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III.

Durasso, der König der Annagus, war ein schon hochbejahrter Mann, den seine Unterthanen wegen seiner milden, verständigen Regierungsweise liebten und hochschätzten. Er war ein gewaltiger, seinen Feinden furchtbarer Krieger gewesen, hatte sein Volk in mancher blutigen Schlacht siegreich angeführt und die Unabhängigkeit desselben gegen die feindlichen Nachbarstaaten zu erhalten vermocht. Südlich von den Annagus wohnte das Volk der Mahis, mit welchem Erstere immer in Frieden gelebt hatten, doch dasselbe war seit einigen Jahren von dem König von Dahomey unterjocht worden und stand nun unter dessen Botmäßigkeit und Einfluß, woher es kam, daß die freundlichen Beziehungen desselben mit den Annagus aufgehört hatten und sie sich, wenn auch nicht in offenem Kriege, doch mißtrauisch gegenüber standen. Denn der König von Dahomey hatte, nachdem die Mahis von ihm bezwungen waren, auch einen Einfall in das Land der Annagus gemacht, war aber mit bedeutendem Verlust von ihnen zurückgeschlagen worden, und hatte es seitdem nicht wieder versucht, seine Hand nach ihrer Freiheit auszustrecken. Die Annagus, obgleich auch Neger, wie die Mahis und die Dahomeys, standen in körperlicher und geistiger Beziehung viel höher als Jene, sie waren ein kräftiges, thätiges Gebirgsvolk, hielten auf den üppigen Hochebenen der Danaberge reiche Viehheerden, bebauten sorgsam ihre Felder, und verfertigten mit großer Geschicklichkeit vielerlei Handelsartikel, namentlich Gewebe von Wolle, Baumwolle und Bast, verschiedene Eisenwaaren, Ackergeräthe, Matten, Körbe, irdenes Geschirr und Pfeifen, die sie weithin auf die Markte des Landes führten. Sie waren aber das einzige Volk im Westen von Nordafrika, welches keinen Sclavenhandel trieb, wenn man den Kauf und Verkauf von Frauen für den eignen Bedarf nicht so nennen will. Es stand unter ihnen nämlich jedem Manne frei, so viele Frauen zu halten, als er ernähren konnte, und diese Frauen mußte er kaufen; sie wurden seine Dienerinnen und nur eine derselben ward seine wirkliche Gattin.

Auch der König Durasso besaß viele Weiber, doch er lebte nur mit einer, und zwar in glücklicher Ehe, und war mit ihr von zwei Söhnen, Buardo, dem ältesten und Damossi, dem jüngeren, welcher jetzt sechszehn Jahre zählte, beschenkt worden. Die Stadt Zogalo, die Residenz des Königs, lag auf der Spitze eines hohen Berges, und die schmalen Wege, die zu ihr hinaufführten, waren sehr steil und mühsam zu erklimmen. Sie war mit einer hohen Lehmmauer umgeben und außerhalb derselben noch mit einem so furchtbaren, dichten, breiten Kranz von Stachelgewächsen und Dornen umzogen, daß es unmöglich schien, Menschen könnten diese Schutzwehr übersteigen. Nur zwei Eingänge führten in die Stadt. Dieselben waren so eng, daß nur ein Pferd Raum darin hatte, und da in der Mitte des Orts sich einige vortreffliche, niemals versiegende Quellen befanden, so konnte derselbe lange Zeit einer Belagerung Trotz bieten. Es war auch vor den Mauern dieser Bergfeste, wo das Heer des Königs von Dahomey zum ersten Male den Glauben an seine Unbesiegbarkeit verloren hatte. Zweimal in der Woche wurde Markt in der Stadt gehalten, auf welchem die Leute aus der Umgegend ihre Producte feil boten, und wozu sich Kaufleute von weit her mit Waaren aller Art einfanden.

Auch als Buardo mit seiner Braut in die Stadt zog, war Markt gewesen, weshalb eine große Anzahl von Menschen dort versammelt war. Die nicht verkauften Waaren hatte man zwar schon wieder zusammengepackt und die Fremden hatten sich angeschickt, den Heimweg anzutreten, doch die Ankunft des Königssohns und dessen schöner Braut hielt sie noch zurück, weil sie der Festlichkeit beiwohnen wollten, welche man dem jungen Paare zu Ehren veranstaltet hatte.

Der große Marktplatz war geräumt, an seiner Seite saß der König auf einem schweren, aus Holz geschnitzten und mit einer Leopardenhaut bedeckten Thronsessel, und neben ihm zu seinen Füßen lag ein ungeheurer Löwe mit gebeugten Vordertatzen und schaute ruhig und unbekümmert in die bewegte Menge, die ihn umgab. Der König hatte dieses mächtige Thier von der getödteten Mutter genommen und es eigenhändig mit so viel Sorgfalt und Güte erzogen, daß es jetzt mit dankbarer Ergebenheit seinem Wink gehorchte und ihm allenthalben auf dem Fuße folgte.

