Honoré de Balzac
Physiologie der Ehe
Honoré de Balzac

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Über die Polizei

Die Ehepolizei umfaßt alle Mittel, die die Gesetze, die Sitten, die Stärke und die List dir an die Hand geben, um deine Frau an den drei Handlungen zu verhindern, die gewissermaßen das Leben der Liebe ausmachen: sich schreiben, sich sehen, sich sprechen.

Die Polizei wird in höherem oder geringerem Grade mit mehreren der in den vorhergehenden Betrachtungen aufgeführten Mittel zusammen angewandt. Nur der Instinkt kann anzeigen, in welchen Verhältnissen und bei welchen Gelegenheiten diese verschiedenen Elemente benutzt werden dürfen. Das ganze System hat etwas Dehnbares: ein gewandter Ehemann wird leicht erraten, wie man es abändern, ausdehnen, einschränken muß. Mit Hilfe der Polizei kann ein Mann seine Frau bis zum vierzigsten Jahr rein und makellos erhalten.

Wir wollen diese Abhandlung über die Polizei in fünf Paragraphen teilen.

  1. Die Mausefallen,
  2. Die Korrespondenz,
  3. Die Spione,
  4. Der Index,
  5. Die Haushaltungskosten.

1. Die Mausefallen

Obwohl wir annehmen können, daß unser Ehemann in einer sehr ernsten und kritischen Lage sich befindet, wollen wir doch nicht annehmen, daß der Liebhaber im ehelichen Burgfrieden völliges Bürgerrecht erlangt hat. Gar viele Ehemänner vermuten oft, daß ihre Frauen einen Liebhaber haben, sie wissen aber nicht, auf wen von den vier oder fünf Auserwählten, von denen wir vorhin sprachen, sie einen bestimmten Verdacht lenken sollen. Dieses Schwanken hat ohne Zweifel seinen Grund in einer moralischen Unvollkommenheit, der der Professor zu Hilfe kommen muß.

Fouché verfügte in Paris über mehrere Häuser, die von Leuten in den höchsten und vornehmsten Stellungen besucht wurden; die Besitzerinnen dieser Häuser waren ihm ergeben. Diese Ergebenheit kostete dem Staat recht hübsche runde Summen. Der Minister nannte diese Gesellschaften, gegen die damals kein Mensch auch nur das geringste Mißtrauen hatte, seine ›Mausefallen‹. Mehr als eine Person wurde unmittelbar nach dem Verlassen eines Balles verhaftet, bei welchem die glänzendste Gesellschaft von Paris den Helfershelfer des ehemaligen Oratorianers gemacht hatte.

Die Kunst, als Köder einige Stückchen gebratener Nuß darzubieten, damit die Frau ihre weiße Hand in die Falle stecke, ist sehr eng umschrieben; denn eine Frau ist ganz gewiß stets auf ihrer Hut; trotzdem zählen wir mindestens drei Arten von Mausefallen: die unwiderstehliche, die unschuldig aussehende und die Mausefalle mit Schnappschloß.

Die unwiderstehliche Mausefalle

Gegeben seien zwei Ehemänner, die wir A. und B. nennen wollen; wir nehmen an, sie wollen herausbringen, wer die Liebhaber ihrer Frauen sind. Wir setzen den Ehemann A. auf den Mittelplatz an einen Tisch, der mit den schönsten Fruchtpyramiden, mit Kristallgeschirr, mit Zuckerwerk, mit Likören besetzt ist. Ehemann B. möge an irgendeinem Punkte dieses glänzenden Kreises sich befinden, je nach dem Belieben des Lesers. Es ist Champagner herumgereicht worden, alle Augen glänzen, und alle Zungen sind in Bewegung.

Ehemann A. (eine Kastanie schälend): Na, ich für mein Teil, ich bewundere die Schriftsteller, aber nur von fern; ich finde sie unerträglich; bei einem Gespräch sind sie Despoten; ich weiß nicht, ob ihre Fehler mehr verletzen oder ihre guten Eigenschaften, denn es scheint wirklich, daß die geistige Überlegenheit nur dazu dient, ihre Mängel und ihre Vorzüge mehr hervortreten zu lassen. Kurz ... (er schluckt seine Kastanie hinunter) ... geniale Menschen sind meinetwegen Elixiere, aber man muß vorsichtig damit umgehen.

Ehefrau B. (die aufmerksam zugehört hatte): Aber, Herr A., Sie sind recht anspruchsvoll! (Sie lächelt boshaft.) Mir scheint, die Dummköpfe haben ebensoviel Fehler wie talentvolle Leute, nur mit dem Unterschied, daß sie es nicht verstehen, sie sich verzeihen zu lassen!

Ehemann A. (gereizt): Sie werden aber doch wenigstens zugeben, Madame, daß diese Leute durchaus nicht liebenswürdig gegen Sie sind.

Ehefrau B. (lebhaft): Wer hat Ihnen das gesagt?

Ehemann A. (lächelnd): Drücken sie Sie nicht in jedem Augenblick mit ihrer Überlegenheit zu Boden? Die Eitelkeit ist so sehr die alles beherrschende Eigenschaft ihrer Seelen, daß sie Sie nichts werden sagen lassen, was nicht einfach eine Wiederholung ihrer Worte ist.

Die Dame des Hauses (beiseite zur Ehefrau A.): Das hast du wirklich verdient, meine Liebe ... (Ehefrau A. zuckt die Achseln.)

Ehemann A. (fortfahrend): Da ferner ihre Gewohnheit, Ideenverbindungen herzustellen, ihnen das ganze mechanische Getriebe der Gefühle bloßlegt, so wird für sie die Liebe etwas rein Physisches haben, und bekanntlich glänzen sie nicht gerade durch ...

Ehefrau B. (beißt sich auf die Lippen und unterbricht ihn): Mir scheint, mein Herr, in diesem Prozeß sind wir Frauen allein Richterinnen. Aber ich kann's begreifen, daß Weltmänner von Schriftstellern nicht viel wissen wollen! Gehen Sie mir doch! Sie können sie leichter kritisieren, als es ihnen gleichtun!

Ehemann A. (verächtlich): O Madame – wir Männer von Welt können die Schriftsteller unserer Zeit wohl angreifen, ohne daß man uns Neid vorzuwerfen braucht! Es gibt so manchen Salonmenschen, der, wenn er schriebe ...

Ehefrau B. (voll Wärme): Zum Unglück für Sie, mein Herr, haben einige Ihrer Freunde von der Kammer Romane geschrieben ... Haben Sie sie lesen können? Nein, wahrhaftig – heutzutage müssen für die geringste literarische Arbeit historische Studien gemacht werden, muß ...

