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Sechszehntes Capitel.


Die Tage gingen dahin und wurden zu Wochen, der Sommer wich dem Herbst, dessen Purpurflaggen von den Buchen herab den abziehenden Badegästen Abschiedsgrüße zuwinkten. Häringsdorf wurde wieder zum einsamen Fischerdorf und die Wellen der Ostsee bespülten einen verödeten Strand. Hier und da wandelte wohl noch ein verspäteter Gast, hier und da war noch ein Fenster offen geblieben unter den vielen verschlossenen Läden, aber im Allgemeinen war das Leben verhallt oder doch ein anderes geworden.

Auch im Försterhause walteten Fremde. Friedrich mit seiner Familie war fort. Er hatte Wendula noch wiedergesehen, er hatte noch einen herzinnigen Abschied von ihr genommen, sich ihres neuen Glückes gefreut, hatte mit tiefer Herzensfreude Rosettens aufrichtige Hingabe an das ehemals so oft geschmähte Mädchen, ihr Bemühen, ihre ehemalige Unfreundlichkeit gut zu machen, gesehen, hatte das offene Eingeständniß ihres Unrechts gehört und aus beiden eine Hoffnung für das Glück seiner Zukunft geschöpft, denn er sah, wie Rosettens gute Natur siegte, wie sie allen Ernst, alle ihre Kraft zusammennahm, die gemachten traurigen Erfahrungen zu ihrem Heil anzuwenden. Er sah in ihr die Liebe, wirklich tief empfundene und wahrhaft erkannte Liebe siegen über allen Leichtsinn, alle falschen Ansprüche, alle Thorheit und allen Unverstand, und damit schwanden auch die tausendfältigen kindischen Launen, mit denen sie sich und ihn gequält hatte.

Hunderttausendmal hatte ihr Adele schon früher auf ihre Klagen gesagt:

»Es giebt nur ein Radicalmittel gegen all' solches Weh, vor ihm sinkt dahin, was in das Gebiet der Einbildung gehört, an ihm richtet sich auf, was das Mißgeschick des Lebens zu Boden geworfen. Du hast das Mittel und weist es nur eigensinnig von Dir, es ist Liebe und nur Liebe. Gieb nur Dein ganzes Herz hin, halte das seine fest und dann sieh, was die Welt Dir anthun kann.«

.Damals nannte Rosette das überspanntes Gefühl. Jetzt war es ihr zu tiefer Wahrheit geworden, und die Wahrheit machte sie gesund und glücklich, trotz des eben gehabten tiefen Kummers um den Verlust des Kindes, trotz der Reue, die sie empfand, trotz der ausgestandenen Herzensangst, an die sie noch nicht ohne inneres Beben zurückdenken konnte, und trotz der Aussicht auf die polnischen Wälder und deren Einsamkeit.

Es war eine neue Welt, die sie aufnehmen sollte, als neuer Mensch wollte sie in dieselbe einziehen. Friedrich hatte nur eine Besorgniß: er fürchtete Frau Wallner's Einfluß. Freilich war sie scheu geworden, ging nur auf Sammetpfötchen und streichelte nur mit solchen, aber wer Krallen hat, braucht sie gelegentlich, und wer ihren Hieb empfunden, traut dem sammetnen Druck nicht mehr, das ist Alles nur ganz natürlich.

Friedrich dachte schon daran, die Mutter zurückzulassen, für sie zu sorgen, ihr ein bequemes Alter zu verschaffen, aber fern von seiner Häuslichkeit. Er sprach mit Rosetten davon, liebevoll und mild wie seine Art war, aber doch mit tiefem Ernst.

»Sie hat immer zwischen uns gestanden,« sagte er, »und sie ist zu alt, um freiwillig diesen Platz aufzugeben. Soll sie Dich wieder von mir trennen, soll sie gegen uns Beide stehen, die Kinder vielleicht gegen uns hetzen, um die Herrschaft zu behaupten, die sie nicht mehr haben darf und die sie nicht wird lassen wollen? Was steht denn höher, unser häuslicher Friede oder ein scheinbares Aufrechthalten von Gesinnungen, die nicht vorhanden sind?«

Rosette war tief niedergeschlagen, endlich sagte sie: »Ich glaube, es würde der alten Mutter die letzten Tage verbittern, müßte sie sich von mir und den Kindern trennen. Verlange es nicht, Friedrich. Traue mir. Ich weiß jetzt, daß ich Dich lieb habe und was ich thun muß, Allen gerecht zu werden. Sieh,« fuhr sie mit heftigem Erröthen fort, »ich bin eine schlechte Frau und schlechte Mutter gewesen, kann ich's bessern, wenn ich nun auch eine schlechte Tochter werde?«

Da war Friedrich bezwungen und von Frau Wallner's Zurückbleiben nicht mehr die Rede. Glücklicher Weise erwies sich jedoch auch hierbei Adele als hülfreiche Freundin. Sie errieth Friedrich's Bedenken mehr, als daß er sie ihr sagte, und sah so wie er in dem Zusammenbleiben des Ehepaares mit der intriganten und herrschsüchtigen alten Frau eine gefährliche Klippe für dessen neues Glück.

