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II.

Noch am selbigen Tage sollte die kleine Karavane, von dem Kundigsten der Jäger geführt, das Lager, verlassen und dieser erhielt ein Schreiben Buardo's an dessen Vater, den König der Annagu's, worin er demselben seine Wünsche in Bezug auf eine möglichst reiche Sendung von Elfenbein und Goldstaub aussprach.

Schon vor Anbruch des Tages waren mehrere von Buardo's Leuten auf die Jagd gezogen und kehrten gleich nach Sonnenaufgang mit dem Fleisch eines riesigen Rhinoceros und mit mehreren erlegten Antilopen zurück, wodurch beide Lager mit frischen Lebensmitteln im Ueberfluß versehen wurden.

Der leichte Wind, der während der Nacht in den luftigen Gipfeln der Palmen gespielt hatte, war zur Ruhe gegangen, kein Lüftchen bewegte die Atmosphäre, und an dem hohen, durchsichtigen blauen Aether war nirgends eine Wolke zu erblicken. Die prächtig gefiederten Vögel, die seit Tagesanbruch das grüne Laubdach über Sarszan's Lager durchschwirrt und den Wald mit ihren Stimmen belebt hatten, waren verstummt und versteckten sich vor den Blicken der aufsteigenden Sonne in dem tiefsten Dunkel des Laubes. Mit jeder Secunde nahete sich die Hitze, die Pflanzen neigten die Häupter und die unbewegte Luft zitterte in der Gluth der Sonnenstrahlen. Die Pferde und Kameele hatten die Weide verlassen und sich unter schützenden dicht belaubten Bäumen niedergelegt und nur die Alligatoren lagen hier und dort an den Ufern der Ströme mit offenem Rachen keuchend hingestreckt und schienen sich der sengenden Sonnenhitze zu erfreuen.

Im Lager Sarszan's herrschte Todtenstille. Der Händler selbst ruhte unter dem dunkeln Schatten des großen Zeltes, dessen Teppichwände zu beiden Seiten aufgezogen waren, um der Luft mehr Spielraum zu geben, und neben ihm auf seinem Lager saß Corzaris und schwang einen großen Fächer von indischen Pfauenfedern langsam über ihrem Herrn hin und her. Alle Sclavinnen und Diener hatten sich unter schützende Dächer von Matten und Teppichen geflüchtet und Pflegten in deren Schatten der unbeweglichsten Ruhe. Nur Buardo und Semona schienen noch dem regen Leben anzugehören, ihrem Glück konnte die, Alles überwältigende Gluth keinen Augenblick rauben. In traulichem Gespräch saßen sie unter demselben blühenden Myrthenbaum, unter dem sich ihre Herzen in vergangener Nacht zuerst gefunden; sie hatten sich ja so Vieles, so Unzähliges zu sagen, und doch hätten sie dies Alles in die wenigen Worte zusammen fassen können: daß sie sich grenzenlos und glühend liebten und sich einander ewig angehören wollten. Dennoch war jede neue Versicherung dieser unendlichen Liebe immer wieder neu und beglückend, und fesselte sie gegenseitig mit immer neuern engern Zauberbanden. Semona war heute so unbeschreiblich schön, ihre großen herrlichen Augen glänzten in solch milder hingebender Wonne, ihre reizenden, frischen Lippen waren von so seligem Lächeln umspielt, und jede Bewegung ihres schönen Körpers war so graziös und doch so lieblich und natürlich! Sie hatte prächtige goldene Spangen um ihre vollen weichen schwarzen Arme gelegt, ein reiches Perlenband hing über ihren schwellenden Busen und um die glänzenden Löckchen ihres schönen Kopfes lag eine Guirlande von wundervollen frischen Blumen gewunden, die Buardo in der Frühe für sie gesammelt hatte. Von dem Arm des Geliebten umschlungen, schmiegte sie sich an seine Brust und ließ seine Rechte in ihren kleinen Händen ruhen.

»Du hast mir aber noch Nichts über Deine Heimath, über Deine Vergangenheit mitgetheilt, beste, süßeste Semona!« sagte Buardo endlich, nachdem er der Geliebten wieder unverbrüchliche ewige Treue geschworen hatte.