Zu seiner Rechten hatten sich Buardo und Semona, und zu seiner Linken Damossi, sein zweiter Sohn, niedergelassen, während seine Beamten ihn im Halbkreis umstanden. Auf einen Wink des Königs stürzten plötzlich gegen fünfhundert Krieger, theils mit Flinten, theils mit Keulen, Speeren, Bogen und Pfeilen bewaffnet, von dem fernsten Ende des Platzes mit Blitzesschnelle heran, und führten zum Schein einen Angriff und Kampf aus, bei welchem sie eine bewundernswürdige Gewandtheit und Schnelligkeit entwickelten und ein betäubendes Kriegsgeschrei ertönen ließen. Zugleich dröhnte die wildeste Schlachtmusik durch die Stadt und der Donner der Gewehre ließ die Häuser erzittern. Nach Beendigung dieses kriegerischen Schauspiels marschirten die Streiter an ihrem Könige vorüber, und ein Jeder von ihnen legte eine Hand voll Gras vor dessen Thron nieder, welches den abgeschnittenen Kopf eines Feindes vorstellte.

Es war Nacht geworden, der Platz ward nun mit ungeheuren Fackeln erleuchtet. Dann erschien die bewaffnete Schaar abermals und führte einen Kriegstanz auf. Der König gab ihnen wiederholt seine Zufriedenheit durch Winken mit der Hand zu erkennen, und nachdem auch diese Vorstellung beendet war, wurden auf seinen Befehl ungeheure Vorräthe von bereitgehaltenen Speisen und Getränken auf den Platz geführt, womit Durasso nicht allein seine Krieger, sondern auch alle Bewohner der Stadt beschenkte. Das Freudengeschrei, der Jubel und die Ausrufe für das Wohl des Königs und seiner Familie wollten kein Ende nehmen, und mit den lautesten Bezeugungen der Liebe, der Anhänglichkeit und der Dankbarkeit begleitete das Volk den alten Durasso mit seinen Kindern nach seiner Wohnung, und gab sich dann beim Spiel und Tanz den Freuden des Festes hin.

Die Mutter Buardo's empfing ihren geliebten Sohn an ihrem Herzen und bewillkommnete mit mütterlicher Liebe und Zärtlichkeit die schöne Semona als ihre zukünftige Tochter. Freude und Glück war in das Haus des Königs eingezogen und Freude und Glück ging von Stadt zu Stadt, von Haus zu Haus durch das ganze Land der Annagu's; denn die Liebe, die für den König in den Herzen aller seiner Unterthanen lebte, hatte sich auch Buardo bei ihnen erworben.

Die Annagu's verehrten viele Gottheiten und dienten Fetischen, oder Zauberern. Diese Fetische waren meistens Weiber, die durch Bemalen und Verunstalten ihres Körpers, und durch Behängen desselben mit allerlei widrigen Gegenständen, wie Fröschen, Schlangen, Eidechsen und dergleichen mehr, sich ein abschreckendes Ansehen gaben und zu ihrem eignen Vortheil den Aberglauben des Volkes benutzten, welches sie mit allen Lebensbedürfnissen versorgte. Man schrieb ihnen übernatürliche Kräfte zu, hielt sie heilig, und flüchtete sich in Noth und Krankheit zu ihnen, um Hülfe von ihnen zu erbitten.

Durasso hatte in seiner Jugend bei Lebzeiten seines Vaters sich oft an der Küste in den Niederlassungen der Europäer und Amerikaner aufgehalten, und war dort von dem Glauben an die Zauberkräfte der Fetische befreit worden, hatte aber während seiner Regierung absichtlich keine Schritte gegen diesen Aberglauben seines Volkes gethan, weil er einesteils die Unmöglichkeit einsah, dasselbe davon zu heilen, anderntheils, weil seine Unterthanen sich glücklich dabei befanden, und er kein Unrecht darin sah, sie bei ihrem Glauben zu lassen. Er verehrte, wie sie, viele Götter, besaß jedoch kein Vorurtheil gegen den christlichen Glauben, den die weißen Missionare in den Küstenstädten und auch im Lande zu verbreiten sich bemühten, ja, es hatte sich ihm selbst oft die Frage aufgedrungen, ob deren Gott nicht ein mächtigerer sei, weil die Völker, die sich zu demselben bekannten, eine so große Macht über die Erde ausübten. Er hatte durch seinen Aufenthalt an der Küste viel über die Europäer und Amerikaner erfahren, und namentlich war sein Begriff von der Größe des englischen Volkes unbegrenzt. Dies war die Veranlassung gewesen, daß er seinen ältesten Sohn, Buardo, als Knaben nach Cape Coast gesandt und ihn dort dem Unterricht bei den Missionaren übergeben hatte. Buardo war, während er die Schulen mit Erfolg besuchte, Christ geworden, worin sein Vater einen Schritt erkannte, der ihm und seinem Volke künftig zu bedeutenden Reichthümern und größerer Gewalt verhelfen würde. Es war ihm bekannt, daß es den Christen nicht gestattet sei, mehr, wie eine Frau zu nehmen, und er fühlte sich sehr dadurch beglückt, daß Buardo, sein Thronfolger, diese bereits gewählt hatte, und zwar in einem so liebenswürdigen Mädchen, wie Semona, die sich gleich bei ihrem Erscheinen die Zuneigung der ganzen Familie und deren Umgebung erwarb. Durasso bekundete seine Freude hierüber in vielfacher Weise: die öffentlichen Festlichkeiten und Belustigungen, wozu er die Mittel gab, dauerten eine ganze Woche, er erließ für mehrere Monate seinen Unterthanen alle Steuern, machte reiche Geschenke an die Armen und ließ sofort ein großes neues Gebäude aufführen, welches seinem ältesten Sohne und dessen junger Frau zur Wohnung dienen sollte. Er beabsichtigte dieselbe glänzend auszustatten, weshalb er eine Karavane abschickte, die sich durch das Land der Ashantis und Fantis nach Cape Coast begeben sollte, um von dort die dazu nöthigen Gegenstände herbeizuschaffen, und der er seinen Sohn Domassi als Führer mitgab. Den näheren Weg nach der Küste durch das Land des Königs von Dahomey vermied er absichtlich, weil er mit diesem in keinem guten Vernehmen stand, und weil derselbe ihm sicher einen unerhörten Zoll auf die Güter abnöthigen würde. Mit dieser Karavane sollte nun auch einer der Missionare von Cape Coast, ein Lehrer Buardo's herauf nach Zogalo geführt werden, damit derselbe Semona die heilige Taufe ertheilen und alsdann deren eheliche Verbindung mit dem jungen Prinzen vollziehen möge; denn die glückliche Braut war nun entschlossen, gleichfalls zur christlichen Kirche überzutreten.