Sie kannte die Fehler Frau Wallner's, sie kannte aber auch deren gute Seiten: ihre Tüchtigkeit und Umsicht, ihre Pünktlichkeit und Ordnung, und hierauf, sowie auch einigermaßen auf die Servilität der Frau bauend, die sie zwar zur Herrschsucht über Untergebene trieb, sie aber unterwürfig gegen Höherstehende machte, beschloß sie, den Versuch zu wagen, von den guten Eigenschaften der Frau zu profitiren und ihr das Feld zu verschließen, auf dem sie ihre üblen ausüben könne. Sie machte ihr den Vorschlag, die Stelle einer Wirthschafterin bei ihr anzunehmen. Sie verhieß ihr ein annehmbares Gehalt und eine hinlängliche Zahl dienstbarer Geister, um sie vor zu großer Anstrengung zu bewahren, und eröffnete ihr die Aussicht, bei der Nähe der Försterei ihre Kinder wenigstens alle Sonntage sehen zu können. Sie wußte die Vortheile der neuen Stellung nach allen Seiten hin zu schildern, wußte es der Alten klar zu machen, wie viel unabhängiger sie selbst ihren Kindern gegenüberstehen und wie viel besser für beide Theile diese gegenseitige Unabhängigkeit sein würde, sie wußte so liebenswürdig und freundlich den Wunsch auszudrücken, Frau Wallner möge ihrer eigenen landwirthschaftlichen Unerfahrenheit zu Hülfe kommen, und hielt dabei doch so sicher den überlegenen Ton der Herrin fest, daß die alte Frau hingerissen war von ihrer Anmuth und doch die Schranke sah, die zwischen ihnen Beiden bestand, daß sie ihre eigene Wichtigkeit zugleich mit ihrer untergeordneten Stellung herausfühlte, aber wie immer, schnell für alles Neue gewonnen, sich auch hier gleich für den Vorschlag begeisterte und um so lieber in denselben einwilligte, als sie ja deutlich fühlte, wie sie im Hause ihres Schwiegersohnes Grund und Boden verloren habe.

Adele hatte die volle Genugthuung, durch ihren Vorschlag die letzte Wolke vom Horizont zweier ihr lieber Menschen verscheucht und die Zuversicht zu ihrem künftigen Glück verstärkt zu haben.

Wir hoffen, daß ihre freundliche Absicht ihr gelungen, daß in der Wildniß, die zu cultiviren Friedrich's Geschick ihn berief, sein Lied wieder so fröhlich ertönt, wie einst an dem duftigen Buchenwald am Ostseestrand, daß Rosette dauernd erkannt hat, wie das Glück nicht in der Welt, nicht im Wechsel, im Geräusch, in der Eitelkeit derselben, sondern nur im Herzen zu finden ist und von dort seine Strahlen wirft, gleichviel ob über eine Wüste und Wildniß, oder über blumengeschmückte Fluren.

Wir nehmen mit einem »Gott befohlen!« von ihnen Abschied, der Verlauf unserer Erzählung führt nicht in die polnischen Wälder, führt vorläufig nach Breslau. –

 

Das schwere Werk war vollbracht, die Verwirrung gelöst, die Verhältnisse lagen klar vor den Augen der Betheiligten. Es war viel zu thun gewesen, ja, im ersten Augenblick sah es fast hoffnungslos aus, denn es fehlte überall der leitende Faden.

Richter und Georg fanden bei ihrer Ankunft in Breslau die größte Verwirrung und Bestürzung vor.

Jakobi hatte sich entfernt. Ein an Frau Artefeld zurückgelassener Brief, den Georg unbedenklich erbrach, theilte dieser in einer sonderbaren Mischung von Bedauern und hochfahrendem Wesen mit, daß er, Jakobi, sich genöthigt sehe, sich selbst Recht zu schaffen, da Frau Artefeld's völlige Unfähigkeit, sich selbst zu helfen, und der Dünkel, mit dem sie jede Hülfe und jeden guten Rath zurückweise, ihn zu einer scheinbar unehrenhaften Handlung zwinge. Er schwor hoch und theuer, nicht mehr aus der Kasse genommen zu haben, als von seinem Eigenthum bei dem unvermeidlichen Bankerott auf dem Spiel stehe; das zu thun, habe er ein Recht, und es geschehe aus Pflichtgefühl für seine Frau und Kinder. Er berief sich darauf, in welcher aufopfernden Weise er bereit gewesen, seiner Prinzipalin in Allem zur Seite zu stehen, und daß nur der Hochmuth, mit dem sie ihn zurückgewiesen, ihn zu der Selbsthülfe getrieben hätte. Er gab sogar jetzt noch Rathschläge, die ganz klug und vernünftig waren und nach Richter's Ausspruch wohl zu einem Leitfaden dienen konnten, und fügte dann höchst naiv an: er habe unmöglich abwarten können, ob Frau Artefeld sie befolgen würde, was ihm auch sehr zweifelhaft erscheine, da sie ihr ganzes Leben hindurch nie die Vernunft anerkannt, die aus einem andern Quell geflossen sei, als aus dem eigenen Kopf, daß er sich also nicht habe dem Schicksal aussetzen können, mit in den Schiffbruch hineingerissen zu werden, wo es ihm nur einen Schritt kostete, an's Ufer zu kommen. Der Schritt sehe unehrlich und undankbar aus, sei es aber der That nach nicht, und er rechne also auch darauf, daß Frau Artefeld ihm nicht die Ungerechtigkeit zufügen werde, ihn etwa gerichtlich verfolgen zu lassen, was ihr gar keinen Vortheil, sondern höchstens den Nachtheil bringen könne, den Leuten die Augen über die geringe Fähigkeit einer Frau, an der Spitze eines solchen Geschäftes zu stehen, zu öffnen &c.