Ehemann B. (antwortet seiner Nachbarin, mit der er im Gespräch war, nicht mehr und sagt für sich): Oho! sollte meine Frau etwa Herrn de L. lieben? (Dies ist der Verfasser der ›Mädchenträume‹). Das ist ja sonderbar! Ich glaubte, es sei der Doktor M. Da wollen wir doch mal sehen! (Laut): Wissen Sie auch, meine Liebe, daß Sie mit dem, was Sie da eben sagen, vollkommen recht haben? (Man lacht.) Wahrhaftig, ich will in meinem Salon viel lieber Künstler und Schriftsteller empfangen ... (beiseite: wenn wir überhaupt mal jemanden empfangen!) ..., als Leute von andern Berufen! Die Künstler sprechen doch wenigstens von Dingen, die dem allgemeinen Verständnis zugänglich sind; denn wer glaubt nicht von sich selber, daß er Geschmack besitze? Aber die Richter, die Advokaten und besonders die Ärzte ...! Ah! ich gestehe, wenn man sie so fortwährend von Prozessen und Krankheiten sprechen hört, also gerade von jenen beiden Gebrechen der Menschheit, die ...

Ehefrau B. (unterbricht ihr Gespräch mit ihrer Nachbarin, um ihrem Mann zu antworten): Ach ja, die Ärzte sind unausstehlich! ...

Ehefrau A. (Nachbarin des Ehemanns B., ruft gleichzeitig): Aber was sagen Sie denn da, Herr Nachbar? Da sind Sie in einem ganz merkwürdigen Irrtum befangen! Heutzutage will niemand mehr nach dem aussehen, was er ist: die Ärzte – da Sie gerade von Ärzten sprechen –, die Ärzte geben sich stets die größte Mühe, niemals ein Wörtchen über ihren Beruf in die Unterhaltung einfließen zu lassen! Sie sprechen über Politik, Theater, neueste Moden, erzählen Geschichten, schreiben bessere Bücher als die Berufsschriftsteller selbst, und es ist ein ganz gewaltiger Abstand zwischen einem Arzt von heute und den Ärzten aus Molières Komödien.

Ehemann A. (beiseite): Ei potztausend! Meine Frau sollte den Doktor M. lieben? Das ist sonderbar! (Laut): Das kann wohl sein, meine Liebe; aber ich würde einem schriftstellernden Arzt nicht mal meinen Hund zur Behandlung anvertrauen.

Ehefrau A. (unterbricht ihren Mann): Das ist ungerecht; ich kenne Leute, die fünf oder sechs Ämter bekleiden, und in die die Regierung ein recht großes Vertrauen zu setzen scheint. Übrigens ist es ja recht komisch, daß Sie so etwas sagen, Herr A.! Sie halten ja doch die größten Stücke auf den Doktor M.

Ehemann A.: Kein Zweifel mehr!

Die unschuldig aussehende Mausefalle

Ein Ehemann (nach Hause kommend): Meine Liebe, wir sind bei Madame de Fischtaminel zu ihrem Konzert auf nächsten Dienstag eingeladen. Ich gedachte hinzugehen, weil der junge Neffe des Ministers dort singen sollte und ich gerne mit ihm sprechen wollte; aber er ist nach Frouville zu seiner Tante gereist. Was gedenkst du nun zu tun?

Die Frau: Aber in diesen Konzerten langweile ich mich zu Tode! Da sitzt man ganze Stunden lang wie angenagelt auf einem Stuhl und darf kein Wort sagen ... Außerdem weißt du ja doch, daß wir Dienstags bei meiner Mutter speisen und daß wir unmöglich es verabsäumen dürfen, ihr zu ihrem Namenstag Glück zu wünschen.

Der Mann (nachlässig): Ach so! Ja, da hast du recht.

(Drei Tage später.)

Der Mann (beim Zubettegehen): Weißt du was, mein Engel? Morgen werde ich dich bei deiner Mutter allein lassen, denn der Graf ist von Frouville zurückgekehrt und wird nun doch bei Madame de Fischtaminel sein.

Die Frau (lebhaft): Aber warum willst du denn allein hingehen? Du weißt doch, wie ich die Musik anbete!

Die Mausefalle mit Schnappschloß

Die Frau: Warum gehst du denn heute abend so früh fort?

Der Mann (geheimnisvoll): Ach – wegen einer sehr unangenehmen Geschichte ... die mir um so schmerzlicher ist, da ich wirklich nicht weiß, wie ich's anfangen soll, sie beizulegen!

Die Frau: Worum handelt sich's denn, Adolphe? Du bist ein Ungeheuer, wenn du mir nicht sagst, was da los ist ...

Der Mann: Meine Liebe, dieser Hitzkopf, der Prosper Magnan hat ein Duell mit Herrn de Fontanges. Wegen einer von der Oper ... Aber was hast du denn?

Die Frau: Nichts ... Es ist sehr heiß hier. Ich weiß wirklich nicht, wovon das kommen kann ... aber schon den ganzen Tag über ... ist mir alle Augenblicke eine Hitze ins Gesicht gestiegen ...

Der Mann (beiseite): Sie liebt Herrn de Fontanges. (Laut): Celestine! (Noch lauter): Celestine! kommen Sie doch! Der gnädigen Frau ist unwohl! ...

Man begreift: der Ehemann, der ein bißchen Geist hat, muß tausend verschiedene Arten ausfindig machen, um diese drei Arten von Mausefallen aufzustellen.

2. Die Korrespondenz

Einen Brief schreiben und ihn in den Postkasten werfen lassen; die Antwort empfangen, lesen und verbrennen – das ist die Korrespondenz in ihrer allereinfachsten Form.

Nun denke man aber einmal darüber nach, welche unermeßlichen Hilfsmittel die Zivilisation, unsere Gebräuche und die Liebe den Frauen an die Hand gegeben haben, um dem spähenden Blick des Ehemannes die materiellen Urkunden eines Briefwechsels zu entziehen.

Der erbarmungslose Briefkasten, der jedem, der da kommt, seinen offenen Mund hinhält, empfängt sein etatmäßiges Futter aus allen Händen.

Es besteht die unglückselige Einrichtung der postlagernden Sendungen.

Ein Liebhaber findet in der Gesellschaft hundert hilfsbereite Personen, männliche wie weibliche, die in Erwartung ähnlichen Gegendienstes das Liebesbriefchen in die verliebte und verständnisinnige Hand seiner schönen Geliebten gleiten lassen.

