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Nachspiel.

(Der Himmel wird sternenklar. Aus dem Boden empor erhebt sich leuchtend die Irmen- oder Herrmanns-Säule. Von den Bergen herab kommen im Sturme Herrmann, der Stammvater, und seine Frau Thusnelda. Die drey besiegten römischen Legionen dienen ihnen auf den Knien. Als sich Herrmann der Säule nähert, fängt sie an von innen hell zu leuchten und man sieht Alles klar umher.)

Thusnelda.

Herrmann, heute umstehen uns wieder wie damahls die Sterne,
Als des Winnebachs Fluchen, geröthet vom Blute des Kampfes
Dreyer unsterblicher Tage, den Sieger kühlend umfingen,
Spülten der Fliehenden blutigen Staub vom schimmernden Leibe;
Nur der Sterbenden Seufzen durchtönte die Feyer der Sterne.

St. Herrmann.

Schön war die Nacht, und leichter umschwebten mich frischende Lüfte,
Froher umschien mich die Fluch und froher die festliche Erde;
Unser war sie geworden mit unserm Blute geweihet,
Sicher war nun die Liebe nicht Ketten zu tragen vom Feinde,
Und du empfingest mit Liebe das erste der Kinder.

Thusnelda.

Aber die Alten segneten nicht den Erstling der Liebe!

St. Herrmann.

Denn sie wollten, ich sollte nicht ruhen vom Kampfe,
Sondern die flüchtigen Wölfe erschlagen, daß keiner
Komme zum sicheren Neste, unbegraben den Vögeln
Diene zur lockenden Speise. Sie nur kennen das Beste,
Doch sie enthüllen sich uns wie der Himmel mit einzelnen Blicken,
Ewige Klarheit wohnet nur dort bey ihnen im Kreise.

(Er zeigt zu den Sternen hin.)

Thusnelda.

Und wir säumen noch immer, uns aufzuschwingen zur Höhe.

St. Herrmann.

Heute, Thusnelda, ist uns bestimmet Erhöhung zu Sternen,
Wo durch ein Mädchen, so lieb, und so klar, und so rein wie die Sonne,
Endet in Liebe das Haus der fluchbelasteten Kinder.

Thusnelda.

Wohl uns, es steigen zwey leuchtende Scharten aus dämmernder Höhle.

(Freya steiget am Arme des Vaters Odin aus der Höhle, sie hat ein neugebornes Kind im Arme, Odin sinkt ermattet an der Irmensäule hin und scheint einzuschlafen; sie scheint aus einem frohen Traume zu erwachen, und begrüßend singt sie.)

Freya.

Wunderbar fühle ich frey durch alle Räume mich fließen,
Alles scheine ich mir, und Alles durchdringend wie Wärme,
Ewig spiegle ich mich im hellen Auge des Knaben,
Heller spiegeln sich Sterne im neugeborenen Auge,
Harrend sehe ich noch auf jene gewaltigen Ahnen,
Daß sie die Worte des Schicksals sprechen im ewigen Sinne.

St. Herrmann.

Tochter, schaffe zerstörend die ewigen Reihen,
Die den gewaltigen Tanz vollbringen zum Kreise des Himmels.

Thusnelda.

Tochter, gebe den Keimen das ewige Streben zum Himmel,
Liebe heißt du dem Menschen, der Mensch heißt Liebling den Himmel.

St. Herrmann.

Was ihm die Alten versagen, schaffe ihm schmeichelnd vom Kinde,
Schiffe durch Fluchen mit ihm und durch dich gelinge ihm Alles.

Thusnelda.

Jetzt entschwindest du älteren Fesseln und neue
Bildest du, Alles im wechselnden Spiele von Morgen nach Abend.

St. Herrmann.

Morgenlicht scheinet dir heller, doch heller ist Mittags die Sonne,
Traue den Alten, Vertrauen führte dich leuchtend durch's Dunkel.

(Stammvater Herrmann und Thusnelda küssen Freya auf die Stirne, schweben drey Mahl mit ihren Sklaven um die Irmensäule und um den schlafenden Odin herum, küssen auch ihm die Stirne; dann erheben sie sich und erscheinen in der Höhe als zwey helle Sterne, während um sie her die dienenden Schaaren in einen leuchtenden Streifen sich verlieren. Freya scheint in sich zu verbrennen, wie eine brennende Quelle dehnt sie sich, auf und nieder flammend, über die Erde aus und ihre Gestalt schimmert nur leicht hindurch, und wie die Flammen auf und nieder wehen, so singt sie abgebrochen die folgenden Verse, und das Kind singt sie leise nach.)

