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An Gott.

Dir nur athmet und lebt mein Geist, unsichtbare Gottheit,
    Ewiger Quell des unendlichen Alls!
Zu dir hebet das Auge den Blick; dich suchet die Denkkraft;
     Dich das Verlangen der liebenden Brust.
Aber es naht, Urhöchster! Unnahbarer! Ewigverhüllter!
     Dir kein endliches Streben. Umsonst
Starrt mein Aug', aufflammet die Seel', und schwellet das Herz mir.
    Sonne der Geister! ich sinke, wenn dir
Ich mich erheb'. Erhabener stets, umwölkter, verborgner
    Wird, der Welten auf Welten herab
Durch die Aeonengebirg' ohn' Aufhör strömet, dein Urquell!
    O, es erreichet im ewigen Flug
Nimmer den Born, dem sie selber entfloß, die forschende Seele. –
     Hoch, voll Andacht, flammt' er empor,
Mein unsterblichster, reinster Gedank' in kühner Begeist'rung:
     Sieh'! er schwang sich im flammenden Flug
Ueber die obersten Sterne hinauf; ließ hinter sich alle,
     Welche der Sirius hinter sich sieht;
Sah weit unter sich klimmen empor Orion und Perseus;
     Hört' aufrollen von unten des Pols
Nachtverlorenen Wagen; und schaut' ermüdet im Nachflug
     Selbst den sonnenbeflügelten Aar.
Schon verklang in der Tiefe die sternenbesaitete Leier;
    Und kaum lispelt', o Urne! dein Bach;
Als am Ende des Flugs durch immer erhabnere Himmel,
    Wähnend, den letzten im Schwunge zu fliehn,
Er noch gefangen sich fand in dem All der unendlichen Schöpfung –
    Ach! und gehüllt in ätherischer Nacht,
Plötzlich getroffen vom Strahl der olympischen Wolk' er zurücksank
    In da kaum noch schlagende Herz.
Wo, wo suchet, o Gott! wo findet mein sehnendes Ach dich?
    Dich, den keine Gedanken erspähn?
Dich zu Großer dem größten Begriff! zu Heller dem Seraph!
    Ach! und zu Heiliger meinem Gesang?
Selbst das Weltall schwindet vor dir, der Geister und Sonnen
    Schöpfer, o Herr! In dem wirbelnden Strom
Deines erschaffenden Hauchs entfleußt, wie Wogen im Weltmeer,
    Was unendlich und ewig mir scheint!
Immer unendlicher, ewiger strömt die Fülle der Allmacht;
     Schon die entfernteste Welle des Stroms
Wogt Lichtstraßen, und schäumt Plejaden und Nebelgestirne!
     Und es erflöge den Gipfel des Quells
Dies am Rande des Nichts aufflatternde, gesterngeborne,
    Kaum befiederte Würmchen, mein Ich?
Und es faßte dein Seyn, Allwaltender! was, in der Kleinheit
    Schranken geengt, sich selber nicht faßt?
Forschte deiner Gedanken Geheimnisse, deinen verborgnen
    Rath, was selbst sich ein Räthsel noch ist?
Wärst du Du, wenn zu dir auch Millionen der Fernen,
    Die zu durchlaufen ermüdet das Licht,
Millionengehäuft aufreicheten? wenn auf der Leiter
    Aller Schöpfungen, die vom Beginn
Bis zum Ende der Zeit aufsteigt der Erschaffenen Erster,
     Er dir naht'? Anbetender steht
Dort der älteste Sohn des ewigen Vaters am Gipfel;
     Schaut hinunter und jubelt: »wie tief!«
Blickt hinauf, und schwindelt der Höh', die höher emporragt,
    Als hinab in die Tiefe versank
Sein durchwandelter Pfad. Er wirft sich nieder in Demuth,
    Ruft: »Erhabner! ich sinke noch dir!«
Ruft's, und stirbt auf der obersten Stuf' in hoher Entzückung;
    Ruht, und erwachet, umtönt vom Gesang
Neuer Gestirne, zum Steigen gestärkt durch höhere Sonnen,
    Lichtbeflügelt zum ewigen Flug.
Also stieg er, und starb Aeone. Den letzten der Tode
    Schlummert' er noch an dem Fuße des Throns,
Der sich ewig erhöht dem Erklimmer des heiligen Berges!
    Nie erreicht er das ewige Ziel.
Und ich Letzter! was bin ich, des Nichts traumwandelnder Nachbar,
    Gegen den Erstgebornen des Lichts?
Was mein irdisches Thun? mein augenblickliches Streben?
    Und auf der untersten Stufe mein Tod?
Ach! ich sinke vor dir, Weltathmer! versink' in der Ohnmacht
    Meines niederen, nichtigen Werths. –
Und doch fühlet dir nah', Unerforschlicher! fühlet in dir sich
    Dieses den Staub verachtende Herz;
Fühlt in der zitternden Hülse, die rauschende Welten umblättern,
    Kraft, die Zerstörung der hüllenden trotzt»
Kraft, die noch wirket und blüht, wenn einst die Schöpfung dahinfällt
    Wieder dem Hauch, der dem Nichts sie entrief,
Und die Gestirne gesammt, wie verdorrtes Laub, aus den Himmeln
    Fliehn, von dem letzten Orkane verweht.
In dir fühl' ich mich, Gott! wenn hoch auf des nächtlichen Schreckhorns
    Donnerumrolleten flammenden Spitz'
Ich, von ätherischen Blitzen umstürmt, im nächsten der Schläge
     Wünsche geheim den zerschmetternden Strahl,
Welcher dem Staub entlöset den Geist, der ewige Freiheit
     Ahnet, und leichtere Flügel zu dir!
Dich empfind' ich in mir, wenn im Kampf mit eigner Naturmacht
    Ueber die feindlichen Sinne der Sieg
Hoch das ermattete Herz mir hebt zu frohen Triumphen,
    Während mein Irdisches scheitert, ein Wrack,
Welches die Welle verschlingt dem am Ufer Geborgnen. O Wonne
    Oft erkämpf' ich den blutigen Sieg!
Oft erheb' ich mich so! weit höher, als je der Gedanken
     Flucht, im verwegensten Schwung, mich erhub! –
Wenn dann endlich der Feind geschwächt erlieget dem Sieger,
    Legt sich der Wogen Empörung, der Sturm
Schweigt; und in meines Gewissens errungenen seligen Ruhe
     Find' ich den Quell, den ich ewig gesucht.

*


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