nachtlager. Valeska suchte ihre Kammer auf und bald lag alles in der friedlichen Hütte in festem Schlummer, indessen draußen mit wildem Wüten der Sturm durch die Tannen fuhr.

Ein trüber Morgen blickte durch die Fenster, als sie erwachten. Nach dem Frühstück rüstete sich der Fremde zum Weiterziehen. Da aber sprach Udo: »Höre, wie es draußen noch stürmt, und sieh, wie Frau Holle die Flocken herabschüttet! Teut, der Beschützer der Wanderer, würde mir und meinem Hause bitter zürnen, ließe ich dich bei solchem Wetter in unsere unwegsamen Wälder hinaus! Richtetest du deinen Weg gen Mittag, so würdest du in unseren Hohlwegen stecken bleiben. Ginge er dem Auf- oder Untergange der Sonne zu, so würde dein Fuß im trügerischen Moor versinken. Bleibe darum bei uns in unserer sicheren Hütte, bis Baldurs Sonne wieder Macht gewinnt und unsere Wege wieder frei macht von Eis und Schnee.«

Dankend und mit herzlichem Blicke reichte der Fremde dem Greise die Hand. »Aus deinem Worte spricht Liebe,« entgegnete er, »darum bleibe ich gerne, da sie mir Sicherheit bürgt!«

»Ihr weilet bei Udo, dem greisen Priester der gütigen Freia, und da erfüllte Zweifel Euer Herz, daß Ihr hier sicher seid?« fragte Valeska errötend.

»Zürnet mir nicht!« entgegnete rasch der Fremde. »Ward ich doch gleich einem gejagten Hirsche und keinen Augenblick meines Lebens sicher bisher umhergehetzt. Doch du hast mir Gastfreundschaft geboten, daher bin ich sicher bei dir. Aber damit du weißt, wem du Obdach gewährt hast und jetzt Freundschaft darbietest, erfahre, wer ich bin, und ob du mich dieser Freundschaft würdig hältst. Dein Wort aber binde dich bis dahin nicht.«

Mit Verwunderung hatten Udo und Valeska zugehört. Sollte dieser freie, freundliche Blick, dieses ehrliche Angesicht einem Verbrecher angehören, den die strafende Gerechtigkeit verfolgte?

Hochauf richtete sich der Fremdling, als habe er die Gedanken erraten, während er nun fortfuhr: » Ich bin ein Christ und Berengar getauft. Gen Mittag liegt die Heimat meiner Väter, die mich schon früh dem Kloster weihten, wo ich ein Schüler des glaubensgewaltigen Bonifatius war. Als mein Lehrer hinauszog, den Völkern am Rhein und an der Weser das Evangelium zu verkündigen, trieb es auch mich aus dem stillen Frieden meines Klosters, da ich von dem Heidentume der nord- und ostwärts wohnenden Völker hörte.

