Armand (Strubberg, Friedrich)
Die Rache des Mestizen
Armand (Strubberg, Friedrich)

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Hotel »Concordia«

Das Jahr 1825 neigte sich seinem Ende zu, als Frank Arnold der erste Sohn geboren wurde. Es war ein Jahr vielfachen Segens für ihn gewesen. Seine Arbeit trug reiche Früchte, seine Besitzung und damit sein Wohlstand vergrößerten sich zusehends.

Anders sah es bei Ralph Norwood aus. Das Geld, das er von der Versicherungsgesellschaft erhalten hatte, war bald vertan. Das neue Wohnhaus mit seinen kostspieligen Einrichtungen, Ställe, Vorratshäuser, Negerwohnungen verschlangen einen Teil. Eine Kutsche, Reitzeuge und alle möglichen Luxusartikel einen weiteren, und den Rest sein Lebenswandel.

Dauernd war er unterwegs, bei keiner Jagd, keinem Hahnenkampf und Pferderennen fehlte Norwood. Um sich beliebt zu machen, hielt er in den Trinkhäusern seine Bekannten immer frei. Seinen Negern fehlte die Aufsicht. So faulenzten sie und brachten ihm auch keinen Nutzen.

Ralph begann seine besten Stuten, Kühe und Säue zu verkaufen. Er spielte wieder und kam häufig betrunken nach Hause. Dann peitschte er die Sklaven und tobte im Hause herum. Eloise verbrachte manche Nacht in Tränen. Wie bitter bereute sie schon längst diese Ehe! Wie ganz anders hatte sie sich ihr Leben gedacht! Seitdem seine erste Leidenschaft verrauscht war, vernachlässigte Ralph sie immer mehr. Oft sah sie ihn viele Tage lang nicht. Allmählich fand sie sich damit ab. Sie fühlte sich als Mutter und vergaß ihren Kummer mehr und mehr über diesem Gefül glücklicher Erwartung.

Es war nach einer wilden durchzechten Nacht, als Ralph von der Nachricht überrascht wurde, daß er einen Sohn bekommen habe. Er tauchte seinen Kopf in kaltes Wasser und eilte zu Mutter und Kind.

Der Anblick des kleinen Wesens, das sein Fleisch und Blut war, rührte ihn sichtlich. Er ergriff Eloises Hand, und stumm versöhnten sich die beiden Gatten. Noch einmal gewannen Ralphs gute Eigenschaften die Oberhand.

Er gab seine unstete Lebensweise auf, blieb tagsüber mit seinen Negern bei der Arbeit und verbrachte die Abende bei Frau und Kind. Er machte einen Überschlag über seinen Vermögensstand und fand seine Lage mißlicher, als er gedacht hatte. Die Gläubiger drängten. Seinen Viehstand durfte er nicht weiter schwächen, und das Land war niedrig im Preis.

Da hörte er, daß zwischen Tallahassee und Columbus ein regelmäßiger Postverkehr eingerichtet werden sollte. Er kannte den Unternehmer, dem der Staat die Beförderung der Wagen verpachtet hatte, und schlug ihm vor, sein Haus als Stationsort einzurichten, in dem Pferde gestellt würden und die Fahrgäste bewirtet werden könnten. Der Mann war damit einverstanden.

Zuerst war Eloise der Gedanke unangenehm, daß nun fremde Menschen in ihren häuslichen Kreis Eintritt erhalten sollten.

»Ach, sie erhalten ihre Beköstigung und Schlafstelle, zahlen ihr Geld und reisen weiter«, sagte Ralph. »Sie stören uns nicht. Im Gegenteil, wir werden manche angenehme Unterhaltung haben und immer alle Neuigkeiten aus Nord und Süd hören. Es fragt sich nur, ob du einer Wirtschaft vorstehen willst?«

»Ich hoffe, ich kann es! Nur möchte ich nicht gern, daß hier alkoholische Getränke ausgeschenkt werden. Ich glaube, wir würden uns dadurch manche Unannehmlichkeit ersparen.«

Ralph gab ihr Recht. Sie kamen überein, ihr Hotel »Concordia« – Eintracht – zu nennen. Um die notwendigen Bettgestelle und Einrichtungsgegenstände zu erhalten, mußte Ralph die meisten seiner Neger verkaufen.