»Du hast mir ja noch keine Zeit dazu gegeben und ich habe sie mir noch nicht genommen; wo könnten wohl meine Gedanken mehr Glück, mehr Seligkeit finden, als in der augenblicklichen Gegenwart!«

»Diese Seligkeit soll uns doch nicht für einen Augenblick verlassen, wenn wir auch der weniger glücklichen Vergangenheit gedenken, mein süßes Lieb! Komm, sage mir, wo ist Deine Heimath und wer sind Deine Eltern?« erwiederte Buardo und erstickte durch einen innigen Kuß für einen Augenblick die Antwort auf den brennenden Lippen der schönen Negerin.

»Südöstlich von Tibesty in den Bergen bei Segah wohnen meine Eltern und durchwandern Jahr aus Jahr ein mit ihren Heerden die reichen Thäler zwischen denselben. Ich bin die älteste von acht Schwestern und wurde achtzehn Jahr alt, als mir mein Vater anzeigte, daß er mir einen reichen Herrn verschaffen wolle. Du weißt, Buardo, bei uns ist es Brauch, daß die Mädchen von ihren Eltern verkauft werden, weniger des Geldes halber, welches diese aus ihnen lösen, als darum, weil sie glauben, das Glück ihrer Kinder dadurch zu begründen. Welchem Glück mich mein Vater dadurch entgegenführte, weißt Du, Herzinniggeliebter! Wie sehr unglücklich würde ich geworden sein, hätten es die Götter nicht gut mit mir gemeint und Dich mir als Retter zugeführt!«

Eine Thräne des Schmerzes und der beglückendsten Dankbarkeit glänzte bei diesen Worten in dem dunkeln Auge des lieblichen Mädchens, und Buardo küßte sie mit stürmischer Leidenschaft hinweg, indem er sagte:

»Und Dich mir als Engel zugeführt, der mein Leben in einen irdischen Himmel verwandeln sollte. Ich schreibe diese Gnade, diese Barmherzigkeit aber nur einem Gotte zu, beste Semona, nur einem gütigen, liebevollen Schöpfer der unzähligen Welten, die unsere Augen wahrzunehmen im Stande sind. Wie könnte eine solche Ordnung, eine solche Übereinstimmung und ein solches Ineinandergreifen und Zusammenwirken in dem ganzen Weltall herrschen, wenn viele Götter bei dessen Erschaffung mitgewirkt hätten? Ich bin Christ und danke diesen Glauben den frommen, weißen Männern in der Mission von Cape Coast im Lande der Fantis an der Küste des großen Meeres, wohin mich mein Vater als Knabe sandte, und mich dort erziehen ließ. Die Verschiedenheit unseres Glaubens aber, süßes Mädchen, kann unserer Liebe niemals Abbruch thun; vielleicht wählst Du später auch selbst den meinigen. Keinenfalls ist es ein guter Glaube, der dem einen Menschen erlaubt, den andern zu verkaufen, und selbst unter meinem Volke, welches auch noch viele Gottheiten verehrt, hält man es nicht für Recht, mit Menschen Handel zu treiben. Zwar ist es auch bei uns dem Manne erlaubt, so viele Frauen zu halten, als er ernähren kann, der Christ aber darf nur eine Frau haben; willst Du denn diese meine eine Frau werden. Du mein einzig geliebtes Mädchen?«

»Ob ich es will, mein Buardo, – wird mich Deine ungetheilte Liebe nicht überglücklich, grenzenlos selig machen? Weißt Du nicht, fühlst Du es nicht, daß auch in meinem Herzen nur Raum für einen Mann, nur für Dich, mein Heißgeliebter, für alle Ewigkeit sein wird?« entgegnete die glückliche Semona mit leiser, hinsterbender Stimme, schlang ihre zarten Arme um den geliebten Jüngling und preßte ihn mit seelenvoller Innigkeit an ihr hochschlagendes Herz.