So ungefähr lautete dies Gemisch von spitzbübischer Ehrlichkeit, frechem Zutrauen und unverschämter Offenherzigkeit. Schweigend verbrannte Georg den Brief und abstrahirte von jeder Verfolgung des Flüchtigen. Er und Herr Richter widmeten sich nun mit angestrengter Thätigkeit der Entwirrung der Angelegenheit. Sie studirten Rechnungen und Briefe, sie setzten sich mit den Senioren der Kaufmannschaft in Verbindung und trafen hier überall, zu Georg's unsaglicher Freude, auf so viel Achtung vor der lange Zeit in Ehren bestehenden Firma, so viel Anerkennung des unantastbar rechtlichen Charakters seiner Mutter und auf so viel Bereitwilligkeit, ihm helfend zur Seite zu stehen, daß sein erster Bericht an die Mutter schon die sichere Hoffnung enthielt, doch so viel Grund und Boden zu gewinnen, um das Geschäft, wenn auch in veränderter Weise, fortführen zu können. Er behielt die Hoffnung und handelte darnach, obgleich sie ihm schrieb:

»Ich wiederhole noch einmal, thue was Du willst, aber das halte fest, daß Du es nur für Dich thust.«

Vielleicht war es für Georg und seine künftige Bestimmung als Kaufmann, falls er diese festhielt, sehr heilsam, gleich in dies Chaos hineingeschleudert zu werden. Er lernte mehr davon, als in Jahren eines ruhigen Geschäftsganges zu lernen war, und was vielleicht noch mehr werth, er lernte Freunde kennen, da wo er sie vielleicht nie vermuthet oder gesucht haben würde. Er fand den Credit des Hauses durchaus nicht so tief erschüttert, als es anfänglich den Anschein hatte. Durch den schnellen Verkauf des Gutes, den Jakobi schon angebahnt hatte, wurden Capitalien flüssig, um den dringendsten Anforderungen genügen zu können, und das rettete zugleich das allgemeine Zutrauen. Mancher zog seine Forderung zurück, Mancher bot sogar auf's Neue Credit an, der jedoch auf Herrn Richter's Veranlassung nur auf's sparsamste benutzt wurde.

Mit unsaglicher Freude sah Georg einen Nebel nach dem andern sinken und den Tag anbrechen. Schien auch sein erstes dämmerndes Licht auf eine vernichtete Ernte herab, so war das Feld doch gerettet, das auf's Neue bebaut werden sollte, und im Vollgefühl jugendlicher Kraft und jugendlichen Muthes legte er die Hand an den Pflug.

 

So viel Aufsehen auch die kritische Lage des Hauses Artefeld in Breslau gemacht, so viel Gerede sie hervorgerufen und so wenig es auch dabei an höhnischen Bemerkungen und mitleidig sein sollenden Aeußerungen gefehlt hatte, so war doch vielleicht Keiner mit so regem Interesse der Angelegenheit gefolgt als Herr Wagner.

Wie wenig er sich auch je über den Charakter der Frau Artefeld getäuscht und wie scharf er auch oft ihre Handlungsweise kritisirt hatte, jetzt, wo das Unglück sie bedrohte, hörte jede Kritik auf und es blieb nur die Anhänglichkeit, die von selbst aus einem so langjährigen Verkehr emporwächst.

Sein Interesse und seine Theilnahme stieg, als er durch Herrn Richter alle die Vorgänge in Häringsdorf erfuhr, ebenso wie seine Zuneigung zu Georg in dem Maße wuchs, als jener sich nach seinem Sinn benommen hatte.