Es wurden alle Vorkehrungen getroffen, um diesem hochgeehrten Manne jede mögliche Bequemlichkeit während der Reise zu Theil werden zu lassen, und zu seiner Sicherheit waren der Karavane fünfzig bewaffnete Männer als Geleit mitgegeben.

Während nun in dem Lande Annagu friedliches, frohes Leben und Treiben herrschte und man in Zogalo bald großen Freudenfesten entgegensah, befand sich das Küstenland Dahomey in kriegerischer Aufregung, denn der grimme schwarze Herrscher desselben hatte Befehle an viele Cabozirs in seinem Reiche erlassen, sich in einer kurz anberaumten Frist mit ihren streitbaren Männern in Abomcy, seiner Residenzstadt, einzufinden. Jedermann wußte, daß ein Kriegszug unternommen werden solle, gegen welches unglückliche Land dessen Schrecken aber gerichtet werden würden, das war nur dem Könige und dessen höchsten Beamten bekannt. Die Heereshaufen begannen sich um Abomey zu sammeln, täglich trafen neue Cabozire mit ihren Streitern ein, und bald war die Zahl der letztern bis auf sechstausend angewachsen. Es war eine wilde rohe Horde größtentheils nackter Neger von verschiedenen Racen und der mannigfaltigsten Bewaffnung. Die wenigsten waren mit Schießgewehren versehen, die meisten trugen Lanzen, Bogen und Pfeile, Keulen, Streitäxte und kurze eiserne Schwerter. Sie lagen in Abtheilungen, wie sie gekommen waren, in der nahen Umgebung der Stadt zerstreut umher und wurden täglich zweimal mit Lebensmitteln versehen. Alle verhielten sich ruhig und den Befehlen ihrer Häuptlinge gehorsam, denn sie wußten, daß es Jedem sofort den Kopf koste, der in einem Augenblick verdrießlicher Laune des Königs dessen Aufmerksamkeit auf sich lenke.

Der Morgen erschien, an welchem das Heer vor dem Herrscher von Dahomey sich zeigen sollte, um dann sofort nach dem noch nicht bekannten Orte seiner Bestimmung aufzubrechen. Die Sonne warf ihre ersten glühenden Strahlen über die Stadt, als die Schaaren in dieselbe einzogen und sich in ihren einzelnen Abtheilungen auf dem großen freien Platze vor dem Palaste des Königs sammelten, von dessen Mauern und Dächern tausende in der Sonne gebleichte Menschenschädel herabgrinzten. Vor dem Haupteingang in den ersten Vorhof der königlichen Wohnung stand ein ungeheurer Sonnenschirm auf hoher Stange in die Erde gepflanzt und unter demselben war ein mit Gold verzierter Thronsessel aufgestellt, dessen Füße auf Menschenschädeln ruhten und dessen Arme und Rücklehne gleichfalls mit solchen geschmückt waren. Rund um den großen Platz hingen an zwischen Bäumen befestigten Stangen viele halbverweste oder vollständig vertrocknete menschliche Leichname, über denen Hunderte von Geiern in der klaren unbewegten heißen Luft ihre Kreise beschrieben. Die Kriegerscharen hatten sich dem großen Sonnenschirm gegenüber aufgestellt und vor jedem einzelnen Haufen derselben stand dessen Cabozir oder Häuptling. Jetzt verkündete dumpfer Trommelton und wilder Hörnerschall, daß der Herrscher sich nahe, und aus dem Vorhofe des Schlosses schritten des Königs weibliche Leibgarden hervor. Sie bestanden aus zwei Regimentern, ein jedes von sechshundert gut bewaffneten und gleichmäßig gekleideten kräftigen Negerinnen. Dieselben trugen einen Rock von blau- und weißgestreiftem Baumwollenzeug um ihre Hüfte, der ihnen nicht bis auf das Knie reichte, eine Hose von gleichem Stoffe, die bis über dasselbe herabhing und einen breiten Gürtel um den Leib, der diese Kleidung fest an ihren Körper schloß. Sie waren sämmtlich mit Musketen bewaffnet, trugen einen kurzen Säbel und eine Keule an dem Gürtel, der ihren Leib umgab und führten ihre Munition in einer Patrontasche mit sich, die gleichfalls an dem Gürtel hing. Vor ihnen her wurde eine, aus einem ausgehöhlten Baumstamm verfertigte, mit Menschenschädeln verzierte ungeheure Trommel von einer riesigen Negerin auf dem Kopfe getragen, während zwei andere ihr folgten und mit Elephantenzähnen auf beiden Seiten des Instrumentes trommelten. Große Hörner, Cymbeln und Triangel vollendeten diese melodielose wilde kriegerische Musik. In ungeregelten Massen zogen die Amazonen aus dem Schloßhofe hervor und stellten sich zu beiden Seiten des großen Sonnenschirms auf, während viele Fahnen und Standarten sich über ihnen schwangen, die gleichfalls Menschenschädel auf ihren Spitzen trugen.