Die Liebenden würden nicht daran gedacht haben, daß der Mensch, um zu leben, auch Nahrungsmittel zu sich nehmen müsse, wenn nicht Corzaris sie daran erinnert und sie aufgefordert hätte, sich nach dem Zelte ihres Gebieters zu begeben, und dort das späte Mittagsmahl einzunehmen. Mit Leidwesen, sich, wenn auch nur für kurze Zeit, zu trennen, folgten sie der Aufforderung, doch mit dem Versprechen, sich baldmöglichst wieder auf ihrem Lieblingsplatz zusammenzufinden.

Der Tag neigte sich und die Strahlen der Sonne verloren schon ihre verzehrende Gewalt, als Buardo das Zelt Sarszan's verließ und sich nach dem Lager seiner Leute begab, um die Karavane abreisen zu sehen. Er gab derselben außer dem Führer, der den Brief an seinen Vater trug, noch drei Jäger bei, und von Sarszan waren vier seiner Diener erwählt, die den Zug mit sechs Kameelen begleiten sollten. Alle waren gut bewaffnet, sowie mit den nöthigen Lebensmitteln versehen, und als die Sonne hinter dem fernen niedrigen Horizont versank, verließen die Reisenden das Lager, setzten in kurzer Entfernung oberhalb desselben über den Strom und verschwanden bald daraus in der Staubwolke, die hinter ihnen aufwirbelte, vor den Blicken des ihnen nachschauenden Buardo. Alle seine heißesten Wünsche für eine baldige glückliche Rückkehr begleiteten sie und immer noch stand er und schaute dem in blauer Ferne verschwindenden Staubwölkchen nach, als ein weicher Arm sich leise um seine Schulter legte und Semona ihn an ihr Herz drückte. Die Ungeduld, die Sehnsucht nach dem Geliebten hatte ihr keine Ruhe im Lager gelassen, sie war ihm gefolgt und hatte sich ihm so leise und geräuschlos genaht, daß es ihr vollkommen gelungen war, ihn so urplötzlich zu überraschen.

»Meine Semona, mein geliebtes Mädchen!« rief Buardo in seiner glücklichen Ueberraschung ans und: »Mein Buardo, mein Alles, mein Leben!« sagte die schöne Negerin mit kaum lauter Stimme, indem sie sich fester in seine Anne schmiegte.

Die Sonne war versunken, der Abendhimmel glühte in Purpur und Gold über der weiten, wüsten Landschaft, in der hier und dort lange gelbe Streifen unwirthsame sandige Flächen bezeichneten und zwischen denselben sich frischgrüne Inseln erhoben, aus denen üppige Palmenhaine emporstiegen. Der Abendwind war wieder erwacht, auf seiner erfrischenden Kühle schwebten rothe und weiße Reiher über der rauschenden Fluth, und wohlthuend umspielte sein leiser Hauch die schönen Gestalten der beiden Liebenden.

Arm in Arm wandelten sie schweigend am Ufer hin, durch die feierliche Ruhe, die rund um auf der Gegend lag und die nur von dem Rauschen der Wogen und von dem Plätschern der goldenen Fische unterbrochen wurde, die spielend aus der Fluth emporsprangen. Die Nacht bebte über die Erde, als Buardo mit der Geliebten das Lager Sarszan's erreichte, da stieg der Mond roth und glühend über dem Hügelland an den Ufern des Zirmiflusses auf und beleuchtete die höchsten Wipfel der Palmen, die sich aus dem Hain, in welchem das Lager stand, erhoben. Das Feuer vor Sarszan's Zelt war schon angefacht und verdrängte mit seinem rothen Licht die Schatten, welche noch auf dem Grunde des Waldes lagen, und der Händler selbst ruhte vor seinem Zelte auf weichen Teppichen.

»Haben die Leute ihre Reise angetreten und hast Du ihnen Eile anempfohlen?« fragte er Buardo, als dieser sich in seiner Nähe niederließ, um sich mit ihm von Corzaris bei der Abendmahlzeit bedienen zu lassen.