Als nach einigen Wochen die neue Postlinie eröffnet wurde, prangte an der Landstraße ein mächtiges Schild »Hotel Concordia«. Die Reisenden kehrten gern in dem schmucken und sauberen Haus ein, das bald im Ruf eines vorzüglichen Essens stand.

Ralph sagte seine neue Beschäftigung als Wirt sehr zu. Er unterhielt sich mit seinen Gästen und besorgte höchstens Wildbret oder Fische für die Küche. Dann war er tagelang auf der Jagd oder beim Angeln, immer häufiger verkehrte er wieder in den Trinkhäusern der Nachbarschaft.

Eloise merkte das wohl, aber sie hatte so viel zu tun, daß sie sich nicht mehr einsam fühlte. Keimten trotzdem trübe Gedanken in ihr auf, so verscheuchte sie ein Blick auf ihren Jungen, der sich zusehends prächtig entwickelte.

Ralph rief einen Neger, ihm sein Reitpferd zu bringen.

»Willst du uns schon wieder allein lassen?« trat Eloise zu ihm. »Wenn nun die Indianer kommen ...«

»Die kommen nicht! Denn Tallihadjo ist mein Freund! Wirst dich aber wohl für längere Zeit an das Alleinsein gewöhnen müssen. Ich habe mich der Regierung als Indianeragent angeboten. Für die Eingabe fehlen mir nur noch ein paar Unterschriften. Die Pflanzer halten mich für den richtigen Mann, sie von der roten Landplage zu befreien. Die Rothäute aber trauen mir wegen meiner Mutter, und weil ich ihre Sprache rede. Ich bin also der richtige Unterhändler für beide Parteien. Und der Posten wird sehr gut bezahlt. Natürlich muß ich dauernd unterwegs sein. Aber das hilft nun mal nichts! Meine Gläubiger müssen sich auch damit abfinden!«

Mit einem spöttischen Auflachen wandte er sich dem Neger zu, der mit seinem Pferd herbeikam. Aber er stieg noch nicht auf, sondern sah neugierig den Weg hinunter, der von der Landstraße her zum Hotel führte. Von dort näherte sich ein leichter zweirädriger Wagen, dessen Verdeck zurückgeschlagen war. Neben dem Kutscher, einem halbwüchsigen Neger, saß ein eleganter weißer Herr.

Das Cabriolet hielt vor dem Hause. Der Fremde nahm höflich den breitrandigen Strohhut ab und erkundigte sich, ob er für einige Tage Unterkunft haben könnte.

»Sie sind uns willkommen«, sagte Ralph. »Ich darf mich rühmen, Ihnen das schönste und bequemste Haus in dieser Gegend zur Verfügung stellen zu können.«

Zweifellos war der Fremde sehr reich. Das ersah Ralph aus seinem gepflegten Äußern, seiner feinen Kleidung und an einem Ring mit einem auffallend wertvollen Stein. Montclard, so stellte sich der Fremde vor, war lungenleidend. Seine Ärzte hatten ihm eine Reise in den Süden empfohlen, weil sie sich von der klimatischen Veränderung eine günstige Wirkung auf seinen Gesundheitszustand erhofften.

Eloise schickte ihm das Mittagessen auf sein Zimmer. Erst gegen Abend sah sie ihn wieder, als sie mit ihrem Jungen im Garten spazierenging. Er sagte ein paar artige Worte zu ihr und gab der Hoffnung Ausdruck, ihr nicht lästig zu fallen. Die Gesellschaft eines Kranken sei nicht angenehm.

Mitleid bewegte Eloise. Herzlich versprach sie Montclard, alles zu tun, daß er sich hier wie zu Hause fühle.

Auch das Abendessen ließ sich der Fremde auf sein Zimmer bringen. Eloise legte ihr Söhnchen Tom ins Bett. Bald darauf kam Ralph zurück.