Wie brannte mir das Herz, gleich meinem Lehrer auch ihnen von der Liebe und dem Frieden des Christentums Botschaft zu bringen, die nie in diesen Ländern gehört war. In Bremen weihte mich der Erzbischof zum heiligen Berufe, und meine erste Wirkungsstätte fand ich im Lande der Ucker und der niederen Oder. Ich sah gar manche ihrer grausigen Gebräuche, aber ich schalt und höhnte die Armen nicht, die in ihrem Glauben nicht anders gelehrt waren. Da ich ihnen nach Kräften bei ihrer Arbeit half, so nahm man mich freundlich auf, und bald lauschten sie alle mit Begier der Botschaft von der Liebe des Christengottes. So war der Same der rechten Erkenntnis und des Glaubens in ihre Herzen gestreut, und Gott der Vater schenkte Wachstum und Gedeihen. Gar viele begehrten durch die Taufe in die Gemeinschaft Christi aufgenommen und zu Kindern des Gottes der Liebe zu werden. Aber nicht waren die Priester des Landes wie das zwar unwissende, aber doch friedliche Volk, nicht waren sie gesinnt wie du, ehrwürdiger Greis. Als die reichen Opfergaben ausblieben, die sie sonst als Mittler des Volkes und der Götter erhielten, ward ihr Zorn rege, und gewaltig schürten sie den Haß gegen mich, den sie beschuldigten, ihnen die Macht und den Einfluß auf das Volk geraubt zu haben. Von neuem setzten sie dem armen unwissenden Volke zu, drohten ihm mit gewaltigem Zorne der Götter, wenn sie den Fremden, der die alten Götter verachte, noch länger beschützten. So ward der alte Aberglaube wieder zum fanatischen Hasse gesteigert, einige meiner treuen Gefährten wurden ergriffen und vor meinen Augen von den rachsüchtigen Priestern unter Qualen getötet. Mich selbst aber griffen sie und verkündigten unter wildem Frohlocken, ich sollte bei dem baldigen Feste eines ihrer Götzen geopfert werden, dessen Altar ich gedroht hatte zu zerstören. In einer Hütte unter einer mächtigen Eiche hielt man mich gefangen, und eine Schar von wilden heidnischen Wächtern bewachte mich Tag und Nacht. Ich aber flehte um Hülfe zu meinem Gott, dem allmächtigen Herrn Himmels und der Erde, in dessen Hand alle Gewalt ist. Und er half seinem geringen Diener. Wohl war es schon spät im Jahre, und die Sonne stand nicht mehr hoch im Mittag, unendliche Glut herabsendend. Doch an diesem Tage, dem letzten vor dem Götzenfeste, stiegen gewaltige Wolkengebirge am Himmel auf. Mit schwüler Glut brannte die Sonne und ließ viele meiner Wächter ermüdet in Schlaf sinken. Ein Wetter und ein Sturmwind kam heraufgezogen, mit gewaltigem Krachen schlugen die Blitze in die alten Eichen um mein Gefängnis, und entseelt lag die Schar meiner Wächter am Boden. Mich allein hatte meines Gottes Hand bewahrt. Nur ein kurzes heißes Dankgebet vermochte ich zu stammeln, dann floh ich der mittäglichen Gegend zu, um den Weg zurück in mein Heimatland zu finden. Aber bald fanden die rachsüchtigen Priester meine Spur. Von ihnen gehetzt, oft den Weg verfehlend, durchirrte ich wochenlang die Wälder, bis Wintersturm und Kälte mich überfielen. Doch boten freundlichere Bewohner mir jetzt Obdach und Speise, bis ich an deine friedliche Hütte gelangte. Nun weißt du, wer ich bin. Jetzt entscheide, ob ich noch länger unter deinem Dache rasten darf.«

Bescheiden und gesenkten Hauptes stand der junge Fremde vor dem Alten.

Als Udo sich von seinem Erstaunen gesammelt hatte, sprach er mit fester Stimme: »Was ich einmal gesprochen habe, pflege ich immer zu halten. Nicht soll das Wort des deutschen Mannes sein, wie der Ring am Finger, der hin und her zu drehen ist. Ich will auch diesmal nicht so Unwürdiges tun. Zwar bin ich selbst Priester einer Gemeinde, die deinen Christengott nicht kennt, doch soll der verschiedene Glaube uns nimmer trennen. Nach der Tat beurteile ich den Mann, nach ihr werde ich auch dich und deinen Glauben zu schätzen wissen. Mein Schützling sollst du sein, so lange du meines Schutzes würdig bist, und meine Gemeinde wird des alten Udos Gast zu ehren wissen.« –

Wenige Tage später sammelten sich die ernsten Männer des Ortes zu wichtiger Gemeindeberatung bei ihrem greisen Oberhaupte, und Udo stellte ihnen seinen Gast vor, offenbarte ihnen auch, daß Berengar ein Christ sei, den man seines Glaubens wegen verfolge. Es waren kühn aussehende Männer von starkem Körperbau, die im Kreise um die lodernde Herdflamme saßen. Zu einem starken Schopf gebunden, fiel das blonde Haar in den Nacken herab, und ein langwallender Bart zierte das gebräunte Angesicht, aus dem scharfe blaue Augen blickten. Mit finsterem Ausdruck und nicht verhehltem Mißtrauen schauten sie zuerst auf den Fremdling; da Udo sich aber für ihn verbürgte, ward Berengar der erbetene Schutz zugesichert.

Dieses Vertrauen strebte er auch eifrig zu vergelten, indem er tätigen Anteil nahm an den Berufsarbeiten und häuslichen Geschäften seines Wirtes. Doch immer mehr mußte der Fischfang ruhen bleiben, auch die immer wieder am Ufer des Oderstromes gehackten Löcher froren stets von der stärker werdenden Kälte zu, und nun mußten die äußeren Geschäfte feiern, denn die Feier der zwölf heiligen Nächte begann, die Wintersonnenwende.