Freya.

1.

Durch die Welten strahlt mein Licht,
Scheint in jedem Auge wieder,
Und ihr fühlt und seht mich nicht
Ewig flammend auf und nieder.

2.

Ueber Berge siehst du Glanz,
Wenn die Abendsonne sinket,
Und der Wälder grüner Kranz
Mit den Wechselfarben winket.

3.

Heller ist des Lichtes Licht,
Wüsten scheinen in ihm Eden,
Es ist gleich dem Traumgesicht,
Läßt nur fliehend von sich reden.

(Freya's Gestalt und der Knabe verschwinden ganz in dem Lichte, die leuchtende Irmensäule verwandelt sich in eine leuchtende Harfe. Odin singt und die Harfe tönt dienend nach seiner Melodie.)

Odin.

4.

Schäumend drängte wilde Fluth
Durch den Schlund zum Felsenrachen,
Meinem Blick ein Streifen Gluth,
Gleich der Krümmung eines Drachen,

5.

Der mit seinem Silberleib
Aus der Nacht der Tiefe scheinet,
Schnappend, suchend meinen Leib
Auf zum engen Stege schäumet.

6.

Daß er schwebend, wankend klopft
Wie mein Herz, wenn ich will sehen,
Angstschweiß zu dem Dampfe tropft,
Meine Füße hemmt im Gehen.

7.

Wie der kleine Vogel sieht
Gift'gen Schlangen in den Rachen,
Seinem Erbfeind nicht entflieht,
Sondern träumt im lichten Wachen;

6.

Niedersinket in die Gruft,
In die Nacht und in's Verderben,
Seine Flügel schlägt in Luft,
Und die Luft ihn senkt zum Sterben;

9.

Ach so schwankend gleite ich
Auf der Bahn zur Segenquelle,
Doch es hob und hielt und trug mich
Plötzlich Gluth und schöne Helle.

10.

Und der Drache sinket tief,
Tag bestritt die Nacht der Räume,
Und ein Licht, das sich verlief,
Zeigt in Lüften grüne Bäume.

11.

Aus dem Dunkel tönt zu mir:
»Wen'ge dringen durch die Nächte,
Schöne Gaben reichen wir,
Blind bestritt dein Geist das Schlechte.

12.

Steige weiter, sieh die Welt,
Wo kein Schlaf, kein Tod, kein Streiten,
Die der ew'ge Tag erhell't,
Blaue Lichter schwebend leiten.

13.

Sehe auf zum neuen Stern,
In den Blumen glühen Wunder,
Sieh, du bist im innern Kern,
Deine Seele fühlt gesunder.

14.

Sieh, das ist dein Vaterland,
Durch die Lüfte ausgespannet,
Klingen Saiten dir bekannt,
Doch aus jener Welt verbannet.

15.

Du bist folgsam wie ein Sohn,
Geister werden dich durchdringen,
Und die Wolken, wie ein Ton,
Durch des Himmels Blau verklingen.

16.

Du ergreifst, du trinkst den Ton
Doch zurück zum öden Leben,
Spricht dir Sprache ewig Hohn,
Nie wirst du ihn wiedergeben.

17.

Wecke nur den Wiederhall,
Tief berauschet klage andern
Aller Menschen Sündenfall,
Froh zu uns dann einzuwandern.

18.

Wer die Todten auferweckt,
Wer durch Schmerz die Kranken heilet,
Hat das Feuer angesteckt,
Höher flammt es, wenn man's theilet.

19.

Und das Eis auf allen Höh'n,
Und das Eis im fernen Norden,
Wo das Feuer ward geseh'n,
Ist zur Lust geschmolzen worden.

20.

Und die Drachen sind verbannt,
Von den Bergen klingen Feste,
Dumpfe Wälder sind verbrannt,
Alle sind des Himmels Gäste.«

(Es schlägt aus der Ferne eins, er und die leuchtende Harfe verschwinden.)

Ende.

Eine Bemerkung über die wahrscheinliche
Bedeutung des Gedichts.

Odin war der höchste Wille, der erste Gott unsrer Vorältern, Freya die höchste Zuneigung, ihre Göttinn der Liebe, sie hielten die Perioden ihrer Menschwerdung, wie in den andern Religionen die hohen Wesen; hier lösen sie einen langwierigen Streit unter ihrem Lieblingsvolke, sie wirken, sie leiden, sie vollenden als Menschen, dann kehren sie zu ihren höheren Wohnungen zurück. Das neugeborene Kind würde dann die neugeborene Menschheit, die neue Periode ihrer Entwickelung bezeichnen.

*


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