Dabei gab es manchen innerlichen Conflict für den alten Mann durchzukämpfen. Er wußte, wie der Stolz der Frau Artefeld durch den Sturz des Hauses leiden mußte, und bedauerte sie deshalb, er fand es sehr schwer für die verwöhnte Frau, nun vielleicht der Dürftigkeit preisgegeben zu werden, und hatte volles Verständniß dafür, er sah Georg's Eifer und Bemühen, das wankende Gebäude zu stützen, und mußte ihm Erfolg wünschen, und dennoch stand ein Gedanke dem Allen entgegen, der Gedanke: der Himmel ließ ihn zu anderen Dingen geboren werden, und unter den Contobüchern des Hauses ging ein Genie verloren, an dem die Engel im Himmel und die Menschen auf Erden, und vor Allem er, sich hätten erfreuen können, wäre man nicht so engherzig und harthörig und eigenmächtig gewesen, des Himmels sichtbaren Wink nicht verstehen zu wollen.

Seiner Meinung nach war dies Ereigniß, das aller früheren Berechnungen spottete, nichts als ein abermaliger Ruf des Himmels, als eine Mahnung für Georg, als eine Zurückweisung des einst von diesem gebrachten Opfers kindlicher Liebe.

Es gab zahllose Momente, in denen in dem alten Manne der Künstler und Musikenthusiast über die Empfindungen des Menschen und Freundes siegte, in denen er hoffte, das Haus würde zu Grunde gehen und Georg zur Violine greifen, sich ein Haus in den Wolken und eine Hütte auf Erden zu erbauen. Er züchtigte sich selbst mit einem: »Pfui, alter Narr!« für diese Träume und träumte sie doch auf's Neue, schweigend und in zitternder Spannung des Ausganges der Angelegenheit harrend.

 

So saß er in Gedanken daran verloren einmal wieder in seinem Zimmer, als die Thür plötzlich hastig aufgerissen wurde und sein erstaunter Blick auf eine junge Dame fiel, die, lächelnd und erröthend und mit tausend Strahlen des Muthwillens und des Glückes in den glänzenden jungen Augen, halb zögernd, halb vorwärts gedrängt eintrat.

»Verzeihen Sie,« sagte sie, »aber Victor will es so, und ich stehe sehr unter dem Pantoffel.«

»Ja, er will es so,« wiederholte eine kräftige und doch im Gefühl überwältigender Freude leicht bebende Stimme; »denn sieht es undankbar und rücksichtslos aus, daß ich mir eine Frau genommen habe, ohne es meinem besten Freunde, meinem Lehrer und Vater vorher zu sagen, so kann ich mir doch nur dadurch seine gerechten Vorwürfe ersparen, daß ich ihm meine Frau gleich mitbringe und so die Vorwürfe in Gratulationen verwandle.«

»So, das frägt sich noch sehr,« brummte der alte Mann, »das heißt, Dir gratuliren werde ich wohl, ob aber ihr? – Ja, nun soll's durch Küsse und Umarmungen gutgemacht werden, daß Du mir so mit der Thür in's Haus fällst,« brummte er weiter, ohne sich jedoch der geschmähten Umarmung zu entziehen, »mir so das erste beste junge Dämchen herzubringen, kein Wort vorher zu sagen. Wenn sie mir nun ganz und gar nicht gefällt, wirst Du Dich scheiden lassen, he? Aber kommen Sie, Kind, kommen Sie,« unterbrach er sich, nahm die junge Frau bei der Hand, trat mit ihr an's Fenster und sah sie eine Weile forschend an.

Mit offenem Zutrauen erwiderte sie den Blick und hielt die Prüfung lächelnd aus. Seine Augen wurden immer freundlicher. Plötzlich sich zu Victor wendend, sagte er:

»Ist sie musikalisch? Das heißt, ich meine nicht, ob sie selbst klimpert, denn das ist bei jungen Damen selten weit her, ich meine, liebt sie Musik und liebt sie in Dir auch den Musikus? Weiß sie, begreift sie, daß Du ein Künstler bist?«

»Ja, das weiß ich,« entgegnete Flora anstatt des Gefragten, halb gerührt, halb belustigt, und nahm unwillkürlich eine feierliche Miene an, wie ja aus einem Gemisch von Freude und Rührung leicht eine feierliche Stimmung hervorgeht.

»Nun gut, Kind,« setzte Wagner sein Examen fort, »wenn er nun aber blos Eins sein könnte, Ihr Mann oder ein Künstler, was würden Sie aufgeben?«

»Den Künstler natürlich!« rief Flora, ohne sich zu besinnen; »ich will nie mehr einen Ton aus seiner Geige hören, wenn ich nicht aus demselben heraushören kann, daß er mich liebt.«

Herr Wagner lachte beifällig.