Freudig hatte Berengar bei allen festlichen Zurüstungen geholfen und ward seinem greisen Wirte und Valeska dadurch ein immer lieberer Hausgenosse. Die Wände des Wohnraumes wurden von oben bis unten mit dem ernsten Grün der Tannen bekleidet und mächtige Kienfackeln in eiserne Ringe dazwischen gesteckt. Im festlichen Glanze mußte der Raum erstrahlen, wenn in der Mutternacht, der ersten der zwölf Weihenächte, Wodan selbst, der Göttervater, zu den Menschen herniederstieg. Als fremder Wandersmann hielt er freundlich bei ihnen Einkehr, nahm teil an Freud und Leid und brachte Glück und Segen, da jetzt die Wende der langen, öden Zeit kam, wo die Nacht den Tag besiegt hatte. Freia, die milde, gütevolle, ging an seiner Seite, fleißige Frauen, Jungfrauen und Kinder belohnend und milderen Sinn in den trotzigen Herzen der Männer weckend. Aber kein Spinnrad mit unvollendetem Gespinst durfte ihr auf ihrem Wege begegnen, zur Feier mußte alles gerüstet sein, wenn das Götterpaar seinen segnenden Weg ging.

In Udos Hütte war alles bereit. Auch mit den Jünglingen des Dorfes war Berengar hinausgezogen und hatte geholfen, mit starkem Jagdspieß den grimmigen Eber zu fällen, der im Sommer die Saaten zerwühlte und jetzt den Festbraten zum Julschmause bieten sollte, wie es von altersher Brauch war. Bei großem, gemeinsamem Festmahle sollte er verzehrt werden, und große Mengen starken Methes waren dazu von den Frauen gebraut, den die Männer bei ihren Trinkgelagen dazu zu genießen pflegten.

Auch Berengar ward als Gast des alten Udo zum Mahle geladen. Feierlich ging es dabei zu, und mit Dank ward der Götter gedacht, die beides, Speise und Trank, spenden. Als aber die Frauen den Meth kredenzt hatten und sich sittig zurückzogen, um nicht mehr teil zu haben an dem nun wilder werdenden Gelage der Männer, da ging auch Berengar leise hinaus, um unter dem sternenfunkelnden Nachthimmel allein zu sein. Ueberall auf Hügeln und Bergen lohten die Julfeuer, die die Jugend des Dorfes entzündet hatte, und gewaltige glühende Blöcke rollten unter lautem Jauchzen der freudevollen Schar zu Tal. Berengar aber dachte mit heißer Sehnsucht der geliebten Heimat, wo man heute die Feier der Christnacht beging, und aus tausend gläubigen Herzen die Lobgesänge gen Himmel stiegen, den einigen wahren Gott zu preisen, der den eingeborenen Sohn den Menschen zur Erlösung gegeben hat.

Still kehrte Berengar in Udos Hütte zurück, kniete in seiner Kammer vor dem kleinen Abbild des Gekreuzigten nieder, daß er über seinem Lager aufgehängt hatte, und sang leise und betenden Herzens die Hymnen der Christnacht.

Mit klarem Froste und hellem Sonnenschein stieg der erste Tag des Julfestes herauf. Die Jugend von allen ringsum liegenden Gehöften zog umher, Freunden und Anverwandten Julgeschenke zu bringen und von ihnen ebensolche nebst runden süßen Kuchen in Empfang zu nehmen. Freude, Lachen und Frohsinn herrschte überall. Die frühe Dämmerung des kurzen Wintertages brach schon herein, als eine Schar Jungfrauen sich auch Udos Hütte nahte, um ihren greisen Freia-Priester und seine liebliche Enkelin mit Julgeschenken zu erfreuen. Mit Herzlichkeit wurden sie willkommen geheißen und an den festlich gedeckten Tisch geführt, wo sie mit Gebäck, bereitet vom Honig der Waldbienen, und festlichem Getränk bewirtet wurden. Es war eine Schar schöner, kraftvoller Mädchen. Die meisten hatten das reiche blonde Haar in dicke Zöpfe geflochten und auf dem Scheitel zu einem Knoten gesteckt. Einige, die Töchter der Häupter in der Gemeinde aber, ließen gleich Valeska das Haar frei auf ihr Festgewand herniederfallen. Nur in der Mitte war es leise durch ein Band gehalten.

Nachdem sie den festlichen Imbiß eingenommen hatten, erhoben sich die Jungfrauen und enthüllten nun die mitgebrachten Geschenke. Ein schneeweißes Opfergewand mit Purpursaum, in fleißiger Arbeit am Webstühle gewebt und mit der Nadel gefertigt, überreichten sie unter Segenswünschen dem greifen Priester. Eine jede trat zu ihm heran, ihm langes Leben, oftmaligen Gruß der Götter im Opferhain und einen Sitz in Walhalla Aufenthalt der Seligen. beim Göttermahl zu wünschen. Dann aber schmückten sie unter Scherzen und Lachen Valeska mit einem blauen Gürtel und allerlei Zierat, wie er Mädchenherzen erfreut. Aber auch der Gast ward nicht von ihnen vergessen. Ein neues Gewand nebst einer Kopfbedeckung reichten sie ihm als Gastgeschenk dar, und auch Valeska trat jetzt zu ihm heran, einen warmen, pelzgefütterten Rock ihm zum Julgeschenk bietend. Oft hatte sie bemerkt, wie er, ein Sohn wärmerer Gegenden, in ihren rauhen Wäldern und seinem abgetragenen Gewande fror, und Berengar merkte an ihrem beglückten Angesicht, wie es sie erfreute, ihm einen solchen Liebesdienst erweisen zu können.