Der Briefwechsel ist ein Proteus. Es gibt sympathetische Tinten, und ein junger Hagestolz hat uns anvertraut, er habe einen Brief auf das Vorsatzblatt eines neuerschienenen Buches geschrieben, das der Ehemann selber beim Buchhändler bestellte, so daß es sicher in die Hände der Geliebten gelangte, die am Tage vorher von dieser wundervollen List in Kenntnis gesetzt war.

Die verliebte Frau, die die Eifersucht eines Gatten zu fürchten hat, wird Liebesbriefchen während der jenen geheimnisvollen Beschäftigungen gewidmeten Zeit schreiben, während welcher auch der despotischste Ehemann sie in Ruhe lassen muß.

Endlich verstehen alle Liebenden die Kunst, eine ganz eigenartige Telegraphie einzurichten, deren durch alle möglichen Eingebungen des Augenblicks geschaffene Zeichensprache sehr schwer zu verstehen ist. Auf dem Ball eine mit bizarrem Geschmack ins Haar gesteckte Blume; im Schauspiel ein über die Logenbrüstung ausgebreitetes Taschentuch; ein Kratzen an der Nase; eine besondere Farbe des Gürtels; ein Aufsetzen oder Abnehmen des Hutes, das Tragen eines ganz bestimmten Kleides; das Singen einer Romanze in einem Konzert oder das Anschlagen bestimmter Noten auf dem Klavier; das Hinsehen nach einem bestimmten vereinbarten Punkte – alles: von dem Leierkastenmann, der unter deinem Fenster sich aufstellt und fortgeht, wenn ein bestimmter Fensterladen geöffnet wird, bis zu der Zeitungsanzeige eines Pferdeverkaufs, ja sogar bis zu dir selber – alles wird als Korrespondenz dienen.

Wie oft wird schon eine Frau heimtückischerweise ihren Mann gebeten haben, ihr dies oder jenes zu besorgen in dem und dem Laden, in das und das Haus zu gehen – nachdem sie vorher mit ihrem Liebhaber verabredet hat, daß die Anwesenheit ihres Mannes an dem betreffenden Ort ein Ja oder ein Nein bedeuten solle?

Hier muß nun der Professor zu seiner Schande gestehen, daß man zwei Liebende durch kein Mittel verhindern kann, miteinander zu korrespondieren. Aber wenn auch der Ehemann in dieser Hinsicht machtlos dasteht, so geht doch sein Machiavellismus aus dieser Schwierigkeit stärker hervor, als aus irgendeiner andern Zwangslage.

Ein geheiligtes Übereinkommen zwischen den beiden Ehegatten und ein Übereinkommen, das geheiligt bleiben muß, ist ihr gegenseitiger Schwur, die Siegel ihrer Briefe zu respektieren. Der ist ein geschickter Ehemann, der bei der Eheschließung diesen Grundsatz für heilig erklärt und der gewissenhaft daran festzuhalten weiß.

Indem du deiner Frau unbegrenzte Freiheit läßt, Briefe zu schreiben und zu empfangen, verschaffst du dir das Mittel, augenblicklich zu erfahren, sobald sie mit ihrem Liebhaber sich zu schreiben beginnt.

Aber angenommen, deine Frau hat Argwohn gegen dich, sie bedeckt mit den undurchdringlichsten Schatten alle von ihr aufgebotenen Mittel, um dir ihre Korrespondenz zu verbergen – nun, ist es hier nicht angebracht, jene geistige Macht in Tätigkeit treten zu lassen, aus der wir in der Betrachtung über die Ehezollrevision eine Waffe für dich gemacht haben? Der Mann, der es nicht sieht, wenn seine Frau an ihren Liebhaber geschrieben oder von ihm eine Antwort erhalten hat – dieser Mann ist ein mangelhafter Ehegatte.

Das tiefe Studium, das du auf die Bewegung, Handlungen, Gebärden und Blicke deiner Frau verwenden mußt, wird vielleicht peinlich und ermüdend sein. Aber es wird nicht lange dauern, denn es handelt sich nur darum, zu entdecken, wann und auf welche Weise deine Frau und ihr Liebhaber miteinander korrespondieren.

Wir können nicht glauben, daß ein Mann – wäre er auch nur von mittelmäßiger Intelligenz – dieses weibliche Manöver nicht zu erraten vermöchte, wenn er den Argwohn hat, daß es stattfindet.

Und nun urteile der Leser nach einem einzigen Abenteuer, wie viele polizeiliche Maßregeln und Unterdrückungsmittel ihm in der Korrespondenz zur Verfügung stehen: Ein junger Advokat, dem eine rasende Leidenschaft einige von den Grundsätzen enthüllt hatte, die in diesem wichtigen Teile unseres Werkes behandelt sind, hatte ein junges Mädchen geheiratet, von dem er ein kleines bißchen geliebt wurde (was er als ein sehr großes Glück ansah). Nachdem er ein Jahr verheiratet gewesen war, bemerkte er, daß seine teure Anna – so hieß sie – den ersten Buchhalter eines Börsenagenten liebte.

Adolphe war ein junger Mann von ungefähr fünfundzwanzig Jahren, mit hübschem Gesicht und lebenslustig wie nur irgendein Junggeselle. Er war sparsam, sauber, hatte ein ausgezeichnetes Herz, war ein guter Reiter, wußte geistreich zu sprechen, trug seine sehr schönen schwarzen Haare stets sorgfältig frisiert, und sein Anzug ermangelte nicht der Eleganz. Kurz, eine Herzogin hätte Ehre mit ihm einlegen und Freude an ihm haben können. Der Advokat war häßlich, klein, gedrungen, vierschrötig, ein Schlaukopf und ein Ehemann. Anna, schön und groß, hatte mandelförmig geschnittene Augen, eine weiße Haut und zarte Gesichtszüge, ihr ganzes Wesen atmete Liebe, und die Leidenschaft belebte ihren Blick mit einem zaubrischen Ausdruck. Sie stammte aus einer armen Familie, Maître Lebrun hatte zwölftausend Livres Rente. Dies sagt alles. Eines Abends kommt Lebrun in einer augenscheinlich sehr niedergeschlagenen Stimmung nach Hause. Er geht in sein Kabinett, um dort zu arbeiten, kommt aber bald zähneklappernd zu seiner Frau zurück, denn er hat Fieber; und es dauert nicht lange, so legt er sich zu Bett. Er stöhnt, bedauert seine Klienten und besonders eine arme Witwe, deren Vermögen er durch die Ausfertigung einer Urkunde retten sollte, und zwar schon am nächsten Tage. Die Zusammenkunft war bereits mit den beteiligten Geschäftsleuten verabredet, und nun fühlt er sich außerstande, hinzugehen. Nachdem er eine Viertelstunde geschlummert hat, wacht er auf und bittet mit schwacher Stimme seine Frau, an einen seiner intimen Freunde zu schreiben, er möchte ihn bei der für den nächsten Tag verabredeten Besprechung vertreten. Er diktiert einen langen Brief und paßt genau auf, welchen Raum die Sätze auf dem Papier einnehmen. Am Ende der zweiten Seite war der Advokat gerade dabei, seinem Kollegen die Freude auszumalen, womit seine Klientin die Unterzeichnung des Vertrags begrüßen würde, und das neue Blatt begann mit den folgenden Worten:

»Mein guter Freund, gehen Sie, ach! gehen Sie sofort zu Madame de Vernon; Sie werden dort recht ungeduldig erwartet werden. Sie wohnt Rue du Sentier Nr. 7. Verzeihen Sie mir, daß ich so wenig darüber sage; aber ich rechne auf Ihren wundervollen Verstand: Sie werden erraten, was ich nicht auseinandersetzen kann.

Ihr von Herzen!«

»Gib mir den Brief,« sagte der Advokat; »ich will ihn vor der Unterzeichnung durchsehen, ob kein Fehler darin ist.«

Die Unglückselige, deren Vorsicht dadurch eingeschläfert war, daß dieser Brief fast ganz und gar mit den barbarischsten juristischen Ausdrücken gespickt war, gibt den Brief hin. Kaum besitzt Lebrun das heimtückische Schriftstück, so fängt er an zu jammern, windet sich hin und her und bittet seine Frau um irgendeine Gefälligkeit. Sie entfernt sich für zwei Minuten, und während dieser Zeit springt der Advokat aus dem Bett, faltet ein Papier in Briefform und versteckt den von seiner Frau geschriebenen Brief. Als Anna wiederkommt, steckt der schlaue Ehemann das leere Papier in einen Umschlag, läßt es von ihr an jenen Freund überschreiben, für den der unterschlagene Brief dem Anschein nach bestimmt war, und das arme Geschöpf beauftragt persönlich einen Bedienten mit der Besorgung. Lebrun scheint sich allmählich zu beruhigen; er schläft ein oder tut wenigstens so und sagt am nächsten Morgen, er verspüre noch einige unbestimmte Schmerzen. Zwei Tage darauf reißt er von dem Brief das Vorderblatt ab, versieht im Schlußsatz ›Ihr von Herzen‹ das Wort ›Ihr‹ mit einem ›e‹, faltet in aller Heimlichkeit das Papier, das in aller Unschuld zum Helfershelfer an einer Fälschung wird, siegelt es, kommt aus dem gemeinsamen Schlafzimmer hervor, ruft die Zofe und sagt ihr:

»Die gnädige Frau bittet Sie, dies zu Herrn Adolphe zu tragen; machen Sie schnell ...«

Er sieht die Kammerzofe fortgehen, schützt unmittelbar darauf ein Geschäft vor und begibt sich nach der Rue du Sentier in die angegebene Wohnung. In aller Ruhe wartet er bei dem Freunde, der mit ihm im Einverständnis ist, auf seinen Nebenbuhler. Trunken von Glück, eilt der Liebhaber herbei und fragt nach Madame de Vernon; er wird in den Salon geführt und sieht sich dem Maître Lebrun gegenüber, der ihm mit einem bleichen, aber kalten Antlitz, mit ruhigen, aber unversöhnlichen Augen entgegentritt.

»Mein Herr,« sagt der Advokat mit bewegter Stimme zu dem jungen Buchhalter, dem vor Angst das Herz schlägt, »Sie lieben meine Frau, Sie versuchen, ihr zu gefallen; ich kann Ihnen das nicht übelnehmen, denn an Ihrer Stelle und in Ihrem Alter hätte ich es ebenso gemacht. Aber Anna ist in Verzweiflung; Sie haben ihr Glück gestört, sie trägt in ihrem Herzen die Hölle. Daher hat sie mir alles gestanden. Eine Meinungsverschiedenheit zwischen uns, die sofort wieder beigelegt worden ist, hatte sie dazu getrieben, das in Ihre Hände gelangte Briefchen zu schreiben; statt selbst zu kommen, hat sie mich hierher geschickt. Ich will Ihnen nicht davon sprechen, mein Herr, daß Sie die von Ihnen geliebte Frau unglücklich machen, wenn Sie bei Ihren Absichten bleiben, sie zu verführen, daß Sie ihr meine Achtung rauben und eines Tages auch die Ihrige; daß Ihr Verbrechen auch für die Zukunft Folgen tragen würde, indem Sie vielleicht meinen Kindern Schaden zufügen; von der Bitterkeit, womit Sie mein Leben erfüllen würden, spreche ich Ihnen überhaupt nicht – denn dies wäre ja leider nur lauter leeres Gerede. Aber ich erkläre Ihnen hiermit, mein Herr, der geringfügigste Schritt von Ihrer Seite würde das Signal zu einem Verbrechen sein; denn um Ihnen das Herz zu durchbohren, würde ich es nicht auf den Zufall eines Zweikampfes ankommen lassen!«

Und die Augen des Advokaten sprühten Tod und Verderben.

»Aber ei was, mein Herr,« fuhr er in sanfterem Tone fort, »Sie sind jung, Sie haben ein edles Herz; bringen Sie ein Opfer für das künftige Glück der Frau, die Sie lieben! geben Sie sie auf und sehen Sie sie niemals wieder! Und wenn Sie durchaus jemanden aus der Familie brauchen – ich habe eine junge Tante, die bis jetzt niemand zu gewinnen gewußt hat; sie ist reizend, geistvoll und reich; versuchen Sie, sie zu bekehren, und lassen Sie eine tugendhafte Frau in Ruhe.«

Diese Mischung von Scherz und schrecklichem Ernst, der feste Blick und der volle Klang der Stimme des Ehemanns machten auf den Liebhaber einen unglaublichen Eindruck. Zwei Minuten lang vermochte er überhaupt kein Wort hervorzubringen, wie es manchen allzu leidenschaftlichen Leuten geht, die durch eine heftige Überraschung alle Geistesgegenwart verlieren. Wenn Anna nachher Liebhaber hatte – was übrigens reine Hypothese von uns ist – so war ganz gewiß Adolphe nicht darunter.