»Recht so, jetzt gratulire ich Dir, Victor,« sagte er zu diesem. »Gottlob, sie spricht nicht, wie man es ihr in den Mund legt, sondern so wie sie ist. Du wirst glücklich mit ihr werden. Nun sorge nur immer, daß Deine Geige ihr das gewünschte Lied vorsingt, damit es ihr nie an Sympathie für den Künstler fehlt. Aber wer ist sie denn eigentlich?« unterbrach er sich plötzlich. »Dummer Junge, das hast Du mir noch nicht einmal gesagt. Wer ist sie und wo hast Du sie hergeholt? Vom Mond ist sie doch nicht heruntergefallen. Wie eine Mondscheinprinzeß sieht sie wenigstens nicht aus!«

»Ehe sie meinen königlichen Namen mit dem ihren vertauschte, hieß sie Flora Eisenhart; sie ist Frau Artefeld's Enkelin, Elisabeth's Tochter,« erklärte Victor, »und wie wir zusammen kamen, das will ich Ihnen jetzt erzählen.«

Und nun erzählten sie Beide, Victor und Flora abwechselnd, unter Lachen und Rührung die Geschichte ihrer Liebe, die Mißverständnisse derselben, die Trennung, das unvermuthete Wiederfinden in Häringsdorf. Es war eine heitere Geschichte, so weit dieselbe sie Beide betraf, und sie ließ sich ganz so an, als würde sie auch heiter bleiben bis an's Ende.

Herr Wagner war auf's höchste überrascht. Victor's Anwesenheit in Häringsdorf hatte er gewußt, auch durch Georg erfahren, daß er bei dessen Mutter in Putbus zurückgeblieben, aber über Flora's dortige Anwesenheit, über sein Verhältniß zu dem Mädchen hatte jener zu schweigen gelobt.

Victor hatte schon damals seine Pläne gemacht. Seine Ferienzeit ging zu Ende. Wie auf der Herreise von Wien hatte er auch auf der Rückreise Herrn Wagner einen Besuch abzustatten beschlossen.

Der Gedanke an die nahe Trennung von Flora erweckte in natürlichster Weise die Frage, ob sie denn überhaupt nöthig, ob es nicht am angemessensten sei, sie jetzt gleich zu heirathen und mit in seine Heimath zu nehmen. Es schien ihm in keiner Weise ein Eingriff in Frau Artefeld's Eigenthumsrechte, wenn er ihr Flora schon jetzt entriß, ja, er glaubte ihr eher wohl als weh damit zu thun.

Es läßt sich nichts in der Welt vielleicht so schwer nachholen, als versäumte Liebe, besonders in dem Fall, wo nie das Verlangen nach ihr überwiegendes Herzensbedürfniß war.

Frau Artefeld athmete sichtlich gedrückt, fast beängstigt unter den neu aufgetauchten Ansprüchen an ihr Herz. Sie hatte dasselbe so voll von bitteren Erinnerungen, daß sie es nur halb gezwungen beglückenden Gefühlen öffnete. Sie war innerlich so gedemüthigt durch ihre Niederlage, und brauchte so viel äußeren Stolz es zu verbergen, daß es schwer war, warm an sie heranzutreten, und nur selten genügenden Lohn fand.

Victor meinte, es sei vollständig gerechtfertigt, sie jetzt schon um Flora's Hand, ja um ihre Einwilligung in eine unverzügliche Heirath zu bitten.

»Bitte sie darum, wenn Du meinst, daß man ihr diese Rücksicht schuldig ist,« sagte Flora, »übrigens bin ich frei und unabhängig, und sollte sie das vergessen und Dir Deine Bitte verweigern, so heirathe ich Dich doch.«

Frau Artefeld verweigerte aber die Einwilligung nicht. Freilich stutzte sie einen Augenblick, freilich kam ihr die Bitte überraschend, denn ihr ganzes Leben hindurch in das Studium der Geschichte des Handels vertieft, hatte sie nicht Zeit gehabt, das des Herzens nebenbei zu treiben und alle die kleinen Zeichen verstehen zu lernen, in denen es seine süßen Geheimnisse dem Eingeweihten verräth.

Flora hätte beinah gelacht über die Unerfahrenheit der alten Frau, die, auf das Mädchen deutend, Victor erstaunt fragte:

»Will sie Dich denn heirathen, hat sie Dich denn lieb? Wenn sie will, warum fragst Du mich da erst?« fuhr sie dann fort. »Ich mische mich in nichts mehr. Flora ist nicht mehr die Erbin, von deren Hand die Entscheidung meines Schicksals abhängt, und ich bin nicht mehr Oberhaupt der Familie, das, als solches, über die Hand zu verfügen hätte. Wo ein Haus einstürzt, haben Ratten und Mäuse freies Spiel. Heirathet Euch in Gottes Namen! Ich habe freilich nicht geglaubt, in Dir einen Verwandten zu erziehen,« bemerkte sie gegen Victor.