Mit herzlicher Freude dankte er den Mädchen und besonders Valeska. Dann aber eilte er in seine Kammer. Ihm war eingefallen, daß er doch noch etwas besitze, die Freundlichkeit der Jungfrauen zu vergelten, einen sorgsam gehegten Schatz, den er auf der Flucht, in seinem Obergewande verborgen, gerettet hatte.

Es waren kleine Heiligenbilder, im heimischen Kloster von den kunstfertigen Mönchen auf Goldgrund gemalt. Zwei dieser älteren Brüder, die ihn, den jungen Schüler, wie einen Sohn geliebt hatten, hatten ihm eine Anzahl dieser Bildchen geschenkt, als er zu den Heiden hinauszog. Mit ihnen hoffte er die Jungfrauen und vor allen Valeska zu erfreuen.

Staunend betrachteten die Mädchen die kleinen Bilder, die Berengar ihnen mit herzlichen Worten reichte; derartige Kunstwerke waren ihnen fremd. Die Männer ihres Gaues verstanden wohl, den Eber, den Urochs und den Bär zu jagen, im wilden Kampfe den Feind des Landes zu besiegen und gegen die Wut der Elemente, den Zorn der bösen Gottheiten die Macht der guten Götter anzurufen, aber ein Bild von Menschen und Göttern schaffen? Nein, einen solchen Mann gab es nicht bei ihnen, und aufs äußerste verwundert, hörten die Jungfrauen zu, als ihnen Berengar etwas von der Ausübung der Malkunst berichtete. Ganz besonders aber war Valeska in den Anblick ihres Bildes versunken. Es war das schönste, das Berengar besaß, ein Abbild Marias, der reinen Magd, in ihrem Schoße das göttliche Kind. Aus tiefen, wunderbaren Augen blickte der Knabe, und der Blick dieser Augen war es, der der germanischen Jungfrau tief ins Herz drang. Während Udo und ihre Gespielinnen Berengars Worten lauschten, saß sie in tiefem Sinnen da, aber als er nun seine Erklärungen schloß, trat sie zu ihm und bat: »Erzähle mir, wer ist diese Mutter, und wer ist dieses Kind?«

Sie reichte das Bild dabei dem greisen Priester, der gleich ihr gebannt in die wunderbaren Kinderaugen blickte.

Berengar zog ein freudiger Schrecken durch die Seele. Wollte sein Gott ihm den Weg zeigen, wie er hier am heidnischen Julfeste von dem Wunder der Christnacht auf Bethlehems Fluren berichten und die begierigen Herzen zu dem Heilande aller Welt führen könne?

Ein kurzes, heißes Gebet, daß der Heilige im Himmel seinen Worten Kraft gebe, sandte er hinauf, dann begann er in begeisterten Worten seine Erzählung von der Menschwerdung des einigen Gottessohnes. Immer glühender strömten die Worte von seinen Lippen, seine Augen leuchteten in heiliger Begeisterung, und die beschwörend erhobene Rechte schien hinzudeuten in das ferne Land, da die Sonne aufgegangen war, die mit ihren Liebesstrahlen auch das dunkelste Land der Heiden erleuchten sollte.

Schweigend, aber in unendlicher Seelenspannung saßen Berengars Zuhörer.

Die Herdflammen warfen zuckende Lichter über die Gestalt des greisen Mannes, an dessen Schulter sich die jugendschöne Enkelin lehnte, sie beleuchteten das festliche Grün des Raumes und spiegelten sich in den großen blauen Augen der Jungfrauen, die, die Hände um die Kniee verschränkt, mit glückseligem Staunen der Kunde lauschten, daß im Himmel ein liebender Vater wohne, der nicht wie Wodan die Krieger nur zur Glückseligkeit in Walhalla berufe, sondern Frieden und selige Gemeinschaft allen Menschen beschieden habe, die an ihn glauben.