Diese wahre Geschichte kann dem Leser verständlich machen, daß die Korrespondenz ein zweischneidiger Dolch ist, der dem Ehemann für seine Verteidigung ebensowohl zugute kommt, wie der Frau für ihre Inkonsequenz. Begünstige also die Korrespondenz deiner Frau aus demselben Grunde, aus dem der Herr Polizeipräfekt mit aller Sorgfalt die Pariser Gaslaternen anzünden läßt.

3. Die Spione

Wenn einer sich so weit erniedrigt, die Leute seines Hauses um Auskünfte anzubetteln, wenn er tiefer sinkt als sie, indem er sie für eine geheime Mitteilung bezahlt – so ist das kein Verbrechen; vielleicht ist es eine Gemeinheit, aber ganz gewiß ist es eine Dummheit; denn nichts bürgt dir für die Redlichkeit eines Dienstboten, der seine Herrin verrät, und du wirst niemals wissen, ob er in deinem Interesse handelt oder in dem deiner Frau. Dieser Punkt ist also für uns ein für allemal abgetan.

Die Natur hat als gute und zärtliche Verwandte eine Familienmutter mit den sichersten und schlausten, mit den wahrheitsliebendsten und zugleich verschwiegensten Spionen umgeben, die es auf der Welt gibt. Sie sind stumm und sprechen doch, sie sehen alles und sehen doch anscheinend nichts.

Eines Tages begegnet einer meiner Freunde mir auf den Boulevards; er ladet mich zum Essen ein, und wir gehen in seine Wohnung. Der Tisch war bereits gedeckt, und die Herrin des Hauses teilte jeder ihrer beiden Töchter einen Teller voll von dampfender Suppe zu.

»Aha,« sagte ich bei mir selber, »da haben wir etliche ›erste Symptome‹!«

Wir setzen uns. Der Ehemann beginnt die Unterhaltung und, fragt, nur um etwas zu sagen und ohne sich was dabei zu denken: »Ist heute jemand dagewesen?«

»Keine Katze!« antwortet ihm seine Frau, ohne ihn anzusehen.

 

Niemals werde ich vergessen, mit welcher Lebhaftigkeit die beiden Töchter ihre Augen zu ihrer Mutter aufschlugen. Besonders bei der älteren, achtjährigen, lag ein ganz eigentümlicher Ausdruck in dem Blick. Es lagen darin gleichzeitig Enthüllungen und Mysterien, Neugierde und Schweigen, Erstaunen und Sicherheit. Wenn irgend etwas sich der Schnelligkeit vergleichen läßt, womit diese reine Flamme ihren Augen entschlüpfte, so war es die bescheidene Vorsicht, womit sie alle beide ihre anmutigen weißen Augenlider wie Vorhänge herunterließen.

Süße und reizende Geschöpfe, die ihr von dem neunten Jahre an bis zum heiratsfähigen Alter so mancher Mutter zur Qual seid, selbst wenn sie keine Kokette ist – habt ihr denn ein besonderes Vorrecht, oder verstehen eure jungen Ohren instinktmäßig den schwächsten Ton einer Männerstimme durch Mauern und Türen hindurch? Wie kommt es, daß eure Augen alles sehen, daß euer junger Geist sich darin übt, alles zu erraten, selbst die Bedeutung eines flüchtig hingeworfenen Wortes oder der geringfügigsten Gebärde eurer Mutter?

Es liegt eine eigentümliche instinktive Dankbarkeit in der Vorliebe der Väter für ihre Töchter und der Mütter für ihre Knaben.

Aber die Kunst, ein gewissermaßen materielles Spioniersystem einzurichten, ist eine Kinderei, und es ist sehr leicht, etwas Besseres ausfindig zu machen, als jener Küster, der darauf verfiel, Eierschalen in sein Bett zu legen, und der von seinem verblüfften Gevatter keine andere Beileidsbezeigung erhielt, als die Worte: »Du selber hättest sie nicht so gut zerstampft.«

Nicht viel besser war der Trost, den der Marschall von Sachsen dem Herrn de La Poplinière gab, als sie zusammen jenen berühmten, vom Herzog von Richelieu erfundenen drehbaren Kamin entdeckten:

»Das ist das schönste Hornwerk, das ich jemals gesehen habe!« rief der Sieger von Fontenoi.

Hoffen wir, daß dein Spionieren dir keine so ärgerlichen Aufschlüsse geben wird. Diese Unannehmlichkeiten sind Früchte des häuslichen Krieges, und so weit sind wir noch nicht.

4. Der Index

Der Papst setzt nur Bücher auf den Index; du dagegen mußt Menschen und Dingen das Siegel der Verdammnis aufdrücken.

Verboten sei es deiner Frau, anderswo ein Bad zu nehmen, als in der eigenen Wohnung.

Verboten sei es deiner Frau, in eurer Wohnung den Herrn zu empfangen, den du als ihren Liebhaber in Verdacht hast, sowie überhaupt irgendeine von den Personen, die an ihrer Liebe irgendeinen Anteil nehmen könnten.

Verboten sei es deiner Frau, ohne dich spazieren zu gehen.

Aber die Wunderlichkeiten, die in jeder Ehe aus der Verschiedenheit der Charaktere, aus den unzähligen Äußerungen der Leidenschaften und aus den Gewohnheiten der Gatten entspringen, bringen in dieses ›Schwarze Buch‹ solche Veränderungen hinein, vermehren oder kürzen den Text desselben mit einer solchen Geschwindigkeit, daß ein Freund des Verfassers diesen Index die ›Geschichte der Glaubensverschiedenheiten der Ehekirche‹ nannte.

Nur auf zwei Dinge kann man in dieser Hinsicht bestimmte Grundsätze anwenden: diese sind der Landaufenthalt und der Spaziergang.

Ein Ehemann darf niemals seine Frau aufs Land führen oder allein dorthin gehen lassen. Du magst ein Landgut haben, magst es bewohnen, magst dort nur Damen oder alte Herren empfangen – aber lasse niemals deine Frau dort allein. Führst du sie nun gar, und wäre es auch nur auf einen halben Tag, zu einem andern – so bist du unvorsichtiger als der Vogel Strauß.