»Und doch,« unterbrach sie jener, »haben Sie mich wie einen solchen behandelt, und lange, ehe ich Sohnesrechte in Anspruch zu nehmen wagte, genoß ich alle Vortheile einer solchen Stellung.«

Ein Schimmer von Freundlichkeit, der über Frau Artefeld's strenges Antlitz zog, war die Folge dieser ehrfurchtsvollen, kindlichen Antwort. Es that ihrem verletzten Herzen sichtlich wohl, hier einer Regung der Dankbarkeit zu begegnen; sie wies es nicht mehr in so schroffer Weise zurück, als Victor auch für seine ferneren Absichten ihren Rath, ihre Einwilligung in Anspruch nahm, und sein Wunsch, seine Verbindung mit Flora nicht länger aufzuschieben, als die damit verbundenen Formalitäten es durchaus nöthig machten, stieß auf kein von Frau Artefeld ihm entgegengestelltes Hinderniß.

So fand die Trauung natürlich nur im engsten Familienkreise statt, und unmittelbar nach derselben trat Victor mit seiner jungen Frau die Heimreise an.

»Ich wollte Ihnen Unruhe und Aufregung ersparen,« schloß Victor seinen Bericht, »die Wendung meines Schicksals kam auch so rasch, die Ereignisse drängten zu einem schnellen Entschluß, und so faßte ich ihn und führte ihn aus, ohne den Rath und Beistand meines väterlichen Freundes, ja, ohne ihm nur eine Mittheilung darüber zu machen. Daß Sie mir nicht entgegenstehen würden, wußte ich, Sie haben mir immer freie Hand gelassen, wo es galt, einen neuen Lebensweg einzuschlagen. Ihrer Erziehung, Ihrem Beispiel verdanke ich die Fähigkeit selbstständiger Auffassung, unbeirrten Handelns, danke ich es, daß ich ein Mann geworden bin –«

»Halt, halt!« unterbrach ihn Wagner lachend, »nicht zu sehr die Früchte meiner Erziehung herausgestrichen, es lauert nichts als Selbstlob dahinter, denn wenn Du auch zehnmal sagst, ich habe Dich zu einem so vortrefflichen, schnell und weise handelnden Menschen gemacht, so fällt doch die Hauptsumme der Anerkennung auf Dich selbst, ebenso wie der Hauptlohn dieser schnellen Erleuchtung und energischen Handlungsweise, und ich bekomme höchstens die landesüblichen Zinsen.

Wenn Du aber mit den Früchten meiner Erziehung auch auf's äußerste zufrieden bist, ich bin es noch lange nicht und sage, Du bist ein Schlingel gewesen und bist es noch, so hinter meinem Rücken zu heirathen. Aber weil Du zugleich ein glücklicher Schlingel bist und der Glückliche immer recht hat, so mag's drum sein, so wollen wir die Ehe anerkennen, Deine Frau Tochter und Du nennen und sie segnen und küssen, und Euch Beide der Obhut des Himmels und all' den wechselnden Witterungsverhältnissen an demselben getrost anempfehlen.

 

Fast nicht weniger als Herr Wagner waren Georg und Herr Richter von der rasch ausgeführten Heirath Victor's und seinem plötzlichen Erscheinen in Breslau überrascht.

Sie hatten freilich Beide von seiner Liebe gewußt, aber keineswegs an ein so nahes Ziel derselben gedacht, hatten überhaupt kaum etwas Anderes gedacht, als was unmittelbar mit ihren augenblicklichen Geschäften zusammenhing.

Sie saßen Beide in ernster Berathung bei einander, als Herrn Wagner's und des glücklichen jungen Paares Besuch sie in überraschender Weise darin unterbrach.

»Gottlob, die Sonne geht wieder auf im Hause,« sagte Georg, nachdem der erste Freudenrausch, die ersten Begrüßungen vorüber waren. »Eure glücklichen Gesichter geben mir Bürgschaft, daß sich auf's Neue wird hier eine Stätte des Glückes gründen lassen.«

Richter schüttelte leicht mit dem Kopf.

»Auf's Neue?« wiederholte er ganz leise. Georg hatte es dennoch gehört. »Nun gut,« sagte er, »wenn Du meinst, es war hier noch nicht heimisch, o so reizt es mich doppelt, es von Grund aus zu schaffen und der Mutter für den fehlenden Glanz das entbehrte Glück zu bieten.«

Er theilte nun den angekommenen Freunden mit, um was es sich handle.

Die Geschäfte waren zum Abschluß gekommen, mit den Gläubigern hatte man sich verständigt, der gute Ruf der Firma war erhalten, die Möglichkeit der ferneren Existenz gesichert, wenn auch allerdings für's Erste nicht in dem gewohnten großartigen Maßstabe. Uebernahm Georg die Leitung des Ganzen, so stand er nicht viel anders als ein Anfänger da, der durch strenge Sparsamkeit und eifrige Arbeit den ungünstigen Chancen zu Hülfe kommen mußte, der ein um so schwereres Werk übernahm, als er weder viel Erfahrungen für sich hatte, noch durch seine Erziehung gründlich genug vorbereitet war, da Frau Artefeld allerdings immer viel von seinem Beruf gesprochen, aber unter den Vorbereitungen dazu nichts Anderes verstanden hatte, als ihn zu einem blinden Werkzeug ihres Willens heranzuziehen.