Tiefatmend erhoben sich alle, als Berengar seine Weihnachtspredigt in dem Augenblicke schloß, als draußen an die Pforte geklopft wurde und nun auch eine Schar junger Männer eintrat, dem Freiapriester Julfestwünsche darzubringen. Als das Jungvolk darauf Abschied nahm, und Valeska aufgefordert wurde, mitzugehen, lehnte sie es mit freundlichen Worten ab und ließ sich, nachdem alle Udos Hütte verlassen hatten, wieder mit ihrem Geschenk nahe dem Herdfeuer nieder, um es immer wieder sinnend zu betrachten und den ernsten Worten zu lauschen, die lange noch zwischen Udo und Berengar hin- und hergingen. Der alte Priester erzählte von Wodans Wunderbaum, der Weltesche Yggdrasill, deren Wurzeln das Weltall zusammenhalten, und die mit der Krone in Walhalla hineingewachsen sei. In der Mitternachtsstunde der Weihnacht blüht sie, trägt goldene Zweige, Blätter, Blüten und Früchte. Und Berengar deutete sie als den Baum des Lebens, davon das heilige Buch auf seinen Knien sprach, den Baum, daran sich scheidet die Erkenntnis des Guten und Bösen.

Staunen und viel Fragen hatte es auch in den andern Familien hervorgerufen, als die Jungfrauen die wunderbaren Bildnisse heimbrachten und von dem berichteten, was sie in Udos Hütte erfahren hatten. Besonders die Jugend konnte nicht genug erfahren, und die Jünglinge wollten sich von Berengar gleich am folgenden Tage genaueres berichten lassen.

Aber die Alten warnten, nicht der Botschaft eines Fremden zu trauen.

Doch als nun für lange Zeit ungeheure Schneemassen die Wälder versperrten, als die Kälte immer grimmiger wurde und alles Schaffen draußen ein Ende nahm, auch die wehrhaftesten und stärksten Männer die Lust verloren, auf die Wolfsjagd zu ziehen, sondern nahe dem wärmenden Feuer auf der Bärenhaut lagen, da trieb es sie abends doch auch in Udos Hütte, wo sie schon in früheren Wintern den Heldenerzählungen des greisen Priesters gelauscht hatten.

Und in diese Erzählungen von den Vorfahren mischte sich dann auch Berengar, und wenn er von den gottseligen Männern und Helden des alten Bundes berichtete, wie sie oft mit dem Schwerte eingetreten waren für ihren Glauben an den einigen Gott, dann griff auch manche Germanenfaust nach der Waffe, die am Gurte hing, und kampfesmutig blitzten die Augen. Udo und die Frauen aber hingen dem Erzähler mit ganz besonderer Spannung am Munde, erzählte er von der Glaubensgewalt der alten Propheten und Märtyrer, die mit der Macht des Gebetes größere Siege erstritten und Tausende aus dem Volke der Heiden unter Christi Banner geeint hatten. So verlor Berengar seine große und heilige Aufgabe, die er sich gestellt, nie aus den Augen, aber er verfuhr auch hier mit der Weisheit, die er schon bei den U..rn [unleserlich] erprobt hatte. Noch wollte keiner seiner Zuhörer sich taufen lassen und sich gänzlich von den alten Göttern lossagen. »Denn,« so meinten sie, »die alten Götter hätten ihnen bisher so viel Gutes erwiesen, treu für sie gesorgt und reichen Segen über sie ausgeschüttet. Nicht wollten sie sie beleidigen und erzürnen dadurch, daß sie ihnen nicht mehr dienten und der Ehrfurcht vergäßen, die sie ihnen schuldig seien.«

Berengar drängte sie auch nicht. Er erkannte ihre Dankbarkeit und Treue, und wie sie fest und zähe am Alten hingen, das sich, wie sie glaubten, bewährt hatte. Er wußte, sein Gott werde ihm zur rechten Zeit Gelegenheit geben, dem Volke die Ohnmacht der Götzen zu zeigen. Auf diese Gelegenheit hoffte und wartete er, und sie kam bald.

Tauwinde wehten über das Oderbruch, die gewaltigen Schnee- und Eismassen schmelzend. Baldurs Sonne hatte wieder Macht gewonnen und ließ in Wiese, Feld und Wald frisches Grün sprossen. Sträucher und Bäume trugen schwellende Knospen, die über Nacht zu Blättern und leuchtenden Blüten sich entfalteten. Die Vögel kehrten wieder, und überall in Schluchten, auf Bergen und in den waldigen Tälern des Bruches ertönte ihr süßer Schall.