»Sie sind schon viele Meilen von hier, mein Auge ist ihnen bis in die blaue Ferne gefolgt. Spät und früh werden sie reiten, und ehe der Mond seine neue Sichel zeigt, kehren sie sicher mit reicher Ladung für Dich hierher zurück. Du sollst mit Buardo zufrieden, sein,« entgegnete dieser und Sarszan nickte einigemale mit dem Kopfe.

Die Bereitung des Abendessens nahm alle Geduld Buardo's in Anspruch, er wäre gern, ohne an dem Mahl Theil genommen zu haben, nach dem Myrthenbaum geeilt. Endlich brachte Corzaris die Speisen und den dampfenden Kaffee; doch so sehr Sarszan sich an dem Genuß derselben ergötzte, so wenig Geschmack konnte Buardo ihnen abgewinnen. Wieder und wieder blickte er nach dem großen Zelt des Händlers, in welchem Semona sich befand, und als er diese endlich aus demselben hervor und in dem, zwischen den Palmen zitternden Mondlicht dahingleiten sah, sprang er rasch auf und lehnte es ab, bei dem Händler noch eine Pfeife zu rauchen. Mit eiligen Schritten hatte er die Geliebte erreicht, die ihm mit offnen Armen ihres Herzens Willkommen zurief, und bald saßen sie wieder in ihrem Paradies unter dem Myrthenbaum, wo Buardo den Teppich, den er auf seinem Arm trug, für die Theure ausbreitete.

Der Mond stieg höher und höher, wärmer und beseligender schlugen die Herzen der beiden Liebenden, und heller und glühender flackerten die Flammen des Feuers vor dem Zelte Sarszan's empor. Bald ertönte von dort her auch wieder der Wald in rauschender, wilder Musik, die von den Sclavinnen des Händlers angestimmt wurde, deren heute Nacht ein ganzes Dutzend vor dem Herrn tanzte.

Buardo und Semona aber verschlossen ihr Ohr vor jenen wilden, betäubenden Weisen, sie wandten sich ab von dem blendenden Schein des Feuers, süßere, mildere Klänge durchbebten ihre Seelen und eine zartere, heiligere Gluth, mild und schmachtend, wie das Licht des Mondes, durchströmte ihre Herzen.

Die Stunde der Mitternacht war schon nahe, als die Musik verrauschte, das Feuer vor Sarszan's Zelt erlosch und der Wald in lautlose Ruhe versank. Nur unter dem Myrthenbäume hörte man noch die leisen Worte der Liebe von Buardo's und Semona's Lippen, und hoch über ihnen säuselten die Palmen in der kühlenden Abendluft.

Plötzlich erdröhnte der Wald wie Donner, und die furchtbare Stimme eines Löwen ließ die Erde erzittern. Entsetzt preßte Buardo die Geliebte an sein Herz und riß den Dolch aus seinem Gürtel hervor. Sein Auge stierte spähend zwischen den Riesenstämmen des Waldes hin, um in den einzelnen, durch das hohe Laubdach fallenden Mondlichtern den furchtbaren Feind zu erkennen. Jetzt bewegte es sich in dem Schatten, die mähnenumwogte Riesengestalt des Löwen trat hinter dem Schatten einer Palmengruppe hervor und schritt lautlos mit majestätischem Gang durch den Wald. Kaum noch dreißig Schritt von Buardo und Semona entfernt, blieb das Königsthier zwischen ihnen und der Kohlengluth vor Sarszan's Zelt stehen, richtete sein mächtiges Haupt nach deren rothem Schein hin, schwang den gewaltigen Schweif hoch durch die Luft und stieß nun sein Donnergebrüll abermals mit solcher Gewalt aus, daß es dröhnend durch den Wald schallte und das Echo in weiter Ferne die Stimme dieses Herrschers der Wildniß wiederholte. Semona zitterte in dem Arm ihres Geliebten, der sich fest an den Baumstamm drückte, um in dessen Schatten dem Blick des furchtbaren Feindes zu entgehen. Beide wagten es kaum, zu athmen, und hörten mit Bangen die Schlage ihrer eigenen Herzen. Doch der Löwe schien seine Aufmerksamkeit nur auf die Kohlengluth und die ihm fremden Zelte zu richten, wieder ließ er seine Stimme donnern, als wolle er seine Entrüstung über das Eindringen von Fremdlingen in sein Reich zu erkennen geben, und wandte dann sein Haupt nach der Richtung hin, von woher er die Pferde und Kameele witterte. Eilig und geräuschlos schritt er durch den Wald, und schon hörte man die verwirrten Tritte der Thiere auf der Weide, als Buardo die Geliebte auf seinen Arm hob und im Flug mit ihr nach Sarszan's Zelt eilte. Dort hatten sich sämmtliche Diener mit ihren Waffen um ihren Herrn geschaart, als Buardo seine theure Bürde niedersetzte und, sein Doppelgewehr ergreifend, davon sprang.