Jetzt erschien der König von Dahomey, ein schwarzer breitschulteriger Riese mit großen, Unheil leuchtenden Augen und weißen blitzenden Zähnen. Er schritt nach dem Sonnenschirm, unter welchem er den Thronsessel bestieg, und seine ihm folgenden Minister und höchsten Beamten, unter denen sich auch der Scharfrichter mit blankem Schwerte befand, stellten sich hinter ihm im Halbkreise auf. Kaum war er in den Schatten des Schirmes getreten, als die Krieger vor ihm sich sämmtlich niederwarfen, die Erde küßten und sich den Kopf mit Staub bedeckten, so daß die ganze Schaar in einer über ihr aufsteigenden Staubwolke verschwand. Aber auch das Amazonencorps fiel auf die Erde nieder und warf sich Staub auf den Kopf. Nach dieser Begrüßung erhoben sich Alle, und als die Wolke, die sie verhüllte, verweht war, winkte der König seinem ersten Minister, und dieser sandte sogleich den Wink nach dem Schloßhofe weiter, von wo dann acht junge Männer erschienen und, von einer Abtheilung Amazonen begleitet, auf den Platz vor den König schritten. Sie waren gefesselt und die Hände waren ihnen auf der Brust zusammengebunden. Man sah es ihnen an, daß ihnen das Schicksal bekannt war, welches sie hier erwartete, und daß Keiner von ihnen daran dachte, demselben entgehen zu können. Sie standen stolz erhoben vor dem blutdürstigen Tyrannen und schienen wenigstens mit ihren Blicken denselben bekämpfen zu wollen, da man ihnen die Macht genommen, es mit ihren Armen zu thun, ja selbst es ihnen unmöglich gemacht hatte, ihn mit Worten anzugreifen; denn ein kurzes Stück Holz war ihnen zwischen die Zähne gebunden, welches sie am Reden verhinderte. Mit wuthblitzenden Augen begegnete der König den Blicken der gefangenen Jünglinge und stieß dann die gräulichsten Verwünschungen gegen sie und gegen das Volk, dem sie angehörten, gegen die Annagu's aus.

Hierauf winkte er den Häuptlingen, sich ihm zu nähern, welchem Befehle dieselben eiligst Folge leisteten, sich abermals vor dem Herrscher niederwarfen und sich mit Staub bedeckten. Dann stellten sie sich vor ihm auf, um seinen Willen zu vernehmen.

»Meine alten Feinde, die Annagu's, haben abermals meine Macht verspottet und sich an meinem Eigenthum vergriffen!« rief er mit wüthender Donnerstimme. »Buardo, der Sohn des Königs der Annagu's, scheute sich nicht, eine Sclavin zu rauben, die mir der Händler Sarszan aus dem fernen Osten der Sahara zuführte. Sarszan hat mir einen Boten gesandt und mir gemeldet, daß Buardo mit seinen Jägern ihn in seinem Lager am Nigerflusse überfallen und die Sclavin, die für mich bestimmt war, gewaltsam von ihm genommen habe. Fluch über das Land der Annagu's und Fluch über sein ganzes Volk, möge es bis auf den letzten Mann unter Euren Waffen verbluten! Brecht auf, macht die Städte der Annagu's der Erde gleich, und wer mir diesen Buardo und die Sclavin Semona lebendig bringt, der soll nach mir die größte Macht in meinem Reiche erhalten!«

Diesen grimmigen Befehl begleitete der König mit den wildesten drohendsten Bewegungen und rief dann dem Scharfrichter zu, den acht gefangenen Annagu-Jünglingen, die man auf der Durchreise von der Küste nach ihrer Heimath aufgegriffen hatte, die Köpfe abzuschlagen. Die Gefangenen mußten einige Schritte von einander entfernt in einer Reihe niederknien, und der Scharfrichter hieb Dreien von ihnen den Kopf vom Rumpfe und zwar bei Jedem auf den ersten Schlag, doch beim Vierten fehlte er sein Ziel und sein Schwert drang dem Unglücklichen in den Schädel, worauf dieser jammernd und wimmernd zusammensank. Da sprang der König von seinem Throne herab, riß dem Scharfrichter das Schwert aus der Hand und hieb, nun selbst den noch übrigen vier Opfern die Köpfe herunter. Mit lautem schallenden Gelächter gab er dem Scharfrichter das Schwert zurück und sagte ihm, er habe große Lust, gelegentlich auch an seinem Kopfe seine Kunst zu versuchen.