Da sammelte Udo seine Gemeinde um sich. »Zeit ist es,« sprach er, »Freia, der segenspendenden Göttin, ein Frühlingsfest zu feiern und ihr Dankopfer darzubringen. Wieder hat sie mit mildtätigen Händen reiche Gaben ausgeschüttet auf Wiese, Feld und Hain, tausend Blumen duften zu ihrem Preise, die Vögel, die gefiederten Sänger der Halde, lassen ihr ihre Loblieder erschallen. Sollen wir nun zurückstehen und nicht mit einstimmen in den Dank und den Jubel? Seit Monden sind unsere Füße nicht gegangen den Pfad, der zu Freias Heiligtum führt, zu ihrem Opferaltar auf dem Freiaberge, der dort weit hinausragt über die Wälder und das niedere Land der Oder. Auf, rüstet festliche Gewänder und Opfergaben, der Göttin zum Neumond Dank zu bringen!«

Freudig gehorchte die ganze Gemeinde. Das Frühlingsfest der Freia, die weiter nordwärts auch den schönen Namen Ostara führte, war ihnen nächst dem Julfeste das liebste. Führte dieses heitere Fest sie doch nach langen Monden der Dunkelheit und der Kälte wieder hinaus in die liebliche, lachende Natur. Zum ersten Male konnten sie wieder feiern im hellen Sonnenschein unter den Kronen der gewaltigen Eichen, die im Frühlingswinde wehten.

Der Tag des Neumonds war gekommen. Ein langer festlicher Zug bewegte sich durch den Wald hin nach dem Freiaberge. Vorauf ging Udo in dem neuen festlichen Priestergewande, auch das Haupt mit der neuen Priesterbinde geschmückt. Jungfrauen in weißen Gewändern, Frühlingsblumen in den Händen, folgten ihm. Darauf kamen die Mütter, in der Rechten die von Freia gesegneten Flachsbündel tragend und mit der Linken ihre Kinder führend. Die Jünglinge, das Haupt mit jungem Laube bekränzt, trugen Opferschalen mit Hafer, und den Schluß des Zuges bildeten die wehrhaften Männer. Waffen aber und alles, was an den Streit gemahnen konnte, trugen sie nicht, hingegen brachten auch sie gewaltige Opferschalen, mit Gerste gefüllt. Unter ihnen war auch Berengar. Kam er auch im schlichten Gewande und mit leeren Händen, so sah doch keiner auf ihn mit scheelen Blicken, da jeder seinen Glauben ehrte.

Eine Quelle kam ihnen mit munterem Rauschen auf ihrem Wege durch den Wald entgegen. Sie entsprang am Fuße des Freiaberges in einem tiefen Kessel. Mit eigentümlichem Klingen sprudelten die Wasser hier aus dem Schoße der Erde hervor, und auch diese Quelle trug Freias Namen.

Als der Opferzug am Freiaberge anlangte, stand Udo still, schöpfte von dem klaren Wasser und besprengte sich und die ganze Gemeinde damit, zum Zeichen, daß jeder rein vor die Göttin treten müsse. Unter Murmeln von Gebeten ward dann der Berg erstiegen, auf dessen höchster Kuppe der Altar der Göttin und ihr roh aus dem Stein gehauenes Bildnis stand.

Im Halbkreise umstellte der Zug dieses Heiligtum. Udo kniete zum Gebete vor dem Altare nieder und rief die Göttin an, gnädig auf das Dankopfer der Gemeinde herabzublicken. Darauf erhob er sich und sammelte die Gaben der Jungfrauen, die Valeska in Empfang nahm. Die Gaben der Mütter nahm eine der Frauen.

Die Geschenke der Jünglinge und Männer nahm je einer von ihnen, und diese vier Abgeordneten traten auf Udos Geheiß in die Mitte des Kreises. Sie wurden nebst den Opfergaben aufs neue von Udo geweiht, unter dem Gebete aller zum Opferaltare geführt, wo sie ihre Gaben unter Dankgebeten an Freia niederlegten. Udo brachte die geweihte Flamme, und so wurden die Gaben zu Ehren der Göttin verbrannt.

Die Feier war zu Ende. Mit Tränen in den Augen und unendlichem Mitleid mit diesem vertrauensvollen Volke, das einem toten Steine seine besten Gefühle weihte, hatte Berengar ihr zugesehen. Jetzt oder nie war der Augenblick gekommen, ihnen die Ohnmacht ihrer Götter zu zeigen und sie zu werben für den Dienst des Heilandes.

Von hoher Glaubenszuversicht erfüllt, trat er in den Kreis. »Gerührt und ergriffen bin ich von eures Sinnes ernster Frömmigkeit,« begann er mit lauter, tönender Stimme. »Aber darum erfüllt auch besonderes Mitleid mit euch mir Herz und Seele!« Er wies auf einige mächtige Felsblöcke, die am Rande der Kuppe lagen, die der nächste heftige Frühlingssturm in die Tiefe schleudern konnte. »Mit Lachen würdet ihr mir antworten, wiese ich euch zu jenen toten Steinen und sagte zu einer Mutter: bitte sie um Hülfe für dein krankes Kind! Danke ihnen für den Schutz deines Sohnes in der Schlacht! Kann ein gefühlloser Stein solch Flehen vernehmen? Und doch was tut ihr anderes als einen toten Stein anflehen, wenn ihr hier dem Freiabilde Opfergaben bringt? Es lebt ja weder im Himmel noch auf Erden noch unter der Erde eine Göttin! Nichts als ein schöner Traum ist euer Freiaglaube! Nur der lebendige, schaffende Gott, der von Ewigkeit her gewesen ist und immer sein wird, er ist es, der den Winden ihren Lauf mißt, der in seiner Güte seine Sonne leuchten läßt über Gerechte und Ungerechte. Er schmückt aufs neue wieder Wiese und Wald, er segnet euch eure Felder, und nur ihm allein gebühret Dank, Anbetung und Ehre!«