Georg unterschätzte die Schwierigkeiten, die sich ihm entgegenstellten, nicht, war aber entschlossen, ihnen zu trotzen.

Richter redete dringend von dem Wagniß ab. Er wollte, da die Firma aufgelöst, daß Georg mit den ihm bleibenden Mitteln als Compagnon in sein Geschäft eintrete, daß ihm so erst Gelegenheit geboten würde, wirklich zu lernen, ehe er in so schwierigen Verhältnissen allein die Verantwortung für seine Handlungen übernähme. Er war naiv genug, zu glauben, Frau Artefeld sei von ihren früheren überspannten Ansprüchen an die Bedeutsamkeit ihres Namens zurückgekommen, ihr Herz sei bezwungen, verwandtschaftliche Gefühle in dasselbe eingekehrt, und so werde ihr die Verbindung ihres Sohnes mit dem bisher mißachteten Schwiegersohn nicht mehr anstößig sein, ja, sie sich vielleicht sehnen, Letzterem für die frühere ungerechte Herabsetzung diese Genugthuung zu geben. Auf diese Voraussetzung, auf diesen guten Glauben gründete er seine Rathschläge und ließ sein Herz gewähren, das nichts sehnlicher wünschte, als eine annehmbare Form für die Hülfe zu finden, die er seinem jungen Schwager zu leisten so unsaglich gern bereit war.

»Willst Du im Ernst Kaufmann bleiben?« fragte Victor erstaunt.

»Ich will es erst werden,« sagte Georg lächelnd.

»Du bist ein Thor!« fuhr Victor fort, »Du stehst jetzt frei da, benutze Deine Freiheit zu dem, was Dich glücklich macht.«

»Das will ich auch,« entgegnete Georg, »es macht mich aber glücklich, der Mutter wenigstens eine Täuschung zu ersparen. Ich will das werden, wozu sie mich erzogen hat.«

»Sie wird es Dir nicht danken,« behauptete Victor.

»Sie wird es aber mit Genugthuung empfinden, wenn die Firma besteht, das ist Dank genug,« versetzte Georg.

»Sie kann und soll ja bestehen,« unterbrach ihn Richter, »aber es ist doch gleich, ob hier, ob in Elbing, und Du verurtheilst Dich zu einer Mühe und Arbeit, die Dich in den schönsten Jahren Deines Lebens zum Lastthier machen wird.«

»Ich bin jetzt jung, und wenn das Alter kommt, werde ich es leichter haben,« entgegnete Georg.

»Wünscht die Großmutter, daß Du hier bleibst und daß Du die Handlung fortführst?« fragte Flora, »ich denke, sie sagte das Gegentheil.«

»Es giebt auch unausgesprochene, es giebt selbst verleugnete Wünsche,« entgegnete Georg, »wozu ist denn die Liebe, wenn sie uns nicht hilft, sie zu errathen und zu erfüllen?«

»Du entscheidest für Dein Leben,« warnte Victor, »opfere es nicht einer hoffnungslosen Sache. Du wirst Dich hier nicht behaupten können.«

»Das sag' ich auch, darum soll er nach Elbing,« fuhr Richter fort.

»Du sollst nicht hier bleiben und sollst nicht nach Elbing,« unterbrach da Herr Wagner auf einmal die Redenden, stellte sich vor Georg hin und sah ihn so ernst und fest an, als müsse er ihm in die Seele schauen, als gälten seine Worte den tiefsten, verborgensten Gefühlen derselben. »Du sollst das werden, wozu Dich Gott in seiner Güte bestimmt hat und dem die albernen Menschen in ihrem Wahn Dich entreißen wollen. Hast Du die Kunst vergessen, Junge, und Deine Violine?«

»Sie ist ja längst verbrannt,« lächelte Georg.

»Als ob's nur die eine auf der Welt gäbe,« brummte Wagner. »Weißt Du,« fuhr er fort, »weißt Du, was an dem Abend geschah, als Du den heroischen Narrenstreich begingst? Nun gut, als ich an dem Abend nach Hause kam, schrieb ich in mein Notizbuch: Morgenden Tages ein Codicill meinem Testament hinzuzufügen, Victor, meinen Universalerben, eines Stückes meiner Hinterlassenschaft zu berauben, meine Violine dem jungen Laffen zu vermachen und allen Segen dazu, all' das Glück und die Seligkeit, den Trost und die Freude, die sie mir ein langes Leben hindurch gewährt hat.