»Buardo, mein Buardo!« schrie Semona mit verzweifelnder Stimme ihrem Geliebten nach, doch dieser hörte sie nicht und hatte in wenigen Augenblicken das Ende des Waldes erreicht, wo er in dem hellen Licht des Mondes die entsetzte Schaar der Pferde und Kameele in wilder Flucht nach allen Richtungen hin über die Weide jagen sah. Zugleich ließ der Wüstenherrscher seinen Schlachtruf ertönen und folgte in ungeheuren Sätzen seiner erwählten Beute. Buardo erkannte in der verschwimmenden Ferne, wie der Löwe sich rasch einem fliehenden Kameele näherte, jetzt hatte er es ein- geholt, noch einen gewaltigen Sprung, er saß dem Thier auf dem hohen Rücken, und von der Todesangst getrieben, stürmte dieses nun in rasendem Lauf über die Grasfläche heran, um im Lager bei seinen Wärtern Rettung zu suchen. Wie eine Riesengestalt kam das mächtige Kameel mit dem colossalen wilden Reiter auf seinen Schultern durch das Mondlicht herangesaust, daß die üppigen Pflanzen unter seinen Hufen weit hinter ihm durch die Luft flogen und die Erde unter seinen Tritten erdröhnte. Buardo stand mit dem Gewehr an der Schulter und das kühne Auge auf die dunkele Form des Löwen geheftet, an der letzten Palme des Haines, als das Kameel in seinem Todeslauf heranjagte, sich in kurzer Entfernung vor dem jungen Negerfürsten hoch aufbäumte und, mit seinem Mörder sich überschlagend, zusammenstürzte. In diesem Augenblick blitzte es aus dem Rohr Buardo's, der Krach des Gewehrs donnerte durch die Nacht und der Löwe sprang, schwer getroffen, mit Wuthgebrüll von seiner Beute ab und seinem Feinde entgegen. Mit zwei ungeheuren Sprüngen hatte er Buardo bis auf wenige Schritte erreicht, als dieser abermals Feuer gab und der Löwe ein Rad schlug. Doch im selbigen Moment war er wieder hoch, stieß abermals seinen furchtbaren Kampfruf aus und flog auf seinen Widersacher zu. Er stürzte aber gegen den nackten Stamm des Baumes, denn Buardo war hinter denselben gesprungen und stieß nun dem, schon tödtlich getroffenen grimmigen Thiere seinen langen Dolch durch das Herz. Mit dumpfem Todesröcheln sank der kolossale schwarzbemähnte Löwe zusammen und zerfetzte im Sterben den Schaft der Palme, die seinen Gegner vor seinen Klauen geschützt hatte. In diesem Augenblick eilte Semona mit hochgeschwungener Axt aus dem Walde hervor und, dieselbe mit einem Schrei höchsten Glückes von sich werfend, fiel sie dem Geliebten in die Arme.

»Meine Semona, Du wolltest Deinem Buardo beistehen?« rief dieser und drückte das geliebte Mädchen an sein Herz, während sie ihre Freudenthränen an seiner Brust verbarg.

Es war ein Augenblick beseligender Wonne, in dem sich die Liebenden umschlungen hielten, und Beide dankten schweigend ihrem Gotte für die Erhaltung ihres Glückes.