Mit Staunen hatten alle Berengar gelauscht. Aber nun traten die Männer aus dem Kreise hin vor Berengar, an ihrer Spitze Freias Priester Udo. Zum ersten Male, seit Berengar bei ihm weilte, hatte er voll Zorn den Worten seines Gastes gelauscht. Ein Menschenalter hindurch hatte der Greis der gütigen Göttin gedient, und nun leugnete der junge Fremdling alle Segnungen, die sie je erwiesen?

»Beweise deine Worte, so wollen wir dir glauben!« rief er grollend Berengar zu.

»Ja, beweise sie!« wiederholte die Menge.

»Merkt auf!« sprach Berengar begeistert weiter. »Ihr wähnt, daß die Quelle hier unten am Berge auch ein Geschenk eurer Göttin sei? Ich sage euch: nein, der Gott, den ich verehre, ließ sie aus dem Stein hervorsprudeln, euch zur erquickenden Labe, der Gott, dessen Macht ihr jetzt kennen lernen sollt!« Und mit starker Stimme, in die sich inbrünstiges Flehen mischte, fuhr er fort: »Zum Zeichen, daß ich wahr gesprochen, gebiete ich dir: Quelle, stelle ein deinen Lauf, der weithin durch den Wald geht, und das sogleich in dieser Stunde. Nur hier an deinem Ursprung sollst du noch erklingen!«

Er schwieg. Aller Augen richteten sich auf die Quelle, die ihnen ein erfrischendes Wasser bis in ihren Ort geführt hatte. Und siehe, langsamer ward ihr munterer Lauf, noch einige Schritte, und sie war im Sande versiegt. Nur im kleinen Talkessel, an ihrem Ursprünge krauste sich das Wasser mit eigentümlichem Rauschen.

Erbleichend sah es die Gemeinde. Stumm und wie gebannt blickte sie auf ihren Priester.

Udo aber sprach: »Das ist der Göttin Rache, da du sie verhöhnt hast. Und du wirst schweres Unglück dadurch bringen über uns, die wir dich schützten und dir Gastfreundschaft gewährten!«

Berengar aber erwiderte: »Fürchtet euch nicht! Freia war nie und hat keine Macht über euch! Alles steht in Gottes Händen! Aber ich will euch die Ohnmacht eurer gedachten Göttin noch weiter zeigen. Mit eigenen Händen stürze ich sie von ihrem Heiligtum herab! Ihr Zorn erschlage mich, wenn sie die Macht dazu besitzt! Mich aber schützt mein Gott, der Herr Himmels und der Erden!« Er trat an den Altar und legte die Hände an das Götterbild.

Ein wilder Schrei der ganzen Gemeinde antwortete, und erbleichend wichen die meisten zurück. Aber mit dem hellen Rufe: »Hinweg, elender Götze!« warf Berengar das Steinbildnis vom Altar herab, ehe noch einige Männer den kühnen Glaubensapostel zurückhalten konnten.

In viele Stücke zerbröckelt lag Freias Bildnis am Boden, und aller Augen richteten sich voll Entsetzen hinauf zu dem blauen Frühlingshimmel, ob nicht ein Blitzschlag den vermeintlichen Frevler töten werde. Aber friedlich zogen lichte Wölkchen in der Höhe, und in der tiefen Stille hörte man das leise Rauschen des Frühlingswindes in den Kronen der alten Eichen und fernen Gesang der Vögel im Walde.

Voll Staunen erhoben sich alle. Auch die wehrhaftesten Männer faßte Bewunderung vor Berengar und seinem Gott. Der greise Udo trat zu ihm und sprach mit lauter Stimme: »Erkannt habe ich die Ohnmacht unserer Götter, sie sind nichts, dein Gott ist mächtiger denn sie alle. Ihm wollen auch wir fortan dienen und seinem Sohne, dem Heilande aller Welt, von dem du uns erzählt hast. Darum nimm uns durch die Taufe auf in seinen Bund.«

Voll heiliger Freude führte Berengar den Zug hinab zur Quelle und taufte die ganze Gemeinde von dem greisen Udo an bis zu dem jüngsten Mägdlein, indem er ihnen auch christliche Namen gab. Udo ward nach dem großen Heidenapostel Paulus geheißen, die blondhaarige Valeska aber erhielt den Namen Maria. Dann führte Berengar die Getauften zurück zum Altar, errichtete auf ihm ein Kreuz und von hier aus ertönte nun den neuen Christen die erste Auferstehungs- und Osterpredigt.