»Das Gesuch an die Regierung ist fertig. Ich muß nach Washington reisen, um es selber zu überbringen«, erklärte er.

»Willst du Tom und mich wirklich hier allein lassen? Wenn nun die Feindseligkeiten mit den Seminolen ausbrechen, wer hilft uns?«

»Ich werde nicht lange fortbleiben«, sagte Ralph ungehalten. »Sieh lieber nach, wo das Abendbrot bleibt!«

Eloise begab sich in die Küche. Ralph warf sich in einen Armstuhl und streckte seine Beine zum Kaminfeuer hin. Dabei fielen seine Blicke auf das Arbeitstischchen seiner Frau. Da lag ihr Schlüsselbund. Schnell sprang er auf, nahm es und eilte zu Eloises Schreibtisch. Flink schloß er die unterste Schublade auf, entnahm ihr ein kleines Paket, verschloß die Lade wieder und legte die Schlüssel auf das Arbeitstischchen zurück.

Dann setzte er sich in den Armstuhl. Indem er nach der Tür horchte, öffnete er das Paket. Eloises Brillantschmuck blitzte ihm entgegen. Zufrieden lächelnd versenkte er ihn in seine Rocktasche. Als Eloise zurückkam, nahm sie ahnungslos die Schlüssel an sich.

Schweigend aßen beide zu Abend. Sie waren eben fertig, als Montclards Negerjunge erregt ins Zimmer gestürzt kam und jammerte, sein Herr läge im Sterben. Entsetzt sprang Eloise auf. Sie rief Eve, die Sklavin, die ihr in Haus und Küche half, und lief mit ihr und Ralph zu dem Kranken.

Montclard lag regungslos und ohne Lebenszeichen auf seinem Bett. Eve beleuchtete ihn mit dem Licht.

»Bleib hier!« befahl Eloise der Negerin. »Ich hole Tropfen!« Als sie das Zimmer verließ, folgte ihr Ralph.

»Ich gehe schlafen«, sagte er. »Der Kerl pfeift auf dem letzten Loch, da ist nicht viel zu machen. Aber pflege ihn nur gut, dann lebt er vielleicht noch ein paar Wochen. Er ist reich und kann dafür bezahlen.«

Der Kranke lag noch immer mit geschlossenen Augen. Behutsam flößte sie ihm die Arznei ein. Dann wusch sie ihm Stirn und Schläfen und legte ihm ein feuchtes Tuch aufs Herz. Nach etwa zehn Minuten zeigte sich die Wirkung der Tropfen. Montclard bewegte sich und öffnete die Augen. Allmählich kam er zum Bewußtsein. Dankbar sah er Eloise an.

Sie wünschte dem Kranken eine gute Nacht. Dann ging sie mit müden Schritten ins Wohnzimmer und öffnete nochmals ihren Schreibtisch. Der Schmuck war verschwunden.

Wer konnte ihn entwendet haben? Eve oder die anderen Sklaven? Nur Eve kam in dieses Zimmer, aber sie konnte keine Ahnung von dem Schmuck haben. Nur Ralph wußte von ihm. Und Eloise entsann sich, daß sie heute abend ihre Schlüssel auf dem Arbeitstischchen hatte liegen lassen.

War Ralph der Dieb? Sie wollte es nicht glauben! Sie wußte, daß sie Ralph gleichgültig geworden war. Er belog sie, er lebte sein Leben für sich, ein Leben, das sie nur mißbilligen konnte. Er liebte es, nicht zu arbeiten. Er brachte es über sich, sie und das Kind in so ernster Zeit allein zu lassen. Eloise weinte bitterlich. Ralph wußte, wie sehr sie an ihrem Schmuck hing, nicht seines Wertes wegen, sondern weil er die letzte Erinnerung an ihre geliebte Mutter war. Wenn er ihr wirklich diesen Schmuck genommen hatte, dann konnte sie nichts mehr für diesen Mann fühlen.


 << zurück weiter >>