»Dieses abscheuliche Thier hätte mir bald meinen Buardo geraubt!« sagte Semona im Uebermaße ihres Glückes und schmiegte sich, auf den erlegten Löwen zeigend, zärtlich an den geliebten Jüngling, worauf dieser sich über das Thier neigte, um seinen Dolch auf dessen Mähne von Blut zu reinigen, indem er sagte:

»So soll es einem jeden Störer unserer Liebe ergehen!«

Sie eilten nun zu Sarszans Zelt zurück, wo sie noch dessen sämmtliche Diener um denselben versammelt fanden und wurden von ihnen mit lauter Freude und Bewunderung begrüßt, denn, daß Buardo unter den Klauen des Löwen seinen Geist ausgehaucht hätte, darüber waren sie alle außer Zweifel gewesen. Das getödtete Thier wurde nun im Triumph zu dem aufgefrischten Lagerfeuer geschleift und von Einigen der Sclaven seines prächtigen Kleides beraubt.

Viele von Buardo's Jägern waren auch mit ihren Waffen herbeigeeilt, da sie die Stimme des Löwen gehört hatten, und waren hocherfreut, als sie denselben todt und ihren jungen Herrn unverletzt als dessen Sieger erblickten.

Ungestört und ungetrübt schwanden nun die Tage in dem Lager Sarszans, der Mond zeigte wieder seine Sichel und Buardo sah nun von Stunde zu Stunde der Rückkehr seiner Boten entgegen. Oft wandelte er Morgens und Abends mit Semona an seiner Seite nach dem Lager seiner Leute, und spähete dort von dem hohen Ufer des Stromes über die weite öde Landschaft, um in der Ferne eine nahende Staubwolke zu erkennen, die ihm seine rückkehrenden Reiter anmelden sollte; doch immer noch bemühte sich sein Auge vergebens.

Eines Abends bei Sonnenuntergang saß er auch mit Semona an dem grünen saftigen Ufer und hatte ihr Blumen gepflückt, welche sie sinnig zu einem Kranze verflocht, als plötzlich sein Blick in weiter Ferne vor einer der vielen Palmeninseln ein Wölkchen gewahrte, welches sich näher zu bewegen- schien. Noch einmal spähete er nach jener Richtung hin, dann sagte er mit freudiger Ueberraschung:

»Dort, Semona, dort kommen sie und bringen Dir Deine Freiheit.«

»Und Dir den unumschränkten Besitz Deiner Semona!« entgegnete das liebende Mädchen und schlang freudetrunken ihre Arme um den Geliebten.

Die Staubwolke nahte sich rasch, und bald konnte Buardo für Augenblicke Reiter mit Pferden und Kameelen in ihr erkennen. Der neue Mond versank und die Sterne blitzten und spiegelten sich auf den Wellen des dunkeln Stromes, als die Karavane durch dessen Wogen zog und das Lager der Jäger erreichte.

Mit lautem jubelnden Willkommen wurden die Wanderer begrüßt und Buardo erfuhr zu seiner Freude, daß die Ladung, die sie brachten, reicher war, als er es erwartet hatte.

Er geleitete sie nun zu dem Lager Sarszans, wo den Kameelen die schwere Last der Elephantenzähne abgenommen wurde, und übergab dieselben dem Händler nebst den Beuteln mit Goldstaub, die ihm sein Vater sandte.

Sarszan war überrascht und erfreut, denn auch seine Erwartung war weit übertroffen, und mit feierlichem Tone erklärte er, daß Semona von nun an das unumschränkte Eigenthum Buardo's sei. Er reichte diesem die Hand und wünschte ihm Glück zu seinem Kauf.

Semona's Freude kannte keine Grenzen, sie lachte, sie weinte, sie küßte ihrem Retter, ihrem heißgeliebten Buardo die Hände, und wußte nicht, was sie Alles thun sollte, um ihm ihre Dankbarkeit, ihre tiefe glühende Liebe zu erkennen zu geben, und Buardo's Herz zitterte vor Seligkeit bei dem Gedanken, daß nun sein höchster irdischer Wunsch erfüllt sei.