Darauf ernannte er einen der höheren Officiere aus seinem Gefolge zum Oberbefehlshaber der marschfertigen Streiter und wies ihn an, sofort aufzubrechen und nach seinen Befehlen zu handeln.

Abermals ertönte jetzt die stürmische Kriegsmusik der königlichen Leibgarden, die Amazonen begannen ein unregelmäßiges Gewehrfeuer, welches einzeln von den marschfertigen Kriegern beantwortet wurde und alle brachten dem Könige wilde donnernde Hurrah's. Die Köpfe der acht Amiagu's wurden jetzt dem Herrscher vorangetragen und die Amazonen begleiteten ihn in den Palast zurück.

Die einzelnen Theile dieses sogenannten Palastes bestanden in einstöckigen, aus Lehm aufgeführten Häusern, deren Strohdächer weit über die Wände hervorragten und, von Säulenreihen getragen, vor den Gebäuden eine Veranda bildeten, Speiche die Sonnenstrahlen von denselben abhielten. Eine hohe Lehmmauer umgab diese Wohnungen und zugleich zwei große Höfe vor denselben, in welchen sich die weiblichen Soldaten des Herrschers aufhielten. Die ganze Stadt Abomey, deren Einwohnerzahl sich auf Zehntausend belief, bestand aus solchen Lehmgebäuden, welche ohne alle Ordnung hier und dort errichtet waren, wie es der Zufall gerade gewollt hatte. Dieser Ort war von dem Könige der gesunderen Lage wegen der großen, an der Meeresküste gelegenen Stadt Whydak als Residenz vorgezogen worden, doch besaß er auf dem Wege dorthin noch mehrere solcher Paläste, die er von Zeit zu Zeit mit seinem Hoflager besuchte. Nach Whydak begab er sich nur selten und dann nur, wenn er eine bedeutende Zahl in feindlichem Lande erbeuteter Sclaven nach der Küste brachte, um sie an die dort wohnenden Sclavenhändler zu verkaufen.

Kaum war der König in sein Schloß zurückgekehrt, als die Stadt Abomey sich belebte, die Leute aus ihren Häusern hervorkamen und sich zu den fremden Truppen drängten, um zu hören, in welches Land der Kriegszug unternommen werden sollte; denn so lange der König sich außerhalb seines Palastes befand, wagte es Niemand, sich sehen zu lassen. Alles verkroch sich in die Häuser, um nicht zufällig seinem Blick zu begegnen.

Der Oberfeldherr, dessen Name Bokavo war, sandte nun Eilboten vor sich her, welche in allen Städten und Dörfern, die er auf seinem Marsch durch Dahomcy und durch das Mahiland berühren würde, sein baldiges Erscheinen verkünden mußten, damit man für. die Verköstigung der Truppen Sorge trage. Zugleich forderte er im Namen des Königs die Cabozire jener Orte auf, ihn mit noch mehr Kriegern zu versehen.

Das Heer setzte sich noch an demselben Abend in Bewegung und erreichte nach fünf langen ermüdenden Tagesmärschen die Grenze des Annagulandes. Die Kunde von seiner feindlichen Annäherung hatte diese Grenze aber schon lange vorher überschritten und war, wie ein drohendes Gewitter aus heiterm Himmel in die freuderfüllte Stadt Zogalo eingedrungen. Schreck und augenblickliche Bestürzung war die erste Folge von der eingetroffenen Nachricht, doch als auch die Enthauptung der acht Männer bekannt wurde, verschwand jede Sorge, jede Bangigkeit, und nur eine Stimme tönte durch die Stadt: die nach Vergeltung!

Mit Ungestüm drängten sich alle waffenfähigen Männer vor die Wohnung des Königs und erklärten sich bereit, Buardo zum Kampfe gegen den heranrückenden Feind zu folgen. Die ganze Stadt war in vollem Leben, Waffen wurden ausgebessert und neue angefertigt, Lebensmittel wurden eingepackt, um sie auf dem Kriegszug mit zu führen, und Eilboten wurden durch das ganze Land gesandt, um die Häuptlinge mit allen kriegstüchtigen Männern im Eilmarsch nach Zogalo zu rufen.

Nicht ohne Thränen schied Semona von dem Geliebten, als derselbe sein Roß besteigen wollte, um selbst zu den mächtigsten Cabozirs zu reiten und sie zum Kampfe zu rufen; weinend schlang sie ihren Arm um seinen Nacken und reichte ihm den Abschiedskuß, dann aber geleitete sie ihn selbst zu dem Pferde und sagte:

»Eile Buardo, wer Dir nicht gern und freiwillig folgt, der ist nicht werth eine Waffe zu tragen, noch sich ein Annagu zu nennen!«

Fast stündlich kamen nun Eilboten in der Stadt an, um dem Könige zu melden, wie weit die Feinde schon auf ihrem Wege vorgedrungen seien, und jeder neu ankommende bezeichnete eine größere Zahl derselben.

Doch auch in Zogalo sammelten sich die Streiter rasch, jeder Tag brachte neue Truppen, und als die Kunde einlief, daß die Dahomey's die Grenze von Annagu erreicht hatten, zog Buardo mit noch tausend Mann in die Feste ein.