Eine Frau auf dem Lande zu überwachen, ist an und für sich schon das allerschwierigste, was es gibt. Kannst du gleichzeitig in allen Gebüschen sein, auf alle Bäume klettern, kannst du der Spur eines Liebhabers folgen, der nachts das Gras niedergetreten hat, da ja, vom Morgentau benetzt, dieses Gras sich wieder aufrichtet und unter den Strahlen der Sonne lustig weitersprießt? Kannst du auf jede Lücke in der Parkmauer ein Auge haben? Oh! Das Land und der Frühling – das sind zwei rechte Hände der Junggesellenbrüderschaft.

Wenn eine Frau in die kritische Stimmung gerät, die wir bei ihr angenommen haben, so muß ihr Mann in der Stadt bleiben, bis der Krieg ausbricht, oder er muß sich allen sogenannten Freuden einer peinlichen Spionage unterziehen.

Nun das Ausgehen! Will die Gnädige Feste, Theatervorstellungen besuchen, will sie ins Bois de Boulogne fahren; will sie ausgehen, um Stoffe einzukaufen, um sich die neuesten Moden anzusehen? Die Gnädige wird ausgehen, ausfahren, wird sich ansehen, was sie mag – aber stets in der ehrenwerten Gesellschaft ihres Herrn und Meisters.

Sollte es vorkommen, daß eine Beschäftigung, die du unmöglich vernachlässigen darfst, dich ganz und gar in Anspruch nähme, und sollte sie diesen Augenblick abpassen und versuchen, dir eine stillschweigende Zustimmung zu einem von ihr geplanten Ausgang abzulisten; sollte sie zu diesem Zweck alle Kunststückchen und Verführungen jener Schmeichelei aufbieten, die die ganz besondere Stärke der Frauen ist, und deren abwechslungsreiche Einzelzüge von dir erraten werden müssen – nun, in diesem Fall rät dir der Professor: laß dich bezaubern, verkaufe die erbetene Erlaubnis möglichst teuer, und vor allen Dingen überzeuge dieses Wesen, dessen Seele so beweglich wie das Wasser und zugleich so fest wie der Stahl ist, daß die Wichtigkeit deiner Arbeit dir nicht erlaube, dein Kabinett zu verlassen.

Sobald aber deine Frau den Fuß auf die Straße gesetzt hat – angenommen, daß sie zu Fuß geht –, so laß ihr nicht die Zeit, auch nur fünfzig Schritte zu machen; sei ihr auf den Spuren und folge ihr, ohne daß sie davon etwas merken kann.

Es gibt vielleicht manchen Werther, dessen zärtliche und zarte Seele sich gegen ein solches Inquisitionsverfahren auflehnen wird. Aber dies Verhalten ist ebensowenig verdammenswert, wie das eines Hausbesitzers, der nachts aufsteht und aus dem Fenster sieht, um die Pfirsiche an seinen Spalieren zu bewachen. Vielleicht wirst du auf diese Weise, ehe noch das Verbrechen begangen ist, genaue Auskünfte über jene Wohnungen erhalten, die so viele Liebespärchen unter falschen Namen mieten. Sollte durch einen Zufall – vor dem Gott dich behüten wolle – deine Frau in ein Haus eintreten, das dir verdächtig vorkommt, so erkundige dich, ob die Wohnung mehrere Ausgänge hat.

Steigt deine Frau in eine Droschke, was hast du davon weiter zu befürchten? Hat nicht ein Polizeipräfekt, dem die Ehemänner eine Krone aus mattem Golde hätten widmen sollen, bei jedem Droschkenhaltestand ein kleines Häuschen errichten lassen, worin mit seinem Register ein unbestechlicher Wächter der öffentlichen Moral sitzt? Weiß man nicht, wohin diese Pariser Gondeln fahren und woher sie kommen?

Einer der allerwichtigsten Grundsätze deiner Polizei muß es sein, deine Frau überallhin zu euren Hauslieferanten zu begleiten, wenn sie die Gewohnheit hat, ihre Einkäufe selber zu machen. Beobachte sorgfältig, ob zwischen ihr und ihrer Schnittwarenhändlerin, ihrer Putzmacherin, ihrer Schneiderin usw. irgendwelche Vertraulichkeit herrscht. Du wirst auf diese Beobachtungen die Vorschriften der ehelichen Zollrevision anwenden und wirst deine Schlüsse ziehen.

Sollte in deiner Abwesenheit deine Frau ohne deine Einwilligung ausgegangen sein und nachher behaupten, sie sei da und da, in dem und dem Laden gewesen, so gehe am andern Tage selber hin und suche herauszubekommen, ob sie die Wahrheit gesagt hat.

Aber deine Leidenschaft wird dir besser als diese unsere Betrachtung die Hilfsmittel der ehelichen Tyrannei nachweisen, und wir hören daher mit diesen langweiligen Lehren auf.

5. Die Haushaltskosten

Als wir – in der Betrachtung über die Prädestinierten – das Bild eines seiner Aufgabe gewachsenen Ehemanns entwarfen, haben wir ihm dringend anempfohlen, vor seiner Frau die wirkliche Höhe seines Einkommens geheimzuhalten.

Indem wir uns auf diese Grundlage stützen, um unser Finanzsystem aufzubauen, hoffen wir dazu beizutragen, die ziemlich allgemein verbreitete Ansicht umzustürzen, daß man seiner Frau kein Geld in die Hand geben müsse. Dieser Grundsatz ist einer jener beliebten Irrtümer, die in der Ehe den größten Unfug anstiften.

Zunächst aber wollen wir vor der Geldfrage die Herzensfrage behandeln.

Eine kleine Zivilliste für deine Frau und für die Bedürfnisse des Haushaltes zu bewilligen und ihr diese wie eine Art Steuer jährlich in zwölf gleichen Teilen am Ersten jeden Monats auszuzahlen – das hat etwas Kleines, Schäbiges, Engherziges an sich und ist nur etwas für schmutzige oder mißtrauische Seelen. Wenn du so verfährst, bereitest du dir selber eine Zukunft voll unendlicher Verdrießlichkeiten.

Ich bin damit einverstanden, wenn während der ersten Jahre, wo eure Vereinigung noch unter dem Zeichen des Honigmondes steht, die monatliche Gabe von mehr oder weniger anmutigen Auftritten, geschmackvollen Scherzen, eleganten Geldbörsen und von Liebkosungen begleitet und verschönt wird; aber es wird ein Augenblick kommen, wo deine Frau durch ihre Unbesonnenheit oder durch eine unvorhergesehene starke Geldausgabe gezwungen sein wird, die hohe Kammer um eine Geldanleihe anzustehen. Ich vermute, du wirst ihr stets die Indemnität gewähren, ohne diese allzu teuer zu verkaufen, nämlich durch Reden, wie unsere ungetreuen Abgeordneten es stets tun. Sie bezahlen, aber schimpfen; du wirst bezahlen und wirst dabei Komplimente machen. So ist es recht.

