Berthold Auerbach
Das Landhaus am Rhein / Band I
Berthold Auerbach

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Drittes Capitel.

»Wer ist da? Was wollen Sie?« fragte Sonnenkamp, der sich von einer Schicht schwarzer Erde erhob. Ein graues grobleinenes, sackartiges Gewand hüllte ihn vom Halse bis zu den Füßen ein; es war wie ein Züchtlingsgewand.

»Was wollen Sie? Wer sind Sie? Zu wem wollen Sie?« wiederholte er.

»Ich wollte zu Herrn Sonnenkamp.«

»Was wünschen Sie von ihm?«

»Ich möchte mich ihm empfehlen.«

»Ich bin's. – Wer sind Sie?«

»Herr von Prancken hatte die Güte, mich vorgestern bei Ihnen . . . .«

»Ah! Sie sind's?« rief Sonnenkamp tief aufathmend. Er nestelte das Sackgewand ab und sagte gezwungen lächelnd:

»Sie überraschten mich in meinem Arbeitsgewand.«

Er wickelte den Sack in eine Rolle zusammen und warf ihn weit weg, dann fragte er:

»War denn kein Diener in der Nähe? Tragen Sie beständig Uniform?«

Also die Uniform war's, die ihn erschreckte? flog Erich durch den Sinn und wie er den Mann betrachtete, war er sicher, daß dies nicht sein Oheim sein konnte. Das Bild des verschollenen Oheims, das noch in der Studirstube seines Vaters hing, stand deutlich vor ihm; der Oheim war eine schlanke, zierliche Gestalt mit einer besonders auffälligen Adlernase; es war keine Spur von Aehnlichkeit mit der athletischen Erscheinung vor seinen Augen.

»Ich bedaure, Sie gestört zu haben,« nahm Erich das Wort, »und muß um Entschuldigung bitten. Herr Graf von Wolfsgarten, dessen Gastfreund ich war und von dem ich hier einen Brief überbringe, hat mir . . . .«

»Ein Brief vom Grafen Wolfsgarten? Sehr angenehm!« unterbrach Sonnenkamp, den Brief in Empfang nehmend.

Er überflog rasch die Zeilen Clodwigs und murmelte dabei:

»Freue mich sehr – sehr angenehm.«

Vom Blatte aufblickend machte er eine Art Verbeugung gegen Erich, indem er sagte:

»Ein Edelmann – der Edelmann wie er sein soll, der Herr Graf Wolfsgarten. Stehen Sie ebenso in der Gunst der Gräfin Bella?«

Es war ein spöttischer Anflug im Ton dieser Schlußwendung.

Gemessen in Blick und Ton erwiderte Erich:

»Ich erfreue mich der Güte beider Ehegatten in gleicher Weise.«

»Schön – sehr schön,« nahm Sonnenkamp auf. »Doch lassen Sie uns ins Freie gehen. Sind Sie ein Pflanzenkundiger?«

Erich bedauerte, daß er jedes nähere Eingehen auf dieses Gebiet versäumt habe.

Im Freien maß Herr Sonnenkamp nochmals den Ankömmling von Kopf bis Fuß. Erich merkte erst jetzt, daß er, seines militärischen Anzuges ganz vergessend, die Mütze abgezogen hatte. Und wie er nun den musternden Blick wahrnahm, fühlte er doch, was es heißt, in Privatdienst, mit der ganzen Persönlichkeit sich in Botmäßigkeit eines Einzelnen zu geben. Er erkannte, daß er diesem Manne gegenüber gemessene Haltung bewahren müsse.

Sonnenkamp rief sofort einen Diener und befahl, daß man beim Springbrunnen ein Frühstück bereiten solle.

»Sie sind zu Pferde angekommen?«

»Herr Graf Wolfsgarten war so freundlich, mir ein Pferd anzubieten.«

»Sie haben meinen Sohn bereits gesprochen?«

»Ja.«

»Es ist mir lieb, daß Sie in Uniform gekommen,« entgegnete Sonnenkamp.

Als wäre Erich nur ein vornehmer, wohl empfohlener Besuch, zeigte ihm nun Sonnenkamp seine vollständige Sammlung von Eriken, wie sie selten in der Welt angetroffen wird. Er erklärte die feinen Verschiedenheiten und setzte hinzu:

»Ich war da, wo die meisten dieser Eriken herstammen, ich war auf dem Tafelberge am Cap der guten Hoffnung.« Erich bemerkte:

»Es muß schwer sein, die Produkte verschiedener Klima's so zusammenzuhalten.«

»Allerdings. Zumal diese Eriken bedürfen einer mäßigen Temperatur und einer gleichbleibenden Feuchtigkeit. Sie werden schon oft gesehen haben, daß ein Erikenstock mit seinen zarten Blüthen, den man einer Dame für ihren Blumentisch schenkt, nach wenigen Tagen verdorrt ist; diese Pflänzchen vertragen keine trockene Zimmerluft.«

Plötzlich hielt Sonnenkamp inne und lächelte vor sich hin. Der Fremde schien einen alltäglichen Kunstgriff anzuwenden, um angenehm zu erscheinen, indem er den reichen Besitzer in seiner Liebhaberei redselig machte. Mit solch grobem Köder fängt man mich nicht, dachte Sonnenkamp vor sich hin.

Einem so Wohlempfohlenen wollte er jede Ehre des Hauses erweisen. Er freute sich schon im Voraus, den Mann nach allen Seiten hin zu prüfen, ihn im Bewußtsein sicheren Erfolges sich recht ausbreiten zu lassen und dann ohne Angabe eines Grundes abzulehnen.

Alles dies ging Sonnenkamp durch den Sinn, während er die Klinke an der Thüre des Gewächshauses ins Schloß drückte. Die Sache war so fest und abgeschlossen bei ihm, wie diese Thür.

»Sie sprechen doch Englisch?« fragte er, da er seine Frau noch im Wiegenstuhle sah; sie hatte den rothen Shawl abgelegt und saß in goldglänzendem Atlasgewande da.

»Herr Hauptmann, Doctor . . . . bitte, wie ist doch Ihr Name?« fragte Sonnenkamp bei der Vorstellung.

»Dournay.«

Frau Ceres nickte kaum merklich. Als wäre Erich gar nicht da, sagte sie in ärgerlichem Ton zu ihrem Gatten, er habe kein Auge für sie, denn er habe noch kein Wort über ihr neues Kleid gesagt. Sie hielt es vielleicht für vornehm, dem Fremden so ihre Gleichgültigkeit zu beweisen.

In der Ferne zeigte sich Roland, die Mutter winkte ihn heran. Er deutete nach der Thurmspitze. Die Mutter sah hinauf und lächelte; auch der Vater schaute hin und sah das blauweißrothe Sternenbanner der amerikanischen Union auf dem Thurme flattern.

»Wer hat das gethan?« fragte Sonnenkamp.

»Ich,« erwiderte Roland, glückselig lächelnd.

»Und warum?«

Der Knabe wies augenzwinkernd auf Erich. Sonnenkamp nahm die Unterlippe zwischen Daumen und Zeigefinger, machte ein Halbrund daraus und nickte vor sich hin.

Erich fragte den Knaben:

»Du bist wohl stolz darauf, ein Amerikaner zu sein?«

»Ja.«

Fräulein Perini kam, Erich wurde ihr vorgestellt. Sie nahm das Perlmutterkreuz in die linke Hand und hielt es fest, während sie sich sehr ceremoniell verbeugte. Frau Ceres bat sie, mit ihr ins Haus zurückzugehen. Die Damen entfernten sich.


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