Es waren jetzt dreitausend Krieger in Zogalo versammelt, die bereit waren, für ihre Freiheit, für Haus und Herd, für Weib und Kind zu siegen oder zu sterben, und die den Augenblick kaum erwarten konnten, den bereits auf zehntausend Mann angewachsenen Feind anzugreifen. Es waren Boten in die, an der Grenze des Mahilandes flach gelegenen Städte gesandt worden, welche deren Bewohner aufgefordert hatten, sich mit ihrer beweglichen Habe in die Berge zurückzuziehen, da man bei ihnen in der Ebene dem überlegenen Feind nicht begegnen, sondern ihn erst in die Engpässe der Gebirge vordringen lassen wollte. Noch in der Nacht, nachdem Buardo zurückgekehrt war, rüstete sich die Schaar in Zogalo zum Abmarsch; der Marktplatz war mit Fackeln hell beleuchtet, der König hatte sich dort eingefunden, um von den Kriegern Abschied zu nehmen und ihnen seinen Segen zu ertheilen, und Alt und Jung der zurückbleibenden Einwohnerschaft drängte sich herzu, um den abziehenden Männern Glück und Sieg zu verheißen. Laute stürmische Hurrah's zu Ehren des Königs drangen in die Wohnung desselben, als Buardo dort die heißgeliebte Semona umschlang, sie an seine hochschlagende kampfbegierige Brust drückte und ihr Lebewohl sagte. Innig und seelenvoll schmiegte sie sich an sein Herz, klar und rein, wie ihre Liebe war, fielen die Thränen von ihren langen Wimpern, aber nicht klagend, nicht zagend nahm sie. Abschied, stark und stolz auf die hohe, heilige Pflicht, auf die hehre, edle Begeisterung, die den Geliebten zum Kampfe rief, schlug ihr Herz seiner würdig, und selbst wand sie den blanken Waffenschmuck um seine Hüfte. Dann nahm sie das prächtige Perlenband von ihrem zarten Nacken, schlang es um den Hals des Geliebten und sank noch einmal in hingebender, beseligender Liebe an sein Herz. Da klangen die Hörner der Krieger, die ihres Führers harrten, laut und schmetternd zu den Ohren der Liebenden, noch einen heißen langen Kuß, noch einen Händedruck, noch einen tiefsinnigen Abschiedsblick und Buardo sprang nach seinem Rappen, der von einem Fackelträger vor dem Thore der Wohnung gehalten wurde. Er schwang sich auf dessen kräftigen Rücken und sprengte über den Platz seinen Waffenbrüdern zu. Mit lautem Jubelruf wurde er von der Streiterschaar begrüßt, und an ihrer Spitze sein ungeduldiges Roß zügelnd, führte er sie unter den stürmischsten Hurrah's des Volkes bei seinem königlichen Vater vorüber. In dem Lichte der hochgeschwungenen Fackeln blitzten und glänzten die Waffen der Krieger, lustig wogten die bunten Fahnen über ihren schwarzen Häuptern und hoch ließen die Frauen und Mädchen ihre Tücher zum Abschied wehen. Auch Semona stand mit den Frauen des Königs in dessen Nähe und winkte dem dahinziehenden geliebten Manne ihres Herzens Lebewohl zu, bis die Dunkelheit ihn vor ihren sehnsüchtigen Blicken verbarg.

Gegen Mittag erreichte am folgenden Tage die Schaar einen engen Paß in den Gebirgen, durch welchen der einzige Weg nach Zogalo von dem Mahilande hinführte, und durch welchen der Feind kommen mußte. Hier ließ Buardo seine Truppen halt machen und sandte mehrere Boten auf den schnellsten Pferden dem Feinde entgegen, um durch sie von seinem Heranrücken zeitig benachrichtigt zu werden. Er ließ seine Leute der Ruhe pflegen und Lebensmittel unter sie vertheilen, während ein dichter Palmenwald zwischen den zu beiden Seiten aufstrebenden felsigen, mit hohen dichten Büschen bedeckten Höhen sie in ihren kühlen Schatten aufnahm und klare sprudelnde Quellen ihren Durst löschten. Die Sonne war schon hinter den zum Himmel aufsteigenden felsigen Wänden versunken und deren Schatten dehnten sich über die Schlucht aus, als, die Boten heransprengten und das rasche Nahen der feindlichen Heerschaaren meldeten. Alles griff zu den Waffen und die einzelnen Cabozirs sammelten ihre Krieger um sich. Buardo ließ nun tausend Mann in dem Palmenwalde zurück, und zwar die Truppen, welche am zahlreichsten mit Feuerwaffen versehen waren, dann sandte er ungefähr eben so viele an die Felswände zur linken Seite der Schlucht vor dem Palmenwalde, nahm den Rest der Schaar, worunter die Krieger aus Zogalo, selbst mit sich und verbarg sich mit ihnen an der rechten Seite des Engpasses hinter dem Gebüsch und dem Gestein der Abhänge. Bald lag eine Todtenstille auf dem engen Thale und lein Laut, keine Bewegung verrieth die Gegenwart eines lebenden Wesens. Das Düster des Abends hatte sich schon über die Schlucht gelegt und die Schatten in dem Palmenwalde wurden tiefer und dunkler, als die Kriegerhorden von Dahomey in den Engpaß unbesorgt und unbekümmert einrückten und sich ihre Massen vorwärts drängten, um den Palmenwald zu erreichen, wo sie bei dessen Quellen die Nacht zuzubringen beschlossen hatten; denn daß die Annagu's sich in ihre Felsenvesten einschließen und es nicht wagen würden, eine ihnen so weit überlegene Macht selbst anzugreifen, darüber waren sie außer Zweifel.