Aber in der Krisis, mit der wir uns beschäftigen, reichen die Voranschläge des Jahreshaushalts niemals aus. Der Bedarf an Halstüchern, Häubchen, Kleidern hat einen Zuwachs erfahren; eine kaum abzuschätzende Steigerung der Ausgaben erforderten die Kongresse, die diplomatischen Kuriere, die Mittel und Wege der Liebe. Dagegen bleiben die Einnahmen dieselben. Und jetzt beginnt in einer Ehe die abscheulichste und schrecklichste Erziehung, die man einer Frau geben kann. Ich kenne nur einige wenige edle und hochgesinnte Seelen, denen Reinheit des Herzens, Offenheit der Seele höher stehen als Millionen; die tausendmal lieber einen Fehltritt aus Leidenschaft verzeihen würden, als eine Lüge; deren instinktmäßiges Zartgefühl den Urkeim jener Pest der Seele ahnend erkannt hat, die der höchste Grad der menschlichen Verderbnis ist.

Dann spielen sich nämlich in einer Ehe die köstlichsten Liebesszenen ab. Da wird die Frau anschmiegend; und wie die glänzendste aller Saiten einer Harfe, die vor das Feuer geworfen ist, schlingt sie sich um dich, umstrickt dich, preßt dich an sich; allen deinen Wünschen bequemt sie sich an; niemals sind ihre Worte zärtlicher gewesen; sie verschwendet sie an dich – oder vielmehr sie verkauft sie dir. – Sie sinkt noch tiefer als ein Ballettmädel, denn sie prostituiert sich mit ihrem Gatten. In ihren süßesten Küssen – ist Geld. In ihren Worten – ist Geld. Und bei solchem Treiben wird für dich ihr Herz von Blei. Der abgefeimteste, niederträchtigste Wucherer weiß nicht besser mit einem einzigen Blick den künftigen Metallwert eines jungen Kavaliers abzuschätzen, von dem er sich einen Wechsel unterschreiben läßt, als deine Frau deine Begierden abschätzt, indem sie wie ein fliehendes Eichhörnchen von Zweig zu Zweig hüpft, um durch die Steigerung der Begierde auch die Höhe der von ihr gewünschten Geldsumme zu steigern. Und glaube nicht, du könntest derartigen Verführungen entrinnen! Die Natur hat eine Frau mit Schätzen von Koketterie begabt, und die Gesellschaft hat sie verzehnfacht durch ihre Moden, ihre Kleider, ihre Stickereien, ihre Mäntel.

»Wenn ich mich verheirate,« sagte einer der ehrenwertesten Generale unserer frühern Armee, »werde ich keinen Sou ins Brautkörbchen tun.«

»Und was werden Sie denn hineintun, General?« fragte ein junges Mädchen.

»Den Schlüssel zum Geldschrank.«

Das kleine Fräulein machte eine beifällige Grimasse. Sie wiegte sanft ihr Köpfchen hin und her, mit einer Bewegung, die der einer Magnetnadel glich; dann hob sie leicht das Kinn, und es sah aus, als ob sie bei sich selber sagte:

»Ich würde den General sehr gerne heiraten. Trotz seinen fünfundvierzig Jahren.«

Um aber die Frage vom Geldstandpunkt aus zu betrachten – welches Interesse soll denn eine Frau an einem Maschinenbetrieb nehmen, wobei sie mit festem Gehalt angestellt ist wie ein Buchhalter?

Sieh dir jetzt das andere System an:

Indem du deiner Frau, mit dem Anschein unbeschränkten Vertrauens, zwei Drittel deines Vermögens überläßt und sie im Haushalt als unumschränkte Herrin schalten und walten läßt, gewinnst du eine Achtung, die nichts zerstören kann; denn Vertrauen und Vornehmheit finden im Herzen der Frau ein lautes Echo. Damit hast du dir sofort einen Anteil am Feuer gesichert und hast für die Folge eine ziemlich sichere Aussicht, daß deine Frau sich vielleicht niemals erniedrigen wird.

Wenn wir nun hierin nach Verteidigungsmitteln suchen so ziehe in Betracht, welche wunderbaren Hilfsquellen dir diese Einrichtung der Finanzen darbietet.

Du wirst damit in deiner Ehe einen genauen Kurszettel der Moralität deiner Frau haben, wie der Kurszettel der Börse den Maßstab für das Vertrauen abgibt, das der Regierung entgegengebracht wird.

Während der ersten Jahre eurer Ehe wird nämlich deine Frau einen gewissen Stolz darein setzen, dir für dein Geld Luxus und Befriedigung zu geben.

Sie wird dir einen reichbesetzten Tisch liefern, wird neues Mobiliar und neue Equipagen anschaffen; wird stets in der Schublade, die für den Herzallerliebsten bestimmt ist, eine runde Summe bereit liegen haben. Wenn nun die kritischen Augenblicke kommen, wird die Schublade sehr oft leer sein, und der Herr Gemahl wird viel zu viel ausgeben. Die in der Kammer beschlossenen Ersparnisse treffen stets nur die kleinen Beamten mit zwölfhundert Franken Gehalt. Nun, du wirst in eurer Ehe der kleine Beamte mit zwölfhundert Franken sein. Du wirst darüber lachen, da du lange Zeit hindurch den dritten Teil deines Vermögens zurückgelegt, umgetrieben und durch die Zinseszinsen vermehrt haben wirst; darin gleichst du Ludwig dem Fünfzehnten, der sich ›für den Fall eines Unglücks‹, wie er sagte, einen kleinen Privatschatz auf die Seite gelegt hatte.

Wenn nun deine Frau vom Sparen zu sprechen beginnt, so werden ihre Reden die gleiche Bedeutung haben, wie die Schwankungen des Börsenkurszettels. Du wirst alle Fortschritte, die der Liebhaber macht, an den Schwankungen der häuslichen Finanzen erraten können, und du wirst für alles vorgesorgt haben. È sempre bene.

Sollte deine Frau dieses außerordentliche Vertrauen nicht zu würdigen wissen und eines Tages einen bedeutenden Teil des Vermögens verschwendet haben, so würde erstens eine solche Verschwendung doch wohl schwerlich das Drittel der Einkünfte verschlingen, das du seit zehn Jahren zurückbehalten hast; ferner aber wirb die Betrachtung über die Peripetien dich darüber belehren, daß gerade in der durch die Unvernunft deiner Frau herbeigeführten Krisis außerordentliche Aussichten sich dir bieten, den Minotauros totzumachen.

