Josef Baierlein
Im Wüstensand
Josef Baierlein

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15.

Die Stürme, die im Juni und Juli über die Sahara hinfegen, sind manchmal von drei- bis fünftägiger Dauer, und die Araber behaupten, es seien, wenn sie viel Sand mitführen, schon ganze Karawanen von ihnen verschüttet worden. Wenn das auch übertrieben sein mag, so ist der Samum, wenn er tagelang anhält, doch deshalb sehr gefährlich, weil er den Durst ins ungeheure steigert. Die Reisenden, welche dann ihren Wasservorrat allzu schnell erschöpfen, müssen elend verschmachten. Außerhalb der regelmäßigen Zeit plötzlich entstehende Stürme sind jedoch von kurzer Dauer; sie nehmen nach einigen Stunden so schnell, wie sie aufgetreten sind, auch ein Ende.

Um sich vor der direkten Berührung des Wüstenwinds und seiner Durst erzeugenden Wirkung zu schützen, ist das beste Mittel, sich lang ausgestreckt mit dem Gesicht nach unten auf den Boden zu legen. Der Samum weht 129 nämlich nicht dicht an der Oberfläche der Erde hin, sondern etwa anderthalb Meter hoch über derselben. Deshalb hatten auch die Araber ihre Tiere niederknien lassen und sich hinter deren Leibern mit den anderen Reisenden auf der Erde gelagert. –

Das alles erklärte der Graf dem Knaben, als letzterer beim Marabut des arabischen Asketen von der Karawane wieder aufgenommen worden war, und Walter sah ein, daß man auch diesmal wie vordem beim Messerstich des Sizilianers von seinem Glück im Unglück reden konnte. Denn was hätte er angefangen im alten Turm, wenn der Orkan von längerer Dauer gewesen wäre? Er hatte ja keinen Tropfen Wasser, um seinen brennenden Durst zu stillen. Der Knabe dankte daher Gott von ganzem Herzen, daß er ihn vor der Gefahr des Verdurstens rechtzeitig erlöst hatte.

Übrigens war dieses Abenteuer das letzte, welches Walter Wetterwald auf afrikanischer Erde erlebte; er hatte die Lust nach mehr auch schon gründlich verloren und sehnte sich nur noch, bald heimzukommen zu seinem lieben Mütterchen und in den schönen deutschen Wald. Den Wert seines kühlen Schattens recht zu würdigen hatte er erst 130 gelernt, seit er unter dem Niederrieseln des Wüstensands geglaubt hatte, vor Hitze ersticken zu müssen. –

Die Heimreise ging glücklich vor sich auf der nämlichen Route wie die Herreise, und da das gräfliche Paar unterwegs keinen längeren Aufenthalt mehr nahm, traf Walter schon Ende März, als der Frühling unter den Jubelhymnen zahlloser Vögel seinen Siegeseinzug in Deutschlands Gaue hielt, bei seiner Mutter wieder ein.

Die stürmische Freude zu beschreiben, mit welcher der Sohn sich in die Mutterarme stürzte, die Zärtlichkeit zu schildern, mit der die Witwe ihren Knaben umschlang, wollen wir lieber unterlassen. Es gibt Szenen, die zu ergreifend, Empfindungen, die zu heilig sind. als daß eine profane Feder sich daran versuchen dürfte.

Es erübrigt nur noch zu erzählen, daß Walter Wetterwald infolge seiner afrikanischen Reise und seiner auf fremder Erde bestandenen Abenteuer der bevorzugte Liebling des Grafen von Dürrenstein und seiner wieder vollständig hergestellten Gemahlin geworden war und blieb. Nicht ganz mit Unrecht pflegte die Gräfin zu sagen, der Knabe habe ihretwegen die weite Reise mitgemacht, 131 ihretwegen hätte er einen Messerstich davongetragen, und ihretwegen wäre er fast umgekommen im tobenden Samum und im Wüstensand.

Das gräfliche Paar sorgte aber auch getreulich für Walters Zukunft. Es ließ ihn studieren und später die Forstakademie besuchen, und da er die auf ihn gesetzten Hoffnungen im vollsten Maße rechtfertigte, konnte es ihn ohne Gewissensskrupel der Huld seines Landesherrn empfehlen. So kam es, daß Walter Wetterwald dem Staate nicht wie sein Vater als einfacher Förster diente, sondern nach und nach bis zum Oberforstrat aufrückte. In dieser hohen, nur für wenige erreichbaren Stellung fand er dann auch genug Gelegenheit zur Betätigung seiner umfassenden Kenntnisse und beruflichen Tüchtigkeit. – –

 

Ende.

 


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