Die ganze ungeregelte Truppenmasse war in die Schlucht eingedrungen und ihre Spitze hatte bereits die ersten Palmen des Waldes erreicht, als die darin lauernden Annagu's plötzlich Feuer auf sie gaben und ihre Kugeln in den dichten Haufen der Dahomey's Tod und Bestürzung verbreiteten. Dieselben prallten zurück; doch Bokavo, der Oberbefehlshaber, ließ seinen furchtbaren Kriegsruf aus der Mitte der Heereshaufen erschallen, drängte mit dem Kern seiner Macht gegen den Palmenwald an und im Sturm wogte jetzt die ganze Masse vorwärts. In diesem Augenblick aber dröhnte der Kampfruf Buardo's durch die Schlucht; hinter den Felsen und den Büschen der Bergwände sprangen die Annagu's hervor, und stürzten sich, wie reißende Gebirgsströme, von beiden Seiten in den Engpaß auf die überraschten Horden der Dahomey's. Zugleich stürmten ihre Brüder aus dem Palmenwalde heran, und Mann gegen Mann wüthete der Tod nun in der verworrenen wogenden Menschenmasse. Wuth und Verzweiflung auf beiden Seiten, war es ein Morden und Schlachten ohne Mitleid, ohne Erbarmen, selbst die Sterbenden zerfleischten einander noch und die Todten hielten sich noch umklammert. Wie von einem Gewitter wurden die Berge durch die Donnerlaute der Schlacht erschüttert, doch zwei Stimmen übertönten den Sturm vor allen andern, es waren die Kriegsrufe der beiden Heerführer, Buardo's und Bokavo's. Sie hatten entfernt von einander gefochten, doch jetzt hatte Buardo die Stimme seines Gegners erkannt und bahnte sich mit einer kleinen Schaar von Männern aus Zogalo den Weg zu dem Anführer der Feinde. Mit Tod und Vernichtung bezeichnete er seine Spur durch die Schläge seiner furchtbaren Keule Schritt für Schritt, bis sein Auge plötzlich auf die Riesengestalt Bokavo's fiel und er ihm zurief, seine Streitaxt gegen ihn, gegen Buardo, den Königssohn, zu wenden.

Bokavo's schwere Art spaltete einem Annagu-Krieger den Kopf in dem Augenblick, als Buardo ihm zurief, und schon im nächsten Moment hob er die tödtliche Waffe gegen diesen edlen auf ihn eindringenden Jüngling. Doch Buardo's Keule war schneller und gewichtiger, sie traf im Schlag mit der Axt krachend und klingend zusammen, warf sie zurück gegen ihren eignen Herrn und fiel mit solcher Gewalt auf die Schulter Bokavo's, daß dieser stöhnend unter ihr zusammenbrach und die Hände abwehrend zu Buardo aufhob. Aber zum zweiten Male sauste die Keule durch die Luft und zerschmetterte nur den Schädel des Anführers der Dahomey's. Mit Entsetzen sahen dessen Leute ihn fallen und flohen dann heulend über das Schlachtfeld, während Buardo ihnen auf dem Fuße folgte und seine kleine Schaar hinter ihm lautes gellendes Siegesgeschrei ertönen ließ. Wie ein Lauffeuer drang die Kunde von Bokavo's Tod unter seine immer noch kämpfenden Truppen, Angst und Schrecken verbreitete sich in ihren Reihen, sie stoben zurück vor dem immer lauter schallenden Siegesruf der Annagu's und bald stürzten die Dahomey's in wilder verworrener Flucht dem Ausgange des Engpasses zu. Sie warfen die Waffen fort und erklommen links und rechts die steinigen Höhen, um sich vor den ihnen folgenden Söhnen der Berge zu retten; denn wer sich nicht ihren Blicken entzog, oder durch die Schnelligkeit seiner Füße entkam, wurde niedergehauen. Meilenweit war Buardo selbst mit seinen Männern aus Zogalo den Fliehenden gefolgt und Hunderte derselben waren unter ihren Waffen verblutet, als die Nacht dem Morden Einhalt that und die Annagu's den Rückweg nach dem Palmenwalde antraten.