Schon am folgenden Morgen, als der Tag graute, nahmen sie Abschied von dem Händler und von allen seinen Dienern; Buardo hob die Geliebte auf seinen Rappen, bestieg selbst das Pferd eines seiner Jäger und dem Ort, wo sie ihr unabsehbares Glück gefunden hatten, noch ein letztes Lebewohl zuwinkend, eilten sie von bannen der Heimath Buardo's zu.

Nach einer beschwerlichen Reise von acht Tagen erreichten die Wanderer die erste Stadt in dem Gebirgslande der Annagu's und mit Freude und Jubel begrüßten deren Bewohner ihren geliebten Königssohn und dessen schöne zukünftige Frau. Ihre Erscheinung war unerwartet gekommen, weshalb man sie nicht schon außerhalb der Stadt empfangen hatte. Kaum aber wurde Buardo's Ankunft bekannt, als der Cabozir oder erbliche Häuptling der Stadt und Umgegend mit seinen Beamten, seinen Kriegern und Musikanten auf dem Marktplatz erschien und dem Sohn seines Königs seine Huldigung brachte. Er selbst, sowie auch seine Beamten warfen sich nach Landessitte mit gekreuzten Armen vor ihm auf die Erde nieder und bedeckten dann ihre Häupter mit Staub. Darauf hieß der Cabozir ihn willkommen, führte ihn mit seiner Braut unter einen prächtigen dichtbelaubten Baum und ließ ihn mit Semona auf schön gearbeiteten Strohmatten Platz nehmen. Nun begannen die Krieger, von denen nur die wenigsten Feuerwaffen besaßen, ein anhaltendes unregelmäßiges Gewehrfeuer, andere stimmten eine wilde rauschende Musik an und noch andere führten zu Ehren des jungen Monarchen einen schwerfälligen Tanz auf. Nach Beendigung der Feier geleitete der Cabozir seine hohen Gäste nach seinem Hause, einem aus Lehmwänden aufgeführten und mit Schilf gedeckten niedrigen Gebäude mit vielen Zimmern und wies ihnen dort eine Wohnung an. Man brachte ihnen in großen Kürbisschalen schmackhaft zubereitete Speisen, die aus Mehlbrei, gebratenem Geflügel und Kankie (Maisbrod) bestanden und reichte ihnen Palmwein und Peto zur Erfrischung. Am folgenden Morgen gab man dem zukünftigen Könige unter lautem Jubel, Gewehrfeuer und Musik das Geleit aus der Stadt und wünschte ihm eine glückliche Reise, während schon mehrere Boten in der Nacht nach der nächsten Stadt abgesandt waren, um dort den Cabozir von dem Besuche Buardo's im Voraus zu benachrichtigen. Mit gleicher Freude und gleicher Unterwürfigkeit wurde der junge Mann allenthalben von den Bewohnern der Ortschaften empfangen, bis er am zweiten Tage sich der Residenz seines Vaters, der Hauptstadt Zogalo, näherte. Noch eine Meile von derselben entfernt, kamen ihnen die Abgesandten des Königs mit Soldaten und Musikanten entgegen, um ihn und seine Braut nach der Stadt zu geleiten. Die Einwohner drängten sich schon an den Thoren mit Ungestüm zu ihm heran, um ihn zu begrüßen und die Braut zu sehen, von deren Schönheit man schon so viel gehört hatte. Unter fortwährendem Gewehrfeuer, tobender Musik und den Freuderufen des Volks erreichte der Zug den Marktplatz, wo der König der Kommenden harrte und wo seine Beamten sich, zu deren Empfang bereit, aufgestellt hatten.

Kaum erkannte Buardo, über die wogende Menge hinwegblickend, den König, als er vom Pferde sprang, Semona von dem ihrigen hob und sie an seiner Hand mit ungestümer Eile seinem Vater zuführte. Beide fielen vor ihm auf ihre Kniee nieder, Beide suchten ihrem Dankgefühl Worte zu geben und Beide drückten ihre Lippen auf die Hände des Greises und benetzten sie mit ihren Thränen; doch der König hob sie zu sich auf an seine Brust, auch ihm gingen die Augen über; freudebebend preßte er die Kinder an sein beglücktes Herz, und wie ein Sturm schallte der Jubel des Volkes über den Platz.


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