Siehst Du, das that ich, und die Violine ist Dir zugeschrieben, nun sollst Du mich aber schon bei lebendigem Leibe beerben. Ich spiele nicht mehr, seit ich fühle, daß mir der Bogen in der Hand zittert. Soll ich das arme Ding, das immer nur jugendfrische Lieder gesungen, zwingen, der Altersschwäche zu dienen und Grablieder anzustimmen? Nein, davor behüte mich Gott! Sie schlummert nun bei mir im Kasten, und da ich sie doch nicht zu ihrem früheren Leben wecken kann, ließ ich sie schlummern, und mein Tod sollte ihre Auferstehung sein. Es ist besser für uns Beide, sie ersteht schon jetzt von dem Scheintode. Nein, nein, mache keine Einwendung,« fuhr er lebhafter fort, als er sah, daß Georg ihn unterbrechen wollte, »ich weiß, was Du sagen willst, Du willst von verlorenen Jahren, von nicht nachzuholender Versäumniß sprechen, dummes Zeug! Mein Junge, Du bist noch jung genug, um von Neuem anzufangen.«

»Herr Wagner hat recht,« sagte Victor, »laß den Kaufmann fahren, suche in der Musik Dein Heil, die edle Kunst gleicht alle Dissonanzen des Lebens aus. Es ist nicht zu spät, zu ihr zurückzukehren. Heirathe Wendula und begleite mich, ich stelle Dich vorläufig in meiner Capelle an –«

»Und die Mutter?« unterbrach ihn Georg, »nein, nein, macht mich nicht irre, meine Freunde, und meint Ihr es gut mit mir, so laßt mich meinen Weg gehen. Ich meine, ich kann und darf nichts Anderes thun, als was sie ihr Leben lang gewollt hat, und ist das Schicksal im Augenblick mächtiger als sie, dem Sohn ziemt es nicht, sich auf die Seite des Stärkeren zu stellen.«

»Das Schicksal ist Gott,« sagte Herr Wagner feierlich, »willst Du wider ihn auftreten?«

»Neben der Geschlagenen ausharren, die Gebeugte aufheben, ist keine Handlung wider Gott,« entgegnete Georg sehr ernst. »Es ist auch keine Handlung wider ihn, wenn wir gegen das Mißgeschick kämpfen und ihm abgewinnen, was zu retten ist. Auf einem strandenden Schiff läßt man sich auch nicht geduldig von den Wellen über Bord spülen. Man kämpft um sein Gut und sein Leben, und in dem Kampf liegt kein Auflehnen gegen Gottes Willen. Auch wird der, der sein Schiff verloren gehen sah, nicht deshalb die Meeresfahrt abschwören. Ich darf es auch nicht, und legt die Mutter das Steuer aus der Hand, weil sie schwach und gebrochen ist, so erheischt meine Pflicht, es an ihrer Stelle zu führen, denn jede Planke des Schiffes ist ihr theuer, und das Wort, das meine Entsagung ausspricht, unterschreibt zugleich ihr Todesurtheil. Verlange es Keiner von mir, daß ich es vollstrecke.«

Tiefes Schweigen folgte Georg's Worten. Es wagte Keiner mehr zu widersprechen, Keiner, seinen Entschluß zu bekämpfen. Mit großen Schritten ging Herr Wagner im Zimmer auf und ab. Endlich trat er vor Georg hin.

»Die Violine schicke ich Dir aber doch, mein Junge,« sagte er leise, »Du kannst nicht den ganzen Tag schreiben und rechnen oder mit Deiner Frau schwatzen. Es wird Dich auch manchmal etwas drücken, was Du ihr nicht wirst sagen wollen, Du wirst nicht jeden kleinen Schatten auf ihren Weg werfen, denn die Weiber sehen gleich Gespenster im Dunkeln. Die Violine ist nicht so. Es ist eine Fülle von Frohsinn und Lebenslust in dem kleinen verzauberten Dinge und eine tief fühlende, verständnißvolle Seele. Sie hat nicht Launen, ist nicht heut redselig und morgen stumm, gehen wir mit Zutrauen an sie heran, so finden wir immer in ihr, was wir suchen. Ich habe sie erprobt und kann sie empfehlen. Du nimmst sie an und wirst sie auch wieder spielen?«

Georg reichte dem alten Manne gerührt die Hand.

»Sie wird Dich nicht vom Wege verlocken, Du bist fest,« fuhr Herr Wagner fort, »aber sie wird Dir den Weg erleuchten, und das thut auch dem glücklichsten Menschen im Leben noth. Ich weiß nicht, wie die Leute auskommen, die weder Musik treiben noch sie lieben. Nun, nun, es ist gut, danke mir nicht, es ist keines Dankes werth,« so schnitt er Georg jede Entgegnung ab. »Willst Du mir aber eine Freude machen, nun, so schicke mir an meinem Begräbnißtage einen schönen Gruß da mit meiner Freundin nach. Laß sie mir zu Ehren ein Lied singen, in's Grab wird's nicht tönen, aber dort oben hinauf, und da werde ich's hören und Rebellion unter den Engeln anstiften, daß sie wild werden sollen über den gottlosen Künstler und getreuen Sohn, der die Sterne wegwirft und Thranlampen anzündet, seiner Mutter zu Liebe.«


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