Die Körper der Gefallenen machten ihnen in der Dunkelheit den Weg immer beschwerlicher, je mehr sie sich dem Walde näherten, und in der Schlucht, wo der Kampf begonnen hatte, gingen sie auf Leichen. Bald war nun die tapfere Schaar der Annagu's unter den Palmen an den Quellen wieder versammelt, sie hatten auch ihre Verwundeten dorthin getragen, und der ganze Wald war mit Tageshelle durch ihre Lagerfeuer erleuchtet, aber kein Jubel, kein Siegeslied erschallte, denn der Sieg hatte zu Viele ihrer Freunde gekostet. Alle waren zu Tode ermattet und nur Wenige waren unter ihnen, die unverletzt aus dem Kampfe gegangen waren. Die schwer Verwundeten ruhten beim Feuer und wurden von ihren Freunden verbunden und gepflegt, und die wenigen Gesunden bereiteten für ihre Kameraden die Speisen und erquickten sie mit frischem Trunk. Auch Buardo hatte mehrere Wunden empfangen, die aber die Kraft seines starken Körpers nicht beeinträchtigten, denn er ging von Feuer zu Feuer und tröstete und half seinen leidenden Brüdern. Zwei Boten hatte er auf den schnellsten Pferden nach Zogalo abgesandt, welche die Siegesnachricht dorthin tragen und der Geliebten seines Herzens seine Grüße überbringen sollten.

Die Nacht verstrich ungestört und als der Tag sein Licht durch die Berge warf, sammelten sich Tausende von Geyern über der Schlucht, die lautlos ihre Kreise über dem Todtenfeld beschrieben. Jetzt verließen die Annagu's das Lager und begaben sich auf den Kampfplatz, um die Waffen der Gefallenen zu sammeln und namentlich alle Feuergewehre zu erbeuten. Auch große Vorräthe von Lebensmitteln, so wie eine zahlreiche Heerde Schlachtvieh, welche die Dahomey's mit sich geführt hatten, fiel in ihre Hände. Zugleich trugen sie ihre gefallenen Brüder in den Wald, wo sie dieselben beerdigten; es wurden Tragen bereitet, um die schwer Verwundeten nach Zogalo zu schaffen, und als der Abend kam, setzte sich das Heer, Buardo an seiner Spitze, nach der Bergveste in Bewegung. Gern wäre der Jüngling seinem Herzen gefolgt und wäre auf seinem flüchtigen Roß der Geliebten zugeeilt, er konnte aber seine leidenden Waffenbrüder nicht verlassen, denen seine Gegenwart ein Trost war. Sie marschirten während der ganzen Nacht und rasteten nur hier und dort an den Gewässern der Gebirge, um sich und die Kranken zu erquicken. Als aber die Sonne aufstieg und ihre Strahlen zu sengen begannen, suchten sie Schutz gegen deren Gluth in dem Schatten eines dichten hohen Waldes und betteten ihre Kranken an dem grünen Ufer eines rauschenden Baches. Die Sonne stand im Zenith und die Annagu's hatten sich der Ruhe und Erholung hingegeben, als plötzlich Freudenstimmen laut wurden und man in der Ferne auf der Straße einen Zug von Frauen gewahrte, die sich dem Lager näherten. Es waren Frauen aus Zogalo, die kamen, um den Verwundeten beizustehen und den Männern ihre Bürde zu erleichtern. Auch Buardo war überrascht und erfreut aufgesprungen und ging ihnen entgegen, als aus den Reihen der Nahenden eine Reiterin hervorsprengte und er Semona, die Heißersehnte, erkannte. Er lief ihr jubelnd entgegen, doch noch ehe er sie erreichte, warf sie sich vom Pferd und eilte fliegenden Fußes mit offenen Armen auf ihn zu. Unter Freudenthränen sank sie an seine Brust, an seine Lippen, und ihre Arme hielten den Geliebten umschlungen, als wolle sie ihn nimmer wieder von sich lassen. Arm in Arm geleiteten sie einander nach dem Lager und Semona vertheilte dort selbst die herrlichen Früchte, welche die Frauen hierhergetragen, unter die Kranken und reichte ihnen Peto und Palmwein. Dann suchte sie mit dem Geliebten ein schattiges Plätzchen an dem brausenden Wasser, lauschte dort seiner Erzählung über die Tapferkeit seiner Kampfgenossen, hing mit ihrer ganzen Seele an seinem Blick und ließ ihn an ihrem Herzen ruhen. Erst als die Sonne sich neigte, brachen die Annagu's wieder auf, um nun, von den Frauen unterstützt, in einem Marsch nach Zogalo zu eilen, wo sie auch in der Nacht eintrafen. Schon von Weitem glänzte ihnen das Licht der Fackeln, womit die Stadt erleuchtet war, entgegen, und der Jubel der Einwohnerschaft empfing sie schon an dem Fuße des Berges. Im Triumph zogen sie in die Straßen ein und der König mit seinen Beamten und seinen Frauen kam ihnen entgegen. Unter donnernden Hurrah's und Freudenrufen des Volkes schloß der König seinen Sohn in seine Arme, und mit bebender Stimme dankte er den Kriegern für ihre Treue, ihre Aufopferung. Die Freude über den großen Sieg, den die Annagu's über ihre Feinde errungen hatten, wurde aber sehr durch ihren Verlust an Kameraden gemäßigt, denn es fehlten über fünfhundert Mann an der Zahl, die aus Zogalo ausgezogen waren. Freilich hatten sie deren Tod schwer gerächt, denn es waren sicher eben so viele Tausende von den Dahomey's, als Hunderte von ihnen, auf dem Schlachtfelde geblieben. Acht Tage lang verweilten auf den Wunsch des Königs sämmtliche Cabozir's mit ihren Leuten in der Stadt, um sich beim frohen Mahle, bei Fest und Tanz zu erholen.


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