Zum Schlusse aber sprach Berengar: »Dem Dienste des einigen wahren Gottes und seines eingeborenen Sohnes sei dieser Ort fortan geweiht. Der Jungfrau Namen, die den Heiland uns geboren, soll dieser Berg, soll diese Quelle tragen. Erklingen sollst du, Marien-Fließ, wenn deine Fluten dem dunklen Schoße der Erde rauschend sich entwinden, zum Lob und Preise unseres Herrn, der, so wie dich, durch seine Allmacht aus dem Heidenvolke sich diese Schar der Gläubigen heut schuf.« –

Noch rauschen die Wasser dieser Quelle, und der Name »klingendes Fließ« ist ihr geblieben bis auf den heutigen Tag. Noch steht der waldumrauschte Berg und trägt jetzt einen trotzigen Turm zum Gedenken des eisernen Kanzlers, der Deutschlands Einigkeit schuf, es ist der Marienberg bei Freienwalde a. O. –

Beseligt durch den neuen Glauben kehrte die ganze Schar heim durch den frühlingsgrünen Wald, und jeder suchte still seine Hütte auf. Oft noch einten die Abende die junge Christengemeinde bei Paulus und Berengar, wo sie der Unterweisung im Christenglauben lauschten, und die Hütte war bald zu klein, die Menge der Andächtigen zu fassen, denen sich immer mehr Bewohner des Oderbruches anschlossen, seit der greise, von allen so verehrte frühere Freiapriester ein Christ geworden war. So reifte bald der Entschluß in ihnen, dem Dienste Gottes eine Kirche zu bauen. Aber nicht unten im Tale sollte das neue Gotteshaus stehen, wo die Fluten der Oder es bedrohen konnten, sondern droben auf luftiger Bergeshöhe, weit hinausschauend über Bruch und Wald, damit man nah und fern die Glocken hören könne, die am Tage des Herrn zum heiligen Dienste riefen. Auf dem ehemaligen Freia-, jetzt Marienberge ward die Kirche erbaut, und als abermals die Ostersonne siegend am Himmel emporstieg, wurde das erste christliche Gotteshaus im Odergebiete geweiht. Den Priesterdienst in ihr verrichteten Berengar und der greise Paulus. Im 17. Jahrhundert sollen die Trümmer dieser später zerstörten Kirche noch gestanden haben.

Noch ein Jahr lang weilte Berengar in der Gemeinde, auf der sichtbar Gottes Segen lag. Maria war Berengars beste Schülerin und bald seine eifrige Gehülfin. Unter ihrem Beistande und mit Hülfe ihrer klaren Stimme war es möglich, Frauen und Männer die schönen Christengesänge zu lehren, die Berengar von den heimischen Gottesdiensten kannte. War die Uebung des Gesanges doch besonders den rauhen Stimmen der Männer schwer, die bisher nur gelernt hatten, sich mit grimmigem Schlachtgesange auf ihre Feinde zu stürzen.

Nun aber trieb es Berengar weiter nordwärts in einen neuen Wirkungskreis, wußte er doch, daß Paulus und Maria sein Werk hier nicht würden untergehen lassen. Er wollte sich dem Erzbischof Otto von Bamberg zur Bekehrung der Pommern anschließen.

Maria erschrak, als er von seinem Vorhaben sprach, von hier fortzugehen. Längst hatte sie ihn lieb gewonnen und gehofft, bis an das Ende ihrer Tage als seine Gehülfin der Gemeinde dienen zu können. Aber Berengar sah in seinem Eifer für das Werk des Herrn ihre tränenschweren Augen nicht. Doch als er Abschied nahm von seiner ersten Christengemeinde, die ihn betrübten Herzens scheiden sah, da übergab er sie Maria, die ihm treuen Herzens gelobte, im Dienste des Höchsten und der Liebe zu den Nächsten fortan ihres Lebens Aufgabe zu sehen. Und sie suchte und fand in Werken christlicher Barmherzigkeit göttlichen Trost und den Frieden ihres Herzens.

Berengar aber zog davon zu den heidnischen Pommern, und nie wieder hörte seine Gemeinde von ihm, die er aus dem Dunkel des Heidentums geführt hatte zum Osterlicht.


 << zurück weiter >>