Endlich noch eins: das Geheimnis des von dir angesammelten Schatzes darf erst bei deinem Tode bekannt werden; solltest du aber genötigt sein, diesen in Anspruch zu nehmen, um deiner Frau beispringen zu können, so muß die Sache stets so aussehen, als habest du Glück im Spiel gehabt oder als habest du eine Anleihe bei einem Freunde gemacht.

Dies sind die wahren Grundsätze, die für das eheliche Budget gelten müssen.

Die Ehepolizei hat auch ihre Märtyrergeschichte. Wir wollen nur eine einzige wahre Begebenheit mitteilen, weil aus ihr hervorgeht, daß auch die Ehemänner, die sich so herber Maßregeln bedienen, ebensosehr auf sich selber acht geben müssen, wie auf ihre Frauen.

Ein alter Geizhals, wohnhaft in T. – einer Stadt so voller Lebenslust, wie es wenige gibt –, hatte eine junge und hübsche Frau genommen, und war dermaßen in sie verliebt und auf sie eifersüchtig, daß die Liebe über sein Wuchererherz triumphierte; denn er gab sein Geschäft auf, um seine Frau besser bewachen zu können – womit also sein Geiz sich nur auf einen neuen Gegenstand lenkte. Ich muß gestehen, daß ich den größten Teil der in diesem ohne Zweifel noch recht unvollständigen Aufsatz enthaltenen Beobachtungen einem Herrn verdanke, der seinerzeit Gelegenheit hatte, dieses wunderbare Ehephänomen zu studieren. Um dieses zu schildern, wird es genügen, einen einzigen Zug anzuführen: Wenn dieser Ehemann auf dem Lande war, ging er niemals zu Bett, bevor er die Alleen seines Parks auf eine eigentümliche Weise geharkt hatte, und er besaß für den Sand seiner Terrassen einen Rechen ganz besonderer Art. Die Fußspuren der verschiedenen Personen seines Hauses hatte er ganz besonders studiert, und schon am frühen Morgen ging er aus und stellte die verschiedenen Spuren fest.

»Das alles hier ist reiner Hochwald,« sagte er zu dem vorhin erwähnten Herrn, indem er ihm seinen Park zeigte; »denn im Unterholz sieht man ja nichts.«

Seine Frau liebte einen der entzückendsten jungen Leute der Stadt. Seit neun Jahren lebte diese Leidenschaft, leuchtend und reich, in den Herzen der beiden Liebenden, die auf einem Ball mit einem einzigen Blick sich gegenseitig erraten hatten; und beim Tanze hatten ihre zitternden Finger durch das duftende Leder ihrer Handschuhe hindurch die ganze Größe ihrer Liebe erkannt. Seit diesem Tage hatten die beiden unendlichen Trost in jenen Nichtigkeiten gefunden, auf welche glückliche Liebende verächtlich herabsehen. Eines Tages führte der junge Mann seinen einzigen Vertrauten geheimnisvoll in ein Zimmerchen, worin er auf einem Tisch und unter Glasglocken sorgfältiger, als wenn es die schönsten Edelsteine der Welt gewesen wären, Blumen aufbewahrte, die im Wirbel des Tanzes seiner Geliebten aus dem Haar gefallen waren, ferner Zweiglein von den Bäumen ihres Parks, die sie berührt hatte, und sogar einen Lehmklumpen mit der schmalen Spur, die der Fuß der geliebten Frau in tonigem Erdreich zurückgelassen hatte.

»Ich hörte«, sagte mir später dieser Vertraute, »in dem tiefen Schweigen, womit wir vor den Schätzen dieses Liebesmuseums standen, die starken und dumpfen Schläge seines Herzens. Ich hob die Augen zur Zimmerdecke empor, gleichsam um dem Himmel ein Gefühl anzuvertrauen, das ich nicht auszusprechen wagte.« »Arme Menschheit!« dachte ich. Dann fragte ich ihn: »Frau von ... hat mir erzählt, eines Abends auf einem Ball habe man Sie fast ohnmächtig in ihrem Spielsalon gefunden; ist das wahr?«

»Das will ich meinen!« antwortete er, indem er seine Wimpern wie einen Schleier über seine brennenden Blicke niedersinken ließ; »ich hatte sie auf den Arm geküßt ... Aber«, fügte er hinzu, indem er mir die Hand drückte und mir einen jener Blicke zuwarf, die einem gleichsam das Herz zusammenpressen – »ihr Mann hat in diesem Augenblick die Gicht sehr dicht am Herzen.«

Einige Zeit darauf erholte der alte Geizhals sich wieder und schien noch lange Zeit leben zu wollen; aber während seiner Rekonvaleszenz legte er sich eines Morgens zu Bett und war plötzlich tot. Spuren von Gift machten sich so auffallend an seinem Leichnam bemerkbar, daß das Gericht eine Untersuchung anordnete, und die beiden Liebenden wurden verhaftet. Und nun spielte sich vor dem Schwurgericht die herzzerreißendste Szene ab, die jemals eine Geschworenenbank zu Tränen gerührt hat. Schon in der Voruntersuchung hatten beide Liebende ohne Umschweife das Verbrechen eingestanden; aber, von ein und demselben Gedanken beseelt, hatte sie es auf sich allein genommen, um ihren Geliebten, hatte er es auf sich allein genommen, um seine Geliebte zu retten. Während die Gerechtigkeit nur einen einzigen Schuldigen suchte, waren plötzlich zwei da.

Die ganzen Verhandlungen bestanden nur darin, daß die beiden Angeklagten mit der ganzen Glut treuer Liebe sich gegenseitig der Unwahrheit beschuldigten.

Zum erstenmal waren sie vereinigt – aber auf der Bank der Verbrecher, und zwischen ihnen saß ein Gendarm. Einstimmig sprachen die in Tränen aufgelösten Geschworenen das ›Schuldig!‹ gegen sie aus. Niemand von denen, die den barbarischen Mut besaßen, sie das Schafott besteigen zu sehen, kann noch heute ohne Schaudern davon sprechen. Die Religion hatte sie dahin gebracht, ihr Verbrechen zu bereuen, aber nicht ihrer Liebe zu entsagen.

Das Blutgerüst war ihr Brautbett, das sie bestiegen, um in die lange Nacht des Todes hinüberzuschlummern.


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